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auch alsbald das anstehende Wohnhaus. Der Schup pen und das Wohnhaus brannten vollständig nieder. Ueber die Entstehung des Feuers ist bis jetzt noch nichts bekannt. — Mittweida, 19. Jan. In der Person des am 13. Jan. in Schönborn halberfroren aufge fundenen, in unsrem Krankenhause verstorbenen Un- bekannten ist ein hiesiger Einwohner festgestellt wor den, und zwar ein Schuhmacher namens Leutert. Derselbe hat sich oft mehrere Tage lang von zu Hause entfernt, ohne daß seine Frau, welche in einer hiesigen Fabrik arbeitet, von dessen Thun und Treiben unterrichtet war; erst durch die amtliche Bekannt machung erfuhr die Frau von dem Unfälle. Der Ueberzieher, welchen der Verlebte bei seiner Auf findung getragen hat, ist Tags vorher auf Rittergut Biensdorf gestohlen worden. — Borna, 20. Jan. Im angrenzenden Alt stadt-Borna besaß ein Gutsbesitzer ein Teschin, wel ches er geladen in der Futterkiste des Pferdestalles versteckt hatte. Ein mit einer Verrichtung daselbst beschäftigter fremder Knecht fand das Teschin, ging mit demselben in die Küche und spielte daran, sodaß es los ging; der 3jährige Sohn des Besitzers wurde durch den Schuß sofort getötet. — Meißen, 20. Jan. Gestern nachm. fand hier eine vom Bund der Landwirte einberusene Ver sammlung statt, welche einen sehr starken Besuch von Landwirten der Umgegend gefunden hatte. Den Vorsitz der Versammlung führte Reichstagsabgeordneter Sachße-Merschwitz als Hauptdelegierter des Bundes der Landwirte im 7. sächsischen Reichstagswahlk>eise. Herr Reichstagsabgcordneter Dr. Dietrich Hahn-Ber lin sprach über: „Unsere politische und wirtschaft liche Lage und der Bund der Landwirte." Die Grundgedanken seiner Ausführungen faßte der Red ner in einer Resolution zusammen, welche in nach folgendem Wortlaute einstimmige Annahme fand: „Die heutige Bezirksoersammlung des Bundes der Landwirte in Meißen erblickt die Ursache der eigent lichen Notlage der gesamten vaterländischen Volks wirtschaft hauptsächlich in der einseitigen Förderung des internationalen Güteraustausches und der G-oß industrie während der Aera Caprivi. Mit der Ent wertung der Produkte der heimischen Landwirtschaft ist die Kaufkraft der Landwirte gesunken und der Ge schäftsgang der Landstädte geschädigt, wodurch auch die auf den Absatz im Jnl,.nde angewiesen« Industrie fühlbar mitgetroffen wird. Eine Abhilfe sehen wir außer in der Stärkung des städtischen Mittelstandes lediglich in der Wiederherstellung der Ren! ' .jjtät der Landwirtschaft, die uns einzig und al! an auf dem durch den Antrag Kanitz bezeichneten W- p mög lich erscheint." Der Vortragende erut-te sne seine Ausführungen lebhaften Beifall der Zuhörer, auch sprach der Vorsitzende dem Redner noch besonderen Dank aus. Auf Anregung von feiten des Rcichs- tagsabg. Sachße-Merschwitz beschloß die über 400 Personen zählende Versammlung die Absendung zweier Telegramme an Se. Majestät den Kaiser Wilhelm II. und an Se. Majestät den König von Sachsen, Nach herzlichen Schlußworten des Vorsitzenden endete gegen 5 Uhr die Bundesversammlu m. — Schandau, 20. Jan. Der Wirt des Gasthauses „zum großen Wasserfall" bei Lichtenhain, Julius Henker, ist am vergangenen Sonnabend vor mittag gestorben. Mit ihm ist eine vielbekannte Persönlichkeit in dem Gebiete der sächsischen Schweiz heimgegangen. Er war als Gastwirt etwa 50 Jahre lang im Gebirgsgebiete thätig und erwarb sich be sonders als Wirt auf dem Großen Winterberge, wo selbst er gegen 30 Jahre zugebracht, einen weitgehen den Ruf. Margarethe. Original-Roman von M. Widdern. