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GS«Hfif<yeS. Dar sächsische Amnektiegesetz Dresden, 19. Dezember. Ministerpräsident Schieck hat dem Landtag den va» die sem verlangten Entwurf eines Gesetzes über die Gewäh rung von Straffreiheit zur Entschließung nach Artikel 3 t der Verfassung zugehen lassen. Darnach wird für Straftaten, die aus politischen Vcweg- gründen oder aus Anlaß wirtschaftlicher Kämpfe begangen wurden, nach Maßgabe dieses Gesetzes Straffreiheit gewährt. Strafen, die beim Inkrafttreten des Gesetzes von sächsischen Gerichten erkannt und noch nicht verbüßt sind, werden erlas sen, wenn sie in Geld- oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jah ren bestehen. Längere Freiheitsstrafen werden zunächst um fünf Jahre gemindert, Reststrasen auf die .Hälfte herabgesetzt. Dabei tritt an die Stelle von Zuchthaus Gefängnis gleicher Dauer. Für Straftaten, die infolge wirtschaftlicher Not, insbe sondere Arbeitslosigkeit oder Gefährdung der Existenz, began gen wurden, wird Straffreiheit gewährt, wenn der Täter nicht oder nur mit Geldstrafen oder Freiheitsstrafen von nicht mehr als sechs Monaten bestraft war. Noch nicht verbüßte Strafen werden erlassen, wenn sie in Geld- oder in Frei heitsstrafen von nicht mehr als einem Jahr Gefängnis be stehen. Anhängig gemachte Verfahren wegen der erwähnten Straftaten werden eingestellt, wenn die Tat vor dem 1. De zember 1932 begangen wurde und keine schwerere Freiheits strafe als fünf Jahre zu erwarten ist; neue Verfahren werden nicht eingeleitct. lieber die Einstellung anhängiger Verfahren entscheidet auf Antrag das Gericht. Ausgeschlossen von den Vergünstigungen des Ge setzes sind Verbrechen gegen das Leben; Verbre chen wider 8 1 der Verordnung des Reichspräsidenten gegen politischen Terror vom 9. August, wenn durch die Tat ein Mensch getötet oder mit der Folge einer dauernden erheblichen Schädigung seines Körpers oder seiner Gesund heit verletzt morden ist; Verbrechen des schweren Rau- b e s; gemeingefährliche Verbrechen mit Todesfolge; Verbrechen wider das Gesetz gegen den verbrecherischen und gemeingefährlichen Gebräu chvon Spreng st offen; Landesverrat und Verrat militärischer Ge heimnisse, wenn die Tat aus Eigennutz begangen wurde. Der Gcsctzesvorschlag des Landtages ist diesem von der Regierung in stark geänderter Fassung wieder vorgclegt worden. Aus der der Regierungsvorlage beigegebenen Be gründung ist noch hervorzuheben: Die Regierung hält nach wie vor zum Ausgleich von Härten und zur Herbeiführung von Milderungen den Weg d c r E i n z e l b e g n a d i g u n g e n für t a u g l i ch e r als den einer gesetzlichen Amnestierung. Durch Landesamnestie rung würde die Nechtseinheit des Reiches beeinträchtigt. Wenn die Negierung sich gleichwohl bereiterklärte, den ihr überwiesenen Entwurf in der überreichten Fassung auszufcr- tigen und zu verkünden, so geschehe das lediglich um der gegenwärtigen Lage des Reiches und des Volkes willen. Nachdem auch andere Länder erwögen, eine Amnestie im Nahmen des Ncichsvorschlags durchzuführen, halte die Regie rung die Ausfüllung der zeitlichen Lücke bis zum Jnkraft^ treten der