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Der Fingerabdruck als Verräter Ci» halbes Jahr gelang es dem falschen Oskar Daub mann, die Welt zu betrügen. Man traute ihm zwar von Anfang an nicht, denn viele seiner geographischen Angaben wurden von Fachleuten als falsch erklärt. Vor allem wa ren cs die Kokosnüsse, von denen er angeblich wochenlang gelebt haben wollte, die aber in der betreffenden Gegend ücrhaupt nicht wachsen. Auch wurde ein angeblicher Ba jonettstich als die Narbe einer Magenopcration erkannt. Aber entgültig entlarvt wurde er erst durch den Finger abdruck. Er mar identisch mit dem eines alten Verbrechers, des vielfach vorbestraften Schneiders Karl Hummel. Ist denn ein solcher Fingerabdruck wirklich so entschei dend? Gewiß, 'denn es gibt nicht zwei Menschen auf der Erde, bei denen die Zeichnung der feinen Linien auf den Fingerspitzen übereinstimmt. Jedenfalls kommt der Fall zweier gleick-ec Fingerabdrücke so selten vor, daß man mit ihm in der Praxis nicht zu rechnen braucht. Erst kürzlich unterzog sich ein amerikanischer Forscher der Mühe, die Vererbbarkeit der Fingerabdrücke zu über prüfe». Er untersuchte 300 Personen aus 14 verschiedenen Familien. Wie es aber nicht anders zu erwarten war, konnte auch nicht ein Fall von Vererblichkeit festgestellt werden. Selbst bei Zwillingen waren die Linien durchaus verschieden. Das Verfahren der Daktyloskopie ist aber keineswegs, Sie schon vielfach angenommen wird, eine Erfindung Ber- tillons, sonder«, war schon vor tausenden Jahren im alten China bekannt. Dort war es allgemein üblich, den Fin gerabdruck als Siegel bei wichtigen Dokumenten zu benutzen, um vor Fälschungen sicher zu sein. Auch den Babyloniern war das Verfahren bekannt. Auf einer Tontafel aus Ni nive fand man eine Prozeßakte mit der Zeugenaussage, der beklagte Schuldner wie auch sein Sohn hatten über der, Empfang einer Geldsumme durch Fingerabdruck quittiert. Heute ist die Daktyloskopie ein unentbehrlicher Bestand teil des polizeilichen Erkennungsdienstes. Sämtliche Polizei behörden der Welt besitzen große Archive, in denen nach einem besonderen System geordnet diese seltsamen Mono gramme ruhen. Von allen 10 Fingern wird ein Abdruck mit tels Farbstoffs auf einem Papier verewigt. Falls also ein ¬ mal der außergewöhnliche Fall eintreten sollte, daß die Li nien des Zeigefingers bei zwei Personen übereinstimmen, so ist es nach menschlicl-er Berechnung undenkbar, daß alle zehn Finger übereinstimmen. Aus diesem Grund ist der Fingerabdruck so gut wie ein Geständnis, und man kann die Kriminalisten verstehen, wenn sie am Tatort zuerst immer nach Fingerspuren suchen. Obwohl die Archive sehr umfangreich sind, geht das Aufsuchen eines bestimmten Fingerabdruckes viel schneller, als man annehmen müßte. Bei dem neuen System ist es möglich, unter 12 000 Zetteln innerhalb von 15 Minute» den gesuchten herauszufinden. Aber die Sammlungen bei den Polizeibehörden der Weltstädte sind natürlich viel größer. So besitzt Paris nicht weniger als 700 000 Abdrücke, aber das größte Archiv hat, wie zu erwarten, Scotland Pard in London mit einem Bestand von acht Millionen Fingerab drücken, von denen jeder die „Unterschrift" eines Verbrechers ist. Allerdings sind in London auch die Abdrücke aus den Kolonien und überseeischen Besitzungen zentralisiert. Jeder Mensch kann sein Aeußcres mehr oder weniger verändern. Er kann seine Haarfarbe verwandeln, sein Ge sicht mit Narben verunstalten, aber die zarte Zeichnung seiner Fingerlinien begleitet ihn unabänderlich von der Ge burt bis zum Tode. Aerzte unterzogen sich zum Nachweis dieser Tatsache recht schmerzhafter Experimente: sie ver brühten, verbrannten und verletzten sich die Haut ihrer Fin ger mehrere Male hintereinander. Doch das Monogramm ihrer Fingerabdrücke stellte sich unverändert wieder her. Es war nicht auszulöschen. V L« o 1 l. schmidt in seiner Der Greis war unter dem Spitznamen „Das Schneider lein" als ein seltsamer Kauz bekannt. Bis zuletzt machte er seine „Bettelfahrten". Als man aber seine Behausung näher be trachtete, zeigte sich, daß dieser Bettler Vor einigen Tagen wurde der 87jährige Friedrich Klein armseligen Wohnlaube tot aufgefunden. Ner Auch des Großen Loses Der Londoner Eishändler Emilio Scala, der im vo rigen Jahr