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—.—^--^-— Plauen ein verendeter Hase in ganz abgemagertem Zustande aufgefunden und an den Oberjäger abge liefert. Auch von anderer Sette wird uns vom Auffinden verendeten Wildes, das an Futtermangel zu Grunde gegangen ist, berichtet. — Der Sächsische Gastwirtstag findet in diesem Jahre im Monat Juni in Burgstädt statt. Bei den vielen gastgewerblichsn Fragen, die jetzt an der Tagesordnung sind, sieht man dem diesjährigen Sächs. Gastwirtstage in fachgewerblichen Kreisen mit ganz besonderem Interesse entgegen. — Ein unangenehmes Ende fand zwischen Lie - b e r t w o l k w i tz und F u ch L h a in eine Schlit tenpartie, die drei Herren unternommen hatten. Pferd und Schlitten gerieten nämlich aus einen durch den Schnee verdeckten Wassergraben, dessen Decke nicht aushielt, sodaß das Gespann einbrach. Das Pferd offenbar vom Schlage getroffen, verendete sofort. Die Insassen paddelten sich mit Mühe aus dem Graben heraus und holten dann von dem nächsten Octe ein frisches Pferd, mit dem schließlich auch der Schlitten in Sicherheit gebracht wurde. — Ein ähnlicher schneller Todesfall wie kürzlich in Oybin störte am Sonntag das Schlittenfahrt- Vergnügen einer Oderwitzer Gesellschaft. Die selbe war nach Eibau gefahren und im Gerichtskret scham abgestiegen. Dort wurde die Gattin des Fab rikanten Michel aus Nieder-Oserwitz plötzlich unwohl, dieselbe begab sich behufL Erlangung eines geeigneten Mittels in die nahe Apoiheke, woselbst sie, kaum angekommen, vom Schlage ge-roffen tot zu Boden, sank. — Ein Löbauer Uhrmacher, der am Sonn tag seine Hochzeit beging, hatte seinem Gehilfen für diesen Tag das Ladengeschäft anvertraut, welcher sich aber dieses Vertrauens durchaus unwürdig zeigte, da er mehr als ein halbes Dutzend gollmer Uhren mit Ketten zu sich nahm und damit das Weite suchte. Der ungetreue G-Yilfe heißt Elias und ist aus dem oberschlesischen Orte Nikolai gebürtig. — Abermals ist aus Löbau ein heiteres Intermezzo z i beuchten. Zwei Männer, die nach Ebersbach reisen wollten, bemerkten beim Einsteigen ins Koupä einen Gendarmen darin, welchen sie da raus aufmerksam machten, daß man im Bahnhof noch einen Vertreter Ler Staatsgewalt behufs Verhaftung eines Gauners gesucht habe. Der Gendarm stieg pflichtgetreu aus, um den ihm beschriebenen Gauner zu verhaften. Dieser aber bezeichnete jene beiden Männer, welche inzwischen nach Ebersbach abgedampft seien, als Gauner, welche ihn (den Gendarmen) nur hätten los sein wollen. Der Gendarm war nun mißtrauisch geworden, hielt seinen Gefangenen fest und telegraphierte nach Dürrhennersdorf, die beiden Männer in dem und dem Koups ebenfalls festzu nehmen. Nan sitzen alle Drei fest, und wird es sich hoffentlich bald entscheiden, wer eigentlich Gauner ist. 8 Berlin, 29. Jan. Am Militär-Laboratorium in Tegel ist gestern ein Mann von einem Militärposten erschossen worden; derselbe machte sich an den Fenstern des Laboratoriums zu schaffen; als der Posten ihn fragte, behauptete er, er müsse die Fenster revidieren. Der Posten hielt ihn infolgedessen für einen Glaser, befragte aber einen später Hinzukommenen Depot- Felawebel, ob der Mann wirklich irgend welchen ? Auftrag habe. Als düse Frage verneint wurde, wollte der Posten den Fremden verhaften, dieser ergriff aber die Flucht. Die gerade hinzukommende Abiösungs- mannschast verfolgte ihn und gab, da er auf wie derholtes Anrufen nicht stehen blieb, zwei Schüsse auf ihn ab, von denen der zweite durch den Halswirbel ging und den Mann sofort rötete. 8 Berlin, 28. Jan. Folgende dunkle Selbst- mordgeschichte erzählen die „Gerl. N. N.": Dieser Tage wurde ein Droschkenkutscher von einer jungen Margarethe. Original-Roman von M. Widdern. