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** New-OrleanS, 13. März. Ein Offi zier eines englischen Handelsschiffes wurde während der Ruhestörunyen erschossen; eS herrscht große Auf regung. Die erste Brigade der Miliz, in Stärke von 1000 Mann, ist einberufen. Deutscher Reichstag. Sitzung vom 12 März. Die Beratung de« Postetats wird beim Titel „Gehalt deS Staatssekretärs" fortgesetzt. Abg. Beckh (freis. Vp.) beschwert sich darüber, daß die preußische Eisenbahnverwaltung wichtige Post anschlußzüge habe eingehen lassen und zwar im Ver kehr von Berlin nach Südwestdeutschland. Direktor im Reichspostamt Fritsch: An Be mühungen im Interesse des Verkehrs haben wir es nicht fehlen lassen, wir werden auch diese Bemühungen beim Preußischen Herrn Eisenbahnminister erneuern. Aber wir können doch die Eisenbahnverwaltung nicht zwingen, die finanziellen Interessen, zumal bei der jetzigen Finanzlage, hinter die des Verkehrs treten zu lassen. Die Sache gehört mehr vor dos preußische Abgeordnetenhaus als hierher. Abg. B eb e l(Soz.) verlangt die Beschränkung der Paketbeftelluvg an Sonntagen. Thatjächtich ver lange Niemand ein absolutes Verbot der sonntäg lichen Postbestellungen, aber die Forderung sei doch berechtigt, die Paketbcstellung auf das dringendste Bedürfnis zu beschränken. Geschehe dies, so würde auch die Paketabsendung am Sonnabend nachlassen, der Verkehr würde sich also einfach aus die Be schränkung der sonntäglichen Bestimmungen einrich ten, wie dies in England und Amerika geschehen sei. Redner unterstützt den Wunsch, die Schalter am Sonntag nachmittag nicht mehr zu öffnen, und ver breitet sich dann über die ungünstige Lage der Post- hilfSboten. Trete ein solcher mit 20 Jahren in Dienst, so erlange er überbaupt erst mit 30 Jahren Aussicht auf eine feste Anstellung. Ihnen bei der Eheschließung Hindernisse in den Weg zu legen, wie sie Direktor Fischer gestern zu rechtfertigen versucht habe, verbiete sich schon im Interesse der Sittlichkeit. Die Gründe, welche Herr v. Stephan gegen Er höhung des Maximalgewichts für einfache Briefe geltend machte, seien nicht stichhaltig, denn eine solche Verkehrserleichterung könne doch selbst durch einen Einnahmeausfall v n einer Million nicht ausgewogen werden. Nach Zeitungsnachrichten falle auf der nächsten Konferenz des Weltpostvereins die Erhöhung des Maximalgewichts für einfache Briefe auf 20 Gramm beantragt werden. Soll wirklich, wie eS heißt, der Staatssekretär beabsichtigen, diesen im In teresse einer Erleichterung des Weltverkehrs liegenden Antrag zu bekämpfen? Endlich wünscht Redner noch Herabsetzung des Berliner Stadtportos. Staatssekretär v. Stephan: Bezüglich der Sonntagsruhe habe er gestern ja schon seine Bereit willigkeit erklärt, zu erwägen, inwieweit eine weitere Beschränkung der Prketbssteüung an Sonntagen mög lich sei. Gegen die Aufhebung der Nachmittags- schalterstunden am Sonntag von 5 bis 7 Uhr hätten sich auf Befragen zahlreiche Interessen erklärt. Was das Heiraten der Posthilfsboten betreffe, so handle es sich g^r nicht um einen allgemeinen Erlaß, sondern nur um ein Vorgehen der Overpostdircktton. That- sache sei allerdings, daß schon 19 bis 20jährige Posthilssboten heirateten, selbst solche, die nur stun denweise beschäftigt seien. Uebrigens seien im Bor- jahre 200 Posthilfsboten schon nach 7jähr. Dienstzeit angestellt worden. Der Zinsfuß von 5 Proz., den die Unterbeamten an den Postvorschußverein zahlen müßten, sei nicht zu hoch. Der Ausfall bei einer Gewichtserhöhung für einfache Briefe würde nicht eine, sondern 3 bis 4 Millionen betragen. Glaube Margarethe. Original-Roman von M. LLidderr (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) Wenn man sonst ihren Besuch erwartet, so fand sie das