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8 Berlin, 16. Febr. Der Kaiser hütet wegen e ine« Schnupfens das Zimmer. Der heute angesetzte Empfang der Deputation deS Bunde« der Landwirte ist abbestellt. 8 Hamburg, 16. Febr. Außer den Dampfern „Milos" und „Napoli" ruft das Seeamt auch vier Küstenfahrer und zwar zwei Fischerdampfer der Nord see und zwei Brinkenwerder Schiffskutter als ver- fchollen aus. Der Gesamtbesatzungsverlust der ver lorenen Schiffe beträgt gegen 80 Personen. Samm lungen und Wohlthätigkeits-Concerte für die zahl reichen Witwen der Hinterbliebenen sind in vollem Gauge. ß Brandenburg, 18. Febr. Das Eisen- bahnbetriebsamt teilt mit: Sonnabend nachmittag 1.1/2 Uhr fuhr der von Biederitz kommende Güter zug 904 auf dem Bahnhof Magdeburg-Neustadt mit einer Rangiermaschlne derartig zusammen, daß die Rangiermaschine umstürzte und die Maschine des GüterzugeL darauf kletterte. Die auf der Rangier maschine stehenden Beamten, der Lokomotivführer, der Heizer und ein Rangierarbeiter, wurden verletzt, anscheinend leicht. Von dem Lokomotiv- und Zug personal des Güterzuges ist niemand verletzt. Außer der Rangiermaschine und der Zugmaschine, welche erheblich beschädigt wurden, entgleisten eine in dem Zuge beförderte Maschine und vier Wagen, die un erheblich beschädigt wurden. * * Wien, 16. Febr. Dre Einfuhr von Rind vieh nach Oesterreich ist bis auf weiteres unbedingt verboten: aus den Regierungsbezirken Magdeburg, Merseburg, Hildesheim, Posen, sowie aus den Kreis hauptmannschaften Leipzig, Zwickau und dem Herzog tum Anhalt. * * Sofia, 18. Febr. Infolge von Schnee- stürmev, die in der Nacht vom Donnerstag auf Frei tag mit großer Heftigkeit anftrnten, wurden die tele graphischen Leitungen in Bulgarien und den benach barten Ländern derart beschädigt, daß der gesamte telegraphische Verkehr mit Serbien und Rumänien unterbrochen wurde. Seit Donnerstag ist keine aus ländische Depesche, mit Ausnahme eines Telegramms aus Bukarest, hier eingelaufen. * * Brüssel, 17. Febr. Wie verlautet, bietet Frankreich dem Könige, falls Belgien die Einverleibung des Kongostaates ablehnt, einen Kaufpreis von 300 Millionen. In einer großen Volksversammlung in Antwerpen, in der über die Einverleibung des Kongo staates verhandelt wurde, kam es zu einem Zusam menstoß zwischen den Anhängern und den Gegnern der Einverleibung. D;c Sozialisten und Radikalen unterbrachen die Redner fortgesetzt mit den Rufen: „Nieder mit der Monarchie, es lebe die Republik!" Infolge des Handgemenges wurden mehrere Personen verletzt. * * Wie in Rußland der unlautere Wett bewerb aufgefaßt und bekämpft wird, beleuchtet eine bemerkenswerte Veröffentlichung eines russischen Kauf manns, in welcher ausgeführt wird : „Wenn in Ruß land Jemand einen Ausverkauf veranstalten will, so hat er dazu die Polizeiliche Erlaubnis nötig und muß, um solche zu erlangen, eins schriftliche Eingabe machen, in welcher er die Gründe, welche zum Aus verkauf Veranlassung boten, angiebt, und was das Wichtigste ist, um die Erlaubnis zum Ausverkauf für eine bestimmte Zeit bittet. Diese Zeit wird nur in besonderen Ausnahmesällen verlängert; nur wäh rend der erlaubten Frist darf er annoncieren mit dem Bemerken „Ausverkauf", desgleichen Schilder am Schaufenster anbringen. Folgender F^.ll zeigt, wie man wirklich das Publikum vor Uebervorteilung schützen will. Ein Freund von mir hat in Odessa den Allein-Detailverkauf einer russischen Tuchfabrik, und gab vor ganz kurzer Zeit einer Odessaer Zei- l tung eine Annonce, in welcher er dem Publikum be- I kamst machte, daß er die Fabrikate der Fabrik zu Fabrikpreisen verkaufe; diese Annonce passierte nicht die Zensur. Als mein Freund sich beschwerdefüh rend an die Zeitung wandte, wurde er an den Po lizeipräsidenten