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) „Aber draußen in der Haide, unter den uralten Föhren, an denen die Gegend, in der ich meine Jugend verlebte, so reich ist, da hab ich Sinn und Herz zu Gott erheben können und wie oft mir, schon in sehr jungen Jahren, auch sonst wohl die angst volle Frage kam: Giebt es wirklich ein allwaltendes Wesen, das auch in die kleinen Menschen steht? Dort unter den grünen Bäumen, in deren hehrer Ruhe um mich herum, die höchstens durch das Ju bilieren eines Vögleins unter brochen wurde, zweifelte ich nicht, ich wußte: Gott lebt — alles um mich herum ist sein Werk!" „Und jetzt?" fragte Margarethe teilnehmend, „wo beten Sie jetzt am liebsten?" Der starre Ausdruck seines schönen, von schwar zem Bart umrahmten Gesichts war für Minuten dem einer gewissen Schwärmerei, die man am wenigsten in diesen Zügen gesucht hätte, gewichen, jetzt aber legte sich seine breite Denkersttrn von neuem in düstre Falten und um seine Lippen zuckte es bitter und trotzig: „Und jetzt? Ich bete gar nicht mehr, Fräulein! Es giebt Erfahrungen, die — nun, die Glauben und Frömmigkeit für immer in der Men schenbrust ersticken!" „O, nein, nein!" Unwillkürlich legte sich das kleine, zarte Kinderhändchen auf seinen Arm. — „Herr Doktor", kam es dann wie flehend beinahe über ihre Lippen, „ich weiß zwar nicht, wodurch Sie Dame in der Friedrichstraße zu einer Fahrt gedungen. Zunächst erhielt er die Anweisung, nach einer Was- fenhandlung zu fahren, aus der die Auftraggeberin bald zurückkehrte. Nun ging es nach einem be stimmten Hause in der G.-Straße zu Kallensee. Als die Droschke dort hielt, ertönten in ihrem Innern zwei Schüsse. Der Wagenführer sprang hinzu und fand, daß daS junge Mädchen mit geschlossenen Augen dalag, während die Kleidung in der Herzgegend zwei Löcher zeigte, die van den eingedrungenen Geschossen herrührten. Alsbald erschien auch ein Herr aus der Villa, vor der die Droschke hielt. Auf die Frage des Kutschers, ob er die Dame kenne, gab er eine ver neinende Antwort. Als das junge Mädchen diese Worte hörte, schlug es die Augen auf und rief dem Kutscher zu: „Fahren Sie mich nach Berlin zurück." Während der Fahrt durch die Schillerstraße in Ehar- lottenburg erhielt der Kutscher Plötzlich die Weisung, dis Dame auSstcjgen zu lassen, da sie in der Droschke doch nicht sterben würde. Sie verschwand dann, Muff und Patronen in dem Wagen zurücklassend. 8 Berlin. Wie ein Kapitel au« einem Kol portage-Roman klingt eine Testamentsgeschichte, die der „Börsen-Courier" erzählt; sie lautet wie folgt: Im Jahre 1871 verstarb hier ein Kaufmann unter Hinterlassung eines sehr bedeutenden Vermögens. In seinem Testament befand sich unter anderem die Be stimmung, daß ein Grundstück, das er besaß, seinem Bruder zufallen solle. Die übrigen Erben waren über diese Bestimmung UM so mehr erstaunt, als der Verstorbene mit seinem Bruder bereits längere Z-it verfeindet gewesen war. Trotz ihres Einspruches waren die Testaments-Exskutoren indeß genötigt, dem Willen des Erblassers entsprechend, das Grundstück, dessen Wert bei diesem Anlaß auf einige achtzig- tausend Thaler festgestellt wurde, zu übergeben. Gleichzeitig wurde mit dem Inventar des Erblassers auch dessen eisernes Geldsvino an einen hiesigen Kauf mann verkauft, der den Schrank 22 Jahre lang in seinem Geschäftslokal benutzte, bis er vor Kurzem liquidierte und bei der Auflösung seiner Handlung den Kassenschrauk in feine POvatNvhmmg transpor tieren ließ. Bei dem Transport geriet der Schrank in Unordnung und konnte, an feinen Bestimmungs ort gelangt, nicht geöffnet werden. Der herbeigerufene Schlosser öffnete den Schrank und fragte, nachdem er das Innere besichtigt hatte, ob er auch bas „Ge heimfach" öffnen solle. Von dem Vorhandensein eines solchen hatte der Kaufmann aber keine Ahnung, und als es geöffnet war, stellte es sich heraus, daß es eins Menge von Papieren enthielt, u. a. ein Ko- dizll des ober, erwähnten Testaments, durch das sie Schenkung des Grundstücks an den Bruder des Ver storbenen aufgehoben wurde. Ban diesem Funde machte der