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Im Gebiet des Pregel zeigte Heilsberg mit 28 em die größte Schneehöhe, Im Flußgebiet der Elbe Quedlinburg mit 69 om, Lüdenscheid (Ruhr) wies 44 6w auf. 8 Der Sturm und die Hochflut, welche in der Schreckensnacht vom 22 /23. Dez. 1894 die Küsten und Inseln der Nordsee verheerend heimsuchten, haben über die in vielversprechender Entwickelung be- griffene Fischdampferflotte der Unterweser das schwerste Unheil verhängt. Von den in Geestemünde und Bremerhaven beheimateten 54 Fischdampfern sind nicht weniger als sünf, während sie in der Nähedes Hornriffs dem Fange oblagen, ein Opfer der uner hört wütenden See geworden. Ein sechster, auf der Fahrt von England nach Geestemünde begriffener Fischdampfer, dessen Wiederkehr noch in den jüngsten Tagen zagend erhofft wurde, bleibt und bleibt ver- schollen und muß heute ebenfalls als unwiederbring lich verloren gelten. Der Untergang dieser sechs Fahrzeuge, welche fast durchweg erst in den letzten Jahren erbaut sind, schädigt das Nationalvermögen um viele Hundertlausende. Indessen bedeutet diese Thatsache nichts gegen den Jammer und die Not, welche über zahlreiche Familien jäh hereingebrochen sind. Die ganze, aus 61 wackeren Seeleuten bestehende Besatzung hat ein Grab in den Wellen gefunden. Nahezu 40 Frauen beweinen den Gatten, weit über 100 Waisen den Valer, der zahlreichen Fälle nicht zu gedenken, in denen ergraute Eltern den Sohn und Ernährer, hilfsbedürftige Gewister den Bruder ver loren haben. Die ausgiebigste Hilfe thut dringend nvl. Kerner der Verunglückten ist gegen Unfall ge setzlich versichert, weil die staatliche Unfallversicherung beklagenswerter Weise bislang nicht auf Vie Hochsce- fischereibetriebe erstreckt ist. So sehen die Hinter bliebenen der bitteren Sorge um da« tägliche Brot unmittelbar in's Auge. Es bedarf großer Summen, des helfenden Eintretens weiterer Kreise, wenn dem drohenden Mangel nachhaltig gewehrt, für die Er ziehung der zahlreichen Kinder gewissenhaft Sorge getragen werden soll. Um dieser großen Aufgabe mit der erhofften Unterstützung warmherziger Mit menschen gerecht zu werden unk für eine angemessene Verteilung der einlaufenden Gaben Sorge zu tragen, hat sich ein Komitee unter dem Vorsitz VeS Land- rals Dyss in Geestemünde gebildet. Dasselbe richtet an alle Menschenfreunde nah und fern die herzliche Bitte, zur Milderung des bedrückenden Elends zu ihrem Teile beizutragen. Jeder, auch der kleinste Beitrag, ist willkommen, spenden nehmen entgegen in Geestemünde die Kreiskommunalkasse und die Gcestemünder Bank, in Bremerhaven die Bremer- i havener Bank. 8 Gera, 10. Jan. Ein Hermelin ist in unser r Gegenden immerhin erne seltene Erscheinung. Trotz dem wurde im Verlaufe zweier Jahre auf dem hiesigen städtischen Wasserwerke bereits ein zweites Exemplar gefangen. Seit einigen Tagen hatte der Maschinist dieser Anlage d'e unliebsame Entdeckung wachen müssen, daß ihm Tauben von einem unbekannten Räuber zwar totgebisfen wurden, aber liegen blieben. Er stellte daher schließlich eine Falle auf und war auch so glücklich, den Uebelthäter in einem schön aus gewachsenen Exemplar obiger Ti-rgattung zu er wischen. Es befindet sich am Leben, und man will den Versuch machen, es in der Gefangenschaft lebend zu erhalten. Sern Vorgänger mußte getötet werden und befindet sich ausgestopft auf dem Wasserwerke. 