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mit Hochrufen. Faure begab sich sofort zur Perier, dort eine« Empfang aller Autoritäten abhaltend. ** Luneville, 17. Jan. Der Vezonzefluß ist gestern Plötzlich ausgetreten und hat den größten Teil von Luneville unter Wasser gesetzt. Die Ein wohner befinden sich in Lebensgefahr; die Sturm glocken läuten unaufhörlich. Die eingetroffenen Truppen haben die ganze Nacht über RettungS-Ar- beiten ausgeführt. Deutscher Reichstag. Sitzung vom 17. Januar. Fortsetzung des Jesuitenantrags. Abg. Rickert (freis. Der.) beantragt, das Ver bot der Ordensniederlassungen aufrecht zu erhalten, die Aufenthalrbeschränkungen einzelner Ordensmit. glieder jedoch zu beseitigen. Die Annahme des An trags Hompesch hätte nur einen theoretischen Wert, wenn die Bestimmungen der Einzelstaaten über Aus schließung von Ordensniederlassungen nicht aufgehoben würden, so in Preußen und Sachsen. Auch in Baden und Bayern würden die Bedingungen zur Geneh migung von Niederlassungen nach wie vor fortdestehen, nur in Württemberg werde derAntrag praktische Folgen haben. Mein Antrag würde den Angehörigen des Ordens wieder die freie Bewegung im Reiche gestat ten und eine thatsächliche Ausnahmebestimmung be- fettigen. Abg. Dr. Friedberg (nl.): Ein Teil meiner Freunde nimmt im gegenwärtigen Augenblick keinen Anlaß, eine Konzession zu machen, ein anderer Teil dagegen glaubt für den Antrag Rickert stimmen zu können. Das Jesuitengesetz set kein Ausnahmegesetz, seine Aufhebung würde vielmehr die jesuitischen Ordensmederlaffungen vor allen anderen Vereinig ungen, welche sich nur unter gewissen Vorschriften bilden dürfen, privilegieren. Die von Rickert bean tragte Aushebung des Z 2 würde sicherlich geordnete Zustände wieder herbeiführen, nachdem er gerade zu den lebhaftesten Agitationen Anlaß gegeben hatte. Abg. Frhr. v. S t u m m (Reichsp.): Wir wer den gegen alle Anträge stimmen, da wir eine solche mechanische Herauslösung eines Paragraphen aus einem solchen Gesetze nicht für richtig halten. Das ganze Gesetz würde, wenn wir den Antrag Rickert anvehmen, ein unvollkommenes Gesetz werden. Abg. Lieber (Centr.): Würde zunächst über unseren Antrag abgestimmt und derselbe abgelehnt werden, so werden wir für den Antrag Rickert stimmen. Was wir in dritter Lesung thun werden, behalten wir uns vor. DerAntrag Rickert bringt eine kleine Erleichterung. Den Hauptbeschwerdepunkt erbl'cken wir aber in Z 1, we-l er die persönliche Freiheit in unzulässig- Weise beschränkt. Sogar die Abhaltung von wiffemchaftlicher! Vorträgen über sozialpolitische Fragen seitens eines zufällig dem Jesuitenorden an gehörigen Gelehrten ist als OrdenSthätigkeit angesehen und verboten worden. Der Antrag Hompesch auf Aufhebung des ganzen Jesuitengesetz wnd angenommen. Dafür stimmen Centrum, Polen, Elsässer, Welfen, Sozialdemokraten, freisinnige Bolkspartei, ein Teil der freisinnigen Ver einigung und die Antisemiten und der Abg. Krupp. Es folgt nun die Beratung des Gesetzentwurfs betr. Aenderungen und Ergänzungen des Gerichts- verfaffungsgesetzes uno derSrrafprozeßordnung, ferner Berufung und Entschädigung unschuldig Verurteilter. Staatssekretär Nieberding: Einen breiten Raum in der öffentlichen Erörterung über die Vor lage hat namentlich die Besetzung der Strafkammern angenommen. Man hat den Vorschlägen der Regie rung nachgesagt, daß bei deren Annahme eine unzu lässige Beeinfll-ssung der Gerichte durch die Justiz verwaltung statthaben werde. Die Regierung könne Wirbeltanz und Peitschte den Regen vor sich her, daß er klatschend aus die Bäume und an den Weg schlug. Für Lenchen und den Lehrer wurde es fast zur Unmöglichkeit, weiter zu kommen. Es knackte und krachte