Volltext Seite (XML)
seine nnabläsfige lande-väterliche Sorge und die drin gendste Aufgabe der Regierung. Die Thronrede kündigt eine Vorlage betreffend das Anerbenrecht bei Renten« und AnsiedelungSgütern an, ruft alle Wohl gesinnten zur Abwehr der wachsenden Angriffe auf die Staatsordnung auf, und bittet Gott, daß die Tagung dem Lande zu reichem Segen gereichen möge. 8 Au» Kahla wird gemeldet: Eine epoche machende Neuerung im Beleuchtungswesen erfand ein Kahlenser, ein junger Mann, Namen» Eisenach. Der selbe konstruierte einen einfachen Apparat, ohne jed wede mechanische Kraft, welcher ein Licht erzeugt, das dem elektrischen wenig nachsteht. Der Apparat arbeitet vollständig geräuschlos, und der Raum für die Anlage ist ein nur geringer. Da weder eine Feuerungsanlage oder sonst eine mechanische Kraft vorhanden ist, so kann der Apparat überall im Hause Aufstellung finden. Der Preis des Brennstoffes bei einer ca. 50 kerzenstarken Lampe beträgt pro Stunde ungefähr 1Vs bis 1^4 Pfg. Da der Apparat und die Anlageverhältnismäßig billig sind, so dürfte diese Erfindung in allen Orten, wo weder Gas noch elek trisches Licht vorhanden ist, schnellstens Eingang finden. 8 Eisleben, 14. Jan. Hier gab es gestern früh gegen 7 Uhr wieder einen so heftigen Erdstoß, daß viele Einwohner aus dem Schlafe aufaeschreckt wurden. Eine Anzahl bisher noch unbeschädigter Häuser haben nun auch Risse bekommen. 8 Hamburg, 15. Jan. Die sich häufenden Strafmandate gegen den Wunderdoktor Ast wegen unbefugter Ueberlassung von Arzneien haben den Er folg gehabt, daß Ast seine Karen vorläufig einge stellt hat. 8 Breslau, 14. Jan. Im Hofe des hiesigen Justizgesängnisses wurde heute früh 8 Uhr der Ar beiter Valentin Liß, ein 27 Jahre alter russischer Unterthan, durch den Scharfrichter Reindel enthauptet. List hatte auf der Feldmark von Groß-Pogul (Kreis Wohlau) seine Braut, die Dienstmagd Marianne Kulla, ermordet, weil er eine Witwe heiraten wollte. Die Verurteilung durch das hiesige Schwurgericht war zweimal erfolgt, weil das Reichsgericht das erste Todesurteil wegen eines Formfehlers aufgehoben hatte. * * AuL Paris: Der Minister für öffentliche Arbeiten, Barthau, ist aus seinem Amte geschieden. Man erwartet in absehbarer Zeit eine totale Mnister- krisis. — Die Sozialisten wollen Strafverfolgung des früheren Bahnmimster Rachnal wegen des Südbahnschwindels beantragen. Angenommen wird der Antrag schwerlich. * * Paris, 14. Jan. Eine plötzlich ausge brochene partielle Ministerkrisis hat zur Demission des gesamten Kabinetts geführt. Ende vergangener Woche kam vor dem Staatsrat ein Prozeß zwischen den Eisenbahngesellschaften du Midi und d'Orleans einerseits und dem Staate andererseits zum Austrag. Es handelte sich um eine verschiedene Interpretation des auf die staatliche Zinsgarantie bezüglichen Ar tikels der zwischen dem Staat und den Gesellschaften 1883 erneuerten Verträge. Die erste Konvention war 1859 geschlossen, die Dauer der staatlichen Zins garantie wurde auf fünfzig Jahre von 1865 ab fest gesetzt. Bei der Revision des Vertrages im Jahre 1883 unter dem Ministerium Ferry wurde nach der Auslegung der Gesellschaften, die jetzt durch die Ent- scheidung des Staatsrats bestätigt worden ist, die Limitierung aufgehoben. Der damalige ArbeitS- minister, der die neuen Verträge abschloß, war Raynal, um diese Zeit zum dritten Male Minister. Das Ministerium, vertreten durch den Arbeitsminister Barthou, vertrat die Ansicht, daß die Limitierung noch zu Recht bestehe. Der Staatsrat hat diese Ansicht verworfen und den Prozeß zu Gunsten der Schicksalsmächte. Novelle von A. Fischer, (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) Weil sie so froh und glücklich war, nun doch morgen zum Tanz gehen