Rcichsamnestie durch eine Landesamnestie für tragbar. Voraussetzung hierfür sei jedoch, daß die Landesamnestle sich in den eniicheidenden Punkten im Nahmen oes Netchs- vorschlags halte. Die Landtagsvarschlag sei daher mit dem Reichsvorschlag dadurch in Einklang gebracht worden, daß die schwersten Verbrechen gegen die Sicherheit des Staates und seiner Bürger von der Straffreiheit ausgenommen wur- den. Bei der Notamnestie ist der Landtagsvorschlag wesentlich unverändert geblieben. Soweit er über den Reichsvorschlag hinausgeht, erscheint das sachlich dadurch begründet, daß die wirtscl-aftliche Lage Sachsens ungleich schwieriger ist als im Reichsdurchschnitt und in vielen Teilen des Landes zu einer Notlage führte, wie sie anderen dcutsckM Ländern fremd ist. Diese Notlage hat nicht nur die unmittelbar Betrosfenen er saßt, sondern gefährdet namentlich weite Teile des noch selbständigen Mittelstandes, denen deshalb die Vergünstigun gen der Amnestie aus Gercchtigkeitsgründen gleichfalls nicht versagt werden möchten. Dringend erforderlich erschien dagegen die Aenderung des Gcsetzesvorschlags hinsichtlich der Vorbestrafung der Per sonen, denen die Notamnestte zugute kommen soll. Die Be stimmung, daß diese Personen nur geringfügig vorbestraft sein dürfen, würde der Durchführung große Schwierigkeiten bereiten. Nur eine bestimmte Abgrenzung der die Amnestie rung nicht hindernden Vorstrafen vermag die Gleichmäßigkeit der Anwendung zu sichern. Sie ist so vorgenommen, daß weit zurückliegende Strafen ausscheiden und daß das noch zulässige Gesamtmaß der Vorstrafen nachweislich verbrecherische Per sonen von den Vergünstigungen der Amnestie an^schließt. Aus dem Landtag. Schwerer Vorwurf gegen Polizeibeamle In einem von der sozialdemokratischen Landtagsfraktion eingcbrachten Antrag wird gesagt, daß auf einer Versamm lung nationalsozialistischer Polizeibenmtcr in Leipzig der vom Dienst suspendierte Polizcihauptmann Schmidt-Chemnitz die Staatsorgane beschimpft und Polizeiwachtmeister Seifert- Chemnitz erklärt habe, „am Tage der Uebernahme der Macht durch die Nationalsozialisten würden alle republikanischen Beamten entlassen." Nach Schluß der Versammlung hätten die Versammlungsteilnehmer unter Anführung von zwei uniformierten Nationalsozialisten etwa 10 bis 50 Neichsbnn- nerleute angegriffen und verprügelt. Sieben Neichsbanner- lcute wurden verletzt, davon fünf üurcb Schlagringe. An dem Ueberfall seien Polizeibeamte und Offiziere in Zivil betei ligt gewesen, die unter Mißbrauch ihrer Dicnstwaffen eben falls auf die Reichsbannerlcute eingcschlagen hätten. Als an dem Ueberfall beteiligt werden van sozialdemokratischer Seite Polizeihauptmann Knofe, Polizcihauptmann Rost, die Polizeihauptwachtmeister Schmalfuß, Wilke, Ortmann und Kümmel genannt. Der Antrag fordert den Landtag auf, die Negierung zu ersuchen, dafür Sorge zu tragen, daß die Be völkerung vor solchen gemeingefährlichen Polizeibeamten ge schützt werde, daß die Schuldigen streng bestraft und aus der Polizei entfernt werden. Gesamtergebnis der Ersatzwahlen für die Landessynode Dresden. Bei den am 1. Dezember in Sachsen abgehat- tenen Ersatzwahlen für die Ev.