unheimlich ringsum durch den Wald von brechendenBaumstämmen, und die in denkbar schnellster Folge zuckenden Blitze tauchten den Wald in ein Feuermeer. Dazu gesellte sich ein ohrenbetäubendes Pfeifen in den Lüften und das Rollen des Donners, der an den Felswänden und in Schluchten ein furcht bares Echo fand. Lenchen schwanden fast die Sinne in diesem furchtbaren Aufruhr, der über ihren Köpfen wütete. Sie und ihr Begleiter brauchten ihre volle Kraft, um sich nur aufrecht zu erhalten. An eine Umkehr war nicht zu denken. Der zum Orkan angewachsene Sturm würde sie unfehlbar gepackt und an die Bäume geschleudert haben. Nach Atem ringend schlug sie die Arme um eine Tanne und drückte das glühende Gesicht an den feuchten Stamm. „Gott steh' mir bei, ich kann nicht weiter," keuchte sie. Der Lehrer trat neben sie, um sie zu stützen. Doch ehe er die Erschöpfte erreichte, stieß diese einen gellenden Schrei aus, der den Donner übertönte. Ein greller Blitz hatte die Finsternis gelichtet und sie in das wutverzerrte Gesicht Ulrich EkbertS blicken lassen, der an dem nächsten Baume stand. Noch einmal schrie sie wie wahnwitzig auf, als ihr der nächste Blitz zeigte, daß Ulrichs Gestalt sich vom Baum abgelöst und dicht neben ihr stehend, mit geballter Faust einen Schlag nach dem Lehrer führte, daß dieser taumelte. nur bedauern, daß man hier an bloße technische Fragen solche politische Erwägungen knüpfe. Die Regierungen wollten lediglich bessere Wege zur Abstellung von Uebelständen einschlagen: der Weg selbst sei für sie von untergeordneter Bedeutung. Die Einführung der Berufung, die Beseitigung einiger Garantien des Verfahrens, die Entschädigung unschuldig Verurteilter, die veränderten Bestimmungen über die Eideserhe bung, diese vier Punkte sind ein untrennbares Ganzes. Etwaige anderweitige Vorschläge in Bezug auf die Befugnis der LandeSjufiizverwaltung hinsichtlich der Besetzung der Kammern werden ober die Regierungen vorurteilsfrei prüfen. Die Wiedereinführung der Beruf ung ist nickt möglich ohne Vereinfachung des Verfahrens undohneEinschränkungdesWiederaufnahmeverfahrenS. Die Regierungen verschließen sich dem Bedenken gegen die Berufung nicht; sie folgen, wenn Sie dieselbe dennoch vorschlagen, nur der Strömung einer Meinung, auch ist es nur eine Konsequenz der Wiedereinführung der Berufung, wenn einzelne Garantien im Verfahren fallen müssen. Eine Entschädigung unschuldig Ver urteilter kann nur erfolgen, wenn die Unschuld auch wirklich nachgewiesen ist, und da ist es auch nur eine Konscq renz. wenn die Wiederaufnahme des Verfahrens nur erfolgt, wenn wirkliche Umstände vorliegen, welche jene Nachweise ermöglichen. Die vorgeschlagene Ent lastung der Schwurgerichte hat man als erste Schuld zu deren Abschaffung angesehen. Das liegt aber nicht in der Absicht der Regierung; sie will nur den Schwurgerichten gewiße Sachen abnehmen, was den selben nach der Qualität der Geschworenen größere Schwierigkeiten bereitet. Auch liegt es keineswegs in der Abfickt der Regierung, die Stellung der An- geklagten zu erschweren. Aber freilich, solche Straf- Prozeßordnungen sollen nicht den Angeklagten Schutz gewähren, sondern auch den Interessen der Rechts ordnung und der bürgerlichen Gesellschaft gerecht werden. Auch diese bedürfen des Schutzes gegen Verbrechen. Adg. Dr. Rintelen (Centr.): Der Gesetz entwurf hat den großen Vorzug, daß es kein Partei gesetz ist. In der Forderung der Einberufung und Entschädigung unschuldig Verurteilter sind alle Par teien einig. Die jetzige Stellung der Regierungen ist umso freudiger zu begrüßen, als dieselben sich bisher ablehnend verhalten hauen. Nur gegen einen Punkt hat ein Teil meiner Freunde Bedenken, nämlich in Bezug auf die Verweisung