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heute morgen 9'/s Uhr unangemeldet und ohne jede Begleitung bei der französischen Botschaft vor und hatte mit dem Botschafter eine längere Unterredung. 8 Im deutschen Reichstage beschäftigte man sich vor dem Beginn der Miltwochssitzung recht lebhaft mit der Präsidentenkrisis in Frankreich. Ebenso leb- Haft wie die Hoffnung, es möchten für die innere Entwickelung Frankreichs keine Weiterungen entstehen, waren aber doch die Bemerkungen, daß Frankreich ersichtlich sich auf einer schiefen Ebene befinde, und unliebsame Zwischenfälle ganz überraschend sich geltend machen könnten. Deutschland hat Anlaß, auf der Wacht zu sein! § Ein der Geschäftsordnungskommission des Reichstages zugegangener Antrag Pieschel betr. die Erweiterung der Disziplinarbefugnisse des Präsiden- ten bestimmt: Ein Mitglied des Reichstages, das gröblicher Weise die Ruhe des Hauses stört oder die Würde und den Anstand verletzt, kann auf Antrag des Präsidenten durch Mehrheitsbeschluß für die Dauer des Sitzungstages ausgeschlossen werden. Leistet der Betreffende keine Folge, so kann der Präsi dent die Sitzung aussetzen oder aufheben. Dem Be treffenden kann vor der Abstimmung eine Aeußerung darüber gestattet werden, ob er die Thäterschaft in Abrede stellt oder um Entschuldigung bitten wolle. ß Die ReichstagSkommtjsion zur Beratung der Umsturzvorlage beginnt heute, Donnerstag, ihre Ver handlungen, während die Kommission zur Erweite rung der Machtbefugnisse des Präsidenten erst am Montag ihre Beratungen wieder aufnimmt. — Die Budgetkommission setzte am Mittwoch ihre Beratungen über den Militäretat fort. Es kam zu einer leb haften Debatte über die Mehrsorderung für die Nsu- sormativn von Meldereiter-Detachements. Die Po sition wurde schließlich gegen die Stimmen der So zialdemokraten und der Freisinnigen angenommen. Von den Freisinnigen stimmte Abg. Dr. Pachnicke dafür. Die Forderung, die Luftschiffer-Abteilung, die z. Z. dem Eisenbahnregiment Nr. 1 attachiert ist, von diesem Regiment loszulösen, wurde, nachdem der Kriegsminifter deren Notwendigkeit dargelegt, be willigt. Des Weiteren tetlte der Minister mit auf Anfrage, daß angestrebt werde, den Volksschullehrern die Berechtigung der 1jährigen Dienstzeit zu gewähren. Aber z. Z. sei es noch nicht angängig. Abg. Richter (frs.) kündigt für das Plenum eine Resolution an, welche die sofortige Einführung dieser Berechtigung für die Lehrer fordert. Dis weitere Beratung wurde sodann bis Donnerstag vertagt. 8 Bei einem Brande des Petroleum-Lagerhofes am Südufer in Berlin fanden zwei Arbeiter in folge einer Explosion ihren Tod. 8 Man schreibt der „Franks. Z." aus Waverly in Jova: Eine wunderbare Geschichte wird ans Ne vada in Ohio berichtet. Dort beschlossen eine An zahl Aerzte und sonst interessierte Leute, wenn sie eine geeignete und willige Person fänden, durch einen Versuch sich davon zu überzeugen, ob die Mitteilungen über das Sichlsbendigbegrabenlafsen der indischen Fakirs auf Wahrheit beruhen oder nicht. Für ein Angebot von 500 Dollars fand sich e'n Mann namens Levi Nyn, der sich dem bedenklichen Experiment un terziehen wollte. Allej war bereits vorbereitet, da legte sich die Behörde, die von der Sache in Kennt nis gesetzt worden war, ins Mittel. Auch die öffent liche Meinung war gegen den Versuch. Indessen man gab den Plan nicht auf. Man wartete ruhig ab, bis niemand mehr von der Sache redete und ging dann in aller Stille an die Ausführung des Planes. An einem Platze, wo man gegen Entdeckung völlig gesichert war, wurde Nyn untergebracht, einen Monat lang wurde er körperlich vorbereitet, indem Schicksalsmächte. Novelle von A, Fischer, (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) Je später es wurde, je mehr kam der Tanz in Gang. Trotz der schwülen Hitze drehten sich so viele Paare in dem engen