verwiese», welcher ihm ungefähr wör- lich sagte: „Wie können Sie zu Fabrikpreisen ver kaufen ? Die Fabrik liegt nicht in Odessa. Sie haben Fracht zu bezahlen, haben Geschäftsspesen und er kalten Kommission!" Die Annonce durfte in der Fassung nicht inseriert werden." * * Arco, 18. Febr. Seit Sonnabend nach mittag 4 Uhr wird bei dem Erzherzog zur Erleich terung der Atmung Sauerstoff verwendet. Der Zu- > stand gilt als hoffnungslos. Abends 10 Uhr begab sich der Erzbischof mit einem Geistlichen nochmals zu dem Patienten. Die Erzherzoginnen Isabella und Maria Theresia verweilen beständig am Krankenbette. Das Eintreffen des Herzogs Albrecht von Württem berg wird erwartet. * * In London fand in den letzten vier Ta gen eine Totenschau über etwa hundert Leichen statt, die man auf der Straße, in Scheunen, Schuppen und Dachkammern gefunden. Bei achtzig derselben stellten die Coroners fest, daß der Tod infolge Kälte eingetreten war. * * Zum Untergang der „Elbe". Der Kapitän des „Free Lauce" hat einem Telegramm aus London zufolge an das Londoner Handelsamt berichtet, ein Mast des Wracks der „Elbe" sei über Wasser sichtbar. Das Telegramm sagt nicht, ob sich der Mast in aufrechter Stellung befindet. * * In der „sonnigen Riviera" schaut es aus, wie am Nordpol. Der Schnee liegt nun schon eine volle Woche 20 Zentimeter hoch und will auch nicht weichen. An de» schönen gelben Rioierarosen hängen kleine Eiszapfen, und wenn man solch eine Rose ab pflückt und ins Zimmer bringt, ist sie welk, erfroren und verliert sogleich die Blätter. Nicht besser steht es mit den Nelken, den Veilchen, dem Oleander und all den anderen Blumen und Blüten. — In Monte Carlo im Kasino herrscht die trübste Stimmung. Alles mißrät dieses Jahr den wackeren Erben Blanc's. Die Zahl der Spieler ist unerhöct gering und die - Zahl der Selbstmörder unerhört groß. Schon voriges Jahr hatte das Kasino einen schweren Ein nahmeausfall zu beklagen und mußte sich mit „lnm- pigen" 23 Millionen Franks Gewinn begnügen, die ses Jahr gestalten sich aber die Verhältnisse noch viel schlechter. Man macht sich darauf gefaßt, daß der Gewinn der Spielbank nur 26 Millionen betragen werde und die Dividende der Aktionäre nur fünf- unddreißig Prozent. Deutscher Reichstag. Sitzung vom 16. Februar Die Beratung des Währungs^Antrages wird fortgesetzt. ' j Ab. Siegle (ul.): Durch Annahme des An trages wird nach außen hin ein falscher Eindruck erweckt. Schon aus diesem Grunde kann ich als überzeugter Anhänger der Goldwährung nicht dafür stimmen. Die Befürchtung, daß ein Mangel an Gold eintreten könnte, ist ungerestfertiqt angesichts der großen Vorräte an Gold in der Reichsbank und an gesichts der gerade gegenwärtig so großen Geldpro- buktion. In der Erklärung des Reichskanzlers sehe ich auch noch nicht die Absicht, die Doppelwährung einzuführen. Nach meiner Ueberzsugung denkt Eng land gar nicht daran, sich au einer dahingehenden internationalen Vereinbarung zu beteiligen. Abg. L e u s ch n e r (Reichsp.): Abg. Schoenlank beweist mit feiner Bekämpfung des Bimetallismus nur, daß die Sozialdemokratie für die Arbeiter nicht sorgt. Was nützt denn die Goldwährung wenn die Arbeiter brotlos werden, weil die Geschäfte alle ruiniert würden. Die Doppelwährung kommt doch so gewiß, wir wir Alle hier sitzen. (Heiterkeit.) Die Kaufkraft deS Goldes hat zu fehr zugenommen und die Waren preise sind zu sehr gefallen. Das damit verknüpfte Elend ist auch schon von ihren Leuten vorhergesagt worden, so von Prince-Smith, der doch nicht etwa ein Agrarier, sondern ein hervorragender Freihänd ler war. Abg. Richter (freis. Vp): Ich zweifle daran, daß Prince-Smith sich heute auf ihrer Seite befinden würde. Ich kann der Regierung nur dafür danken, daß sie die französische Milliardenzahlung