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einem Abschluß gediehen, der ein Denkjeichen für das Knnstleben Berlins aus der ersten RegieruugSperiode Kaiser Wilhelm II. bilden wird. Man sah es dem Kaiser gn, welche Freude ihm das Gelingen des Umbaues, der ja sein eigenes Werk ist, verursacht hat; man bemerkte sein Bestreben, den verschiedenen Personen die Veränderungen klar zu machen, die der Raum erfahren, indem er hinwies auf den Gewinn im ganzen an räumlicher Ausdehnung, auf die Schön- heilen der Einzelheiten, auf das, was so von den leitenden Architekten, Baurat Ihne und Hosbauin- fpcktor Geyer geleistet wurde und in Zukunft geleistet werden soll. Die Zufriedenheit des Kaiserlichen Herrn kam auch darin zum Ausdruck, daß er für jeden der am Baue beschäftigten Arbeiter eine Flasche Wein und einen Tagelohn bestimmte. 8 Von berufener Seite ist über die am letzten Freitag im Reichskanzleipalais zu Berlin unter An wesenheit des Kaisers stattgehabte Krovratssitzung jedenfalls nichts mitgeteilt worden; alle Nachrichten hierüber sind Mutmaßungen und Kombinationen, man weiß also nicht, was wirklich verhandelt worden ist. Die „Post" will wissen, es seien hochpolitische Fragen nicht erörtert, sondern nur Steuerangelegenheiten ver handelt worden, für welche der Kaiser stets ein beson deres Interesse gehabt hatte. Ob dem nun wirklich so ist, muß nach dem vorstehend Mitgeteilten aus sich beruhen bleiben. Erwähnt mag hier gleich noch fein, daß die Beantwortung der Frage, ob Herr von Lc- vetzow Reichstags-Präsident bleiben wird ober nicht, davon abhängt, ob der Reichstag eine Verstärkung der DiSziplinarbefugnrffe seines Präsidenten beschließt. Nur in diesem Falle würde Herr von L-vetzow Prä sident bleiben. 8 Der Gesetzentwurf gegen den unlauteren Wett bewerb ist, wie dis „Nat.-Ztg." hört, ausgearbeitet und wird binnen kurzem weiteren Kreisen zur Beur teilung unterbreitet werden. 8 Ein mit vielen Kindern gesegneter armer Schuhmacher in Mainz ist durch den Tod einer entfernten reichen Verwandten plötzlich zu einem wohlhabenden Manne geworden; die ihm zufallende Erbschaft beläuft sich auf etwa 200,060 Mark. 8 Folgende Widmung für ihre Gedenktafel zum Bismarck - Turm bei Göttingen bat dis dortige Burschenschaft Brunsviga bestimmt: „Ein fester Turm — Stand er im Streck, — Im Wettersturm — All zeit bereit — Zu schirmen Deutschlands Herrlichkeit." 8 Ein vielversprechender RsttungSapMrat gegen dis Gefahr des Ertrinkens ist neuerdings von Ale xander Freiherr» v. d. Ropp in Berlin erfunden worden. Sein Zweck ist hauptsächlich der, bei un vorhergesehen eimretender Gefahr dem Verunglückten, ohne sein Hinzuthun, schnelle und sichere Hilfe zu bringen. Da das Gewicht des Apparates ein sehr unbedeutendes und sein Volumen ein so besonders kleines ist, daß er, ohne irgendwie behinderlich zu sein, von Jedem leicht bei sich getragen werden kann, wäre er wohl von größtem Werte für Leute, dis auf dem Wasser körperliche Arbeit zu verrichten haben. In seinen wesentlichen Teilen besteht der Apparat aus einem starken Gummisack, einer cylindrischeu Metallhülst und einem Zerbrechungsapparat. Der Gummisack und die Metaüyülst, welche zur Aufnahme eines mit Chlormethylgas gefüllten und an einem Ende in eine feine Röhre ausgeschNolzenen Gläs chens dient, sind mit einander durch einen kurzen Schlauch verbunden. Das verflüssigte Chlormethyl- gas hat die Eigenschaft, falls man ihm die Möglich keit, sich auszudehnen, bietet, in wenigen Augenblicken zu verdunsten. Der Zerbrechmigsapparat ist am Boden der Hülse angebracht und besteht im Wesent lichen aus einem starken Ring aus Filtrterpapier, der eine Feder gespannt hält. Wird dieser Ring naß, so verliert er seine große Haltbarkeit, reißt, und die Feder schnellt ein Messerchen, das sich in der Hülse befindet, gegen die feine