8 Friedrichsruh, 13. Jan. Der Reichs kanzler Fürst Hohenlohe ist gestern mittag in Be gleitung seines Sohnes eingetroffen. Am Bahnhof erwarteten ihn Herbert Bismarck und Graf Rantzau. Die Herren begaben sich nach dem Schlosse, wo der Fürst die Gäste empfing. Sodann fand Frühstück, Schicksalsmächte. Novelle von A. Fischer, (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) Laut und unwirsch kommandierte Herr Ekbert von der Brücke aus. Er hielt eine Leme in den Händen, deren Ende die Arbeiter im Bach um den Leib geschlungen zum Halt gegen die reißenden Flu- ter. Mit der Hacke wurden die großen Steine im Bach gelockert, um welche sich die schwimmenden Wurzeln, Stämme, Moos und Flechten festsetzten und leicht zu einem Hindernis wurden für die rauschenden Wasser, die zusammengepreßt mit doppelter Wucht an da« Ufer vrallten. Ulrich stand müßig mit auf der Brücke, bis der seine, unaufhörlich rieselnde Regen ihn ganz durch- näßte und er sich unbehaglich fühlte. Er begab sich zurück in den Maschinenraum und stellte sich neben Lenchen, die ihren Platz an der Walze inne hatte. „Guten Tag, Lenchen!" sagte er freundlich. „Guten Tag", gab sie zurück, ohne von ihrer Arbeit aufzublicken. Sie war schon gewöhnt, daß Ulrich sich zu ihr gesellte, wenn es fein Vater nicht sah. Da dieser weiter nichts sagte, schwieg sie auch. Ulrich schob die Hände in die Taschen seines nassen Ueberziehcrs und sah zu, wie Lenchen an der Walze arbeitete. Auf die Dauer wurde es ihm unbequem, frei zu stehen, und er lehnte sich an die aufgestapel ten Platten, die sich dadurch verschoben, Lenchen be merkte es und rief: „Mach' Dich fort, Du wirfst mir die Platte» um!" Ulrich beunruhigte eS durchaus nicht. später Familiendir er statt. Nachmittags um 5 Uhr kehrte Fürst Hohenlohe nach Berlin zurück. Graf Herbert Bismarck gedenkt morgen nach Berlin zurück zukehren. 8 Braunschweig, 13 Jan. Dem „Braun- schwerg schen Anzeiger" zufolge wurde ein zweites von der staatlichen Behörde in Asse betriebenes Bohr loch in einer Tiefe von 533 Metern mit einem mäch tigen Lager edier Kalisalze erschlossen, welches erst bei 633 Meter Tiefe durchbohrt war. 8 Aus Bremen, 8. Jan., wird der „Schles. Ztg." geschrieben: Die Bevölkerung der Nordsecküste ist an Sturm und Not gewöhnt und das Unglück, veranlaßt durch Unwetter nnd Wogeudraug, trifft in den meisten Fällen Herzen, die hart und stark geworden sind. Jetzt aber ist mit der Sturm flut vor Weihnachten eine solche Fülle von Unglück hereinge brochen, daß auch die stärksten Seelen darunter erbeben. Nicht genug, daß von den Lootsenscharen der Nordsee mehr als ein Dutzend junger blühender Leben durch die Sturz wellen weggcspült worden sind : es sind vor allem lechs Fisch dampfer an der jütläudischen Küste vom Sturme überrascht und mit Mann und Maus zerschmettert und zerschlagen worden. Keine Spur von den Untergegangenen ist gefunden, nur ein Boot und der Rettungsgürtel einer der verschwundenen Damvfer sind angetrieben und zeugen von dem Schicksal der Schiffbrüchigen. Nach den bisherigen Ermittelungen hatten die Damvfer im ganzen 62 Mann an Bord; darunter befanden sich mehr als 34 Familienväter, meistens Leute aus Geeste münde, Bremerhaven und den kleinen Küstendörfern der Nordsee, die Weib und unmündige Kinder in Not und Jammer hinterlassen Jeder, der mit dem Seewesen nur einigermaßen vertraut ist, weiß, daß alle Hoffnung, es möchte einer der Verunglückten wieder auftauchen, aufzugeben ist. Das Volk, die Kreise, ans denen die Besatzung der Fahr zeuge hervorgeht, hofft weiter, und noch heute kommen bei den Signalümtern im Hafen von Geestemünde nnd Bremer haven fast täglich die Frauen der Unglücklichen, nm blassen Gesichts und feuchten Anges Nachfrage zu halten. Unter desseu rührt sich iu der Bevölkerung das Mitleid und die Barmherzigkeit und will, so viel sie cs vermag, lindern und trösten. 8 Köln, 12. Jan. Wie die „Köln. Ztg." er fährt. hatte diese Entsendung Flügeladjutanten Moltke zum Fürsten Bismarck einen doppelten Zweck. Nach dem der für die Beerdigung der Fürstin Bismarck beffimmieKranz mchtrcchtzeitig fertig gestellt worden war, ließ dec Kaiser nunmehr das Blumenarrangement nach Friedrichsruh entsenden, das an dem Bilde der Fürstin im dortigen H-rrenhause angebracht werden soll. Außerdem aber hatte Graf Moltke den Auftrag, einige Zeichnungen, welch- der Kaster aus Anlaß seines Vortrages beim letzten Herrenabend über die Ent- nnckAuc.g der Manne entworfen, dem Fürsten Bis mark zu überbringen. 