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— Bei der Anlage des neuen Dresdener Hafens ist ein seltsamer Schnitzer gemacht worden. Die 109 Segelfahrzeuge und Dampfer, die in ihm überwinterten, können jetzt nicht aus ihm heraus, da das Wasser 2,50 Meter über Null steht und die eiserne Brücke zu niedrig ist und den Weg versperrt. In zwischen zieht an den Eingesperrten der lebhafteste Schiffsverkehr vmb-i, sie müssen aber ruhig warten, bis Vas Wasser noch weiter beträchtlich gefallen ist. Das Uebel wäre vermieden worden, wenn eine Dreh brücke an Stelle der festen erbaut worden wäre. Der Fehler muß abgeändert werden, denn sonst werden im nächsten Winter die Schiffe sich hüten, wieder in die Mausefalle zu gehen. — Dresden, 9. April. Mit festlich geschmück tem Schiffpark eröffnete vorgestern die Sächsisch-Eöh- mischs Dampfschifsfahrlsgesellschaft ihre Fahrten. Da eine Fahrt bet dem hohen Wasserstande besondere Reize bietet, so nahm das Publikum regen Anteil an oiesen ersten Fahrten, die um so beschleunigter von statten gingen, als an verschiedenen Stationen, so unter anderen zwischen Loschwitz und Dresden nicht gelandet werden konnte. — Auch Vie Fracht schifffahrt hat den Verkehr in vollem Umfange aus genommen. An den Packyvfen ist man eiftig beschäf. tigt, die ersten Ladungen transportfertig zu machen. Viele Güter, welche die hohen Bahnsrachten nicht vertragen, harren schon lange der Beförderung zu Wasser. Die großen Petroleumvorräte sind infolge des langen Winters längst ausgebraucht und schon seit Wochen mußten Sendungen per Bahn bezogen werden, die höhere Detailpreise zur Folge hatten. Jetzt sind bereits Tausende von Fässern auf dem Wasserwege nach Dresden, bald werden dann auch die Preise ihren früheren Stand einnehmen. — Werdau, 9. April. Vor einigen Tagen erschien in einem hiesigen Geschäft ein unbekanntes Mädchen und bestellte für eine hiesige Herrschaft eine Anzahl Wäschestücke und ein Korser, welches letztere es angeblich sofort Mitbringen sollte, während die Wäschestücke am Abend desselben Tages der Herr schaft zugeschickt werden sollten. Als Letzteres ge schah, stellte sich heraus, baß der Geschäftsinhaber einer Schwindlerin in die Hände gefallen war. — Aas Plauen wird zur Illustrierung der dort herrschenden Wohnungsnot folgender Fall be richtet: In recht schlimme Lage ist eine hiesige arme, aber rechtschaffene Familie dadurch gekommen, daß sie infolge des Mangels an Wohnungen beim letzten Umzugstermin keine neue Wohnung erlangen konnte und die, da die Wohnung schon anderweit vermietet war, herausgesetzt worden ist. Die Familie besteht aus Vater, Mutter und 6 Kindern, von denen das älteste 12 Jahre alt ist. Der Vater erkrankte — wohl nicht zum Wenigsten infolge der großen Auf regung — an Gelbsucht und befindet sich jetzt im Krankenhause, die Mutter hält sich mit zwei erkrank ten Kindern bei der Schwester des Mannes auf, die übrigen Kinder haben bei verschiedenen Familien einst weilen Ausnahme gefunden. Die Habseligkeiten der bedauernswerten Familie, die ihre Miete stets pünkt lich entrichtet haben soll, befinden sich noch unter freiem Himmel. Die Wohnungsnot ist zur Zeit so groß, daß eine ganze Anzahl Familien vorläufig nur mit einem notdürftigen Unterkommen fürlieb nehmen mußten. — Die vor etwa 32 Jahren aus Schwaben (Göppingen) nach dem Vogtlande verpflanzte Herstellung von Korsetts hat einen gedeihlichen Auf schwung genommen, denn es werden hierdurch etwa 5000 weibliche Arbeiter fast ununterbrochen beschäf tigt. Ihre» Sitz hat diele Industrie in OelSnitz be halten, wenn auch dre drei Oelsnitzer Korsettfabrikanten Filialen in zahlreichen Orten des Vogtlandes ange- zu senken, trieb ihn fast. Schon wußte er sich eine tüchtige Wegsstrecke von der Station entfernt, als ihn Plötzlich lautes Hundegekleff