benützt hat, um uns zur Goldwährung zu verhelfen. Wir halten das Silber überhaupt nicht für einen geeigneten Maßstab für die Wertbemessung. Dazu kommt, daß das Uebergangsstadium von dem einen zu dem an deren Maßstabe zu den größten Ungerechtigkeiten führen müßte. Der Gläubiger würde weniger an Wert zurückerhalten, als er gegeben hat, das Ganze läuft daher auf eine großartige Prellerei der Dar leiher hinaus. Was haben sie davon, wenn der An trag berücksichtigt wird? Er ist erschöpft, wenn die Einladungen ergangen sind. Der Herr Reichskanzler hat eine Erklärung erlassen ganz im Thronredcnstil. Wir werden unS überhaupt daran gewöhnen, hier Erklärungen verlesen zu hören, die lediglich im Thron redenstil gehalten sind. Nach dieser Erklärung soll ein Meinungsaustausch der Regierungen stattfinden. Ja, zu einem solchen Austausch muß man doch vor her erst eine Meinung haben. Hat denn der Herr Reichskanzler hierüber eine Meinung? (Heiterkeit.) Der Herr Reichskanzler hat lediglich eine silatorische Erklärung gegeben. Der Sinn derselben war: Wir haben überhaupt noch keine Ansicht, wir werden da her die Meinungen austauschen. Wir haben jetzt überhaupt einen Reichskanzler, der sehr lernbegierig ist. (Heiterkeit.) Aber eine Regierung ist keine po litische Akademie, vielmehr muß sie doch feste Ueber- zeugungen haben, die sie sich vorher gebildet hat. Mic Ihrer agrarischen Bewegung stiften sie mehr Schaden, als wie sie mit 20 Umsturzgesetzen wieder gut machen können. Abg. Friedberg (nl.): Wenn die Gläubiger wirklich durch die Einführung der Doppelwährung benachteiligt würden, so müßten doch auch die Schuld ner bei Einführung der Goldwährung benachteiligt worden sein. Ich leugne Beides, jedenfalls haben die Valutaverhältnisse zu schweren internationalen Beschwerden geführt. Hier handelt es sich darum, mit den Valuta. Differenzen ein Hindernis für den Weltverkehr aus dem Wege zu räumen, und zur Be- feitigung solcher Hindernisse im Weltverkehr sind doch sonst der Herr Reichskanzler bereit. Die Regelung der Währungsverhültnisie ist darnach doch nicht nur agrarischer Bedeutung, sondern auch von Bedeutung für den Handel. Ohne England geht die Sache frei lich niLt, aber es ist nicht anzunehmen, daß es sich einer Vereinbarung widersetzen werde, denn auch Eng land hat unter den gegenwärtigen Zuständen mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Auf Frankreichs Geneigt heit lst angesichts der Rede Ribot's zu rechnen. - Staatsfekretär Graf Posadowsky: Herr Richter hat geglaubt, einen heftigen Angriff auf den ? Reichskanzler richten zu müssen, aber vergegenwärtigen ! Sie sich die Lage, eS ist nicht zu bezweifeln, daß der schwindende Wert des Silbers große Unzuträglichkeit mit sich bringt, auch für unseren Export nach Silber ländern, ebenso für unseren Silberbergbau. Die Existenz der in diesen Bergwerken beschäftigten Ar- § beiter ist schwer geschädigt. Auch liegt die Gefahr Margarethe. Original-Noman von M. Widdern. — (Nachdruck verbalen.) (Fortsetzung.) „Wir können den Himmel gar mcht genug dafür danken, daß Du bei dem Unfall nicht schlimmeren Schaden genommen. Die Wunde ist nicht erheblich, habe ich erfahren. Ich traf den Sanitätsrat und er war so liebenswürdig, aus seinem Wagen zu steigen und mir das Resultat der Untersuchung mitzuteilen". Und tief Atem holend, fuhr er fort: „Ich bin so in Angst und Sorge von Hause fortgestürzt, Grethchen, daß mir bet feinen Worten förmlich ein Stein vom Herzen fiel — denn da« bißchen Schwäche und Angegriffensein, das er in Aussicht gestellt, über winden wir mit Leichtigkeit, nicht wahr, mein kleiner Sonnenstrahl?" Rat Stenson hatte sich noch tiefer über die Tochter gebeugt und küßte ihre Wangen, eine innige Vaterliebe lag dabei in jedem Zuge seines