Stübchen noch im festlichen Schmuck; war es Sommer, so hatte lieb Väterchen wohl seine schönste Gartenflora hergegeben, kam sie im Winter, so muß ten die Blumentöpfe, die an den Fenstern des Wohn zimmers prangten, hinaufwandern in das Stübchen seines Sonnenstrahls. Heute fehlte dem kleinen Raum diese Zierde; der, welcher immer zuerst daran gedacht hatte, jedes freudige Ereignis im Hause auch äußerlich durch Blumen zu feiern, lag nun starr und kalt in seinem Grabe, und die Mutter — ? Aber die junge Frau war seit ihrem Hiersein immer so in Angst und Aufregung, daß es ihr gar nicht einmal ausgefallen, was dem Stübchen fehlte, und auch jetzt sah sie beide zugleich, ihre Augen glitten von einem zum anderen — keiner zeigte ihr die Handschrift ihres Gatten — der erste die un sicheren Züge einer nicht schreibgewohnten Frauen hand, der zweite festere, sichere, männliche Züge. Sie erbrach den ersten, er war von Röschen, wie sie sich bereits gedacht. Das junge Mädchen schrieb: „Liebe, liebe gnädige Frau! Ich habe Ihnen versprechen müssen, gleich zu schreiben, wenn hier etwas vorfallen sollte, und nun ist etwas geschehen, was ich Ihnen mitzuteilen habe. Gestern Mittag ließ der Herr anspannen und fuhr aus — daran war nun nichts Außer gewöhnliches — aber, gnädige Frau, er kam auch nicht wieder, nur der Wagen, und der Kutscher Bebel, daß im Bundesrate auch nur ein einziges Mitglied sich befände, welches diese 3 bis 4 Mill., dazu noch 5 Millionen Ausfall an Telephongebühren und 2 Millionen Ausfall an Stadtpostgebühren, also zusammen 11 Millionen, bei der gegenwärtigen Finanz lage aufgeben würde? Davon, daß bei dem nächsten Weltpostkongreß in Wasdington ein Antrag beabsich tigt wäre und angekündigt sei auf Erhöhung deS Gewichtsmoximus für einfache Briefe, habe er noch nichts vernommen. Wenn irgendwo eine solche Ab sicht vorläge, müßte er schon davon gehört haben. Endlich bekämpft der Staatssekretär noch das Ver langen nach Herabsetzung des Stadtbriefportos io Berlin. Abg. Schultz-L up itz (Rp) legt dar, daß der Vorschlag Schoenlank'ö, altgedienten Unterbeam ten Agenturen aus dem Lande zu geben, höchst un praktisch wäre. Die Unterbeamten wollten überhaupt von der Art, wie ihre Interessen von den Sozial demokraten vertreten würden, nichts wissen, und ebenso wie die Unterbeamten in Treue fest bleiben, so auch die Bauern. Alles Hetzen nütze den Sozial demokraten auf dem Lande mchls. Abg. Schmidt-Elberfeld (freis. Ver.) wendet sich gegen die Berechnung des Staatssekretärs hin sichtlich des eventuellen Ausfalls an Telephovge- bühren usw. Er bemerkt, daß jede Verkehrserleich terung auch eine Vekehrsvermchrung mit sich zu bringen pflege. Entschieden entgegentreten müsse er einer Andeutung des Staatssekretärs, wonach eine Hebung der Fernsprecheinnahmen erst bet Einführung eines Gesprächszählers zu erwarten wäre; ein solcher Gesprächzäbler würde der schlimmste Rückschritt sein, der sich denken läßt. Redner fragt ferner an, wie sich der Erlaß begründen läßt, wonach der Inhaber einer Fernsprecheinrichtung dieselbe nur in eigenen Angelegenheiten soll benutzen dürfen. Was gebe das für eine unleidliche Kontrole, wenn Jeder, der sich verbinden läßt, gewärtigen muß, daß der Beamte zunächst sein Gespräch mit anhört, um zu erfahren, ob das Gespräch in eigenen Angelegenheiten des Sprechenden erfolgt. Der Staatssekretär möge die Zurücknahme dieses Erlasses veranlassen. Direktor im Reichsposlamt Scheffler be zweifelt, daß es bei Herabsetzung der Fernsprechge bühren ohne größere Einnahmeausfälle abgehen würde, da sich auch die Ausgaben unverhältnismäßig steigern würden. Dawit schließt die Debatte und das Gehalt des Staatssekretärs wird bewilligt. Die Resolution be treffend Paketbestellung an Sonntagen