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Sächsische Elbzeitung Sächsische Schweiz Ba- Schandau, Mittwoch, den AO. November ^9S2 76. Jahrgang Nr. 280 Tageszeitung für die Laudgcmctndcu Altcndoif, Kleingießhübel, Kleinyeuuero- dors, Krippen, Lichtcuhain, MiUeludors, Ostrau, Porschdorf, Postclwitz, Prossen, Rathmannsdorf, Rciuhardtsdors, Schmilka, Schöna, Wallersdorf, Wcudischsährc, sowie für das OZesamtgebiel der Sächsischen Schwei;. Truck und Verlag: Sächsische Elbzeitung Ällma Hieke, Inh. Waller Hieke. Vcraniworllich: Waller Hieke. Anzeigenpreis llu NM.): Tic 7gespaUcnc 35> inm dreilc Pclitzcile Al Psg., für auswärligc Auftraggeber 2ö Psg., 8:'» nun dreilc Rcklamczcilc 80 Psg. Tabel- larischcr Satz nach besonderem Taris. Bei Wiederholungen wird enlsprcchcnder Rabatt gewähr!. Anzeigenannahme sür in- und ausländische Zeitungen. »Lknterhattung und Wissen-, „Das Untechaitungsblatt-, Z)aS Leben lM Bttd" Smndige Xv0<HeNveuageN. und ihre Welt", IllustrierteSonntaflsbeilafle: L DM),erscheinen einzelner Numu,crn insolgc höherer Gewalt.^Streik, Ansspcrrung, Belriebsslörnng bcrcchligt ntchi zur BczugspreiSkiirzung oder zu.n Anspruch auf lNcsernng der Zctlnng Tageblatt für die Höhungen der Löhnc und Maleriallenprei,c dedalicn wir uns das .liecht - Rückforderung vor Der Kongrek tanzt Wer kennt nicht das Filmstück des vorjährigen Winters vom tanzenden Kongres; mit den wechselnden «zenen und glanzenden Bildern, mit den zahlreich anftretcndcn handeln, den Personen, den einschmeichelnden Melodien und den fast liebenswürdig wirkenden Intrigen. Es ist in Hunderten von Orten über die Leimvand gegangen und hat sich selbst die Herzen der Londoner erobert. Während man verhan- delte. tanzte und intrigierte und zu keinem Abschluß kam- men konnte, landete am europäischen Gestade der Karie um noch einmal sein Glück zu versuchen. Und der Kongres; Ivar aus. Erleben wir nicht in diesen Tagen und Wochen einen neuen tanzenden Kongreß? Das englische Pfund bei einer Goldparität von 20,40 Mark erlebte im Laufe des Dienstag einen neuen Tiefenrekord von 13,42 Mark. Das ist ein „Cr- folg" jener internationalen Politik, die umfassende Pro bleme zu lösen beruscn sein soll und doch zu keiner Klärung kommt, weil man überall Sonderinleressen zu vertreten sucht, und dabei das große einheitliche Ziel aus den Augen ver liert. Man ist entsetzt in London darüber, daß man in Wa shington den verschiedensten Moratoriumsersuchen eine kalt ablehnende Antwort erteilt. In Frankreich natürlich versucht man. die Schuldfrage für diese Wendung der Dinge zu ver- schieben und den von Amerika ausgehenden Druck auf die europäischen Rüstungs-Staaten an Deutschland weiterzu- geben. Jedenfalls wird in Paris verschiedentlich der Auf- sassung dahin Ausdruck gegeben, daß Frankreich bei Ableh nung des Moratoriumsgcsuchs durch Amerika Deutschland in einer Note die Abmachungen von Lausanne formell anul- lieren und die Wiederaufnahme der Reparationszahlungen verlangen soll In der sogenannten A b r ü st u n g s f ra a e versucht man, durch Aufstellung neuer Punkte das alte Ziel zu ver schleiern. um es durch neue Bedingungen und Voraussetzun gen um so entschiedener wieder hcrauszustellen. Der ameri kanische Delegierte auf der Abrüstungskonferenz, Norman Davis, hat einen neuen Vermittlungsvorschlag unterbreitet, der dem französischen Vorbehalt in vielen Punkten Rech nung zu tragen sucht, und damit sich in der Grundfrage des ganzen Problems, der Gleichberechtigung, einem Kompro miß nähert, das für Deutschland nicht in Frage kommen kann. Man redet und intrigiert sich immer mehr ausein ander und schließt die Augen, um nicht zu sehen, welche Ge fahren sich im Hintergrund mehr und mehr für die Völker