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OMAN (11. Fortsetzung.) Axel von Alsen sich! als Schlepper im Diens, des Spielers, irüdcrcn Sirnslings, Alkohol- und Rauschgistschmugglcrs Ry- binsky. Er möchle die Verbindung lösen. Durch ciii eigenarti- gcs Erlebnis lern! er den Keueroldircklor Woller Ruhlond und dessen Frau Ilse kennen. Während zwischen beiden eine liefe Freuudschofl cnlstcht, plnnl Rybinski einen Coup gegen Ruh land. Als Axel seine Mikhilsc verweigert, wird er niederge schlagen. Jur gleichen Stunde erwartet Frau Ilse vergeblich ihren Freund von Alscu. Aul dem Heimweg wird sie von Leuten Nybinskis entsiihrt und aus einer Insel versteckt gehal ten, um von Ruhland ein hohes Löscgeld zu erpressen. Zu sammen mit einem ersten Lebenszeichen seiner Frau erhält er nach einigen Tagen die Forderung, siir ihre Freilassung den Betrag von einer halben Million Mark zu zahlen Nach Aus hebung einer großen internationalen RanschgillzenNalc iiihll sich Rubinski in Dculschland nicht mehr sicher Aui Anraten seines Ratgebers Dr. Lukas beschließt er, den immer noch be> wußllosen Alsen aus seiner Villa nach der Insel bringen zu lassen, aul der sich Frau Ruhland befindet „Es erhebt sich nun die Frage, ob Herr Doktor Lukas uns absichtlich die Unwahrheit gesagt hat oder ihm nur ein Irrtum unterlaufen ist. Denn es ist doch zum mindesten auffällig, daß Rybinski setzt das Alsensche Auto fährt, ohne daß es ersichtlich ist warum und wie er wieder in den Besitz des Wagens gekommen ist Da der Weg über die Garage ausfällt, kann er es logischerweise doch nur von Alsen selbst erhalten haben. Das heißt. Alsen hat noch nach Frau Ruhlands Verschwinden mit Rybinski in Verbindung gestanden, und dicke Verbindung besteht viel leicht auch heute noch!" Unwillkürlich mar Waller aufgesprungen „Sie halten es also nicht für ausgeschiosscn. daß dieser Herr von Rybinski an der Entführung meiner Frau beteiligt ist und wir von teinem Doktor Lukas über Alsen bewußt getäuscht worden sind?" „Ich möchte da noch keinen bestimmten Verdacht aus- sprechenl" war die vorsichtige Antwort. „Aber eine solche absichtliche Irreführung scheint mir durchaus möglich: Sehen Sie, meine Herren, so wie mir Herr non Alsen bisher ge schildert worden ist. habe ich eigentlich nicht den Eindruck gewonnen, daß der Plan zu dieser an amerikanische Vor bilder erinnernden Entführung seinem Kopf entsprungen ein sollte. Ich habe da vielmehr von vornherein nach einer tärkeren Intelligenz Ausschau gehalten und bin bei den rühcren Beziehungen Alsens zu Rybinski ganz von selbst auf diesen Herrn verfallen. Zuzutrauen wäre es ihm jeden falls, daß er hinter der ganzen Sache steckt und Alsen ge- wisscrmaßen nur als „agent provocatcur" vorgeschickt hat. Vom Verdacht bis zum Beweis ist freilich nocb ein weiter Weg'" „Wie denken Sie danach über eine Hausjuchung m der Villa Rybinski?" fragte Walter in steigender Erregung. „Cs muß doch etwas geschehen, ich halte diesen Zustand der Un gewißheit. des tatenlosen Wartens bald nicht mehr aus!" Valentini wiegte den schmalen Kopf. „Verzeihen Sie, Herr Ruhland, aber von einer solchen Maßnahme kann ich mir nicht viel versprechen. Ganz ab gesehen davon, daß uns dafür ja vorläufig jede gesetzliche Handhabe fehlt. Ich glaube auch nicht, daß wir Ihre Frau Gemahlin in Nybinskis Haus finden würden, dazu ist dieser alte Fuchs denn doch zu vorsichtig und die Lage seiner Villa zu exponiert. Dagegen ist es sehr wohl denkbar daß Ihre Gattin irgendwo ganz in der Nähe in einem der zahllosen Schlupfwinkel des märkischen Wald- und Seengebiets ver steckt gehalten wird In dieser Beziehung dürfte eine weitere Beobachtung der Villa Rybinski bald wertvolle Aufschlüsse ergeben. Zu erwägen wäre dabei auch, ob es schon jetzt an der Zeit ist. die Kriminalpolizei zur Unterstützung heran zuziehen I" „Das scheint mir eine sehr zweischneidige Sache," meinte Iustizrat Seelisbcrger. „Nach meinen beruflichen Erfahrun gen arbeitet