einer Anzahl von Straf sachen, die bisher den Schwurgerichten zufielen, an die Strafkammern. Ich persönlich teile allerdings diese Gedenken nichs; ich befürchte, wenn die Straf kammern mit fünf Richtern besetzt sind, so ist dies keine Schmälerung der Garantien für den Angeklagten. Der größte Teil meiner Freunde ist ftrner auch gegen die Einschränkung der Beweieführung für den An geklagten und seine Verteidigung; sie meinen, daß schon im Vorverfahren dem Angeklagten und dem Verteidiger die unbeschränkte Möglichkeit, Material zu sammeln und Beweisanträge zu stellen, gegeben werden muß. Jedenfalls ist es nmwendig, daß, wenn Beweisanträge abgelehnt werden, der Angeklagte recht zeitig Mitteilung erhalten muß, weshalb die Ableh nung erfolgt ist. Zu erwähnen wäre, ob nicht bei Stcafgerichtsverhanolurrgen die stenographische Auf nahme zu erfolgen hat. Die Zuständigkeit des Schöf fengerichts kann nach Meinung des größten Teiles meiner Freunde erheblich vermehrt werden. Hoffent lich arbeitet die Kommission nicht wieder wie früher ! nur schätzenswertes Material, sondern liefert fertige ! Arbeit. Abg. Dr. Enneccerus (nl.): Ein Lichtpunkt der Vorlage ist der R- chtsanspruch, den sie unschuldig Verurteilten gewährt. Beim Beweis der Unschuld des Verurteilten muß Entschädigung gewährt werden. Die Finsternis, die nun folgte, ließ den zwei ten Schlag in die Luft gehen und höhnend schrie Ulrich: „He! hast schon genug, Schulmeisterlein? Merk's Dir ein für allemal. H°lla — Lenchen — wo steckst Du?" Sie hatte den Baumstamm fest umklammert und war in die Knie gesunken. Ulrichs tastende Hand berührte sie. Da sprang sie, wie von einem Vampyr gestochen in die Höhe und schlug wild die Hand Ulrichs zurück. „Schuft!" rief sie außer sich, „Du kommst mir nicht zu nahe." „Daß Dich der Teufel reit'!" knirschte Ulrich zwischen den Zähnen. „Solltest doch endlich ein sehen lernen, daß ich erreiche, was ich will." Der Lehrer hatte sich von dem unvermuteten, heftigen Schlag wieder aufgerafft. Seine Brust keuchte vor Wut und Ingrimm, den Schlag heimzu zahlen. Rasch drängte er sich zwischen seine Braut und Ulrich. „So lange ich noch einen Arm rühren kann, ge schieht das nimmermehr. Weg da — oder — !" er hob die Faust. „Kräht der Hahn schon wieder? Hast noch nicht genug, Schulme>sterlein?" höhnte Ulrich wieder. „Ich rate Dir zum letzten Mal, packe Dich gut willig. — Lenchen muß meine Frau werden, und ich will sie nicht heulen hören, wenn sie einmal an Dich denkt!" Der Lehrer beugte sich vor: „Hallunke!" schrie er laut und ehe Ulrich die Hand heben konnte, fühlte er sich zurückgestoßen und gegen einen Baum geschleudert. — Schäumend vor Die Bestimmungen über die Wiederaufnahme sind mangelhaft. Dem unschuldig Verurteilten wird eine Rechtfertigung nicht dadurch gewährt, daß man unterscheidet, ob der Belastungszeuge einen Meineid geleistet hat oder ob ihm nur ein verzeihlicher Irr tum Passiert ist, sondern das erkennende Gericht habe zu entscheiden, ob Entschädigung zu gewähren ist oder nicht. Die vielbeklagte Verworrenheit des Beweis- Verfahrens kann am besten durch die Berufung be seitigt werde», und die Urteile der Anwälte, die au- eigenster Erfahrung sprechen, ist für mich von großer Bedeutung. Die Berufung ist für jeden Anklagten von der größten Wichtigkeit, auch für die Anwälte, die Unterlassungen in der ersten Instanz nachträglich wieder gut machen wollen. Bedenklich erscheint die Möglichkeit, eine Voruntersuchung auszuschließen und für da« dem Gericht beigelegte Recht den Umfang der Beweisaufnahme zu bestimmen. Man muß viel mehr alle Beweise erheben, welche über Thatsachen beigebracht sind, die das Gericht für erheblich er achtet hat. Die Berufung ist in der