Röhre und schlägt diese ab. Das flüssige GaS verdunstet sofort, strömt durch den kurzen Schlauch in den Gummiballon ein und bläht diesen auf. Das in Thätigkeitsetzen des Zerbrechungs- apparates, das Abschlagen des feinen Röhrchens und die Verdunstung des Gases geschieht fast gleichzeitig und mit einer solchen Schnelligkeit, daß der Verun glückte schon nach drei Sekunden über Wasser gehal ten wird. Damit Regen, Sturzseen, Nebel rc. dem Papisrring nicht soviel Feuchtigkeit zuführen, daß der Apparat vorzeitig in Thätigkeit gesetzt werden könnte, sind besondere Vorkehrungen getroffen worden. Seinen verschiedenen Zwecken entsprechend, hat der Erfinder dem Apparate drei Formen gegeben. Bei der einen ist der Gummisack mit der Metallhülse in eine Jacke, welche ärmellos und seitlich durch Schnallen und Haken zuzumachen ist, auf die Brust hineingenäht. Diese Form wäre wohl am geeignetsten für die Marine, die Rettungsstationen und überhaupt alle Arten Seeleute, die körperliche Arbeit zu verrichten haben, da sie wegen ihrer großen Bequemlichkeit und ihres kleines Gewichtes den betreffenden Träger nicht mehr belästigt als eine einfache Oetjacke. Bei der zweiten Form liegt der Gummisack zusammengervllt in einer viereckigen Blechkapsel, die nicht größer als ein Opernglasetuis ist. Sie wird am Riemen über die Schulter gehängt oder auf die Brust geschnallt getragen. Der dritte Apparat ist st eingerichtet, daß er Verunglückten leicht zugeworfcn werden kann. Hier ruht derselbe in einer zylindrischen Blechkapstl, welche wegen ih er Gestalt und der Kleinheit ihres Gewichtes, etwas über ein Kilogramm, bedeutend weiter geschleudert werden kann, als die im Gebrauch stehenden Rettungsrings und -Bälle. Hier hat der Gummiballon, wenn er aufgebläht ist, die Form eines Ringes, welcher leicht zwei Menschen trägt. Er ist außerdem mit einem selbstihälig wirkenden Leuchtupparat verstehen, der bei Dunkelheit sowohl der RettMgsmar.nschaft als auch dem Verunglückten große Dienste leisten dürfte. Der Leuchtapparat be steht aus einer M-tallhülse, welche ein Gläschen mit Stückchen PhosphorcalciuM trägt, das beim Hinzu tritt von Wasser felbstentzündliches Phosphorwasier- stoffgaS bildet. Bei jeder Form ist außerdem am Gummiballon noch ein längerer Schlauch angebracht, der mit Rückschlagventil und Hahn versehen ist und es dem Verunglückten möglich macht, jederzeit etwa entwichenes Gas durch Nachblasen von Last zu er setzen. Das ursprünglich eingeströmte Gas hält einen Menschen 6—8 Sluode« über Wasser. Der Pens schwankt je nach, Ausführung zwischen 17 und 20 M. Augsnbttcklich befindet sich der Apparat in Berlin in der nautischen Ausstellung In den letz ten Monaten sind in Hamburg damit mehrere Ver suche von Sachverständigen unternommen worden, wobei dis Erfindung große Anerkennung erntete. Mehrere des Schwimmens ganz unkundige Leute haben sich in die Anßenalster gestürzt, sie wurden von dem Apparat beliebige lange Zeit über Wasser gehalten. Derselbe soll in nächster Zeit in Amster dam, Lübeck und Königsberg ausgestellt werden. Z Nsue große Schneefalle, dis verschiedentlich Verkehrsstörungsn verursachten, werden sowohl aus Deutschland wie aus dem Auslände gemeldet. Im Odenwald ist der Postverkehr vielfach unterbrochen, im Schwarzwald blieben mehrere Bahvzüge im Schnee stecken; verschiedene Otte sind völlig vom Verkehr abgeschnitten. Aus allen Teilen Oesterreich-Ungarns werden neue Schneefälle gemeldet; in Triest kam dazu eins Bora, auf der Karst herrscht heftiger Schnee- sturm. Vielfache Verkehrsstörungen, auch Verluste an Menschenleben werden berichtet. Ans Foix: In dem Dorfe Orlu (Kanton Axe les ThermeS) ging eine Schneelawine nieder, durch welche vier Häuser und zwölf Scheunen zerstört wurden. Fünf, zehn Personen wurden getötet, 8 verwundet. Zahl reiches Vieh wurde verschüttet. In Ober- und in Mittel-Italien ist starkes Frostwetter eingelreten, in Mailand zeigt das Thermometer 5 Grad unter Null. Dieselbe niedrige Temperatur herrscht auch in Florenz, wo der Arno zvgefroren, ebenso in der Romagna und den Marken. Aus verschiedenen italienischen Städten wird bedeutender Schneefall gemeldet. 