zusammenfahren machte. Er hob das Auge. In demselben Moment aber huschte auch ein Haschen über seinen Weg. „Ah", murmelte nun der junge Hilfsjäger lächelnd — „Radau und Fee machen sich meine Abwesenheit zu Nutze und jagen auf eigene Faust!" Er blieb stehen. Es währte auch nicht lange, so stürmten die beiden wildernden Teckel dicht neben ihm aus der seitlichen Schonung. „Pfui, Fee — pfui, Radau! Schämt Ihr Euch nicht, Hunde?!" rief Curt nun. Die Tiere stutzten. Dann aber klemmten sie die Ruten zwischen die kurzen Beine und schlichen sich, sichtlich ihrer Schuld bewußt, zu dem Gebieter. Dicht vor den Füßen desselben duckten sie ihren glänzenden Körper demütig zur Erde — ohne jede Frage eine Strafe erwartend, diesmal aber ließ der Hilfsjäger es nur bei einem Verweis bewenden. Radau und Fee mußten die Worte desselben sehr genau verstehen, denn als Curt schließlich rief: „So, jetzt ist's wieder gut! Nun auch vorwärts, marsch »ach Haus!" sprangen die Tiere wie elektrisiert in die Höhe und an dem Hilfsjäger hinauf. Dann stürmten sie mit Hellem Gebell bald vor, bald hinter diesem her. Minuten überkugelten sie sich gleichsam um die Wette. Immer aber blieben die klugen Ge schöpfe in des Herrn Nähe. So langte Curt im Forsthause an. Dort em pfing man den Heimkehrenven mit ernster Freund lichkeit, ohne doch viel über den Verlust zu reden, den er inzwischen erlitten. Die einfachen Menschen legt haben. Ein Teil der Zuthaten, wie Drell, Me- talltetle (Schlösser und Oesen) und die Kartonnagen werden ebenfalls in OelSnitz erzeugt, und eS findet hierdurch eine beträchtliche Menge Arbeiter Beschäf tigung. Es werden etwa 6 Mill. Korsetts im Jahre gefertigt. — Eine bemerkenswerte Antwort erhielt dieser Tage ein Geistlicher in einem Dorfe bei Zittau bei der Prüfung der Konfirmanden. Der Geistliche richtete an einen der Knaben eine Frage des Sinne«: Was lastet am schwersten auf dem Menschen? Er erwartete dir Antwort: Die Sünde. Statt dessen aber erwiderte der Knabe: Die Steuern! Die Wir kung dieser Worte auf den Examinator wie auf die Zuhörer kann man sich leicht ausmalen. 8 Berlin, 9. April. Der Kaiser hat das anläßlich der Kanalfeier angebotene Prooinzialfest der Schleswig Holsteiner wegen Ueberfüllung des Programms dankend abgelehnt — Der Daily Tele graph" will über Berlin erfahren haben, der deutsche Kaiser schreibe ein militärisches Weik, welches am 2. September mit Karten und Illustrationen er scheinen werde; es behandle ein strategisches Thema. — Der Kaiser hat den früheren Landwirtschaftsmi- nister Freiherrn Lucius von Ballhausen in das Herrenhaus berufen. — Prinzessin Josephine von Hohenzollern, Gemahlin des Prinzen Karl Anton von Hohenzollern-Sigmaringen, wurde gestern in Potsdam von einem Mädchen glücklich entbunden. Mutter und Kind befinden sich den Umständen nach wohl. — Ob der Gedanke der Einberufung einer internationalen Währungskonferenz weiter verfolgt werden wird, ist einer hiesigen, zuweilen offiziös be dienten Korrespondenz zufolge zur Zeit noch unge wiß. Selbst in bimetallisiischen Kreisen werde zuge geben, daß, so lange das jetzige Ministerium in Eng land am Ruder sei, an eine Förderung der Sache nicht zu denken sei. — In der Angelegenheit des Hosbankiers Baron Cohn, dem verschleierter Wucher vorgeworfen worden war, wird mitgeteilt, daß die Sache ihre Erledigung gefunden, nachdem sich die Denunziation als unbegründet erwiesen habe. 8 Berlin, 9. April. Der „Berliner-Börsen- Zeitnng" zufolge hat Sachsen seine Offerte, betreffend die Uebermchms der Weimar-Geraer Eisenbahn, zu Gunsten Preußens zurückgezogen. Preußen bietet jetzt für 300 M. Stammaktien 100 M. drejprozen- tiae Konsols und für 600 M. Stammprioritäten 630 M. dreiprozentige Konsols. Die Uebernahme der Bahn erfolgte ab 1. Januar 1895. Z Berlin, 9. April. Dem „Lokalanzeiger" zufolge traf bei dem Kceisgerichte in Reichenberg in Böhmen die Mitteilung aus Solds in Algier ein, daß der Zittauer Raubmörder Kögler im 2. Frem denlegion-RegimenLe diente, gegenwärtig sich aber wegen Desertion im Gefängnis befinde. 