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8 Berlin 4. Mai. Hier stürzte sich heute in folge bitterer Not eine 32jährtge unverheiratete Arbeiterin mit ihrer 5jährigen Tochter aus dem 5. Stock auf den gepflasterten Hof hinab. Beide waren sofort tot. — An der heurigen Börse ver lautete, daß die Firma Rudolf Hertzog von der Dis kontogesellschaft in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden soll. Vor etwa einem Jahre wurde die Firma in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung umgewandelt. 8 Wegen anarchistischer Umtriebe war vor einiger Zeit in Hamburg gegen 17 Personen die Anklage erhoben worden. Erne ganze Reihe der Angeklagten war flüchtig geworden. Wie jetzt das Oberlandes- ge.icht in Kiel dem ersten Staatsanwalt in Hamburg mitteilt, ist das Verfahren gegen die 17 Personen endgiltig eingestellt. Z Die Alsterins el, welche in Humburg künstlich hergestellt werden soll bei der Feier für die Eröffnung des Nordost'eekanslö, erheischt einen Kosten aufwand von 15000^ Mk. Die Jnwl muß durch Pfahleinrammungen auf dem Moorgrund der Alster hcrgestellt und gü.ch nach der Festlichkeit wieder be seitigt werden. Auf di.,er Insel soll der Kaiser nach dem Festdiner Cerkie ur.er seinen Gästen abhalten. Zn Hamburg war keine besondere Stimmung für diesen Aufwand. Aber der Plan für die Hsrstellung dieser Ja,el stammt aus der Initiative des Kaisers, welcher sich von seiner Insel einen besonders schönen Eindruck verspricht. Im Ganzen hat Hamburg einen K-edit von 500000 Mk. für die Festlichkeit dieses Tages bewilligt. Man glaubt aber, daß in Wirk lichkeit die Kosten den Betrag von 1 Million Mk. übersteigen werben. Das Kuvert für das Festessen kostet 75 Mk. Z Zur Eröffnung des Nordostseekanals. Dem Reichstage ist bekanntlich jetzt der Nachtragsetat zu gegangen, der 1,700,000 M. für die Eröffnung des Norsostseekanalö verlangt. Dieser Fonds wird dem Reichskanzler zur Verfügung gestellt, welcher densel ben auf die beteiligten Ressorts nach Bedarf zu ver teilen haben wird. In der dem Nachiragsetat bei- gegebsnen Denkschrift heißt es, der Wunsch erscheine berechtigt, daß die Erschließung des dem internatio nalen Verkehr dienenden neuen Weges, wie es bei der Eröffnung des Suezkanals und der Gotthard- Eisenbahn geschah, ihre Weihs auch in Gegenwart der von Vertretern der am Weltverkehr vorwiegend beteiligten Nationen empfängt. Ihnen soll Gelegen heit gegeben werden, die Leistungen deutscher Technik und Industrie in der Herstellung von Wasserstraße!! und gleichzeitig die durch die Verbindung der beiden Meere erzielte Erhöhung der maritimen Kraft unserer Kriegsschiffe kennen zu lernen. Weiter führt die Denkschrift aus: „Die BedarfLsumme läßt sich, zu mal sie wesentlich von der noch ungewissen Zahl der Teilnehmer abhängt, im Voraus mit Zuverlässigkeit nicht ermitteln, dürfte aber mir 1,700,000 M. nicht zu hoch gegriffen sein. Die entstehenden Kosten ver- ; teilen sich auf zwei Hauptgruppen, von denen die erste die Kosten der allgemeinen für sämtliche Teil nehmer gleichmäßig berechneten Festlichkeiten umfaßt, die andere durch besondere Veranstaltungen bedingt wird, welche unsere Marine namentlich im Interesse der fremden Kriegsschiffe auszuführen haben wird. Unter die erste Gruppe fallen insbesondere: DieEr- miemng großer Dampfer zur Beförderung der auf 700 bis 800 Personen zu beziffernden Gäste des Reiches und der begleitenden Dwnerschaft auf dem Kanal und ihre Beherbergung während der Festtage; die Verpflegung der Gäste auf den Schiffen; Grati- s fikationen an die Schiffsmannschaften; die Ermistung kleinerer Fahrzeuge für den Verkehr im Kieler Hafen; Herrichtung des Festplatzes und der Tribünen für' Aus dem Walde. Roman von M. L r a n d r u h. