Volltext Seite (XML)
Tas dcr Eoldatm (Von unserem zur Winterolympiade entsandten Dr. V.< Sonderberichterstatter.) Der Ansturm der Fremden nimmt tätlich beängstigen derc Formen an. Gestern abend stürmten die Massen ein- sach einzelne Tribünendächer im Eislaufstadion, um die chockeyspiele mit ansehen zu können, und konnten trotz ver zweifelter Anstrengungen der Kontrollen und Absperr- mannschnften, denen seht die chauptlast der Arbeit zufällt, und trog allen Zuredens nicht vertrieben werden. Die Sonne schmilzt mittags den Schnee und die Eis- zapse». Es tropft von allen Dächern. Aber unermüdlich zogen Zehnlausende durch die Straßen und stauten sich vor den Lautsprechern, die sie über die Ereignisse dauernd aus dem laufenden halten. Sehr viele von ihnen haben keiner lei Aussichl mehr, Karten zu irgendeiner Veranstaltung zu erhalten. Die 10-1 Autobusse der Neichspost und die zahl losen durchrasenden Privalautos, die ein wildes chupkonzert vollführen, spritzen Schlammfluten nach beiden Seiten auf die nassen Straßen. Die Sonneneinstrahlung schadet der Schnelligkeit der großen Sprungschanze nicht, denn nasser Schnee fördert die Geschwindigkeit und erhöht die Sprung weiten. Auf den Höhen, über die am Freitagmorgen der Mili- tär-Patrouillcnlauf über 25 Kilometer mit der eingelegten Schießübung ging, lag der Schnee nach wie vor fest, nur ein wenig verharscht. Aber wozu Hal sich das Wachsen der Schneeschuhe zu einer wahren Gcheimkunst hier entwickelt? Wozu haben sich die Finnen eigens einen Wachsmcistcr mit- gebracht, und wozu steckt der schwedische Spezialfachmann bei jedem einzelnen Lauf erst das Thermometer in den Schnee, um die Temperatur festzustellen, die nachher für die besondere Wachsmethode der Skier ausschlaggebend ist'? Und was richtig gewachste Skier hier ausrichten, das hat die deutsche Niederlage beim 18-Km.-Langlaus und vor allen Dingen beim Staffellauf gehörig gezeigt. Neun Nationen (Finnland, Italien, Schweiz, Frankreich, Deutschland, Tsche choslowakei, Schweden, Oesterreich und Polen) traten am Freitagmorgen um 8.30 Uhr im Skistadion vor 10 000 Zu- ichaucrn zu ihrem Vorführungswettbemerb an, dem neben den zahlreichen Militärattaches aller Länder auch der Ncichs- kricgsminister von Blomberg, General der Artillerie Frhr. von Fritsch, Gesandter von Papen und viele andere bei wohnten. Eine überaus schwierige Strecke, die auch über das Kreuzeck führte, mußte von den Patrouillen, die aus einem Offizier und drei Mann bestanden, bestritten werden. Entscheidend war immer die benötigte Zeit. Geschlossen mußte die Mannschaft das Ziel erreichen, d. h. der Letzte mußte binnen 30 Sekunden dem Ersten folgen. In der zweiten Hälfte war die Scharfschießübung auf drei Ballons angeseßt. Die Entfernung betrug 150 Meter. Jeder Mann hatte höchstens fünf Schuß. Alle, mit Ausnahme der Schwei zer Patrouille, sind an dieser Ecke ohne Strafpunkte vorbei gekommen. Jeder Mann durfte nur auf einen Ballon schießen. Die deutsche Mannschaft hielt sich ausgezeichnet. Sie belegte den fünften Plaß. Ueberraschungssieger blieben die Italiener. Zum Eisschnellauf über 10 000 Meter waren nicht weniger als 64 Männer, darunter auch die beiden Deutschen Sames und Sandtner, am Rießersee angetreten, der wieder Zehntausend«: angelockt hatte. Noch stärker allerdings war das Interesse für die Zweier-Bobrennen, die Freitagmorgen um 8 Uhr bereits eingeseßt hatten. Alle Tribünen waren längst um 7 Uhr schon voll beseht. Die Amerikaner waren diesmal die Schnellsten. Die Entscheidung füllt allerdings erst am heutigen Sonnabend. Der Nachmittag stand im Zeichen der Kunstläufer, die wieder eine zehntaujcndköpsige Menschenmenge im Eisstadion bezauberten. Weltmeister Schäfer-Oesterreich blieb erwartungsgemäß Sieger. Aber auch unser deutscher Meister Baier, der am Bortage mit Maxie Herber im Paarlauf olympische Ehren