auftürmen. Dort, wo man aus Gründen des Rechts und der Wahrheit zupacken müßte, um diese Gefahren zu bannen, wagt man den mutigen Schritt nicht, weil sich der eine oder andere dadurch in seinen vermeintlichen Rechten beeinträä)- ! tigt fühlen könnte. Selbst ein Churchill erkennt jetzt die j Revision der deutschen Ost grenze als not wendige Vorbeugungsmaßnahme gegen einen neuen euro päischen Krieg (II) an — aber wendet sich gleichzeitig gegen die deutsche Gleichberechtigung aus angeblicher Besorgnis vor einem deutsch-französischen RüstungseinversLändnis. In der Kriegsschulden rage argumentiert der neue Vorsitzende des Finanzausschusses im amerikanischen Senat, Harrison, deshalb gegen die K r i e g s s ch u l d e n st re i ch u n g, weit dadurch „Deutschland fast schuldenfrei und damit der hauptsächlichste Konkurrent in der Welt sein würde"! Und was tun mir in Deutschland? Wir sehen, wie an allen Ecken und Enden deutsche Lebensfragen auf dem Spiele stehen, so daß eine starke Negierung und ein einheitlicher nationaler Wille so bitter notwendig wären wie das tägliche Brot. Aber: wir können uns darüber nicht verständigen, wer die deutsche Politik führen und w i e man sie führen soll. Verhandelt man mit der einen Seite, ist die andere bös, und versucht man sich mit jener zu verständigen, nimmt es diese wieder übel. Verhandelt man nicht, stehen die Volks- rechte in Gefahr, zieht man die Parteien heran, kommen angeblich die Interessenten zu kurz: sondiert man bei den Interessenten, sind die Parteien gekränkt. Zieht man die Arbeitgeber heran, werden angeblich die Interessen der Arbeitnehmer verletzt, sucht man sich mit den Gewerkschaf, ten zu verständigen verkennt man scheinbar die Lage der Wirtschaft Wird auf die Forderungen der Industrie einge gangen. kommt die Landwirtschaft zu kurz, billigt man der Landwirlscl-aft Kontingente zu, steht die Exportindustrie vor dem Ruin, Haben wir eine Parlamentsregierung, kommt es zu keiner positiven sachlichen Arbeit, wird es mit einer Prastdialregierung versucht, dann regiert man „gegen das Seit fast vierzehn Tagen bemüht man sich um einen neuen Kanzler. Bald soll es Hitler sein, bald Kaas. Dann wieder Papen, plötzlich Schleicher, dann bestimmt wieder Papen, und schließlich stimmt weder die eine noch die andere Kombination Was vormittags geklärt zu sein sä-eint, ist am Nachmittag eine Irreführung. Steht man vor einer Entschiudung, fehlen hierzu plötzlich die Voraussetzungen. Hat Schleicher mit Straßer gesprochen, oder wird er Hitler treffen? Nemans gibt aus aue oiefe Fragen eine riarc Antwort. Offenbar weiß niemand etwas, jedenfalls lauten alle Nachrichten und Informationen durch- und gegenein ander. Und ganz zwischendurch liest man eine kleine Nachricht daß „wieder ein kommunistischer Schwarzsender" an bei Arbeit war, und durch ein kommunistisches Flugblatt wird angekündigt, daß „nicht nur mit einem sondern mit vier Sendern von größerer Energie gefunkt werde . Ist das der Napoleon, der in diesen tanzenden Kongreß, in diesen Wirr warr von Kombinationen und Instruktionen, von Fühlung- Berlin, 30. November. Ter Dienstag war ein Krisemag erster Ordnung. Gc Nichte und Kombinationen jagten einander, so das; selbst dem politisch geschulten Beobachter in den Abendstunden die Lage als heillos verworren erschien. Nachdem es am frühen Margen zunächst den Anschein hatte, als ob es dem Bevoll mächtigten des Reichspräsidenten, dem Neichswehrministcr von Schleicher, gelingen könnte, ein Kabinett zustande zu brin- gen, das zwar auch keine parlamentarische Mehrheit hätte aufweisen können, immerhin aber vielleicht das große Ge wicht maßgebender wirtschaftlicher Faktoren, so die Gewerk schaften und große Wirtschaftsnerbände