-luth. Landessynode waren lO geistliche und 20 weltliche Mitglieder zu, wählen. Von geist lichen Mitgliedern wurden Pfarrer Wustmann-Chemnitz, Su perintendent Lindner-Glauchau, Oberkirchenrat Weidauer- Grimma und Oberkirchcnrat Schulze-Zittau wiedcrgewählt, neugewählt wurden die Pfarrer Dcnnecke-Wolkenstein, Sik- kert-Wehrsdorf, Türke-Dresden, Superintendent Hahn-Dres den, Pfarrer Fügncr-Vosscndorf und Kießling-Eibenstock. Das tägliche Nunvfunkprogramm Dienstag, 20. Dezember Leipzig-Dresden 10,10 Schulfunk: „Schneewittchen und die sieben Zwerge"; „Dornröschens Erwachen"; 12,00 Heitere Stunde, 13,15 Peter Tschaikowsky-Slundc; 11,00 Aus der Mell des Erwerbslosen; 15,00 Vüchcrstunde für die Jugend; 16,00 Weihnachtsgeschenke im Spiegel des Gesetzes; 16,30 Nachmittagskonzert, 18,00 Tech, nilche Neuheiten für den Haushalt; 18,25 Sprachenfunk: Fran- Misch; 10,00 Die Bergkapcllc Borna spielt; 20,30 Iakob Schass, ner liest eigene Prosa: 21,00 Vruckner-Zyklus; 22,05 Nachrichten- dienst; anschließend: Bunte Stunde. Glcirhbleibcndc Tageösolgc: 10.00 WirlschastSnachrichtcn, anschließend Wetterdienst, Vcr- kehrssunk und Tagesprogramm sowie: Was die Zeitung bringt; 11.00 Wcrbcnachrichtcn außerhalb des Programms des Mittel deutschen Rundfunks; 13.00 Presse- und Börscubcrichl, Wetter dienst, Wasscrstaudsmeldungen und Zeitangabe; 15.N Wirt- schastsnachrichtcu; etwa 17.30—17.50 Wettervoraussage und Wirtschastsuachrichlcn, Känlgswusterhausen. 11.30: Lehrgang für Landwirte: Die Landfrau und dte Buch führung. — 15.00: Kinder erzählen Geschichten sür Kinder. — 15.15: Künstlerische Handarbeiten: Christbaumschmuck. — 16.30: Konzert. — 17.30: Wotan und Brünhilde als Symbol. — 18.00: Musiker-Studien. — 18.30: Das moderne Handwerk and seine wirhchasllichen Grundlagen. — 19.00: Einhcitskurzschrift: Diktate und Redeschrift. — 19.30: Politische Zeitungsschau. — 20.00: Aus dem Deutschen Theater, Prag: „Der fliegende Holländer." Oper von Richard Wagner. — Gegen 20.10 und 21.10: Tagesnnchrich- len. — 22.30: Wetter- Taaes- und Sportnachrichten. Gleichbleibcnde TagcSsolgc: 6.15: FunkgMuuastik, 6.30: Wetterbericht, anschließend Friih- kouzcrt, 10.00: Neueste Nachrichten, 11.00: Deutscher SccwcUer- berichl. 12.00: Wetterbericht, anschließend Schallplattenkonzert und Wiodcrbolug des Wetterberichts, 13.35: Neueste Nachrich ten, 11.00: Konzert, 15.30: Wetter- und Börsenberichte, 18.55: Wetterbericht und Kurzbericht des Drahtlose» Dienstes, 22.15: Deutscl-cr Secwcttcrbcricht iaußcr Sonntag). Bon den weltlichen Mitgliedern wurden 15 wi'cdergcwählt und neugewählt Gutsbesitzer Nitzsche-Chemnitz-Borna, Land gerichtsrat Dr. Eschenbach-Dresden. Kantor Nasp-Wantewitz lind Rechtsanwalt Dr. Kretzschmar-Zittau. Kommunalwahlen in vstrlh Ostritz. In der Stadt Ostritz fanden wegen Vereinigung mit einer Nachbargemeindc erst am Sonntag die Stadtver- ordnetcnwahlen statt; sie brachten den bürgerlichen Parteien die Mehrheit Von 15 Sitzen entfielen 8 auf die Bürgerlichen, 3 auf die Sozialdemokraten, 2 auf die Kommunisten und 2 auf die Nationalsozialisten. Gegenüber der Neichstagswahl vom 6. November sind die Stimmen der