cingeheimst hatte, zeigte sich von seiner allerbesten Seite. Kameradschaft und Eyortgetst Italiens Sieg tm Patrouillen Lauf * 9. Olympia-Tag — Tag der Soldaten! Neun Natio nen haben je eine erprobte Skipatrouille, bestehend aus einem Offizier und drei Mann, in den schwierigen Militär- patrouillcn-Laus über 25 Kilometer geschickt, bei dem es zwar nicht um olympischen Ruhm gilt, in dem aber gilt, für das Baterland ehrenvoll zu bestehen. Eine schwere Auf gabe ist den Soldaten gestellt. Unter den kritischen Augen der militärischen und sportlichen Sachverständigen aus aller Welt haben sie mit Gepäck und Gewehr einen mit Schwierig keiten reich gespickten 25-Kilometer-Kurs zu bewältigen, und dabei noch auf halber Strecke eine Prüfung im Scharfschießen abzulegen. Das erfordert äußersten Kräfteeinjaß, die legte Energie, blißschnelles Ausnußen eines jeden sich bietenden Vorteils, das erfordert nicht'zuleßt kameradschaftliche Zu sammenarbeit in allen Lagen. Der Stärkere hilft auf der Strecke dem Schwächeren, und der Offizier trägt Gepäck oder Gewehr seines Soldaten, wenn dieser schlappzumachen droht. Um es gleich vorwcgzunehmen, man erlebte viel herz erfrischende Kameradschaft auf der Strecke. Da betreute meisterlich der Führer der deutschen Patrouille, Leutnant Leupold, einen jeden seiner drei wackeren Soldaten. Er zeigte die besten Ansticgsmöglichkeiten, er hielt immer alle dicht beieinander, er ließ auch die Verbindung in der Abfahrt nicht auseinanderreißen, lind er schleppte das Gewehr des schwächsten Mannes. Dort wartete ein starker Oesterrcicher auf der Strecke, und hier unterstützten die Norweger einen Kameraden, der Skiscbaden erlitten hatte. Beim Scharf schießen auf der Strecke konnte man einen französischen Leutnant beobachten, wie er einen nervösen Schützen be- rnhigte, und seine Mütze über das Visier des Schießenden hielt, um ihm in der blendenden Weiße der strahlenden I Äonne das Zielen zu erleichtern. Snldatcnkameradschaft, gc paart mit echtem Sportlergeist. Besseres, Schöneres und Er- i bebenderes kann man bei keinen Olympischen Winterspielen sehen! So hatte denn mit Recht der Laus der Soldaten nicht nur hohe Offiziere aus vielen Staaten auf den Kampfplatz gerufen, sondern auch Tausende und aber Tausende „Zivi listen". Sportler und Nichtsportlcr waren ins Skistadion und auf die Strecke geeilt, um den Kampf mitzuerleben. Alle Mannschaften gaben dann auch ihr Bestes her. Als erste gingen die Finnländer aus die Strecke, ihnen folgten d>e Polen, die Italiener, Schweizer, Franzosen, Deutschen, Tschechoslowaken, Schweden und Oesterreicher. Die gut vorgespurte Strecke führt aus wechselndem Ge lände zunächst bis nach Kaltenbrunn, dann tm 'Anstieg auf den etwa 1000 Meter hohen Wamberg weiter zurück zum Skistadion und nach der ersten Schleife zur Schießübung nach dem Hang vor der Kochelbergschanze. Steiler Anstieg führt dann zur Tonihütte. Es folgt die steile Abfahrt zur Kreuzeck- Talstation. und im Flachlauf geht es dann zum Ziel zurück. An der Spitze lausen die Finnländer ein gleichmäßig schnelles Nennen. Sie kommen als erste vom ersten Teil der Strecke zurück, eilen geschlossen zum Schießplatz, Schüsse knal len, die drei Ballons sind erledigt, und weiter geht der Lauf. Dann kommt Italien. Der Führer, Hauptmann Silvestri, j schleppt Gepäck und Karabiner eines ieiner Leute. Die Po- ; tcn schießen sehr gut, und schon lind sic wieder aus und davon. Mannschaft folgt aus Mannschaft. Die Deutschen machen schnell Zeit gegen die drei Minuten vor ihnen ge starteten Franzosen gut. Alle Mannschaften bestehen die Schießprüsung, nur die Schweizer holen sich drei Strasminu- ten, da ein Mann den ihm zugewiesenen Ballon mit fünf Schüssen nicht treffen kann. Als die Meldungen von der Strecke im Skistadion be kanntgegeben werden, wächst die Spannung. Die hervor ragend lausenden Italiener