GSraukbefitzrr den Erbe« und den Testa ments Vollstreckern Mitteilung, und nun dürfte es sich um die Rückstellung des Hauses an dis Erben handeln, nachdem es sich 23 Jahre lang in unrecht mäßigem Besitz befunden bat. Der Wert des Hauses hat sich aber inzwischen sehr erhöht und wirb gegsu- wärtrg auf etwa 1,200,009 Mark geschätzt. Z Die Aussichten deS neuen Umfturzqesetzes im Reichstags sind und bleiben unsicher. Mitglieder der CentruMspartei haben in der Kommission, die mit dsr Spezialbsratung des Entwurfes beauftragt ist, für Paragraphen gestimmt, von welchen man annahm, sie würden die prinzipielle Zustimmung nicht finden. Aber dies beweist für das ganze Gesetz noch wenig, und es ist nicht zu ersehen, wie sich die Dinge stellen werden, wenn es späterhin im Reichstage zur ent- fcheidsndsK Abstimmung kommen wird. Ganz sicher wird es da schon bei der Formulierung der einzelnen Paragraphen auf sehr wenige Stimmen ankommsn, und man kann hierfür dem Reichstag nur ein gefülltes innerlich so verwandelt sind, ich denke selbst bei dem Fürchterlichsten, was wir erleiden, müßten wir doch den Glauben nicht verlieren — und die Hoffnung, Herr Doktor! Freilich es ist ein sehr trivial gewor denes Wort, das Wort von dem Sonnenschein, dem doch endlich Sturm und Ungewitter folgen muß, aber es basiert doch auf Wahrheit — und ist so tröstend!" setzte sie hinzu, während die schönen, blauen Augen, in denen Thränen schimmerten, Thränen des Mit leids und der Teilnahme für den sichtlich so unglück lichen Mann, zu ihm aufsahen, „Es wird sich ja auch für Sie alles zum Guten lenken", tröstete sie Wetter, „die Zeit macht vergessen und —" Der Satz blieb unvollendet und plötzlich bis in die Stirn errötend, sah unsere junge Freundin vor sich nieder — die Blicke des Doktors machten sie verwirrt. Da fühlte sie plötzlich ihre Hand gefaßt — fest und warm und seine tiefe Stimme sagte leise vibrierend: „Dank, liebes, edles Mädchen — Sie sprechen mir das erste wirkliche Trosteswort!" Dann aber schritten sie wieder schwelgend neben einander her — die Augen des Mädchens jedoch blieben gesenkt. — So stiegen sie die steinernen Stufen in die Höhe — so stand sie oben an seiner Seite, bis er endlich wieder in seiner alten Weise sagte: „Aber wollen Sie sich nicht umsehen, Fräu lein? Es giebt auch hier manches, was an längst vergangene Zeiten erinnert, wenn meine Schwester auch gerade diese Terrasse nur dem Nützlichen geweiht und ihren Küchengarten nach hier verlegt hat!" Und wirklich, trotz der so wenig poesievollen Anpflanzungen von Kohlrabi, Mohrrüben, Erbsen und allerlei Kohlarteri, die beiläufig gesagt, Frau Haus wünschen. Vor der Hand sieht es noch recht kläglich aus damit; vorige Woche war es öd wie in einem NachmittagsgolteSdienst mancher Kirchen, und in dieser Woche scheint die Besetzung nun noch etwas mehr zu wünschen übrig lassen zu wollen, während im preußischen Abgeordnetenhause fast Uebcrfüllung herrscht. 8 Von heute auf morgen kann kein Mensch der bedrängten Landwirtschaft helfen? Das ist der kurze Sinn der langen Rede, mit welcher der preußische Landwirtschaftsminister v. Hammerstein vor das Berliner Abgeordnetenhaus hmgetreten ist. Minister v. Hammerstein ist kein Freund der neuen Handels verträge, aber er betont, daß die wirtschaftliche Krisis international ist und sich überall findet, mag ein Staat eine Wirtschaftspolitik verfolgen, welche er will. Der Minister hat auch kein Hehl darüber ge lassen, daß er ungern seinen dornigen Posten einge nommen hat, und man kann ihm das glauben, denn es ist nicht leicht, gerade hier eine Einigung herbei zaführen. Der Minister hat versprochen, daß der Antrag Kanitz auf Monopolisierung der fremden Getreideeinfuhr durch den preußischen Staatsrat ge prüft werden toll. Von prinzipieller Zustimmung hat er nicht gesprochen. Die weiteren Entscheidungen in dieser wichtigen Angelegenheit werden also abge wartet