Nationalsozialisten von 198 auf 320, die der SPD von 313 aus 329, die derKPD von 312 auf 295 gesunkc n, während die bürgerlichen Parteien gegen 300 Stimmen gewinnen konnten. Verhaftung eines Stadtverordneten Zwönitz. Der 15 Jahre alte Stadtverordnete und Ge- werkschaftssekretür beim Zentralverband der Schuhmacher, Fenske, wurde von der Polizei kestgenommen und ins Amts- gerichtsgcfängnis eingeliefert. lieber den Grund der Fest nahme war bisher Zuverlässiges nicht zu erfahren. (25. Fortsetzung) (Nachdruck verboten) Die Gedanken nahmen um jo intensiver die Arbeit wieder auf. Aber sie prallten ab wie an einer Mauer, durch die es kein Hindurchkommen gab. Zu kleinem, kleinstem Schotter zermalmt, bröckelten sie in ihrem Gehirn auseinander Gegen Mittag rasselte ein Schlüssel. Diesmal fuhr sie nicht mehr auf wie am Morgen, sondern blieb auf dem Rand des Bettes sitzen und fragte, als der Wärter eingetreten war: „Wo bin ich eigentlich?" Sie wußte, daß diese Frage völlig'überflüssig war, denn der Raum sprach zu deutlich für sich. Aber sie wollte es laut und vernehmlich hören, daß es so war und nichr anders. Der Aufseher schüttelte den Kopf. Sein Gesichtsausdruck sagte ihr, daß er sie nicht verstand oder auch nicht verstehen wollte. „Praha?" fragte sic. Er nickte und machte große, schreckeneinflößende Augen. Mit einer Handbewegung forderte er sie auf, ihm zu folgen. Jegliches Zeitgefühl war ihr verlorengegungen. Es mochie wohl schon wieder zum Abend gehen, denn der endlos lange Korridor, den sie dem Wärter voranging, lag in tiefem Dämmer, nur durch die vergitterten Fenster glomm ein ichwacl)es fahles Grau. Der Aufseher klopfte an einer Türe, die eine Flut von Licht Herausströmen ließ, als sie sich eine Sekunde später öffnete. „Elisabeth Voborov." Er legte beide Hände an die Naht keines grauen Beinkleides Ein Herr, Anfang der Fünfziger, hob das bebartete Gesicht von der Platte des mächtigen Schreibtisches und lehnte sich tief in den gepolsterten Stuhl zurück. Elisabeth vermutete in ihm den Direktor und atmete auf. Ein Gefühl der Sicherheit und Ruhe überkam sie. Sie dünkte sich restlos geborgen. Das bärtige Gesicht war keineswegs schreckenerregend, eher väterlich gut und zutrauenerweckend. Nun würde sich alles zu ihren Gunsten entscheiden! Und doch wagte sie nicht zu sprechen, bevor er nicht selber zu reden anhob Ein ungeheurer Schrecken llberkatn sie. Er sprach tsäiechisch Sie schüttelte verzweifelt den Kopf. „Ich spreche nur deutsch." Er drohte ihr mit dem Finger „Also dann deutsch: Sie find Elisabeth Voborov, Janusch Boborovs Frau?" „Ja, Herr Direktor." „Er war nicht immer nett zu Ihnen, habe ich mir sagen lassen. Zumal in letzter Zeit hat er Sie arg vernachlässigt. Summt das?" Er sah ihr dabei nicht in die Augen, sondern ging nach dem großen Fenster und ließ die gelben Vorhänge übe'reinanderfluten. Als er wieder nach ihr hinblickte und seinen alten Platz einnahm, stand sie mir gesenktem Kopfe und glutllbergossenen Wangen und dachte gequält: „Wozu das alles?" Laut fragte sie: „Warum bin ich eigentlich hier? Stehen Sie mit meinem Mann in Verbindung?" Der Direnor mcpcuc „beider mchl, Frau Elisabeth. Brenn