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Sie sah zu dem Trauerflor an seinem Hut em por. „Sie haben gewiß erst jüngst einen herben un ersetzlichen Verlast erlitten — vielleicht einen lieben Vater — eine teure Mutter verloren?" sagte sie in teilnehmendem Ton. Das an sich schon so bleiche, düstere Gesicht des Mannes an ihrer Seite war noch um Nüancen bleicher und düsterer geworden. „Sie meinen wegen des Krepps an meinem Hut? Der gilt nicht Mutier noch Vater, mein Fräu lein, man trägt ihn auch noch anderer Todesfälle wegen. Nun, ich fügte mich der Sitte, als vor einem Jahre beinahe — meine Frau starb." Wie seltsam die Worte von seinen Lippen klangen — schneidend, höhnend und doch vibrierte durch sie ein so grenzenloses Weh, ein Schmerz ohnegleichen. Das junge Mädchen hatte erschrocken den Blick gesenkt — sie wußte nicht, was sie antworten sollte — ob hier eine Erwiderung überhaupt am Platz; da aber öffneten sich von neuem feine Lippen: „Sind Sie auch schon einmal in der Lage gewesen, Trauer anzulegen?" fragte er, vielleicht, um doch irgend etwas zu sagen. „Gott sei Dank, nein, obgleich ich eben von einem Totenbett komme! — Meine Eltern leben noch beide und trotzdem sie außer mir noch sechs Kinder haben, so starb ihnen doch noch kcins. — Ich denke es mir aber auch zu fürchterlich, wenn der Tod erst — AuS dem Elbthale, 19. Jan. Tine von der Väter Zeiten her erhaltene Sitte zeigt sich in der sogenannten Schifferfastnachten, für deren Begehung noch mancherlei alte Gebräuche in Geltung kommen. Lustia ging eS vorgestern sowie gestern in Stadt Wehlen und Königstein rc. zu, woselbst den üblichen Vergnügen und anderen Festlichkeiten schließlich der altgewohnte Festball nachfolgte. Unsere Schifferge sellschaften gehören zu den ältesten Vereinigungen und eS ist daher auch unter dem Inventar derselben so manch' interessantes Stück aus längst vergangenen Tagen aufzuweisen. — Ein Fechtbruder kam dieser Tage in das Gehöft eines Landwirts in Riestedt bei Sanger hausen und bat um eine milde Gabe. „Geld gebe ich nicht", erklärte der Angesprochene, „aber ich habe Holz zu spalten, wenn Sie das thun wollen, gebe ich Ihnen die ganze Kost und täglich 50 Pfennige". „Sie sind wohl nicht recht klug, lieber Mann", ent gegnete der sogenannte arme Reisende, kommen Sie mit mir „auf die Walze", für diesen Lohn können Sie mein Bündel tragen". Sprach's unv wandte dem verblüfften Manne stolz den Rücken. — Auf Schritt und Tritt umdroht der Tod den Menschen. Der Reisende Reiniger aus Offenbach a. M. ging in Nürnberg seinen Geschäften nach, als von dem Dache eines Hauses eine Schneelast herab stürzte und ihn erschlug. 8 Berlin, 20. Jan. Ueber die Liebhaberei des Kaisers für das Zeichnen erzählt die „Volks- Zkg." Nachstehendes: Auf einem Jagdausfluge hatte er auch einen bekannten Maler mitgenommen. Nach der Abcodtafsl sagte er demselben: Was wollen wir thun? Ich denke, so fügte er hinzu, wir zeichnen. Alsbald ging er auch ans Werk unv der von diesem Vorschlag allerdings etwas überraschte Maler schickte sich selbstverständlich gleicherweise an, demselben zu entsprechen. Nach einiger Zeit meinte der Kaiser, der sich an die Zeichnung einer Corvette gen icht hatte, daß es nach oen mit der Jagd verbundenen Anstreng ungen des Tages doch wohl geraten sei, sich zur Rahe zu begeben. Der Maler that dies denn auch. Nach einigen Stunden aber wurde er plötzlich van einem Diener geweckt, der ihm die Zeichnung über reichte, welche der Kaiser, der aufgeblieben war, in zwischen fertiggestellt hatte. Al« am anderen Morgen der Maler über die wohlgelungsne Zeichnung seine volle Anerkennung aussprach, erwiderte der Kaiser: Sehen Sie, lieber L., wenn es mir mal schlecht gehen sollte, kann ich mich immer noch mit Zeichnen anstän dig ernähren. 