8 Augsburg, 4. Jan. Aufsehen erregt hier der Selbstmord einer jungen Dame, Tochter eines höheren Offiziers, die sich gestern abend mit dem Dienstrevolver ihres Bruders, eines Leutnants, er. schoß. Unglückliche Liebe soll die 24jährige schöNx Dame, die in hiesigen Offizierskreisen eine Rolle spielte, in den Tod getrieben haben. ' ** Oesterreich-Ungarn. Kaiser Franz Joseph ist nach Petz zurückgekehrt. Der Bonus von Kroatien, Graf Khusn-Hedervsry, ist formell mit der Neubildung des Ministeriums betraut. Kann sich die nme Regierung nicht zu einer Auflösung des ungarischen Reichstages in absehbarer Zeit entschlie ßen, dann wird es mit seiner Herrlichkeit schwerlich lange dauern. ** Budapest, 5. Jan. Bei der Station Velejte wurden Schienen reinigende Schneeschausler tu einem Bahneinschnitt, wo dieselben nicht aus weichen konnten, von einer Lokomotive mit Schnee pflug überfahren. 5 winden getötet und mehrere schwer verletzt. ** Petersburg, 5. Jan. Nachrichten aus Wladiwostok! melden, daß die Ueberfälls seitens ber Chinesen einen bedrohlichen Charakter annehmen. Viele Bahnstationen seien geplündert worden. Die Äahnarbeiter flüchten und beginnen sich zu weigern, weiter zu arbeiten. Mehrere Zusammenstöße zwischen russischem Militär und chinesischen Banden haben stottgesunden. 60 Chinesen sind gefangen genommen worden, viele Hunbene gelötet. Der Generalgvuver- neur verlangt Truppenverstärkung. ** Paris, 5. Jan. Ueber die Zeit vor der Degradation von DreifuS wird gemeldet: Dreifus lag in tiefem Schlaf, als man ihn morgens um 6 Uhr abhotte. Er erbleichte anfangs, beruhigte sich jedoch bald wieder und legte seine Uniform an. Hie rauf wurde er zwei Gendarmen übergeben, welche ihn einen Trainwagen besteigen ließen, indem sie, den Revolver in der Hand, an seiner Seite Platz nahmen. Der Wagen, begleitet von zwei Zügen ber Garde RepMicaine traf 8 Uhr 10 Minuten bei der Ec ole Müitaire ein und machte vor dem großen Irmenhofs bei den Bureavx Halt. Dreifus stieg ab und begab sich in das Gebäude. Vor dem Hofe hatten sich zahlreiche N '»gierige eingefundev. Von halb 9 Uhr ab rückten die Truppen an, welche der Degradation beiwohnen sollten. Das Truppenauf- gsboL umfaßt ungefähr 3000 Mann unter dem Be fehl des General Darras. Als die Tambours das Zeichen zur Eröffnung der Ceremonie gegeben halten, erschien Dreifus, eskortiert von vier Artilleristen und einem Leutnant. Er ging festen Schrittes ohne sicht bare Erregung. Der Zag hielt, der Gerichtsschreiber verlas das Urteil: hierauf sagt General Darras: „Alfred Dreifus, Sie find unwürdig, die Waffen zu tragen, wir degradieren Sie in Gemäßheit des Ge setzes." Der Vorgang vollzog sich sodann in der bereits gemeldeten Weiss. Dreifus ging die Front der Truppen entlang, da legten ihm zwei Gendarmen die Handschellen an und hieß n ihn in einen Zellen wagen steigen, der ihn nach dem Gewahrsam brachte. Außerhalb des Gebäudes hatte sich eine beträchtliche Volksmenge angesammelt, die Dächer der Häuser - sogleich überwältigt und auch meine Kameraden er- j klärten sich bereit, Sittah zu retten. Aber wie? Jetzt r war der Zug nahe gekommen, jetzt hob man sie s herunter und im selben Moment schrie ich unter den s Geberde« tiefsten Entsetzens: „Er lebt! Der Tote s hat die Augen geöffnet! Es geschieht ein Uualück! l Flieht, Leute, flieht!" Meine beiden Kameraden stimmten ein wahrhaft entsetzliches Geheul des Schreckens an und schossen rasch nach einander ihre Revolver ab, die Pserde j wurden scheu, bäumten, rissen sich los