das wäre, dann hüllen wir ein gules Stück Arbeit hinter uns. Aber ich möchte zunächst von Ihnen manches hören Sie missen über alles Bescheid " „Ich weiß von gar nichr," wehrte sie apathisch. „So kommen wir nicht weiter, Frau Elisabeth," mahnte er. „Sie wollen ihn schonen, und wir wollen ihn hängen " Ihre schreckgeweiteten Augen sprachen deutlich, nws in ihr vorging Aber für den Direktor wurden sie zu einer ratschen Fährte. „Warum kommen Sie mir nicht ein bißchen entgegen?" fragte er. „Ich werde mich ebenfalls erkenntlich zeigen und Ihnen da und dort eine Erleichterung gewähren, mal ein wenig mehr Brot zum Frühstück oder eine Stunde Extraspazicrgang im Hol oder so." Er stand auf, trat dicht vor sie hin und hob ihr immer noch gesenktes Gesicht zu sich auf. „Ist er Ihnen so viel wert, Frau Elisabeth?" Mit feindseligen Augen blickte sie ihn an. „Ich werde also meines Mannes wegen hier festgehalten?" Er läckMte wieder. „Nehmen wir an, es ist so In der Hauptsache wenigstens. Wissen Sie vielleicht zufällig, wo sich seine zwei besten Freunde aufhalten?" Elisabeth faßte wieder Mut. „Ich bin gestern abend das erstemal mit ihnen zusammengctroffcn. Es war in der Näl)e der Grenze. Die beiden haben mich in seinem Auftrag sozu- 'agen in Haft genommen." Nun lachte der Direktor wirklich. Seine Mundwinkel zuckten ununterbrochen. „Und Sie sind ihnen auf den Leim gegangen. Das war nicht klug Ich habe mir aber sagen lassen, daß Sie eine sehr kluge Frau sind. Aber man Hal ab und zu solch eine unglückliche Stunde, in der einen alles im Stiche läßt, nicht wahr? Die beiden sauberen Kumpane haben sich, als sie Gefahr witterten, aus dem Staube gemacht und Sie Ihrem Schicksal überlassen Wir fanden nur Sie allein im Wagen und haben Sie hierhergebracht, Sie waren eigentlich nicht das, was wir suchten — aber immerhin dock) ein sehr wichtiges Glied in der ganzen Kette. Ihr Mann ...' Elisabeth unterbrach ihn erregt: „Was mein Mann auch verschuldet haben mag, ich habe nichts damit zu tun, Herr Direktor." Dessen Gesicht war jetzt undurchdringlich. „Sie sollen sich vorläufig nicht ängstigen. Das findet sich alles. Laut einem Brief, den ich heute erhielt, hat er fünfzigtausend Mark für seine Sicherheit geboten. Stimmt das?" „Ja," sagte sie apathisch In ihrem Kopfe begann sich be reits wieder alles zu verwirren. „Ich habe ihm selbst den Vorschlag gemacht, ihm diese fünfzigtausend Mark zu ver schaffen, wenn ich dadurch von ihm freikomme." „Aber er hat nicht eingewilligt?" lächelte der Direktor selt sam „Nicht wahr, er hat nicht eingewilligt?" wiederholte er, als Elisabeth schwieg. „Nein!" entgegnete sie leise. „Das habe ich mir gedacht." Er blickte in die matte Helle der Lampe. Die Birne flackerte etwas. Er kniff leicht die Augen zu, als er weitersprach. „Sie sehen, er nimmt nicht die geringste Rücksicht auf Sie. Er wird Sie auch nicht schonen, wenn es zum Letzten kommt. Sichern Sie sich also im vornherein mein Wohlwollen und erzählen Sie : :ir, was Sie da so in der Zeit Ihres Zusammenseins mit ihm erfahren haben " „Nichts." Elisabeth blickte ihn gequält an. Sie hatte weder vor, noch in ihrer Ehe nach Boborovs