zu können? Oder weil der Lehrer gern mit ihr tanzen wollte? O, sie war ihm so herzensgut, und er ihr auch, das hatte sie ihm vor hin vom Gesicht abgelesen. Wenn er nun gar ihr Bräutigam würde! „Dummer Schnack," rief sie halblaut und riß die Thüre auf, — der dachte ge wiß nicht an sie, wenn er endlich heiraten würde, an sie — die arme Arbeiterin in der Holzmühle! Später fiel ihr auch der Vetter ein. Ein Grauen schüttelte unmerklich ihren Körper. Sie wußte es Wohl, ein Zufall hatte den Ulrich heute nicht in dem verregneten Walde ihr in den Weg geführt. Jeden falls fing der Vetter an, unbequem zu werden. * * * Ulrich war den Beiden gefolgt und stand lau schend unweit der Tannen. Vor Aerger biß er sich in die Lippen. Er hatte sich naß regnen lassen von den triefenden Zweigen und mußte zusehen, wie die Kousine mit dem verhaßten Schulmeister schön that, während er sie erwartet hatte. Sonst war sie die Ablehnung selbst und hier sah er das Gegenteil. Was wollte sie nur mit einem Schulmeister? Mit einem Gesicht wie das ihrige konnte sie eine ganz andere Parthie machen, als den simplen Lehrer. Aber Ulrich wollte ihr das schon klar machen, den dummen Tanz mit dem Lehrer sollte sie lassen. Gesellschaften entschieden. Er hat in seinem Erkennt nis hervorgehoben, daß Raynal, besonders auch durch das Schweigen, das er gegenüber der Interpretation der Gesellschaften seiner Zeit gewahrt, ihr Recht ge geben habe, und hat in dem Erkenntnis deutlich durchblicken lassen, daß Raynal mindestens leicht sinnig gehandelt habe. Nachdem nun der Arbeits minister Barthou seine auch dem Parlament gegenüber vertretene Interpretation zurückgewiesen sah, hat er ge glaubt, seine Demission einreichen zu müssen. In der Kam mer interpellierte nun Barthou's. Redner tadelte die Re gierung, weil sie dieFragederZinsgarantiedemStaatS- rate unterbreitete und beantragte eine Untersuchung, um zu prüfen, ob Raynal, der Urheber der Uebereinkunft mit der Südbahn, in Anklagezustand zu versetzen sei. Raynal selbst verlangte eine Enquete-Kommission; dieselbe wurde angenommen mit 253 gegen 225 Stimmen. Darauf wurde eine Tagesordnung Tre- lats, wonach die Kammer ihrer Achtung vor dem Prinzip der Trennung der Gewalten Ausdruck giebt, mit 263 gegen 241 Stimmen abgelehnt. Die Minister verließen hierauf den Saal und begaben sich inS Elysä-, um ihre Demission zu überreichen. * * Aus Wien: Das neue ungarische Mini sterium Banffy ist nunmehr gebildet, wird vereidigt werden und sich hiernach in den näch sten Tagen den Kammern vorstellen. Wenn auch die Budapester politischen Kreise sehr hoffnungsvoll thun, so ist doch vorauszusehen, daß die Freude nicht lange dauern wird. Ungarn ist nun mal im Kriseln drin, und was da kommen wird, ist abzusehen, es geht noch eine Weile so weiter. * * Genua, 15. Jan. Infolge starken Schnee falles mußten alle aus Oberitalicn kommenden Eisen bahnzüge auf der Station Ronco Halt machen, da die Weiterfahrt unmöglich war. An der Freimach ung der Linie wird gearbeitet, der Schneefall dauert fort. * * Rom, 15. Jan. Die „Agenzia Stefani" meldet aus Massauah: General Garatieri traf am 12. Januar abends, ohne daß es der Feind bemerkt hatte, in Coalit ei« und griff am 13. Januar in frühester Morgenstunde unvermutet den Feind, wel cher 10,000 mit Flinten und viele mit Seitenge wehren ausgerüstete Soldaten zählte, an. Ras Man- gasha ging zurück, nahm den Berg Gonde als Stütz punkt und versuchte einen Frontangriff, den Baratieri jedoch zuiückwies. Ras Mangasha hatte beträcht liche Verluste. Die Abessinier versuchten eine Um gehung der Italiener, welche ihnen jedoch zuvorkamen. Der Feind wiederholte seinen Angriff nicht, jedoch wurde das Gewehrfeuer auf beiden Seiten den ganzen Tag