die Polizei meistens gleich mit einen) zu großen Apparat, Pressenotizen, Säulenanschlägen, Rundfunk-Rund fragen usw., und steigert damit nur die Vorsicht und Wach samkeit der Verbrecher." „Und was ist Ihre Ansicht?" wandte sich Valentini zu Walter hinüber. Walter rückte auf seinem Sessel verzweifelt hin und her. „Ich bin zu sehr Partei, um hier ein entscheidendes Wort sprechen zu können. Ich möchte selbstverständlich Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um meiner Frau zu helfen. Andererseits fürchte ich aber die unverhüllte Drohung des erpresserischen Briefes, daß ein polizeiliches Eingreifen für sie von schwerwiegenden Folgen sein könnte!" Valentini erhob sich. „Die Ansicht der Herren geht also wohl übereinstimmend dahin, daß wir die Polizei zunächst noch aus dem Spiel lassen. Zum mindesten, bis die Ver handlungen mit der Erpressergcsellschaft weiter gediehen sind und wir da vielleicht schon klarer sehen. Ich werde inzwi schen meine Beobachtung der Villa Rybinski in verschärfter Form fortsetzen. Vielleicht kommt uns da auch ein glücklicher Zufall zu Hilfe. Der Zufall ist mir, wie ich offen bekenne, oft ein ausgezeichneter Bundesgenosse gewesen!" XIV. Rybinski trat aus dem pomphaften Vestibül der Käm merlichtspiele auf die Köthener Straße hinaus und wandte sich dann zum Potsdamer Platz hinüber. Er war schon vom frühen Morgen an in Berlin geschäft lich unterwegs gewesen und endlich in den späten Nachmit tagsstunden in einem Kino, wo ein Film mit unerhört leben digen, mitreißenden Bildern vorgeführt wurde, gelandet. Das Märchen eines Matrosen war da vor ihm abgerollt, der die Liebe eines jungen Mädchens und die Boxmeister- fchaft gewinnt, um beide in einem wirbelnden Taumel sich überstürzender Geschehnisse wieder zu verlieren. Noch lag ihm der tobende Lärm der riesenhaften Arena im Ohr mit ihren brüllenden, stampfenden Zuschauermassen, deren gierige Augen den Titanenkampf der modernen Gla- oinloren saft verschlungen hauen. Uno schon umsing ihn ein anderer Laut, die gewaltige Sinfonie des abendlichen Ber lin, das unter den unablässig zuckenden Lichtsignalen des Verkehrslärms schon wieder der Nachl entgegensieberte. der rätselschmangeren Großstadtnachl. die sterbend aus ihrem Schoß bereits einen neuen Tag sinnlos raffender, verzwci- lelter Arbeit gebären sollte Mühsam kämpsle er sich durch den immer wieder bren yeranslutcnden Strom der Menschen und Fahrzeuge über den lichtübcrglänzten, endlos scheinenden Schacht der Leip ziger Straße und rettete sich in ein Casö, über dessen Ein gang sich eine Zigarettenmarke von Wcltrus mit zitternder Flammcnschrift in jein Gemüt einznbrcnncn suchte Schwerer Dunst. Musikfetzen und das Geräusch von vie len hundert Stimmen schlugen chm entgegen, das wcitge- dehnte Lokal schien bereits bis auf den letzten Platz besetzt doch noch immer drängten neue Menschen in den von Lärm und Rauchschwaden erfüllten Naum daß er erst nach langem Suchen in einer stillen Ecke einen Platz sand Er konnte einsach nicht mehr weiter, er fühlte sich völlig erschöpft und ausgepumpt und von einer plötzlichen inneren Angst geschüttelt, daß es ihm für Augenblicke schien, als ob sich die Wände des Lokals uni ihn zusammenschieben woll ten. ihn zu erdrücken, zu vernichten Erst unter der Wirkung eines starken Mokkas wurde er langsam ruhiger und gesammelter, gelang es ihm, seiner nerocnzcrreißcnden Unruhe so weit wieder Herr zu werden, daß er den Inhalt der letzten Abendzeitungen in sich aus zunehmen vermachte Schon die Morgenblätter hallen in gewaltigen Schlag zeilen die Nachricht von der endgültigen Sprengung einer großen internationalen Rauschgiftzentrule in alle Welt hin- ausgeschricn Das Nanschgiftdezernat der Berliner Krimi nalpolizei halte endlich zu einem lchon lange vorbereiteten Schlag gegen die Schleichhändler des weißen Giftes ausgehol: und allerlei sensationelle Einzelheiten über die phantastische Organisation der in allen Erdteilen verbreiteten