weiden müssen. Was die Zeit schweres bringt, ist zu ertragen! Darauf hat der Minister auf die Landwirtschaft hingewiesen. Es wird sich zeigen, welche Antwort aus der Landwirtschaft erfolgen wird. Im preußischen Wbgeordnetenhause haben die Vertreter landwirtschaftlicher Kreise dem Minister gegenüber schon betont, daß etwas geschehen müsse, und man die Dinge nicht gehen lassen könne. Die entgiltige Entscheidung über den Antrag Kanitz steht übrigens beim Reichstage, nicht beim Preußischen Parlament. K Gera, 27. Jan. Durch die Geistesgegen wart eines Mädchens wurde heute hier ein Doppel- word verhütet. Der einige zwanzig Jahre alte Dienst knecht MattheS hatte ein Liebesverhältnis mit einem Mädchen, nut welchem er zusammen auf einem benach barten Rittergut gedient hatte. Die Eltern des Mäd chens billigten das Verhältnis nicht, so daß Matthes den Abschied bekam. Heute trat nun Matthes iu die Wohnung des Mädchens, als dasselbe allein war uns sagte der ehemaligen Geliebten, indem er ein großes Fleischermesfer, welches er extra zu diesem Zweck gekauft hatte, zog, sie solle sich fertig machen, denn sie solle mit ihm zusammen sterben. Das Mäd chen war resolut, sagte dem Burschen, er solle nur vernünftig fein, da sie das Verhältnis mit ihm wie« der erneuern wolle. Hierauf ging der aufgeregte Mensch schließlich ein. Inzwischen kamen die Än- gehörigen des Mädchens heim und es gelang, dm Burschen mit Hilfe- der Polizei unschädlich zu machen. ß Weißenfels, 28. Jan. Während einer im hiesigen Etablissement „Kaffeehaus" militärischer seits abgehaltenm Kaifsrgeburtstagsfeier stürzte kurz vor Beginn des Tanzes eine Petroleumlampe von der Decke herab und explodierte. Ein Soldat, welcher sich du-ch einen Sprang aus dem Fenster reitete, erlitt einen Beinbruch. Das Gebäude ist total ab gebrannt. 8 Unter ungeheurem Andrange des Publikums fand am Montag vor der Strafkammer des Land gerichtes zu Lüneburgdie Verhandlung gegen den „Wunderdoktor" Ast aus Radbruch wegen unbefugten Verkaufs von Arzneien statt. Ast ist deshalb vom Schöffengericht zu Winsen zu 150 Mark Geldstrafe verurteilt worden und hat gegen dies Urteil Be rufung eingelegt, er war jedoch zum heutigen Termin nicht erschienen. Sein Verteidiger, Rechtsanwalt Heinemann-Lüneburg, machte geltend, daß, da Ast Gottfrieden alle Ehre machten, so prächtig gedieh hier alles, gab es noch vieles zu bewundern, was Grethe, die man in der Schule mit Vorliebe „unsere kleine Archäologin" genannt, in hohem Grade inte ressierte — wenn auch die Gegenstände zerstreut und mitten unter den Küchengewächsen den allerunpaffend- sten Platz von der Welt einnahmen: da erhob sich zum Beispiel zwischen wuchernden Zwergbohneu die verwitterte Statue eines steinernen Heiligen, dessen Namen dem jungen, protestantischen Mädchen freilich nicht bekannt war, der aber nichtsdestoweniger doch ihr höchstes Interesse weckte. Hatte doch dis hohe, dünne Gestalt in dem wunderlich geformten Mantel schon Jahrhunderte an sich vorübergehen sehen, manches junge Menschenauge erblickt, das jetzt längst zu Staub und Asche geworden und welches doch damals — vor langer — langer Zett so auf merksam in jein kaltes, strahlenbekränztes Gesicht gesehen — freilich mit anderen Gedanken und ganz, ganz anderen Gefühlen, als das des jungen schönen Weltrindes in der eleganten Reisetoilette, welches sich jetzt zu den Zügen des Heiligen hob. Wieder mußte ihr Begleiter erst daran mahnen, daß die Zeit vorwärts rücke, ehe sich Grethe von ihren Betrachtungen trennte, um mit aufmerksamen und verständnisvollen Blicken nach anderen Ueber- resten und deren Vergangenheit zu fahnden, die sich in verschiedenen großen und kleineren an eisernen Stän dern befestigten Tafeln präsentierten, auf denen sie mühsam mit Hilfe des Doktors die Worte entzifferte: „msnaMti wori!" Dann aber eilten sie auch ohne Aufenthalt vor wärts — wieder eine nicht unbeträchtliche Anzahl