8 „Dem deutschen Reiche". Vie? ist bekanntlich darüber gesprochen und geschrieben, daß bei der Ein weihung des neuen Reichehauses am KönigSPlatzs in Berlin an der Stirnseite, die vom Er bauer Professor Wallot vorgeschlagene Inschrift „Dem deutschen Volke" fehlte, bis sich am Ende heraus- stellte, die R-uchstagsbaukommission habe sich über die Inschrift noch nicht entschieden. Nunmehr ist aber Letzteres geschehen; die Inschrift wird aber nicht, wie Wallot gemeint, lauten, sondern heißen: „Dem deutschen Reiche". Manche Berliner Zeitungen äußern sich zustimmend, andere ziehen aber „Dem deutschen Volke" entschieden vor. 8 Berlin, 21 Jan. Als einen Widerhall der letzten Kcisengerüchte hat man wohl die Meldung aus Petersburg anzusehcn, daß der baldige Rückwilt des deutschen Botschafters, G neral von Werder, nicht unwahrscheinlich sei und daß als sein Nachfolger Graf Herbert Bismarck oder der jetzige Staatssekre tär des auswärtigen Amtes, Freiherr von Marschall, genannt wird. seinen Einzug in einer Familie hält, vernichtend — zerstörend. Wenn er —" „Oh — Fiäulein," unterbrach er sie hastig, „manchmal soll er ja auch wie ein Erlöser kommen — gerufen — erbeten und —, aber Sie sehen mich so angstvoll, so erschrocken an ? Armes Kind, vielleicht fürchien Sie sich gar vor dem finsteren Gesellen, dem Sie sich anvertraut haben?" „O, nein, aber —" ein unendlich milder Zug legte sich um den jugendlichen Mund, „aber ich denke, Sie müssen Trauriges erlebt haben, um so sprechen zu können — manches vielleicht, an das nicht zu rühren ist, und deshalb, nicht wahr," setzte sie dann schnell hinzu, „ist es besser, wir brechen von dem Thema ab." „Wie Sie wollen," sagte er kurz und wieder schritten sie eine Weile stumm neben einander her, aber er mußte sich jetzt doch erst bewußt sein, daß die kleine zierliche Mädchengestalt an seiner Seite war, denn er ging langsam, so daß sie ohne An strengung mit ihm Schritt halten konnte. „Ist B. Ihre Vaterstadt?" fragte er dann, viel leicht wieder nur, um etwas zu sagen, das eine Unterhaltung mit seiner Gefährtin anbahnen könnte. „Ja — o, und ich liebe die Stadt sehr, trotz dem sie mir wohl jetzt nicht mehr so groß er scheinen wird, als früher — bin ich ihr doch beinahe zwei Jahre hindurch fern gewesen und habe während dieser Zeit manche bedeutendere gesehen, gegen die mein gutes B. nur wie ein Dorf ist — aber, je nun, Herr Doktor, Sie werden eS ja aus eigener Erfahrung wissen, die Heimat umgiebt immer ein gewisser Glorienschein, kein Ort der Welt hat jenen eigentümlichen Reiz für Z Berlin, 21. Jan. Ueber eine Unterredung, welche der neue Präsident der französischen Republik, Felix Faure, dem Berichterstatter des „N. W. Tgbl." gewährt hat, wird der „Voss. Ztg." aus Wien ge meldet: Faure sagte: „WaS mir das Angenehmste war, ist, daß niemand in Frankreich den Sinn meiner Wahl mißverstanden hat. De« Kongreß wollte unter den gegenwärtigen Umständen einen Sohn aus dem Volke, einen arbeitsamen Mann, der stets ein Mann von gutem Willen und Pflichtgefühl war, zur höchsten Würde erheben und so wie ich bisher war, werde ich auch in Zukunft bleiben." „Die auswärtige Presse hat Ihre Wahl gleichfalls sehr günstig aus genommen," sagte der Besucher. „Jawohl, aber das ist viel mehr," erwiderte Faure, „eine Huldigung für das Land, als für mich selbst. Man war im Auslande von der außerordentlichen Leichtigkeit und von der tiefen Ruhe frappiert, mit der in einem Zwischenraum von sechs Monaten und unter so plötz lichen Umständen sich zwei Mal die Uebertragung der Gewalten vollzogen hat. Man weiß ferner, daß die auswärtige Politik Frankreichs dieselbe bleibt, w!e auch immer die Schattierungen der republikani schen Parteien, die zur Macht gelangen, sein mögen. Frankreich will einen kräftigen würdigen Frieden und ist über seine rasche Wiederaufrichtung nur deshalb so stolz, weil sie ihm gestattet, mit seiner Kraft und seiner Autorität, die ihm geziemen, an diesem großen Werke