Schmuga- lerbanden ans Tageslicht gefördert Eine als Thüringer Spielwarcn deklarierte an einen Neuyorker Importeur gerichtete Sendung von Morphium und Kokain im Werte von über einer Million Mark war noch in ekt-"- Stunde im Hamburger Hafen angehalten worden, und die Polizei suchte angestrengt nach einem wei teren, noch größeren Depot, das in der höfcreichen Gegend des Straßenoiertels um den Anhalter Bahnhof versteckt sein sollte. Die Abendzeitungen überstürzten sich in Mitteilungen über Verhaftungen von geheimnisvollen Ausländern, mit denen die Polizei schon seit Jahren in einem erbitterten Kampf stand; auch eine Anzahl von Aerzten und Apothekern war bereits festgenommen worden, die die verderbliche Lei denschaft ihrer Kranken und Kunden in gewinnsüchtiger Ab sicht ausgebeutet hatten. Immer enger zog fich der Ring um die letzten Verdäch tigen zusammen, mit fieberhaftem Eifer fahndete man vor allem nach dem leitenden Mann, in dessen Händen die Fä den der mitteleuropäischen Organisation zusammenliefen, und der es bisher meisterhaft verstanden hatte, sich völlig un erkannt hinter den Kulissen zu halten. Ein eisiges Erschrecken ging plötzlich durch die Seele des verzweifelt Sinnenden, als laste schon die Hand eines Kom missars bleischwer auf seiner Schulter, der ihn mit ruhiger Höflichkeit zu einer Fahrt nach dem Alexanderplatz einlud Er fühlte daß es allmählich die höchste Zeit für ihn war, den Staub Europas von leinen Füßen zu schütteln ehe der rächende Blitz auch bei ihm eingeschlagen hatte. Und dazu gehörte Geld viel Geld, das gerade in diesen entschei denden Tagen knapper mar denn je Die Ausleerung seiner letzten Bankguthaben hatte nur noch eine Barsumme von einigen zwanzigtausend Mark ergeben, die zum Teil sofort durch dringende Verpflichtungen. Mietsschulden und Lohn zahlungen aufgezehrt wurden Hierzu kam, daß auch die gegen Walter Ruhland ge richtete Aktion bisher kaum nennenswerte Fortschritte ge macht hatte. Ein Brief aus Wannsee, den er unter allen möglichen Vorsichtsmaßregeln vom Postamt 72 hatte ab holen lassen, hatte nur eine sehr kurze, geschäftsmäßige Ant wort enthalten, daß die Forderung einer halben Million Mark einfach undiskutabel sei und höchstens aus einer Grundlage von hunderttausend Mark verhandelt werden könne, eine Summe, die auch nur dann ernsthaft in Be tracht käme, wenn die Entführte binnen dreimal vierund zwanzig Stunden wieder nach Hause zurückgebracht sei, wi drigenfalls der gesamte, bisher noch zurückgehaltene Appa rat der Kriminalpolizei unverzüglich in Bewegung gesetzt werden würde. Gerade aber ein Eingreifen der Polizei mußte bei der gegenwärtigen gespannten Lage, bei der ein einziges un beachtetes Steinä-cn unversehens eine Lamine in Bewegung setze» konnte, unter allen Umständen vermieden werden. Es galt darum zu handeln, schnell, kühn, entschlossen, er wollte nicht vor dem Schicksal die Waffen strecken, um vielleicht noch angesichts der rettenden Küste zu scheitern. Noch einmal mußte er einen letzten Kampf nm sein schon so ost erprobtes Glück wagen, und er fühlte, wie die ser Entschiuß all seine unstet flatternden Gedanken plötzlich wieder an sich riß. Rybinsk, zog die Uhr. Zwei Minuten vor zehn. Um zehn Uhr hatte er sich mit Doktor Lukas im Cafä ein Rendezvous gegeben, und in dem gleichen Augenblick steuerte der pünktliche Jurist auch schon von dem dichtum- I lagerten Kuchenbüfett zu seinem Sofawinkel hinüber. ,Gott fei Dank, daß Sie kommen, Doktor," begrüßte er ihn, einen kleinen Zeitungsberg beiseite schiebend. „Diese verdammten Blätter machen mich noch ganz krank." Der Exanwalt lächelte. ..Es wird alles nicht so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Sie machen sich den Kops mit dem Geschreibsel der Gazetten ganz unnütz warm. Die Berichte übertreffen teil weise ja die kühnsten Phantasien unserer Kriminalschrift- stcller!" Rybinsk, schüttelte den Kops. „Ich kann die Sache nicht scherzhaft nehmen. Ich habe das