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) Als Anna sich entfernt, öffnete der Förster auch das Mittelschränkchen des altmodischen Schreibsekre tärs, in welchem er die Banknoten des Amerikaners neben dem Gelde für feine Arbeiter wußte. Rasch griff er mit der Hand in den Behälter, um das Couvert, welches Herr Bermann ihm anvertraut hatte, herauszunehmen. Aber das Schränkchen war leer. „Irre ich mich auch und haben wir Geld und Banknoten in eines der Schubfächer gethan?" mur melte der Alte nun. Er war jedoch bis in die Lippen bleich geworden, und die Hand, welche jetzt schnell hinter einander auch die übrigen Behälter des Möbels öffnete, zitterte merklich. Der Angstschweiß trat dem Suchenden in großen Tropfen auf die Stirn, als er auch in dem letzten der Fächer weder das Couvert Louis Bergmanns noch denLeinenbeutelmitdemGeldesürdieWaldarbeiterfand. „Mein Gott, mein Gott!" rief der starke Mann jetzt und sank mit vorgestrcckten Händen in einen Stuhl, der seitwärts von dem Schreibsekretär stand. Wie geistesabwesend stierte er dabei vor sich nieder. So bemerkte er auch nicht, daß sich die Thür wieder geöffnet hatte und Bergmann eingetreten war. Erst als dieser seine Schulter berührte und teilnehmenden Tones fragte: „Um des Himmelswillen was ist Ihnen? Fühlen Sie sich unwohl, bester Herr Rinow?" kam er wieder insoweit zu sich, daß er mit der Hand auf das offene Pult deuten und verzweifelt sagen konnte: den Weiheakt; Bau einer Festhalle für das vom Reich zu gebende Festmahl und Kosten dieses Fest mahls für rund 1000 Personen; Extrazüge zur Be- förderung der Festteilnehmer; sächliche Kosten aller Art. Die Kosten dieser ersten Grupp: dürften nicht unter 1,100,000 M. zu bemessen sein. Unter die zweite Gruppe fallen zunächst die Kosten der Repräsen tation gegenüber den Offizierkorps der fremden Kriegs schiffe, insbesondere durch Veranstaltung einer Ball festlichkeit und der gastfreundlichen Behandlung der Mannschaften durch entsprechende Unterhaltung und Bewirtung. Die Ansammlung einer ungewöhnlichen Zahl von Kriegsschiffen im Kieler Hafen bedingt ferner Vorkehrungen, um den Aufenthalt daselbst zu ermöglichen und den Verkehr zwischen ihnen und mit dem Lande sicher zu stellen. In dieser Beziehung bedarf es der Errichtung einer Signalstation, der Auslegung einer großen Zahl von Ankerbojen, einer Kabelverbindung der Flaggschiffe unter sich und mit dem Lande, der Ermietung von Prähmen und Schlepp dampfern. Es werden ferner Wartehallen für be urlaubte Sanitätswachen, Ausknnftsbureaus herzu- itellen, elektrische Beleuchttmasvorrichtungen für die Landungsbrücken zu beschaffen sein. Einschließlich der kleineren Ausgaben für Drucksachen u. dergl. und der im einzelnen nicht vorhermsehenden Kosten Wird der Bedarf für die zwci'.e Grupps auf 500- bis 600,000 M. zu schätzen sein". 8 InTilsiL wurde durch Scharfrichter Rcindel aus Magdeburg die Hinrichtung des wegen Raub mordes zum Tode verurteilten, 20 Jahre alten Dienst- knechtts Heinrich Lolffchkies schnell und sicher voll zogen. Der Hingerichtete harte den Eigenkäthner Zebedies in der Nacht dicht bei dessen isoliert liegen dem Hause mit einem starken Knüttel hinterrücks er schlagen, dann die Frau Zebedies und ihre drei Kinder in ihren Betten mit einer Axt in gräßlicher Weis« bearbeitet und nach vollbrachter Mordthat das bare Geld, das er im Schrank vocfand, geraubt. 8 Gcoßhsrzog Friedrich von Baden, welcher z. Z. in Heidelberg weilt, hat in der dortigen Universität an dis Professoren eins längere Ansprache gehalten, in welcher er sagte: „Mit Wehmut gedenke er an das Jahr 1886, an das in Anwesenheit wei land Kaiser Friedrichs stattgehabte UniosrfitätSjubi- läum. Mit Kaiser Friedrich sei eine schöne Hoffnung dahingeschwunden, aber eines fei zurückgeblieben: sein hingevendes, selbstloses, huldvolles Vorbild. Möge dieses Vorbild »och lange nachwirksu in unserer Nation zur Erziehung großer, starker Männer, welche fähig sind, alle drohenden Stürme zu bestehen." * * Ein furchtbares Drama, dem einer der be kanntesten französischen Meistwradfahrer, der aus vielen Kämpfen siegreich h.