8 Was die letzten Beschlüsse der sogenannten Umsturzkommisston des Reichstags anbelangt, so mehren sich die abfälligen Kritiken darüber au« sol chen Kreisen, die durchaus eine scharfe Bekämpfung der Propaganda des Umsturzes als solchen befürworten. Besonders scharf äußert sich die „Köln. Ztg.", indem sie die Kommission eines „wahrhaft kläglichen Schau spiels" bezichtigt und sich auch berechtigt glaubt, gegen die Regierung den Vorwurf zu erheben, daß sie die Dinge in dieser Weise hat gehen lassen, daß sie die führende Rolle, die ihr znstand, an das Crntrum abgetreten hat. Es ist Zeit, daß die Regierung Klarheit darüber schafft, wie sie zu dem frechen Plane eines unduldsamen Ultramontanismus steht, die Um sturzvorlage zu einem Ausnahmegesetz gegen die ge bildete» Klassen, gegen bas denkende, forschende, ex perimentierende, dichtende, malende Deutschland um- zukrempsln. Der „Reichsbote" hingegen möchte es achteten den Schmerz zu heilig, als daß sie es ver- l macht hätten, mit nichtssagenden Redensarten ihr ? Beileid auszudrücken. Und doch hatten auch schon die wenigen gutgemeinten Trostesworte des Rinow- schen Ehepaars genügt, um gerade das Gegenteil von dem zu erreichen, was sie beabsichtigten: Der Gang durch den Wald — die drollige Äffaire mit den Hunden hatten Curt merklich erheitert. Nun aber empfand er mit voller Herbheit wieder, was ihm genommen. Da aber streckte ihm auch Anna die kleine warme Rechte entgegen. Und als er jetzt das treue Auge des Mädchens sah, wich das bren nende Weh in feiner Seele von neuem. Wußte er doch, daß ihm für das Herz des Vaters, dessen Schla gen für immer verklungen war, ein anderes gegeben worden. Der Winter war gegangen, und mit Donnerge töse hatte die Weichsel ihren Eispanzer gesprengt. Riesige Schollen trieben auf der gurgelnden gelben Flut. Ties aus Polen waren sie heruntergekommen und ihre Oberflächen zeigten, daß sich Menschen auf ihnen geregt. Hier auf diesem gewaltigen Eisstücke, da« wie ein steuerloses Schiff seinen Weg sucht, ge- wahrt das Auge zum Beispiel eine Feuerstelle, und ganze Kohlenhaufen liegen verstreut umher. Wahr scheinlich haben, viele, viele Meilen von der Stelle entfernt, wo wir die Scholle erblickten, Fischer auf derselben gelagert. — Aber auch auf dem festen Lande regte eS sich. Eines Morgens war ja der Schnee verschwunden. Nur wenige Tage des Sonnenscheins noch, und die bestreiten, daß Wissenschaft und Kunst in Gefahr seien, da sich die Vorlage nur gegen Beschimpfung und Lästerung Gotte« und deS Christentums, keines wegs aber gegen die Wissenschaft und ihre Kritik richte. Die „Nordd. Allg. Z'g." äußert sich zu dem aus der Kommiision hervorgegangenen Entwürfe der Umsturzvorlage imwesentlichen inzustimmendemSinne. 8 Die Ehrengabe der höheren Lehrerschaft Preußens für den Fürsten Bismarck besteht in einer Votivtafel, die an feine großen Thaten erinnert. Die Mitte der Tafel zeigt die Gestalt der Siemering'schen Germania in Limoges Emaille von Professor Bastanier ausgeführt. Darüber ist das Porträt des alten Kaisers Wilhelm angebracht, und zwar von Haservth in Onix geschnitten. Umgeben ist das ganze von einem tn Silber getriebenen, stark vergoldeten Rah men, an dessen oberem Teile eine Kaiserkrone sich befindet, während an den unteren Ecken zwei fran zösische Kürassierhelme angebracht sind. Die In schrift um unteren Ende der Tafel lautet: „Sr. Durchlaucht dem Fürsten Bismarck am 1. April 189s die Lehrer der höheren Schulen Preußens." § Hamburg, 9 April. Der wegen Dieb stahls und Einbruchs zu 5 Jahren Zuchthaus ver urteilte Strafgefangene Palme wurde heute bet einem Fluchtversuch von einem Soldaten erschossen. 