Raum, als irgend thunlich, nur Lenchen tanzte nicht. Unbeachtet saß sie hinter der Wirtin und mit ihrer Freude war es 'vorbei. Die Burschen sahen sie scheel an, seit sie in Ulrichs Be gleitung gekommen, und der Lehrer that, als wäre sie gar nicht da. Dachte er, sie hing sich an den reichen Vetter? Ihr wirbelte der Kopf vor Entsetzen, wie eine Aus- gestoßene kam sie sich vor, wo man sie sonst am meisten zum Tanz geholt. Mit vor unterdrücktem Weinen und zuckender Lippe erhob sie sich. Sie wollte nach Haus. Aber unbe merkt mußte sie die Küche gewinnen, um von da durch den Garten auf einen Fußweg am Bach zur Thalmulde zu gelangen. Sonst war ihr Ulrich wieder auf den Fersen, und davor ängstigte sie sich. Ehe sie jedoch die« ausführen konnte, wollte sie ein Bursche nun doch noch zum Tanze holen. Sie zögerte. Sollte sie da bleiben oder sich, wie es ihre Absicht war, davon machen. Ihr Auge überflog die Gesellschaft. Sie fing einen Blick des neuen Lehrers auf, der sie streifte, während er lustig mit einer reichen und schön geputzten Bauerntochter plauderte. Da regte sich in Lenchen der Stolz. Sie wollte dem Lehrer zeigen, daß sie sich aus seiner Nichtachtung wenig machte und auch fröhlich sein konnte. seine Rationen von Tag zu Tag verringert wurden, bis man das Minimum, das zur Aufrechterhaltung der Lebenskraft erforderlich, glaubte erreicht zu haben. Nun ging es zur Beerdigung. Nyn wurde auf ein Brett gelegt, die Zunge zurückgclegt, so daß sie den Schlund völlig verstopfte, dann wurden Mund, Nasen löcher und Ohren mit Baumwolle gefüllt. Nyas Körper war nun tot. Der Pul« hörte auf zu schlagen, die Augen wurden glasig, jedes Zeichen des Lebens schwand. Nachdem Nyn« Gesicht rasiert worden war, legten sie den Scheintoten in einen luftdicht ver schlossenen Kasten und versenkter, ihn im Keller in einer 2^/s Fuß tiefen Grube. Das war am 1. Okt. Der Körper sollte bis zum 1. Jan. 1895 liegen. Acht Wochen waren den Mitwissern zwischen Furcht und Hoffnung dahingegangen, da glaubten sie, zwei Monate seien lang genug und beschlossen, am 3. Dez. die Erweckung Nyns vorzunehmen. Als erstes günstiges Zeichen bermerkte man, nachdem der Körper aus dem Kasten genommen war, einen üppigen Bartwuchs. Der Körper wurde in eine Wanne mit lauwarmen Wasser gelegt und gehörig gerieben, die Zunge ward in ihre rechte Lage gebracht, aus Ohr, Nase und Mund die Baumwolle entfernt. Es dauerte nicht lange, so fing der Körper an, warm zu werden, und nach einer Stunde hatte man unzweifelhafte Zeichen, daß Leben vorhanden war. Nun wandte man heiße Umschläge an und pumpte Luft in die Lungen. Der Scheintote zuckte, atmete, und nach einigen vergeblichen Versuchen richtete er sich auf und schaute um sich, wie einer, der aus einem wüsten Traum erwacht ist. Leichte Reizmittel und warme Kleider brachten endlich Nyn wieder ganz empor, doch war er so schwach, day er bald zu Bett gebracht werden mußte. Die Sprache und der volle Besitz der geistigen Kräfte kehrten erst nach zwei Tagen wieder. Die Aerzte, welche bei dem Versuch beteiligt waren, haben den Verlaus desselben gezeichnet und werden einen ausführlichen Bericht veröffentliä,en. Begreif licher Weise hat diese Sache großes Aussehen gemacht, und man ist allgemein darüber verwundert, warum die Geschichte schon jetzt an die Oeffmtlichkeit gedrungen ist und nicht erst — am ersten April. Z Arnstadt i. Thüringen, 15 Jan. Heute früh, zwischen 2 und 3 Uhr, ereignete sich in unserem größten Balletablissement ein elementarer Unfall, der leicht hätte unabsehbare Folgen haben können. In dem unseren Sommergästen wohlbekannten Kurhaus hielt die hiesige freiwillige Feuerwehr einen Ball ab. Die anwesenden Gäste, 400 bis 500 Personen, hatten sich vor wenigen Minuten aus dem als Speisesaal dienenden Glaspavillon entfernt, die Kellner waren mit dem Abräumen der Tafel beschäftigt, als