wird ange nommen. Es folgt Titel 2. Zu den bisherigen 3 Direk- toren mit je 15 000 M. Gehalt tritt nach der Vor lage ein Unterstaatsjekreiär hinzu mit 20 000 Mk. Gehalt. Die Kommission beantragt, den Unterstaats sekretär zu streichen. Ein Antrag v. Leipziger, Dr. Lieber und Reindl geht dahin, den Unterstaatssekre tär sowie 2 statt 3 Direktoren zu bewilligen. Gleich zeitig mit zur Beratung wird eine von der Kom mission beantragte Resolution gestellt, wonach im nächsten Eiat den durch die Dienstaltersstufen ge schädigten Beamtenklassen die Gehaltsstufen so er höht werden sollen, daß eine solche Schädigung ver- mieden werde. Staatssekretär Graf Posadowsky warnt davor, daß der Reichstag entgegen den Vorschlägen der Regierung Gehaltsaufbesserungen beschließe. Wenn der Reichstag namentlich für einzelne beson ders aufgeführte Beamtenk^tegorien solche Gehalts aufbesserungen beschlösse, so würde auch dte Dis ziplin bei den Beamten erschüttert werden, indem Letztere zu der Annahme gebracht würden, daß ihre Interessen nicht genügend seitens der Regierung selber sagte, er habe den Herrn bis zum A—er Bahn hof fahren müssen, und er meinte, wie der Herr ausgestiegen, sei er ihm ganz sonderbar erschienen, er hätte fortwährend gegrüßt und die Leute hätten sich erstaunt nach ihm umgesehen. Im Contor sind sie sehr in Aufregung ge wesen, daß der Herr gar nicht wiederkam und heute ist nun ein Gelaufe im Hause, das gar kein Ende nimmt, so viel fremde Leute kamen und kamen immer wieder und fragten, wo denn die gnädige Frau sei, und sie machten so häßliche Be merkungen dabei, daß mir ganz angst wurde und ich mir gleich vornahm: du schreibst an die gnädige Frau, sie möchte, wenn eS irgend angeht, sofort zurückkommen, dann sehen die Leute ja, daß Sie — aber wozu soll ich Ihnen wiederholen, was sie Abscheuliches reden. Und nun bitte, gnädige Frau, kommen Sie, wir wissen hier alle weder auS noch ein. Ihre ergebene Dienerin Rosa Kindler." Nur einen Moment hatte Grethe den Kopf in die Hand gestützt, dann erbrach sie auch den zweiten Brief; er war von dem Geschäftsführer ihres HauseS und enthielt nur folgendes: „Verehrte Frau! Ich muß Sie dringend ersuchen, sofort ihre Rückreise anzutreten — bitte Sie aber auch zu gleich, auf traurige Neuigkeiten gefaßt zu sein. Mit hochachtungsvollster Ergebenheit Leopold Werner." Sie hatte die beiden Briefe vor sich auf den Tisch gelegt, das blasse Gesicht war noch blasset ge. gewahrt würden; das sei aber um so bedenklicher in den jetzigen Zeiten, wo die Regierung ihre Be amten in der Hand haben müsse. Abg. Singer (Soz.): Wenn die Regierung es mit ihrer Pflicht für vereinbar hält, Beamte, die 650 bis 900 Mk. Gehalt beziehen, in den Bezug des Höchstgehalts erst nach 21 Jahren gelangen zu lassen, so muß eben der Reichstag eintreten. Der Reichstag hat den Reichskanzler aufgefordert, die Dienstaltersstufen bei der Postverwaltung so durch- zuführen, daß die Beamten nicht geschädigt werden. Daß die verbündeten Regierungen diese Resolution nicht beachten, ist wirklich nur bei uns möglich. Staatssekretär Graf Posadowsky: Es könne nicht eine Beamtenklasse zu sehr vor anderen begünstigt werden. Er habe vorhin nur staatsrechtliche Be denken dagegen geltend gemacht, daß die Kommission die Etatsansätze für eine bestimmte Beamtenkiasse er höht habe. Die Kommission selber habe ja schon durch Referenten erklären lassen, daß sie selber dies für ein Verfahren halte, welches sich nicht wieder holen dürfe. Hierauf vertagt sich das Haus. Morgen: Initiativanträge. Antrag Kile, Kün digung des argentinischen Handelsvertrages. Sitzung vom 13. März. Vor der Tagesordnung erklärt Gamp (Rp.), er habe neulich bei Beratung der Anträge, betreff. Verbot dec Juden-EMwanderung, nur aus zwingen den Gründen gefehlt, er würde aber selbstverständlich gegen die Anträge gestimmt haben. Zur Beratung steht der Antrag Hryl zu Herrns heim (nat. lib ): „Der Reichstag wolle die verbünde ten Regierungen ersuchen, den Handelsvertrag mit Argentinien zu kündigen." Avg. Heyl zu Herrnsheim: Im Jahre 1891 sagte Graf Caprivi, gegen Ueberschwemmungen mit Getreide seien wir rmmer noch durch den 3^2 Mk.