fortgesetzt. Die Nacht verging völlig ruhig. General Baratleri schlug mit den gesamten Truppen sein Lager bei Colit auf. Die Haltung der Italiener war bewunderungswürdig. Die gefangenen Feinde bestätigten, daß die Verluste Ras Mangashas be trächtlich sind. Die Verluste der Italiener sind nicht bedeutend. * * London, 15 Jan. Im Diglaker Kohlen bergwerks in der Rähe von Audley (Staffordshire) erfolgte ein Wassercinbruch, während 250 Bergleute im Bergwerks beschäftigt waren. Um 5 Uhr nach mittags waren 150 Personen gerettet. Es wird be fürchtet, daß 20 Bergleute, welche in den untersten Gruben arbeiteten, ertrunken sind. * * Ein merkwürdiger Liebesroman hat sich in Kopenhagen abgespielt. Vor einiger Zeit kam ein junger Hindu, Sohu eines reichen Gutsbesitzers, dort an. Er hatte in Oxford studiert, dort ein junges dänisches Mädchen getroffen und sich sterblich in sie verliebt. Die in Kopenhagen wohnenden Eltern der jungen Dame widersetzten sich indeß energisch der Tags drauf stellte Ulrich sich gegen Abend auf die Lauer und paßte Lenchen wieder aus. Es war ein Sonntag und Lenchen Eisold brauchte heute nicht in die Mühle hinunter. Stechend heiß hatte die Sonne den ganzen Tag über dem Walde und der Thalmulde gelegen. Der feuchte Wald dampfte. Die warmen Dünste wogten schwerfällig über den Bergspitzsn und es gab gegen Abend ein fahles unsicheres Licht. Es lastete wie ein Druck beklemmend auf den Baumkronen, die regungslos in der Abendschwüle standen. Ulrich Ekbert wischte sich den Schweiß von der Stirn und blieb am Wege stehen. Seine träge Na tur empfand doppelt die bleierne, feuchte Wärme, die ihn unbehaglich und müde machte. So lehnte er sich an eine hohe Tanne und wartete mit Geduld. Endlich kam Lenchen langsam daher in ihrem Sonntagsputz. Sie trug ein schlichtes, sauber ge bügeltes Kattunkleid mit einem kornblumenblauen Gürtel um die schlanke Taille. Ein Band von gleicher Farbe hatte sie um den Hals gebunden, von welchem auf die Brust ein schwarzes Kreuz herabfiel. Sie sah sehr einfach, aber so schmuck und so sauber aus in ihrem Staat, die Wangen frisch gerötet in der Freude an den bevorstehenden Tanz und die blonden Zöpfe wie einen Kranz um den lockigen Scheitel gelegt. Plötzlich verloren ihre Augen den frohen Glanz. Sie sah schon von Weitem Ulrich an der Tanne stehen und erschrak darüber. Ein unheimliches Ge fühl beschlich sie und dämpfte ihren Frohsinn, und sie fühlte auf einmal die drückende Schwüle der Luft in allen Gliedern. Sie wäre am liebsten quer durch Verbindung ihrer Tochter mit einem jungen Wanne der einer anderen Rasse und Religion angehörte Alle Anstrengungen des Hindu, die Einwilligung der Eltern zu erhalten, waren unnütz — do» junge Mäd chen wurde nach Kopenhagen zurückgerufen und in ein Kloster untergebracht, während der Indier unver richteter Sache nach seinem fernen Vaterlande zurück kehrte, wo er eine Anstellung als Richter erhielt. Er hatte gehofft, seine Liebe zu dem blonden nordischen Mädchen zu vergessen. Dies gelang ihm jedoch nicht, und er beschloß, die lange Reise von Indien nach Dänemark vorzunehmen, um mit der Geliebten ver einigt zu werden und den Widerstand der Eltern zu überwinden. Das junge Mädchen scheint von seiner Ankunft Nachricht erhalten zu haben, denn am selben Tage, als er eintraf, flüchtete sie aus dem Kloster und suchte bei dem Geliebten Zuflucht. Die Eltern benachrichtigten die Polizei, die junge Dame erklärte indeß, auf keine Bedingung den Geliebten aufgeben zu wollen, und angesichts dieses bestimmten Auftretens ihrer Tochter beschlossen die Eltern zuletzt sich in das Unvermeidliche zu fügen. Nach langen Verhand lungen gaben sie ihre Einwilligung mit der Bedingung, daß ihr künftiger Schwiegersohn seine Religion