8 Memel, 10. Jan. Von einem schweren Unglücksfall ist die Familie des Schneidemüllers Vulm in Schmelz bei Memel nach dem „Mem. Dampfv." heimgstucht worden. Trotz der schwachen, kaum daumendicken Eisdecke auf dem Kurischen Haff- Hatten sich in der Nähe de» Holtzmannschen Holzpiatzes viele Personen eingefunden, die sich mu Schlinschuh laufen vergnügten. Unter diesen befanden sich auch zwei Töchter des Palm, sowie zwei Söhne des Hauptlehrers K. Nach etwa halbstündigem Laufen geriet das ältere Mädchen, die 19 Jahre alte Jenry Palm, auf eine befonderS schwache Stelle der Eis decke und brach ein. Nun versuchten die beiden Brüder K., da sie kein anderes Rettungsmittel Hatten, der Palm die Hand zu reichen, wobei der jüngere K. mit ins Wasser gezogen wurde. In diesem Augen blick kam auch die jüngere Schwester der P., die 16 Jahre alte Betly Palm, herbei und lief in der Ab sicht, ihre Schwester zu retten, direkt in die Flut hinein. Nun versuchte der älteste K., dec ängstlich an seinem Bruder geklammerten Palm nahe m kommen, wobei er auch einbrach, sich aber durch Schwimmen rettete. Inzwischen erschien der Matrose George Enduleit au» Adl. Schmelz, der schon am Vormittag zwei Knaben dem nassen Element entrissen, und machte sich sofort an das Reltungswerk. Er reichte „Wäre weiter kein Unglück, was soll es dem breiigen Holz schaden?" „Dein Vater wird unwirsch, wenn er Unordnung sieht. Geh' also weg da, — mir macht es Aerger." „Dir?" fragte er achselzuckend. „Bist Du solch ein Pedantischer Ordnungsteufel, daß Dir die Un gleichheit Krämpfe verursacht. Laß' Dich auslachen!" Sie lachte selbst. „Das habe ich nicht gemeint und Krämpfe bekomme ich auch nicht, wenn der Meister der verschobenen Dinger wegen zankt. Aber den Aerger bringt es mir ein." „Du kannst sagen, daß ich der Uebelthäter ge wesen bin, und damit wäre die Sache erledigt." „So — meinst Du? Es wäre das erste Mal, daß der Meister irgend eine Entschuldigung anvimmt." Lenchen legte eine fertige Platte wieder auf den Stoß und rückte die andern zurecht, so gut es ging, während sie weiter sprach: „Dein Vater kann eS überhaupt nicht leiden, Wenn irgend einer sich her stellt und zusieht. Das mußt Du doch gemerkt haben." Ulrich zuckte die Achseln: „Laß den Alten thun, was er Lust hat. Mir gefälltes augenblicklich hier." Sie sah ihn von der Seite belustigt an. „Was Du doch für ein gewaltig guter Sohn sein mußt, wenn Du Dich immer so um Deines Vaters Wünsche kümmerst. Brauchst etwa nicht zu denken, daß Du mir darum besser in die Äugen stichst, Vetter." „Nicht?" rief er betroffen, und seine wasser grauen Augen drückten Spott aus. „Nun, was würde Dir zum Beispiel gefallen?" „An Dir herzlich wenig," gestand sie offen und dem jungen K., der sich schwimmend an der Ober fläche hielt, — während die Palm bereits unter ge gangen war — eine Latte zu und zog ihn, rückwärts gehend, auf das Eis. Da von den beiden Töchtern des Palm nichts zu sehen war, suchte Enduleit die Eisfläche ab und sah, wie ein Körper unter derselben mit dem Strome fortgerissen wurde. Ec schlug nun mit der Hand das Eis auf und es gelang ihm, den Körper der jüngeren Palm aus dem Wasser zu ziehen. Die sofort angestellten Wiederbelebungsver suche waren von Erfolg gekrönt. Die ältere Palm wurde jedoch erst nach geraumer Zeit als Leiche heroor- gezogen, alle Wiederbelebungsversuche waren erfolglos. * * Rom, 13. Jan. In Mineo, Vizzini, Li- codia und Melitello wurde am Sonnabend ein neuer Erdstoß verspürt. In Reggw di Calabria und Mi lazzo wurde ebenfalls ein Erdstoß wahrgenommen, dem weitere geringere Erderschütterungen folgten. In Palagonia war der Erdstoß ein starker und von unter irdischem Rollen begleitet, welches die Bevölkerung zur Flucht veranlaßte. * * Ein furchtbarer Sturm wütete an der West- küste Italiens und verursachte besonders