- Zoll gesichert. Das ist aber nicht richtig; auch hat es sich nicht bestätigt, daß die Handelsverträge unsere Handelsbilanz bessern würden, diese hat sich vielmehr verschlimmert auf Kosten der Landwirtschaft. Nament lich hat dazu das argentinische Getreide beigetragen. Einzelne meiner Freunde meinen, daß wir Argentinien nicht die Meistbegünstigung gewähren dürfen, nachdem Argentinien uns gegenüber seine Zölle erhöht. Andere Unterzeichner des Antrages, und dazu gehöre ich, meinen, daß wir der Ueberschwemmung mit über seeischem Getreide, abgesehen von dem nordamerika nischen entgegentreten und mit Argentinien den An fang machen müssen; indisches und australisches Ge> treibe würde später nachzufolgen haben. Einem Weltmarktpreis, wie er sich jetzt bildet durch die Konkurrenz des argentinischen, indischen, australischen und russischen Getreides kann sich Deutschland auf die Dauer nicht unterwerfen. Abg. Frese (freis. Ver.): Die Beunruhigung, welche durch die Einbringung dieses Antrages ver anlaßt worden ist, ist so groß, daß eine Erklärung der Regierungen allerdings dringend notwendig ist. Ein Wollzoll gegen Argentinien wülde nur unserer Textilindustrie schaden. Wir exportieren nach Argen tinien für 80 Mill. Mark, abgesehen von deutscher Ware, die über Frankreich geht. Argentinien würde sicher sofort, wenn diesem Anträge Folge gegeben würde, Ursprungszeugnisse verlangen und der Export nach Argentinien ist von 1885 bis 1893 um 24 Proz. gestiegen, der englische nur um 6 Proz. (Hört, hört!) Der Antrag bezweckt offenbar auf Quebracho einen Zoll. Ein solcher Zoll würde aber unsere Lederindustrie sehr schädigen. Unsere Rhedereien in Bremen und Hamburg haben sich auf den Handel gerade mit jenen Ländern ganz besonders eingerichtet worden und die zitternden Hände preßten sich nun auf das stürmisch schlagende Herz. Augustin nach dem Bahahof gefahren — nicht wiedergekommen? Warum tauchte da plötzlich vor ihrem geistigen Auge das wunderschöne Antlitz der Sängerin auf, der ihr Gatte ein Vermögen zu Füßen gelegt, — warum sah sie wieder die kleine Hand und das berückende Lächeln, mit dem die Signora an scheinend Augustin ein Zeichen gegeben, und wie er dieses Zeichen mit einem verstohlenen Kopfneigen beantwortete — und nun wußte sie es: er — ihr Gatte — Augustin Herder hatte sein Haus und sein Weib verlassen, um mit der Sängerin zu gehen, weit hinaus in die Welt, was wußte sie, wohin! Sie war aufgesprungen, ein stechender Schmerz durchzuckte ihr Herz — „aber warum kamen denn die vielen fremden Leute, von denen dte Zofe geschrieben, in das Haus, was wollten sie, womit beschimpften sie sie, sollte —?!" Sie stöhnte laut auf, dann eilte sie in die Ecke des Gemachs, wo das kleine Reise- kosierchen stand, mit fliegender Hast öffnete sie eS und entnahm einem der Seitentäschchen desselben ein weißes aufschriftloses Couvert; es war dasselbe, das ihr der Gatte in der Abschiedsstunde gegeben, behut sam schnitt sie es mit einem Federmesser an einer Seite auf. Papiere fielest heraus — Werte — sie hatte es ja gewußt, aber woran ihre Seele nicht ge dacht, was sie auch nicht im entferntesten geahnt hatte, war — in welcher Höhe. Augustin Herder hatte, leichtfertig nur in ein dünnes Briefcouvert gehüllt, ein Vermögen in die Hand seiner Flau ge legt — ein ziemlich bedeutendes Vermöge». (Fortsetzung folgt.)