des Völkerfriesens und der Völkereintracht mitzuarbeiten. Ich bin übrigens immer ein großer Reisender vor dem Herrn gewesen und habe oft Ge legenheit gehabt, in den Ländern, die ich besuchte, meine Eindrücke darüber mit politischen Männern, mit denen ich in Verbindung kam, auszutauschen und vielleicht sind meine J)een, die man bezüglich dieses Punktes kennt, nicht ohne Einfluß auf die so schmeichelhaften Beurteilungen geblieben, deren Gegen stand meine Wahl war." Ueber die Berufung eines Konzentrationsmtnisteriums mit Bourgeois an der Spitze bemerkte Faure: „Die Einberufung des Kon gresses beseitigte nicht die Ereignisse, die ihm voraus- gangen waren und ihn sogar herbeigeführt haben. Beim Sturze des Kabinetts Dupuy, dem ich selbst angehörte, bildete sich in der Kammer eine Strömung zu Gunsten eines Konzentrationskabinetts. Meine Pflicht gebot mir, dieser Strömung Rechnung zu tragen. Ich berief den Mann, der am besten diese Politik verwirklichen konnte." Faure betonte noch, es sei höchste Zeit, daß sich Frankreich entschlossen an die Arbeit mache. 8 Ein Familiendrama wird aus Lemberg gemeldet: Ein tragisches Familienercignis erregt hier allgemeines Aufsehen. Der Pcivatier D., welcher viele Jahre in glücklicher Ehe mit seiner bildschönen Frau lebte, überzeugte sich jüngst, daß sie ein Liebes verhältnis mit einem Offizier unterhielt. Es fand ein Pistolenduell zwischen D. und dem Offizier statt. D. wurde tötlich getroffen, da die Kugel ihm den Hals durchlöcherte. Als dessen Frau hiervon Kennt nis erhielt, erschoß sie sich. ß Mannheim, 21. Jan. Eine im benach barten S ckenheim stattgehabte, vom Bunde der Land wirte veranlaßte Bauernversammlung nahm eine Re solution an, welche mindestens 60 Mark Zoll bei der Tabakfabrikatsteuer verlangt. Falls die Ableh nung des jetzigen Tabakfabrikatsteuergefetzes erfolgt, soll der Bund der Landwirte die Regierung veran lassen, eine neue Tabakfabrikatsteuer auszuarbeiten, welche infolge niedriger Sätze nicht mehr als die jetzige Gewichissteuer einbringt. § Kürzlich wurde aus Nürnberg über eine Härte des Gesetzes berichtet. Ein auf dem Lande lebendes Ehepaar wurde wegen Kuppelei zu der ge ringsten Strafe, je ein Jahr Zuchthaus, verurteilt, uns — jene wunderbare Anziehungskraft, die der für uns bewahrt, in dem wir geboren und unsere Kindheit verlebt." Der Doktor lachte bitter auf. „Ja, man sagt" so erwiderte er dann — „auf mich kann alles das aber keine Anwendung finden — ich habe keine Heimat oder richtiger gesagt, der Ort und im spe ziellen das Haus, in dem meine Wiege gestanden, ist mir nur in der Erinnerung haften geblieben, wie eine Stätte des Schreckens." — Und nach einem tiefen Atemzuge setzte er hinzu: „Meine Mutter starb, nachdem sie mir das Leben — gegeben — und als mein Vater nach kaum einem Jahre eine andere an ihre Stelle setzte, da hielt das Elend Einzug in seinem Hause. — Das böse Weib, dem eine unbe greifliche Laune der Natur das Antlitz des Engels gegeben, eine Schönheit, die ihresgleichen suchte, haßte nicht bloß mich und meine um zwei Jahre ältere Schwester, sondern beraubte uns auch der Liebe des Vaters; und eine so unerhörte, so grausame Behand lung wurde uns zu teil, daß sich schließlich auf Ver wendung der Nachbarn die Ortspolizei ins Mittel legte und uns aus dem Vaterhause fort in ein frem des gab, wo wir aber auch —" Er brach plötzlich ab, die bösen Erinnerungen hatten die Schatten auf dem schönen, düsteren Man nesgesicht noch tiefer gemacht. Grethe Stenson fühlte Mitleid mit ihrem Be gleiter, ihr, die sich in jeder Minute ihres Lebens, auch als sie den Teuren so ferne weilte, von der treuesten Elternliebe umgeben wußte, erschien es als etwas Fürchterliches, Vater und Mutter zu besitzen, in deren Herzen, keine Stimme für ihr Kind sprach.