viele Schiffs unglücksfälle im Golf von Neapel. In Porto d'Anzio versetzte nachts ein merkwürdiges Ereignis die Be völkerung in furchtbaren Schr-ckcn. Als um 2 Ahr nachls eine oierlelstündiae Windstille eintrat, zog sich das Meer in wenigen Minuten um 50 Meter zurück, jodaß viele Schifferbai ken plötzlich auf dem Trockenen lagen. Dle nach kurzer Zeit mit doppelter Gewalt zurücktrhrenden Wogen zerschmetterlen die Badean stalten und überschwemmten die halbe Stadt. Men schenleben sind nicht zu beklagen. Der materielle Schaden ist beträchtlich. Schwer leidet unter den Stürmen und Wolkenbrüchen die vom Erdbeben heim- gesuchte, größtenteils noch in Holzbaracken wohnende Bevölkerung Kalabriens. * * In Pistoja wurde eine Frau erfroren aufgefunden. Schneefall ist eingetreten in Ravenna, Stresa und Sant Angelo in der Lombardei, wo mehrere Dächer einstüczten, ohneMenschen zu verletzen. * * Fortdauernd große Schneefälle werden aus Istrien undOberjtalien gemeldet. Oberitalien liegt stark in Schnee uno Eis, alle Gewässer sind zugcsroren. Die Fabriken feiern, das Elend der Arbeiter ist groß. B-! Udine ging eine Lawine auf das Bahngeleis nieder. An den Küsten von Cvtsica und Sardinien herrscht ein Orkan, viele Unglücksfälle und Verluste an Menschenleben werden gemeldet. * * Kiew, l2. Jan. Hier brach in einer Cir- kusvorstellung eine Gallerie zusammen. 36 Zuschauer stürzten in'S Parterre, von denen 12 tot blieben, während die übrigen mehr oder minder schwere Ver letzungen erlitten. * * L o n d o n, 12. Jan. Es steht jetzt fest, daß der britische Dampfer „Prescott", Melcher am 29. Dezember mit 22 Mann Besatzung von Sunder- savd nach Marseille in See ging, mit sämtlichen an Bord b.findlichen Personen untergegargen ist. * * Von S ü d w e st a f r i k a. Auf dem Um wege über England verlautet, daß die Bildung von deutschen Kompanien in Südwestafrika mit Hilfe der englischen Somh - West-Afrika»-Company jetzt in vollem Gange ist. Die erste Gesellschaft, die mit der englischen in nähere Verbindung trat, war die Land-, Minen- und Handelsgesellschaft fürDeutsch- Südwestafcika mit dem S'tze in Hamburg. Ferner hat die englische Kompanie sich bei der Bildung der Damara-Namaqua-Handelsgesellscbaft beteiligt, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftpflicht in Hamburg. Die englische Gesellschaft giebt sich ferner Mühe, die deutsche Land- und Minen-Gesellschast für Süd- westafnka in Berlin zu gründen, von deren Aktien kapital sie 4 Fünftel übernehmen will. machte einen langen Schnitt an der Walze. „Wir find einmal keine Freunde." „Sollen es, denke ich, noch werden." Halb ärgerlich, halb verwundert schaute sie auf. Das klang zu eingebildet. Wenn er meinte, sie könne dem reichen Vetter gar dankbar sein für die angebotene Freundschaft, so war er gewaltig auf dem Holzwege. Nicht einen Pfifferling galt sie ihr. Das sollte er auch wissen und so entgegnete sie: „Dazu ist wenig Aussicht, also gieb Dir keine Mühe. Ich gebe Dir sogar bei Zeiten den Rat, mich in Ruhe zu lassen." Ulrich zwinkerte mit den Augen. „Sei nicht so grausam, schönes Lenchen. Ich muß hier in den Bergen verkommen, wenn Da Dich meiner nicht erbarmst." Lenchen wollte zuerst auffahren, besann sich je doch noch. So bös war es am Ende nicht gemeint, der Vetter machte ein harmloses, gutmütiges Gesicht dazu, nichts von dummem Hochmut und Spott lag darin. Und daß er sie hübsch sand, schmeichelte ihr doch sehr. Wenn er ihr in den langen Arbeits stunden etwas Gesellschaft leistete, so war das ganz hübsch und daraus beschränkte sich ja die ganze Freundschaft. Erboste sich der Meister darüber, so blieb es ja egal, wenn sie nach wie vor die richtige Arbeit schaffte. Nach kurzer Pause fing sie daher das Gespräch von selbst wieder an. „Hast Du wirklich gar nichts zu thun, daß Du hier so müßig stehen kannst", fragte sie. „Nein, ich bin zu meiner Erholung hier, ich habe Ferien."