plötz lich mit donnerähnlichem Krache das Glasdach des Speisesaales zusammenstürzte, unter sich Tische, Tischzeug und Geschirr, glücklicherweise aber keine Menschen, begrabend. Durch das eingetretene Tau wetter hatte sich der auf dem Hauptgebäude lagernde Schnee gelöst und stürzte auf das sehr starke Glas dach hinab. Verletzt wurde Niemand, nur war der Schreck allen Festteilnehmern derartig in die Glieder gefahren, daß eine fröhliche Stimmung nicht mehr aufkommen wollte und das Vergnügen früher als sonst seinen Abschluß fand. Der Schaden an Dachen ist ein immerhin bedeutender. 8 Stettin, 14. Jan. Gelegentlich der Ver handlungen über die Erhöhung der Eisbrecherge- bühren haben die Vorsteher der hiesigen Kaufmann schaft an den Minister des Innern und den Finanz minister eine Vorstellung gerichtet, in welcher sie um die Genehmigung nachsuchen, sie Eisbrechergebühren für einen ein für alle Mal fest bestimmten Zeitraum von drei Monaten zu erheben. Sie haben hierfür Blieb sie in den Reihen der Tanzenden, fand sie wohl auch einen Tänzer. Trotzig hob sie den Kopf und trat mit dem Burschen zum Tanze an. Seitdem sie sich nicht mehr hinter der Wirtin verkroch, hatte sie auch Tänzer. Trotzdem konnte sie ihrer trüben Stimmung, wie sie gehofft, nicht Herr werden. Ihre Lust war unwiederbringlich hin. Sie ertappte sich oft auf einem stummen Blick, der den Lehrer suchte, und zu alledem saß Ulrich wie ein drohender Wächter an der Thür. So trat sie an ein Fenster, um zu sehen, ob der Mond schon über den Bergen stand. Sie wollte fort. Die Nachtluft berührte wohlthätig ihre erhitzten Wangen. Beim Tanz hatten sich ihre blon den Zöpfe gelöst, so blieb sie stehen und nestelte da ran herum, während sie mit dem Rücken an dem Fenster lehnte. Da schob sich Jemand plötzlich zwi schen sie und die vorübertanzenden Paare, aufblickend sah sie sich dem Lehrer gegenüber. Seine Stirn zog sich in Falten. Sie drehte sich herum und schaute in die Nacht hinaus. „Ich will mein Versprechen einlösen und mir die Spielsachen holen," begann der Lehrer kurz und knapp. „Bemühen Sie sich nicht, die bleiben in meiner Tasche," gab sie genau so zurück und drehte den Kopf nicht einmal herum. Der Lehrer biß sich auf die Lippen. „Der Vetter Ulrich kann es wohl besser besorgen. Geld genug hat er schon, Bestellungen zu machen auf eigene Faust, wenn er die Spielsachen auch nachher in den Bach wirft. Da bin ich überflüssig." geltend gemacht, daß diese Gebühren dann bei Weitem niedriger bemessen werden könnten, als sie heute sind, und daß schon heute die Handeltreibenden bei im Winter zu erfüllenden Speditions- usw. Geschäften die Eisbrechergebühren in ihre Kalkulationen mit uufnehmen müßten. In ähnlichem Sinne war von den Vorstehern der Kaufmannschaft schon früher eine Eingabe an die Slaatsregierung gerichtet, welche ab lehnend beschicken ist. Auch auf diese erneute Vor stellung ist ein ablehnender Bescheid erfolgt, der mit dem im Artikel 54 der Reichsverfassung enthaltenen Grundsätze motiviert ist. Der Artikel 54 lautet wört lich und vollständig: „Die Kauffarteischiffe aller Bundesstaaten bilden eine einheitliche Handelsmarine. Das Reich hat da« Verfahren zur Ermittelung der Ladungsfähigkeit der Seeschiffe zu bestimmen, die Aus stellung der Meßbriefe, sowie die SchiffScertifikate zu regeln und die Bedingungen festzustellen, von welchen die Erlaubnis zur Führung eines Seeschiffe« abhängig ist." 8 Ueber einen Mord im Zuchihause in München wird berichtet: Die That wurde in der Nacht vom 10. zum 11. Januar in einem Schlafsaal, in welchem über 40 Mann schlafen, verübt, und zwar ohne auf fallenden Lärm, denn sonst müßte» diesen die Auf seher, die nebenan ihr Zimmer besitzen, vernommen haben. Der Getötete hieß Joseph Probst, befand sich kaum ein Jahr zur Verbüßung einer 12jährtgen Zuchthausstrafe in der Anstalt. Als