bei der Durchfechtung seines wirtschaftlichen Notprogramms für den Winter in die Waagschale zu werfen gehalst hätte, wurde um die Mittags zeit — auch durch die Presse — die Nachricht verbreitet, daß Schleicher bereits endgültig gescheitert sei und man die un mittelbar bevorstehende erneute Berufung desHerrn von Papen zum Reichskanzler erwarte. Die zweite Regierung von Papen werde, so hieß es, angesichts ihrer parlamentarischen Schwäche den Charakter eines Kampf kabinetts tragen und notfalls den Reichstag bis auf weiteres vertagen oder gar erneut auflösen lassen. Der amtliche Wi derruf ließ nicht lange auf sich warten. Es wurde gemeldet, daß Schleicher weiterverhandele. Es folgte die Absage des Nationalsozialisten Strasser, der es ablehnte, mit Schleicher zu verhandeln. Als dann der nationalsozialistische Fraklionsführer Dr. Frick den Reichswehrminisier darauf hinwies, das; nur mit Hitler selbst Verhandlungen möglich seien, wandle sich Herr von Schleicher an den Führer der Nationalsozialisten, der bereits außerhalb Berlins wcille. Adolf Hitler entschloß sich, der Einladung Folge zu leisten und hat sich inzwischen nach Berlin begeben, wo nnnmehr Besprechungen slallsinden, die entscheidenden Charakter tragen. Am heutigen Mitt woch wird es sich endgültig entscheiden, ob cs trotz allem Vor- aufgcgangencn doch noch gelingt, eine breite Basis, gleich welchen Charakters, zustande zu bringen, auf die gestützt eine Präsidialrcgierung das Rcichsschiff durch die schweren Win- lermonatc Hindurchsteuern könnte, bis, wie man allseits zu versichtlich hofft, eine kräftige Wirtschaftsbelebung im Früh jahr die innerpolilische Lage entspannen und den Weg zur politischen Klärung frei machen kann. Bor der Entscheidung Berlin, 30. November. In politischen Kreisen erwartet man die Entscheidung aber die Persönlichkeit des neuen Reichskanzlers nun für den heutigen Mittwoch. Die Voraussetzung allerdings ist. das; die Für eilige Leser. * Der Reichspräsident empfing am Dienstag den aus Gens zurückgckehrten Reichsminister Freiherr» von N c u r a t h zum Vortrag. * Das anhaltische Staatsministcrium hat das sozialdemo kratischc „Volksblait für Anhalt" in Dessau für 10 Tage und die sozialdemokratische „Volksmacht" in Bernburg aus eine Woche verboten. * Die Prager Polizei hat die Tätigkeit der Zentrale der Faschistischen Hilse in Prag sowie die Tätigkeit aller Verein! gungen der Faschistischen Hilse im Bereich Mroß-Prags ver holen. Gegen die Funktionärinnen der Zentrale wurde Stras anzeige erstattet. * Der polnische Außenminister Beck hatte in Paris mit Ministerpräsident Herriot cinc längere Unterredung über ak tnellc Fragen, insbesondere über die bevorstehende Fünfer bcsprcchung. * Das englische Unterhaus hat die zustimmende Antwon adresse aus die Thronrede mit 431 gegen 3!> Stimmen ange nommcn. nahmen uno Intrigen ymempiatzt uno zu enstchlvsicner Tal zwingt? Während sich die Völker streiten und sich gegen- leitig zu Übervorteilen suchen, zieht Moskau ungestört von seinen Feinden ringsum sein Netz über die Welt. Möge der „Kongreß" nicht zu spät erkennen, welche Gefahren hier drohen; möge vor allen Dingen das deutsche Volk nicht zu spät erkennen, daß Einigkeit heute nötiger denn je ist. Wenn sich keine Regierung auf parlamentarischer Ba sis erreiclzcn läßt, dann sollte man wenigstens so viel Ueber- legung haben, daß man sich zu einer N o t g e m e i n s cha f t zusammenfindet, um zu handeln, ehe es zu spät ist. Fühlungnahme zwischen dem Neichswehrminister und Aools Hitler bereits heute beendet wird. Nach der Zusammenkunft Hitlers mit General von Schleicher findet dann die entschei dende Konferenz beim Reichspräsidenten statt, an der wieder Staatssekretär