haben gegen die favorisierten Finnländer Boden gulgcmacht und ringen mit letzter Kraft um den Sieg. Die deutsche Mannschaft hat die Franzosen überholt und bedrängt die Oesterrcicher. Da kündet brausen der Beifall die Ankunft der ersten Mannschaft. Als erste lausen geschlossen die Finnländer durch das Ziel. 2 Stunden 28,49 Minuten haben sie benötigt. Dec Füh rer melde» seine Mannschaft zurück, da kommen auch schon ! die Italiener, angefeuert von stürmischen Zurufen ihrer ! zahlreichen Landsleute, den Hang hinunter und erringen im wahrsten Sinne des Wortes in letzter Sekunde den Sieg, denn sie sind knappe 14 Sekunden auf der 25 000 Meter lan- ! gen Strecke schneller gewesen. Daun folgen die übrigen Mannschaften. Wacker ge halten haben sich d i e D e u t s ch e n, die bis auf fünf Sekunden an die Oesterrcicher herangekommen sind, und in tadelloser Haltung von Leutnant Leupold zurückgemeldel werden. Der Neichskriegsminister und der Oberbefehlshaber des Heeres beglückwünschen denn auch herzlich die deutschen Läufer. Das Ergebnis 1. Italien 2:28,35 2. Finnland 2:28,49 i 3. Schweden 2:35,24 4. Oesterreich 2:36,19 5. Deutschland 2:36,24 6. Frankreich 2:40,56 7. Schweiz 2:43,39 8. Tschechoslowakei 2:50,08 9. Polen 2:52,27 . AnEizielle Lünvorwermng Die Reihenfolge nach dem 8. Tag. j I. II. III. IV. V. VI. Punkt, l Norwegen 4 5 2 11 2 68 Deutschland 3 2 — — 2 3 38 Finnland 1 1 3 1 — 1 28 Amerika — — 1 2 2 114 15.!j Schweiz 1 1 — 1 — — 15 Schweden 1 — 1 1 — — 14 Oesterreich — 1 — — 2 1)4 10 Ungarn — — 1 1 — — 7 England — __ 1 — 4 Frankreich — — 1 — 4 Tschechoslowakei —— —— — 2 — 4 Holland —— — — 1 — — 3 Italien —— ——— 1 — — 3 Japan — —— 1 — — 3 Belgien — — — — 1 — 2 Kanada — — — — — 1 1 Weltmeister Schäfer SIvmvta-SieM Vielleicht das größte Interesse fand am Freitag die Ent scheidung im Eiskunstlauf der Herren, die den zweiten Teil des Wettbewerbs, die Kür, zu erledigen hatten. Als die 25 Kunstläufer sich den sieben Punktrichtern und dem obersten Schiedsrichter, dem vielfachen Weltmeister Salchow-Schwe den, stellten, da war das Kunsteisstadion vollkommen besetzt. Unter den Zuschauern sah man alle, die irgendwie mit dem Kunstlauf etwas zu tun haben, insbesondere als kritische Be obachterinnen die Damen, die am heutigen Sonnabend ihrer seits um die goldene Medaille im Kunsteislauf an der glei chen Stätte kämpfen werden. ", , Nach Abschluß der Pflichtübungen führte Weltmeister Schäfer-Oesterreich überlegen mit 250,9 Punkten vor Wilson-Kanada (237,9), Sharp-England (237,7), Baier- Deutschland (237), Kaspar-Oesterreich (234,1). Weltmeister Schäfers Vorsprung war also schon so groß, daß ihm keiner seiner Konkurrenten mehr gefährlich werden konnte. Aber alle folgenden vier Läufer hatten noch Aussicht, eine der bei den restlichen olympischen Medaillen zu erkämpfen. Die Eisverhältnisse waren sehr gut, als der Japaner Oimatso den Neigen eröffnete. Zwar bot er nur eine durch schnittliche Leistung, zeigte aber auch auf diesem Gebiet, daß die Japaner aus dem Vormarsch sind. Schlechter als «er wurde jedenfalls der folgende Amerikaner Hill bewertet, und auch der Tscheche Sadilek konnte sich nicht durchsetzen. Läu fer folgte so auf Läufer. Der Engländer Sharp lies ein sehr gutes Programm, hatte aber das Pech, nach einem Stürz cwas unsicher zu werden, so daß er bei einem Axel-Pauken beinahe noch einmal gestürzt wäre. Trotzdem lagen seine Wertungszifscrn über 5. Der Deutsche E r n st Baier lief eine wunderbare Kür. Sein Programm war mit Schwierig keiten nur so gespickt. Zunächst erschien er etwas nervös, wurde dann aber immer sicherer. Brausender Beifall belohnte leine prächtige Leistung, und die Schiedsrichter gaben ihm Noten, die etwa um 5,5 lagen. Als gefährlicher Gegner er wies sich dann der Oesterrcicher Kaspar, der in den Pflicht übungen etwas zurückgesallen war. aber in der Kür eine