Gefühl, daß lehr ernste Interessen für »ns auf dem Spiele stehe» " Doktor Lukas ließ jein Feuerzeug springen und ent zündete sich eine Zigarre, seine klugen Augen gingen prü fend über Nybinskis abgespanntes Gesicht. .Sie sehen zu schwarz, Meister," sagte er dann. „Der Fall Hamburg ist an sich ja bedauerlich, geht uns aber schließlich persönlich gar nichts an. Und unser Prioatdepot dürste auch von den gerissensten Spitzeln kaum ausgekund- ichaftel werden. Es war ein sehr glücklicher Gedanke von Ihne», daß Sie es vor ein paar Tagen nach dem Krem- mtzsec verlegt haben. Da ruht es ja io sicher wie in Abra hams Schoß!" „Das beunruhigt mich auch nicht weiter. Biel näher gehl mir augenblicklich der Fall Ruhland. Denn der Mann ist doch für uns bares Geld. Wenn auch nicht in dem Um fang, wie ich ihn ursprünglich angesetzt hatte. Er-schreibt mir heule, daß er höchstens mit 100 Ml Mark herüberkom men würde!" Doktor Lukas betrachtete aufmerksam den tadellosen Brand seiner Zigarre. „Nun, hundert Mille sind auch nicht zu verachte». Ich wünschte, ich hätte sie schon in der Brieftasche und wäre damit eine Strecke weit über die Grenze. Wenn Ruhland l 00 000 Mark bietet, so zahlt er schließlich das Doppelte. Auf mehr habe ich, offen gestanden, auch nie gerechnet. Be denken Sie. der Himmel ist hoch, und das Geld ist knapp!" „Ich würde bestimmt auf der vollen Erfüllung memer Forderung bestehen, wenn die Verhältnisse nicht so bedroh lich lägen. Und dann noch eins, lieber Lukas! Was fangen wir mit diesem Unglücksmenschen von Alsen an, mit dem wir uns ein richtiges Kreuz aufgeladen haben. Jede» Tag kann doch die Polizei auf den Gedanken kommen, uns einen kleinen Besuch zu machen Und dann wird er in seiner Mansarde bestimmt gefunden, und der Kladderadatsch ist da!" Doktor Lukas hob den Kops. „Ich wüßte ein sehr einfaches Mittel. Schicken mir Al ien gleichfalls aus die Insel!" „Sie sind nicht ganz bei Trost. Lukas!" „Bitte sehr, ich trete gern zurück, wenn Sie einen besse ren Vorschlag machen können. Natürlich will ich Alsen nicht zu Frau Ruhland in die Villa legen. Auf der Insel befindet sich aber doch noch ein Stallgebäude, in dem bereits unser Depot uniergebrachl ist und sich sicherlich auch für Alsen ein fester Unterkunftsraum Herrichten ließe. Jack London würde ihn sicher hinüberbringen, und unser Eisenkönig für seine sachgemäße Bewachung sorgen!" „Ich weiß nicht, diese enge Gemeinschaft mit Frau Ruhland ist nicht nach meinem Geschmack." „Aber lieber Rybinski!" Der kleine Doktor wurde fast ärgerlich. „Sie vergessen anscheinend ganz, daß wir es mit einem Schmerkranken zu tun haben, der noch immer in einer tie fen Benommenheit liegt. Wie lange dieser Zustand noch andauern wird, kann Dr. Salomon noch nicht mit Be stimmtheit sagen. Jedenfalls dürfte aber die Angelegenheit Ruhland schon längst geregelt sein, ehe Alsen nach ärzt lichem Ermessen wieder ganz zu sich gekommen ist!" Ein Schweigen entstand und richtete sich wie eine Wand zwischen den beiden Männern auf. Von dem Musikpodium klang das Todeslied Cavara- dossis herüber. Unwillkürlich summte Rybinski ein paar Takte der Me lodie mit. Ein halbvergessener Abend in New Dort stieg plötz lich aus dem Schacht der Erinnerung wieder in ihm auf, da einer seiner besten Leute auf der Hudsonfähre mitten unter den Fahrgästen mit zehn Pistolenschüssen von feind lichen Gangstern umgelegt worden war, während er sich selbst kurz entschlossen ins Wasser gestürzt hatte und nur durch seine hervorragende Tauchkunst dem gleichen Schick sal entgangen war. Und als er dann nach Stunden mit Juanita zum Dach garten eines Wolkenkratzerhotels hinaufgefahren war, setzt wieder der vornehme Kavalier im eleganten Abendanzug, da hatte der Maestro der italienischen Stimmungskapelle eine Suite aus Toska gespielt, und die Melodie des Todes liedes hatte sich ihm wie ein letzter Gruß des sterbenden Kameraden ins Herz gegraben. ! (Forrsetzung in der nächsten Sonnabend-Nummer.)