-rvorgsgangene Paul Ms- dinger, zum Opfer gefallen ist, har sich, wie aus Paris berichtet wird, am 28. April in der Villa des Teners abgespielt, dsren Pavillon Nr. 9 M«- dinger bewohnte. Mr MMerschaftssahrer hatte vor einigen Jahren eine junge Engländerin geheiratet, die sich von Anfang der Ehe an sehr eifersüchtig zeigte und besonders durch di« Beziehungen ihres Gatten zu einer ihrer Freundinnen, Madame X, sehr aufgebracht war. Frau Medinger, die vor einigen Wochen sich nach Manslon begeben hatte, wurde vor zwei Tagen durch einen anonyme« Brief davon in Kenntnis gesetzt, daß ihr Gatte während ihrer Abwefenhett seine Kszishunae» zu Frau X. fortsetzie. Sie kehrte sofort daran; nach Paris zu rück, um ihren Gatten heftige Szenen zu machen. Dabei kam es zu einem besonders erregten Auftritte, der damit endete, daß Medinger auf die Forderungen seiner Frau, sein Verhältnis aufzugeben, erklärte, dieses Leben nicht mehr aushalten zu können und sich von der Eifersüchtigen zu trennen. Die beiden Gat- „Jch bin bestohlen!! Es ist alles sort! Ihr Geld — und das meiner Arbeiter." „Aber — wie ist das möglich?" „Ja, wie ist das möglich?! Die Frage wird auch mir zum Rätsel, denn so lange ich aus der Försterei lebe, ist hier noch nicht eine Feder gestoh len worben." „Dann haben Sie jetzt vielleicht auch nur nicht am rechten Ort nach den vermißten Werten gesucht?" „O, in jedem Winkel, in jedem Eckchen," ent gegnete der Förster, und seine Augen hatten einen Blick, wie ihn wohl noch kein Mensch an dem Manne bemerkt. So schaute ja auch nur die höchste Ver zweiflung, das hoffnungsloseste Elend. . . . Mit Aufgebot seiner ganzen Kraft vermochte er sich jedoch zu fassen. Und nun seine Hand auf den Arm Louis Bergmanns legend, flüsterte er: „Aber wollen nicht auch Sie noch den Schrank durchsuchen? Vielleicht machte mich die Ausregung blind." Der Amerikaner nickte und that, wie Rinow es von ihm wünschte. Aber auch sein Forschen blieb vergebens. Kein Wort war inzwischen von den beide» Männern gewechselt worden. Nur das schmerzvolle Stöhnen des unglücklichen Mannes auf dem Stuhle zeugte davon, daß lebende Wesen im Zimmer waren. Und dann kam es in abgebrochenen Worten von des Försters Lippen: „Ich bin ruiniert! Denn um die Arbeiter in den Besitz ihres sauer verdienten Lohnes zu setzen, bin ich jetzt genötigt, alles lebende wie tote Inventar der Försterei zu verkaufen. — O, Gott — Gott — und trotzdem bleibe ich doch noch immer in Ihrer Schuld.* ten begaben sich darauf in ihr Schlafzimmer, um einige Jnterefsensragen zu regeln. Plötzlich hörte das Dienstmädchen zwei Schüsse fallen. Sie stürzte in das Schlafzimmer und fand dort Frau Medinger entseelt über den Körper ihres Gatten hingestreckt. Die Eifersüchtige hatte zuerst ihren Gemahl getötet und darauf sich selbst in die rechte Schläfe geschossen. Der Tod Beider war auf der Stelle eingetreten. * * Der aristokratische Eislaufoerein im Bois de Boulogne in Paris, dessen Präsident der Prinz von Sagan ist, hatte von der Stadt die Bewilligung erhalten, eine Anzahl Bäume fällen zu lassen, um Platz für mehrere erforderliche Baulichkeiten zu ge winnen. Einige untergeordnete Beamte werden nun beschuldigt, daß sie über 400 der ältesten und schön sten Bäume fällten, das Holz heimlich verkauften und den Erlös für sich behielten. Der Abgeordnete Paschal Grousset hat nun einen energischen Feldzug gegen diesen Vandalismus und das gewissenlose Vorgehen der mit der Beaufsichtigung und Pflege des Bois de Boulogne betrauten Beamten eingeleitet und die An gelegenheit dem Gemeinderat vorgelegt, der eine strenge Untersuchung angeordnet hat. Die Provinz von Sagan hat sich übrigens schon aus freien Stücken bereit