8 Hamburg, 8. April. In Friedrichsruh trafen heute zwei Extrazüge mit 400 Lehrern höherer Schulen Preußens ein. Fürst Bismarck hielt eine Ansprache an die Gäste. 8 Friedrichsruh, 9. April. Fürst Bis marck empfing heute vormittag 6 Lehrer und 36 Schüler des Gymnasiums zu Jever, sowie 3 Damen aus Jever. Das Befinden des Fürsten läßt infolge der vielen und großen Anstrengungen der letzten Zeit etwas zu wünschen übrig, sodaß, wie in der Umgebung verlautet, es fraglich erscheint, ob der Fürst noch alle Angemeldeteu wird empmngen können. 8Frieorichsruh, 9. April. Das Be finden des Fürsten Bismarck ist fortgesetzt gut. Der Fürst empfängt demnächst weitere Deputationen von Korporationen. Für den 17. d. M. sind mehrere Tausend deutscher Jnnungsmsister angeweldet. 8 Flensburg, 9. April. In einer nahen Ortschaft ermordete eine Mutter in grausamer Weise ihr 11 Monate altes uneheliches Kind und warf es in eine Grube. Der Mord geschah, um dem erst kürzlich angetrauten Manne und dessen Kindern das Vorhandensein des Kindes zu verbergen. 8 Danzig, 9. April. Im hiesigen Central- Gefängnis hat ein Strafgefangener einen Mitge fangenen durch Messerstiche derartig verletzt, daß er 24 Stunden später verstarb. 8 Olmütz, 9. Äpril. Der Direktor Heinz- Heimer der Seidenweberei von Fischmann in Schön berg geriet mit dem Kopf ins Schwungrad des Gas motors und wurde fürchterlich verletzt. Er ist be reits gestorben. 8 Der Bau der Riesengebirgsbahn von Mittel- zillerthal (Erdmannsdorf) nach Krummhübel ist so weit gefördert, daß am 15. Mai die Thalstrecke bis Arnsdorf und am 1. Juni die ganze Bahn in Be trieb gesetzt werden wird. Die Bahn von 7100 Mir. Länge wird für den Touristenverkehr nach der Schnee koppe voraussichtlich von großer Bedeutung sein. Die Bahn steigt von 154 bis auf 542 Meter. 8 In Baden -Baden wurde ein deutscher Flot tenverein gegründet. Derselbe bezweckt, freiwillige Mittel zur Vermehrung der deutschen Kriegsflotte aufzubringen. Im In- und Anstande sollen Zweig- veretne gegründet werden. 8 Ein Doktor Eisenbart ist der Schmied in Mölsheim im Elsaß. Eine Operation hat er so gelungen ausgeführt, daß heute alles mit Re- ersten weiße» Glöckchen guckten aus der schwarzen Erde heroor, um — den Frühling einzuläuten. Ueverall Leben — überall Schaffen! Auch für Curt brach eine anstrengende Arbeits zeit heran. Kalt es doch, auf der durch den Holz schlag entblößten Stelle eine neue Kultur anzulegen — dazu die vorjährigen aufzubessern und ihre etwa eingegangenen Bäumchen durch Pflänzlinge zu ersetzen. So hatte der junge Mann von Morgens bis Abends zu thun. Und so rastlos schaffte er, daß ihm gar nicht die Zeit blieb, sich auch der Trauer um den geliebten Vater htnzugeben. In seinem Verhältnis zu der schönen Försters tochter hatte sich inzwischen noch nichts geändert. Wie fest Curt sich auch in seiner Liebe fühlte und wie innig er davon überzeugt war, daß Anna Rinow seine Empfindungen erwiderte, so war doch das bindende Wort immer noch nicht zwischen den beiden jungen Leuten gewechselt worden. Oft genug hatte sich freilich Curt vorgenommen, abends, wenn er aus dem Rcvier kam,mit dem Mädchenzu sprechen. Aber fand er dann wirklich eine Minute des Alleinseins mit der Geliebten, so fehlte es ihm wieder an Mut, seine Werbung vorzubrtngen. Frei lich kannte er AnnaS Herz und wußte, daß er keinen Korb zu befürchten hatte. Trotzdem wollte es ihm im entscheidenden Augenblick immer wieder dünken, als würde es doch zu viel gefordert heißen, diesem schönen, liebenswürdigen, mit so große» Vorzügen gesegneten Kinde zuzumuten, Jahre lang auf ihn zu warten. Denn die müßten ja vergehen, ehe Curt, blieb er im königlichen Dienste, heiraten konnte. — (Fortsetzung folgt.)