Dr. Meißner, Reichskanzler von Papen und General von Schleicher teilnehmen. Am Dienstag ging be reits eine Besprechung im gleichen Kreise voraus; ihr kam aber nur die Bedeutung eines Zwischenberichts zu. Ohne das Ergebnis der Besprechung zwischen dem Neichswehrminister und Adolf Hitler vorwegnehmen zu kön nen, glaubt man nach der ganzen Stimmung, die aus na tionalsozialistischen Kreisen bekanntgewordcn ist, nicht daran, daß Hitler die Tolerierung eines Kabinetts Schleicher zu- geslehen wird. Für den Reichspräsidenten ergibt sich dann die Frage, ob er die Neubildung des Kabinetts dem Reichs kanzler von Papen oder dem General von Schleicher über tragen wird. Diese Frage ist im Augenblick noch nicht zu beantworten. Rätselraten um Sitter Berlin, 30. November. In Berliner politischen Kreisen ist ein lebhaftes Nätscl- .ateu um den heutigen Besuch Hitlers in Berlin im Gange. Man konnte die widersprechendsten Nachrichten hören. Dazu läßt sich nur feststellen, daß man in unterrichteten Kreisen der Wilhelmstraße für heute vormittag mit der Zusammen- j kunft rechnet. Vielleicht geht das Kopfzerbrechen darauf zu rück, daß eine direkte Einladung des Generals von Schlei cher an Hitler nicht ergangen ist, daß die Zusammenkunft vielmehr von dritter Seite angeregt und dann von den beiden nationalsozialistischen Abgeordneten, mit denen Ge neral von Schleicher gestern verhandeln wollte, angebahnt worden ist. Da die Folgen, die sich aus dem Scheitern der Schlei- chcrschen Tolerierungsvcrhandlungen ergeben, febr ernst sein können, besieht auf keiner Seite die Neigung, sicy dieser Zu sammenkunst zu^nlziche». Es märe auch denkbar, daß Hitler die Absicht hat, Schleicher abzuratcn, daß er die Regierungs bildung übernimmt. Der Grund dafür könnte darin zu suchen sein, daß die Nationalsozialisten ein Kabinett von Schleicher nicht so scharf bekämpfen möchten, wie ihre Opposition gegen einen neuen Reichskanzler von Papen zu erwarten wäre. Auch aus Kreisen, die sonst aut unterrichtet sind, ist Genau eres nicht zu erfahren. „Mut zur Wahrheit". Die „Nntivnnlsv,statistische Korrespondenz" zur Lage. München. Die „Nationalsozialistische Korrespondenz" ver- öffeMlicht unter der Uebcrschrisl: „Mut zur Wahrheit" eiucu Artikel des Pressechefs der NSDAP-, Dr. Otto Diet rich, worin es heißt, der Führer der NSDAP, besitze die un bedingte Autorität und das uueiugeschräukle Vertrauen von -wöls Millionen wahlberechtigten Deutschen und damit die ab solut notwendige Grundlage für jedes Kabinett, das dem Wil len des Polkes entspreche und den Namen „national" sür sich in Anspruch nehme. Der Weg der NSDAP, führe nur über Adolf Hitler. Wer gegen den Führer der Bewegung sei, der müsse wissen, daß er auf die unerbittliche Feindschaft dieser Millionen stoße. Atan sollte meinen, daß diese selbstverständ liche Konsequenz auch den amtlichen Kreisen und den Rat gebern an erster Stelle inzwischen klar geworden sein müßte. Wenn ihnen dasür die Begriffe fehlten, müsse ihnen wenig stens die Erfahrung gezeigt haben, daß bisher noch jedes Prä sidialkabinett zum Scheitern verurteilt gewesen sei, das ge glaubt habe, ohne uud gegen die nationalsozialistische Bewe gung regieren gu können. Ein „Waffenstillstand" in diesem Augenblick würde ein Freibrief sein -sür weitere Regierungscrperimcntc, die auf dem schnellsten Wege zu liquidieren die Pflicht aller Verant wortlichen sei. Nachdem die Härte der Tatsachen die Unmög lichkeit der Ausschaltung der nationalsozialistischen Bewegung aus der Regieruugssühruug erwiesen habe, würde eine neue GehleiGer verhandelt mit Hitler Der Führer der Nationalsozialisten erörtert heute ln Berlin mit dem Bevollmächtigten Hindenburgs die letzten Möglichkeiten zur Lösung der Krise