ändere und in England mit seiner Frau Wohnung nehme. Es ist das erste Mal, daß eine dänische Dame sich mit einem Vollblut Hindu verheiratet. Deutscher Reichstag. Sitzung vom 15. Januar. Die Interpellation der Nationalliberalen betr. Handwerker- und Gewerbekammern wird besprochen. Abg. Dr. Hitze (Centr.): Wir selbst wollten diese Interpellation einbringen und waren durch das Vorgehen des Herrn Interpellanten freudig über rascht. Möge diese junge Liebe der Nationalliberalen zu dem Handwerker von Dauer sein. (Heiterkeit.) Den Negierungen kann ich den Vorwurf der Zauder politik in dieser Frage nicht ersparen. Die Vor schläge des Ministers v. Berlepsch bekunden guten Willen, und es ist manches gute in ihnen enthalten, erwägenswert sind sie namentlich bezüglich des Lehr lingswesens. Herrn v. Bötticher bin ich dankbar dafür, daß er wenigstens die Handwerkerkammern einführen will. Wir nehmen jede Abschlagszahlung an. Es ist die höchste Zeit, daß die Handwerker eine offizielle Vertretung erhalten. Ich setze aber dabei voraus, daß die Kammern obligatorisch sein sollen und daß sie die Innungen nicht verdrängen, sondern ergänzen. Die Innungen müssen erhalten bleiben. Dabei gebe ich gern zu, daß die Stimmung für die Innungen innerhalb Deutschlands sehr ver schieden ist, die Einen wollen sie obligatorisch, die Anderen gar nicht. Unser Gesetzentwurf wollte mit Recht, daß überall da die Innungen obligatorisch seien, wo die Mehrheit der Handwerker eines Be zirks sie wünscht. Auch den Befähigungsnachweis müssen wir wünschen. Die Bsrlepsch'schen Vorschläge enthalten u. a. die Gesellenprüfung. Das war we nigstens ein Anfang. Leider war derselbe wieder durch die Bestimmung durchbrochen, daß Jeder, der drei Jahre lang ein Handwerk getrieben hat, auch ohne Gesellenprüfung es weiter treiben darf. Für nicht zweckmäßig halte ich an den Berlepsch'schen Vorschlägen die Genossenschaft. Um Gotteswillen keine neuen Organisationen, wir haben deren schon mehr als genug. Abg. Richter (freis. Volksp): Das Schicksal des Handwerks ist nicht abhängig von irgend einer Gesetzgebung. Wenn nur das Streben der Hand werker ein gesundes ist, so werden sie sich auch ohne neue Gesetzgebung selber helfen. Die Handwerker kammern werden auch gegenüber den Handelskam- den Wald gegangen, um dem Ulrich zu entgehen, aber dann könnte er gar denken, sie fürchte sich vor ihm. „Du kannst es Dir schenken, mir aufzulauern. Ich mag das nicht leiden!" rief sie ihm ärgerlich zu, noch ehe er ihr einen Gruß bot. Ulrich reckte die langen, vom Stehen und Warten steif gewordenen Glieder und erwiderte hämisch: „Ich bin Dir wohl in die Quere gekommen? Wartest wohl auf den schönen Schulmeister, he?" Sie zog die Stirn kraus und sagte trotzig: „Was geht das Dich an? Ich finde, das ist meine Sache und kann Dir gleich sein." Ein eigentümlich häßlicher Ausdruck stand in seinen Augen, die funkelnd unter den Hellen, buschigen Brauen lagen. „Ich will nicht, daß Du mit dem verdammten Schulmeister herumspazierst, hörst Du." Drohend lag es in seiner Stimme. Lenchen, fuhr sprachlos mit dem Kopfe zu ihm herum. Diese Anmaßung von ihm überstieg doch alle Grenzen. Beinahe wollte sie lachen über sein bestimmtes: Ich will nicht. Belustigt schaute sie zu ihm hin, da plötzlich blieb ihr das Lachen in der Kehle stecken. Eine heimliche Furcht vor dem Vetter überfiel sie. In seinem Ge sichtsausdruck lag etwas furchtbares, das sie unmerk lich zittern ließ. Sie hob schnell den Fuß, um davon zu laufen, doch ebenso schnell besann sie sich. Es war zu dumm, sich am Hellen Tage von dem albernen Vetter ein schüchtern zu lassen. So bekämpfte sie ihre lächer liche Angst und nahm all ihren Mut zusammen. „Wenn Du gegen mich unverschämt wirst, so