erklärt, 100) Bäume an den vom Oberinspek tor des Boulogner Wäldchens zu bezeichnenden Stellen auf Kosten des Eislaufvereins pflanzen zu lassen. * * Aus Mentone wird folgender Vorfall mitgeteilt: Daß die Einwohner von Mentone, ebenso die dort wohnenden Fremden häufig dem Tpisl hul digen, ist bei der geringen Entfernung von Monte- Carlo eigentlich selbstverständlich. Unter anderen lebte daselbst auch der Kapitän Clyde, der eine in teressante Szene im Kasino veranlaßte. Er verliert 30000 Fr., und in seiner Erregung stößt er so starke Beschimpfungen gegen die Bank aus, daß ihm dis Eintrittskarte entzogen w'rd. Am nächsten Tag erscheint er, die Hände in den Taschen seines Ja- quetts, und verlangt Eintritt. Man verweigert ihm denselben. Er zieht die Hände heraus, in jeder derselben hälr er einen geladenen Revolver. „Away!" schallt es von seinen Lippen — und entsetzt fliegen bis Diener bei Seite. Beim Eintritt in den Spiel- saa! dieselbe Szene. Er geht ruhig an einen der nächsten Spieltische und pointiert — diesmal Mit vielem Glück. Ein Inspektor nähert sich ihm, um ihm zum Verlassen des Spwlsaales zu nötigen, der herkulisch gebaute Kapitän saßt ihn und wirft ihn in eine Ecke. Das Dtevstp-csonal traut sich nicht mehr an ihn heran. Schließlich erklärt der See mann: „Ich will den Saal verlassen, aber nm unter der Beoingung, daß man mir mein Geld wiedergiebt!" Eine kurze Beratung der Direktoren — man zahlt dem Kapitän 30000 Fr., und er geht davon, um nie wieder zu spielen! * * Aus Petersburg wird berichtet, daß de« Dampfer de? freiwilligen Flotte „O r e l" mit 969 llebsrsiedlcrn und 46 Klaffen-Fahrgästen von Odessa nach dem fernen Osten abgegangen ist. Unter den Fahrgästen befanden sich Mitglieder zweier Komis- sionen. Die der einen bilden einen Teil de« zu weiteren Untersuchungen der sibirischen Gahn vom Czaren eingesetzten Kommission, die andere soll die Goldbergwerke einer Revision unterwerfen. Der Dampfer „Orel" hat volle Ladung genommen, da runter 100,009 Pud Schienen. * * Der nach endlosen Verzögerungen nunmehr gefällte Spruch des Leichenschaugerrchts von Lowe- ft oft über die „Elbe"-Katastrophe ist, schreibt die „M. A. Ztg.", geeignet, das unliebsamste Aufsehen zu erregen, obgleich schon die ganze bisherige Art der Behandlung der Angelegenheit kaum etwas An deres erwarten ließ. Man erkennt eine „grobe Nach lässigkeit" des Steuermanns und des Ausguck-Ma- „Ach was, durch die lassen Sie sich nicht be ängstigen," entgegnete Bergmann. „Und was das Geld für Ihre Leute anbetrifft," setzte er dann hin zu, „so haben Sie auch nicht nötig, sich seinetwegen Opfer aufzuerlegen. Sagen Sie mir nur genau, wie hoch sich die Summe beläuft, und ich sende sie Ihnen schon morgen in aller Frühe durch meinen John." Für einen Moment war es freudig aufgezuckt in dem Gesicht des alten Mannes. Ja, seine Arme machten eine Bewegung, als wollten sie sich in über strömendem Davkesgefühl um den Hals des Ameri kaners schlingen. Dann aber sanken sie wieder schlaff herab, und der Förster stöhnte: „Sie sind gut, Herr Bergmann, herzensgut! Aber — ich darf nicht annehmen, was Sie mir bieten. Wie soll ich denn jemals das Geld zurück zahlen, das Sie noch aus jene tausend Thaler legen wollen, die Ihnen hier gestohlen sind? — Gestohlen! — Ich fasse es voch immer nicht, wie das Unge heuerliche geschehen konnte und wer — wer der Dieb sein kann." Er hatte die letzten Worte nur flüsternd vor sich hin gesprochen. Louis Bergmann hielt sich des halb auch nur an den ersten Teil seiner Rede und sagte freundlich: „Kommt Zeit, kommt Rat. Wenn es Sie übrigens so sehr danach verlangt, mich sicher zu stellen, so könnten Sie mir ja für die Ihnen zu leihende Summe eine Verschreibung auf einen gleich hohen Teil der Erbschaft, welche Sie von ihrer Schwester erwarten dürfen, aussetzen lassen." (Fortsetzung folgt.)