und eine schreckliche Panik bemächtigte sich aller Anwesenden. Diesen Moment allgemeinster Kopflosigkeit be nutzte ich unverzüglich, schlang meinen Arm um die schöne Sittah und floh mit ihr iu den nächsten besten Tempel, wo, wie ich genau wußte, niemand hinein- dnrfte, ohne der Todesstrafe zu verfallen. Wir blieben bis zum Dunkelwerden hier und dann schlüpfte die junge Frau hinaus, um bald darauf mit einem Pferds zurück,ukehren; sie hatte es aus dem Stalle ihres toten Gatten geholt, mitten durch die schlafen den Diener hindurch. Und nun half uns sine höhere Macht durch die mit Tigern und Schlangen bevöl kerten Dschungeln hindurch, bis wir endlich nach zweimal Vie», ndzwanzig Stunden glücklich an Bord mein— „Amazone" anlangten. Ich wartete mit der Abreise nur so lange, bis meine beiden Kameraden zurückkehrten, welche mich schon längst gestorben und verdorben geglaubt hatten, und nun traten wir die Heimreise am Sittah hatte mir unterwegs zahllose Male versprochen und zugeschworen, mein Weib zu werden, aber was sind Weiberschwüre! Als ich ' vorgestern in den Schuppen trat und sie iu John'S Armen erblickte, da übermannte mich die Wut und — ich hob die Waffe —" „Also — doch —stöhnte der alte Mann und sank zurück in tiefer, todesähnlicher Ohnmacht. „Vater," schrie Willem verzweifelnd auf und warf sich über ihn, „stirb nicht, ehe Du mich gesegnet — mir vergeben hast —" Währenddem war Anna festen Schrittes in das Gemach getreten, worin Sittah, grausam lächelnd, und voll kalter Selbstgefälligkeit auf und nieder schritt; sie sah bezaubernd schön aus und dennoch leuchtete es dämonisch aus den großen feuchten Augen. Anna verstand etwas englisch und nahm sich fest vor, die Indien» solle und müsse sie verstehen, so begann sie denn klar und ruhig: „Sittah ver stehst Du mich?" Die junge Frau lächelte unheimlich uud schüt telte den Kopf, Anna wußte nun, daß sie sich ver stellte. „Wo ist Dein Geliebter." Sie antwortete wieder nicht. „Wo ist die Waffe, mit der Du ihn getötet?" Mit Gedankenschnelle glitt der Blick der Jn- diertn hinüber auf ein kleines Tischchen, das mit allerlei fantastischenShawls bedccktwar; unter demselben jedoch blitzte es wieMetall! Doch noch ehe sie sich darauf stürzen konnte, war ihr Anna zuvorgekommen. Fest wie eine Mauer stand sie vor dem jungen Weibe und rief ihr mit dumpfgrollender Stimme zu: „Nimm Dich in acht, Verräterin! Du darfst mir nicht von der Stelle, ehe Du alles gebeichtet!" (Schluß folgt.) Durch Kampf zum Glück! Novelle von H. L i m p u r g. Nachdruck verbot«! (Fortsetzung.) „Die Eingeborenen umtanzten greuliche Götzen bilder, welche unter wehenden Baldachinen vorbeige tragen wurden und die fanatischesten der Männer warfen sich unter die Hufe der Pserde und die Raver der Wagen." „Was geht hier vor?" fmg ich einen der Män ner und erhielt zur Antwort: „Es soll eine junge Witwe verbrannt werden, deren Mann vor wenigen Tagen gestorben ist; sie wird zugleich mit der Leiche verbrannt." Ich hatte von dieser grauenhaften Sitte schon gehört, doch noch nie sie ausführen sehen und so be schlossen nur drei denn einmütig, der schrecklichen Zeremonie beizuwvhnen; mein kühner Hintergedanke war sogleich, das junge unglückliche Geschöpf wo möglich zu retten. AIS wir auf dem weiten Platz anlangte», wo das „Fest" begangen werden sollte, schauderten wir unwillkürlich zurück. Ein breiter, nicht sehr hohes Scheiterhaufen war daselbst errichtet und auf dem selben eine Art Paradebett, reich mit Blnmcn, bun ten Seidenzeugen und Kränzen geschmückt; die Leiche des Ehemannes lag schon da, doch noch war der Platz daneben leer und der fernher tönende Lärm von Pauken und Trompeten kündete das Nahen des jungen Opfers an. Ich war aufs Höchste erregt und gespannt und als das holdeste Weib, welches ich bis dahin jemals erblickt, herankam, da war ich