guten, treuen Gesichts, daß sich die Augen des jungen Mäd chens von neuem mit Thränen füllten und sie ihre Arme mit überströmender Zärtlichkeit um seinen Hals schlang: „Väterchen, liebes Väterchen," hauchte sie dann und legte ihren armen Kopf an seine Schulter, im nächsten Augenblick schob sie den alten Mann aber sanft bei Seite und ihre beiden Hände dem Doktor reichend, der mit gefalteter Stirn der kleinen Szene zugeschaut, sagte sie bittend: „Und nun seien auch Sie wieder gut, Herr Doktor. Papa hat nur mein Bestes im Auge und das Ihre — und dann," setzte sic hinzu, „was sind vier Wochen?" — sie lächelte — „nicht wahr, wenn wir uns in vier Wochen näher kennen gelernt, wie Papa es wünscht, dann haben wir uns gewiß noch lieber." Die Stirn des Doktors glättete sich wieder, und zu dem Rat hinüberschend, sagte er: „Ich füge mich Ihren Beschlüssen und muß sie schließlich ja auch als berechtigt und vernünftig anerkennen." — Und hernach. — Vor dem Hause hielt dis von dem alten Herrn vorsorglich mitgebrachte Droschke und die Verunglückte wurde nun von den starken Armen des Doktors (das wenigstens hatte er sich ganz entschieden nicht nehmen lassen) sorgsam hinein gehoben und, so gut es ging, gebettet, während sich der Rat an ihre Seite setzte. „Auf baldiges Wiedersehen, Margarethe!" hatte der Doktor dann gesagt. — Sie ruckte ihm glücklich lächelnd zu — noch ein flüchtiger Händedruck, den die beiden Männer wechselten, ein schnelles: „Sagen Sie dem Paten, was un« betroffen, und daß wir nun auf das Vergnügen verzichten müßten, den Abend in seiner Häuslichkeit zu verleben!" das Grethchen dem Zurückbletbenden noch zurief, und die Pferde setzten sich in Bewegung, um Vater und Tochter dem trauten Heim auf der Vorstadt zuzuführen, während der Doktor, nachdem er nur noch schnell Hut und Stock aus seiner Behausung geholt, nach dem Gym nasium eilte, wo der Direktor bereits die Gratulanten empfangen und eben im Begriff war, von den Leh rern und Klassendeputationen gefolgt, wieder die Aula zu verlassen, um in das Alltagsleben zurück zukehren. Er sah sehr heiter aus, der alte Herr, als der Doktor, den er bereits verwundert in dem Lehrer- ; kollegium vermißt, die Thür öffnete und nun rasch f auf ihn zueilte, so heiter, daß der verspätete Gratu lant vorerst nicht den Mut hatte, ihm zu sagen, wozu ihn Grethe autorisiert — aber gesagt mußte es voch werden, und so faßte er sich denn ein Herz und als die Herren alle auf dem Korridor standen, ! während die Schüler bereits lachend und scherzend in die verschiedenen Klassen zurückgekehrt waren und der Direktor sich nun dankend seinen Lehrern empfahl, um nach der Prima zu gehen, wo er eine Stunde zu geben hatte, näherte sich Herder dem hochverehr ten Vorgesetzten noch einmal: „Nur noch ein Wort, Herr Direktor," sagte er, „für das ich mir aber von vornherein Ihre Verzeihung erbitten muß — es fällt ja stör nd in die Festfreude hier!" Und den ganz erschrockenen greisen Herrn ein Paar Schritte abwärts führend, teilte er ihm so schonend als möglich mit, was vorgefallen und wovon Palzow noch keine Ah nung hatte. — „Grethchen von scheugewordenen Pferden über fahren." Er war ganz blaß geworden und die schmale, weiße Hand, die er unter den letzten Worten auf Herders Arm gelegt, zitterte nervös. „Und ist sie wirklich mit dem Leben davon gekommen? — Doktor — Doktor — Sie sagen mir gewiß nicht alles! — O, mein Gott, während ich hier eine stolze, freudvolle Stunde durchlebte, hauchte mein Liebling vielleicht seinen letzten Seufzer auS I" Es kostete Johannes Herder unendliche Mühe, den alten Herrn wirklich zu beruhigen — endlich aber war eS ihm doch gelungen und die beiden Herren trennten sich, ein jeder eilte, seiner BerufS- thätigkeit nachzukommen, die sie dann auch derart in