Vorlage mit soviel Nebendingen belastet, daß es zweifelhaft ist, ob sie in dieser Gestalt noch annehmbar ist. Zu ständig für die Berufung müssen die Oberlandesgerichte sein, wobei allerdings das persönliche Erscheinen, wie es die Vorlage verlangt, in zahlreichen Fällen ent behrlich sein dürfte. Eine schnelle Justiz wird Jeder wünschen, aber nötig ist es doch, daß man denThäter sicher kennt und dieser geständig ist; im anderen Falle kann das schnelle Verfahren sehr nachteilig für den Angeklagten werden. Die bisherige Geschäfts verteilung durch das Präsidium der Gerichte halte ich für bester als die oorgeschlagene durch die Mi- nisterial-Jnstanz. Denn diese kennen die einzelnen Richter nicht so genau wie jene. Sehr empfehlens- wert wäre eine eingehende Erwägung darüber, ob nicht auch bei den oberen Gerichten die Terlnahme von Schöffen bei der Rechtsprechung sich als zweck mäßig empfehlen möchte. Auf dieses Zusammen wirken zwischen Laien und Richtern lege ich großen Wert, auch beiden Verwaltungsgerichten; ich wünsche, daß entweder auf Grund dieser oder einer neuen, im nächsten Jahre einzubringcnden Vorlage die schweren Schäden beseitigt werden mögen, die sich in unserer Justiz zeigen. Weiterberatung morgen. Schlachtviehmarkt im Schlacht- und Viehhofe zu Chemnitz, 17. Jan. 1895. Auf trieb : 36 Rinder, 357 Landschweine, 323 ungar. Schweine, 219 Kälber, 94 Hammel. Der Geschäfts gang war heute ein langsamer. — Preise: Rinder II. Qualität: 54—62 M, für 100 Pfd. Schlacht gewicht. Landschwelne: 50—55 M. für 100 Pfd. Lebendgewicht bei 40 Pfd. Tara pr. Sick. Ungar. Schweine: 46—49 M. für 100 Pfd. Schlachtge wicht. Kälber 66—68 M. für 100 Pfd. Schlachtge wicht. Hammel: 30—32 M. für 100 Pfd. Lebend gewicht. T s l s g x s M m e. (Nachdruck, auch wenn in anderer Form, verboten.) Versailles, 17. Ja«. Der Kon greß wählte Felix Faure mit Ä28 Stim me« zum Präsidenten der französischen Republik. Brisson erhielt 36S Stimme«. (Berits dmch Ex «avlatt vciöffentlickt ) Paris, 18. Ja«. Die Wahl Felix Faure als Präsident findet bei ruhigen Cle mente« wohlwo le«de Aufnahme, bei der großen radikalen Masse wird sie jedoch hef tig augefsindet Stetig fortbestehende Ver hältnisse sind kaum anzunehme«. Wut stürzte er sich auf den Lehrer und es entstand ein verzweifeltes Ringen zwischen den beiden Neben buhlern. Lenchen war vor Schreck und Angst zu Boden gesunken und barg das Gesicht in die Hände. Das Keuchen und Stampfen der Ringenden riß sie jedoch bald wieder empor, und wenn ein Blitz hernieder fuhr, sah sie, wie einer den andern zu umschlingen und zu Fall zu bringen suchte, wobei sie dem hoch angeschwollenen Bach immer näher kamen. Lenchen sah das brausende Wasser beim Blitzschein so nahe blinken und entsetzt stürzte sie vorwärts. Da stolperte ihr Fuß über etwas. Sie hielt an und tastete umher, dann versuchte sie vorwärts zu kommen. Aber wieder strauchelte sie, über ein Geröll von Steinen und Stämmen und Wurzeln. Dazu gurgelte es wie stürzendes Wasser zu ihren Füßen. Sollte sie in den Bach geraten sein? Doch das schien ihr unmöglich, der Bach mußte wohl zwanzig Schritte seitwärts fließen, und sie hatte sich mit ihi em Begleiter an den Weg gehalten. Wo war sie nur? „Franz, Franz!" rief sie in Todesangst in die finstere Nacht hinein. Es kam ihr keine Antwort. DaS Heulen in den Lüften und Gurgeln des Wassers erstickten wohl jeden anderen Laut, wie sie auch das Gehör anstrengte. Sie wußte nicht, nach welcher Seite sie sich wenden zollte und ratlos und verzwei felnd starrte sie in die dichte Finsternis. Da — war das nicht ein Laut, dem das dumpfe Aufschlagen eines Körpers folgte? Sie wollte es deutlich im Tosen der Natur unterschieden haben? (Fortsetzung folgt.)