Vergangenheit gefragt, weil sie nicht das aerinaste Interesse dafür hatte. „Was soll ich nun erzählen?" sagte sie müde. „Ich weiß von nichts!" Ihr Mund zuckte in verhaltener Erregung Jetzt hier vor diesem fremden Mann die ganze Misere ihrer Ehe aufzu rollen, dünkte sie gräßlich. „Wir haben uns aneinander zer mürbt," gestand sie „Wir haben nicht zusammengepaßt. Er bat mich mit Vorwürfen überschüttet, daß ich ihm nicht die Frau war, die er sich erwartet hatte, und ich habe ihn ebenfalls nicht geschont, zumal als mein Kind verschwand." „Sie haben ein Kind?" fiel ihr der Direktor in dte Rede „Davon wußte ich gar nichts. Seinen Vollbart herab streichend, sprang er auf etwas anderes über. „Wie er mit seiner zweiten Frau lebt, wissen Sie nicht?" In Elisabeths Ohren stürzten Wasserfälle. „Seine zweite Frau .?" „Da Hal er Sie also noch einmal hinters Licht geführt," hörte sie den Direktor sagen. „Es kommt Ihnen unerwartet " „Ja." Ihre Kehle gab nichts als dieses kurze heisere Ja „Nun werden Sie ihn aber nicht mehr schonen." suchte der Direktor sic aufzustacheln. „Erzählen Sie mir, Elisabeth. Wenn ich Sie auch nicht vor allem bewahren kann — vor dem Hängen sicher." versprach er und nickte ihr ermunternd zu. Sie sah ihn in fünffack-er Vergrößerung vor sich. Wie em Standbild erschien er ihr, dessen Füße auf einer ungeheuren Ebene eingerammt waren, mährend der Niesenkörper zum Himmel strebte. Unwillkürlich suchte sie nach einer Stütze für ihre Hand. Das Licht tanzte in wildem Flackern durch den Raum und wurde zu grünen und roten Kugeln, die nach den Ecken schossen Eine Stimme sprach in das Dämmer, das sich um sie legte, und eine andere gab Antwort. „Jawobl, Herr Direktor, in die Krankcnabtenüng!" „Einzelzimmer!^' „Jawohl!" Ein Arm führte sie und hielt ihren versagenden Körper fest gegen einen anderen, riesenstarken, gedrückt. Die Luft im Korridor legte sich wie eine kühlende Kompresse um ihre hämmernden Schläfen. Schlafen, dachte sie. schlafen! Eine Tür knallte ein In einem der oberen Stockwerke schrillte ein Klingelsignal. Das letzte, was sie sah, war eine Schwesternhaube, die über einem Gesicht leuchtete Der Direktor war für den Anfang zufrieden. Er hatte sich auf mehr Verstocktheit gefaßt gemacht. Das war bei dieser Elisabeth Doborov nicht der Fall Sie gab zu, daß die Ehe nicht harmonisch war. daß sie sich zankten, sich gegenseitig mit Vorwürfen überhäuften und so weiter. Und wenn sie nun in der Krankenabteilung noch milde behandelt wurde, gutes Essen bekam und so auch noch den letzten Nest von Furcht verlor, würde sich der ganze Prozeß mühelos auf- bauen. Der Direktor rieb sich die Hände Uber den glatten, ohire Winkelzüge sich entwickelnden Gang der Dinge Wenn die Frau weiter so brav gestand, bekam sie höchstens ein oder zwei Jahre Zuchthaus wegen Beihilfe und so. Um Boborovs Hals aber würde eine feste Schlinge gelegt. Der Burscl)e hatte sich lange genug seiner Schandtaten gefreut. Er steckte sich eine Zigarre in Brand und machte eine Ein tragung in sein Buch: „Teilweises Geständnis der Boboroo. Etwas schwach mit den Nerven, aber sonst durchaus ver nehmungsfähig." (Fortsetzung folg,.)