den besten Leistungen des Tages bot. Unerreicht blieb jedoch Schäfer, der durch seinen meisterhaften Vortrag erneut unterstrich, daß er den Wcltmeistertitel zu Recht trägt. Baier erringt Sie Werne Medaille Nach Abschluß der Kür hatte das Kampfgericht nock stundenlang an der Auswertung der Note» zu arbeiten, um das Endergebnis festzustcllcn. Riesengroß war dann die- Freude in der Olympiastadt, als verkündet wurde: Lieger und Gewinner der goldenen Medaille: Schäfer- Oesterreich; Zweiter und Gewinner der silbernen Medaille: Baier-Deutschland; Dritter und Gewinner der bronzenen Medaille: Kaspar-Oesterreich. Vierter wurde der gute Kanadier Wilson. Ballangrub dreifacher Slnmvta-Steger! Die Wettbewerbe im Eisschnellauf auf dem Rießersee wurden am Freitag mit dem 10 000-Meter-Lauf beendet- Die blitzschnell über die Eisfläche dahinrasendcn Wettläufer hatten wieder etwa 10 000 Zuschauer angclockt, die hin reißende Wettkämpfe der schnellsten und ausdauerndsten Läufer der Welt erlebten. Weltmeister Ivar Ballangrnd setzte seinem olympischen Triumph die Krone auf und erkämpfte in hinreißendem Lauf für Norwegen die dritte Goldene Medaille. 17:24,3 Minu ten benötigte er und erzielte damit eine neue olympische Rekordzeit. Sein härtester Gegner war der Finnländer Vasenius, l der — ein glücklicher Zufall — durch das Los bestimmt war, s leinen Lauf gegen den Weltmeister bestreiten zu müssen. So I kam cs, daß Vasenius in Höchstform den Weltmeister zur ! Hergabe seines ganzen Könnens zwang. Dafür erntete er mit einer Zeit von 17'28,2 aber auch die Silberne Medaille. Wundervoll lief auch der Oesterreicher Stiepl, der den Finnen Blomquist schlug und die Bronzene Medaille er rang. Auch die Deutschen zeigten sich von ihrer besten Seite, wenn sie auch nicht in die Entscheidung eingreifen konnten. Zunächst verbesserte Sames den deutschen Rekord auf 18:04,3 im Lauf gegen den Holländer Koops, und dann schlug Sandtner den Belgier de Ligne überlegen und stellte die deutsche Rekordzeit auf 18:02,0 ein. Während der- Berliuer auf dem 15. Plaß endete, kam er auf den 12. Plaß. s GnSeWsbms 1. Ballangrnd (Norwegen) 17:24,3 (neuer olympischer Rekord) 2. Vasenius (Finnland) 17 : 28,2 3. Stiepl (Oesterreich) 17 : 30,6 ! 4. Mathiesen (Norwegen) 17:41,2 5. Blomqnist (Finnland) 17 : 42,4 v. Langedijk (Holland) 17 : 43,7 Heißer Kampf -er Zweierschlitteu Programmgemäß konnten am Freitagmorgen auf de« Bobbahn am Rießersee auch die beiden ersten Läufe im Wettbewerb der Zmeierschlittcn abgemickelt werden. Dio Bahn war dank der vorzüglichen Wettcrverhältnissc außer ordentlich schnell. So kam es, daß der Bahnrekord nicht weniger als zwölfmal unterboten wurde. Durch zwei wun dervolle Fahrten setzte sich die amerikanische Mannschaft Brown-Washbond mit dem Bob Amerika I an die Spitze vor Schweiz li und Amerika II. Die deutschen Teilnehmer Kilian-v. Valta und Grau-Brehme stehen bisher an 7. bzw. 9. Stelle. Die schnellste Zeit des Tages erzielte der Bob Amerika U 1 : 22,50. Stand nach den beiden ersten Läufen: 1. Amerika I (Brown-Washbond) 2:43,52, 2. Schweiz ll (Feierabend- Beerli) 2 : 46,65, 3. Amerika ll (Colgate-Lawrence) 2 : 47, 4. Schweiz l (Capadrutt-Bouvier) 2 :49,14, 5. England l (McEvoy-Cardno) 2 :49,46, 6. Belgien l (Baron Lunden de Spoelberch) 2 :50,17, 7. Deutschland I (Kilian-von Valta) 2 :51,53, 8. Oesterreich l (Stürer-Rottensteiner) 2 : 53,32, 9. Deutschland ll (Grau-Vrehme) 2 : 53,99, 10. Belgien ll (Houben-van Schelle) 2 : 55.18 England Europameister im Eishockey Im Kunsteisstadion standen sich am Freitagabend Eng- land und die Tschechoslowakei im ersten Spiel'der Schluß runde gegenüber. Die Engländer blieben mit 5:0 siegreich ste sind damit Europameister im Eishockey geworden und haben weiter erste Aussichten auf den ersten' Plaß in der entscheidenden Runde und damit auf die Olympische Gold- Medaille.