Tbäter nannte sich ein gewisser Joseph Giersberg aus Köln a. Rh., der am 25. Juli 1888 in der Nähe von Bruck ein 10jährigcs Mädchen vergewaltigte und dann um brachte; er wurde deswegen zum Tode verurteilt, dann aber zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe be gnadigt. Er benutzte zur That ein in einem Magazin verwahrt gewesenes kleines Beil, das er dem Auf seher entwendet hatte. Die beiden genannten Ge fangenen waren in der nämlichen Abteilung als Papierarberter verwendet; es hatte aber zuvor zwischen ihnen kein Streit stattgesuuden. Ueber den Beweg grund zur Thar wird die eingeleitete Untersuchung wohl Klarheit verschaffen. Die gerichtliche Sektion des erschlagenen Probst ergab, daß der Meuchelmörder I. Giersberg seinem Opfer mit zwei wuchtigen Beil hieben den ganzen Schädel zertrümmert hat, so daß der Tod unmittelbar etntreten mußte. Der mit einer echten Verbreche, Physiognomie ausgestattete Thäter wurde der Leiche seines Opfers gegenübergestellt, wo bei er sich völlig gleichgiltig benommen und die That unumwunden eingeftanden hat. Giersberg wird wahr scheinlich zum 2. Male zum Tode verurteilt werden. ** Paris, 16.1.... Casimir Pöiier empfing 11 Uhr morgens Dupu' und die anderen zurückqc- tretenen Minister, die itm ihre hohe Verehrung und das Bedauern über semen Entschluß ausdrückten. Porter dankte lebhaft. Die Unterredung war sehr herzlich und dauerte eine Viertelstunde. Ein Offizier des militärischen Hauses brachte morgens Dupuy den Demissionsbrief Pörier's. Dupuy teilte sofort Challemel-Lecour und Brisson denselben mit. Diese verlasen das Schreiben nachmittags im Senat und in der Kammer und zeigten auch die wahrscheinlich morgen in Versailles erfolgende Berufung des Kon gresses an. In Paris herrscht Ruhs. ** Paris , 16. Jan. Das heute in den Kammern verlesene Schreiben Casimir-Periers lautet: „Ich verhehlte mir nie die Schwierigkeiten der von der Nationalversammlung mir auferlegten Aufgabe und hatte die Schwierigkeiten vorausgesehen. Wenn man im Augenblicke der Gefahr einen Posten nicht aus schlägt, bewahrt man die Würde nur bei der Ueber- zeugung, dem Vaterlande zu dienen. Eine von den Mitteln der Aktion und Kontrole entblößte Präsident schaft der Republik kann nur aus dem Vertrauen „Jetzt fuhr Lenchen empört und beleidigt herum: „Der Ulrich hat die Spielsachen nicht und bekommt sie nicht; lassen Sie sich das gesagt sein." — Sie sprach hastig und leise. „Ich werde mir allein helfen. Sie sind heute viel zu abscheulich, als daß ich die geringste Gefälligkeit von Ihnen annehmen werde, und dabei haben Sie nicht die kleinste Ursache, mich so — so schlecht zu behandeln." Ihre Stimme bebte wie von verhaltenem Weinen. Sie versuchte an dem Lehrer vorbei in die Stube zurückzukommen. Der Lehrer ließ sie nicht durch. Ihre Empö rung sagte ihm deutlich genug ohne ihre Worte, wie unrecht er ihr mit dem häßlichen Verdacht gelhan. Es konnte doch der Zufall sein, der sie mit dem Ul rich Ekbert zusammengeführt, und dann wollte er gern Abbitte leisten für das Mißtrauen, welches ihn erfüllt und das ihn selbst so unglücklich gemacht hatte. Seine ganze Lustigkeit den Abend über war nur ein Betäubungsmittel gegen den brennenden Schwerz, den er im Herzen gefühlt. „Lenchen", fing er leise und mit völlig verän- derter Stimme an, „hören Sie mich an. Sie müssen es ja wissen; warum mir das Blut zu Kopf steigt, wenn ich Sie mit dem reichen Vetter zusammen sehe, der — so übel verleumdet ist." „Natürlich glauben Sie sofort, daß mir seine Begleitung erwünscht ist", fiel sie ihm herb ins Wort. Der Groll, der den ganzen Abend an ihr genagt, mußte sich Luft machen. „Es fällt Ihnen nicht ein, daß solch ein Mensch aufdringlich und un verschämt sein kann, daß man ihn trotz aller Abwehr nicht los wird. Und anstatt mir zu helfen, spielen Sie noch den Entrüsteten. Gehen Sie — da, die