durch den Gewinn des .Haupttreffers Millionär wurde, ist plötzlich mit seiner Familie verschwunden. Vor seiner Abreise telephonierte er noch an sei nen Schwager: „Ich kann nicht mehr lveiter — wenn ich länger hier bleibe, werde ich wahnsinnig!" Seitdem hat man nichts mehr von ihm gehört. Aber die Ursache seiner Flucht blieb kein Rätsel. Der reich gewordene Eishänüler konnte die Last der Bettelbriefe, die sein Haus überschwemmten, nicht mehr ertragen, er verlor darüber den Appetit, den Schlaf und -die gute Laune. Um seinen Seelenfrieden zu retten, blieb ihm kein anderer Ausweg als die Flucht, ohne sein Reise ziel zu verraten. Aber schließlich muß Herr Scala sehr empfindsame Nerven haben. Wer möchte nicht trotzdem das Große Los gewinnen? Ser Mann, der das Echo macht Vor wenigen Tagen hat der Pistolenschüße im Harz seine Tätigkeit eingestellt. Vom Frühjahr bis zum Herbst stand er täglich an seiner Bergwand und schaß. Aber nicht etwa auf politische Gegner, sondern er machte sich dadurch beliebt, daß er den Fremden ein naturgetreues Echo lieferte / und dafür seinen Obulus erhielt. Jeden- Z falls ein schöner und gesunder Beruf. Aus Liebe zur Sache blieb er länger, als er es wirtschaftlich verantworten konnte. Aber als niemand mehr seinem Echo lau schen wollte, ging er ins Tal, denn Patronen kosten auch Geld, und das Schweigen zieht wieder in den Wald. Der Schah in der Laubenbaracke ein pedantischer Geizhals war. Dutzende von Anzügen, Schuhen, Mänteln und Hüten lagen sorgsam in Kartons verpackt. In einer Brieftasche steckten 130 Mark in Scheinen, und eine Konservenbüchse barg 120 Mark in Silber. Das Sam meln und Sparen war seine letzte Leidenschaft, aber es scheint, er hat ein glückliches Alter damit erreicht. Ein vierbeiniger Fisch Eine dänische Polar-Expedition hat an der Mündung des Franz-Josephs-Fjords einen richtigen Fisch mit ebenso richtigen Beinen entdeckt. Es handelt sich wahrscheinlich um eine Uebergangssorm zwischen Fisch lind Lun-Gier, die aus einer Zeit stammt, in der gc. e Fifcharten durch Austrocknen von Gewä^ern sich ans Land gewöhnen mußten. Diese Uebergangs- formen zwischen den Arten sind äußerst selten. Millionenstreit seit 28 Fahren Fast eine Generation lang kämpfen in einem ungari schen Städtchen 487 „Erbberechtigte" um eine Millionen erbschaft. Im Jahre 1904 starb hier eine schwerreiche Witwe, die zweimal verheiratet war, ohne ein Testament zu hin terlassen. Im Jahre 1919 wurde der erste Urteilsspruch gefällt mit dem niederschmetternden Er gebnis, daß als gesetzliche Erben nur sie ben Personen anerkannt wurden. Diese warten bis heute auf die 3.3 Millionen Dinare der ehrenwerten Witwe und hät ten sie wohl erhalten, wenn der eine Erbe seinen Gebühren-Vorschuß an das könnte. Es gelang ihm aber nicht, so un- klingt, diese Summe aufzubringen. Viel leicht aus dem Grund, weil die Geldgeber einen ungemein hohen Gewinnsatz verlangten. Andererseits könnte das Ge richt von dem Erbe die Gebühren abziehen, aber das ist gegen den Paragraphen, nach dem die Gebühren vorher gezahlt werden müssen. Es ist sck)adc um die 33 Mil lionen Dinare! »»»»»»»»»ui»»»»»«»»»«»»«»»»»»»»»»»««» Scherben Irgend etwas revoltierte in ihm wider das starke Zu gehörigkeitsgefühl, das ihn an Hanne band, lehnte sich leise dagegen auf, ohne es jedoch missen zu wollen. Hanne war vielleicht zu mütterlich, er zu jungenhaft trotz seiner achtund- dceißig Jahre. Und diese achtunddreißig Jahre wieder — Hanne war zehn Jahre jünger — erschraken vor dem nahen vierzigsten, klammerten sich mit einer ungewissen und unbewußte» Angst an Erinnerungen an, die aus vergan genen Jahren herüberleuchtetcn. Eine junge, trunkene Freude, glänzte in ihm darauf auf, als er im Strudel einer der Hauptverkehrsstraßen achtlos — wie ihm schien — ge gen eine junge, bildhübsche Dame ansließ. Der Zusammen prall war ziemlich lebhaft. Jedenfalls ließ die Dame mit einem leisen Ausruf des Schreckens ein säuberlich einge wickeltes Paketchen fallen. Es klirrte verhängnisvoll, „Vorsicht Glas, nicht stürzen", sagte lachend ein Vor übergehender. Sie bückten sich beide gleichzeitig. Er hatte einen hoch roten Kopf, die Dame sah sehr niedergeschlagen aus, als sie nun das Paketcip.'» befühlte, darin die Scherben klap perten, und dann hilflos zu ihm aufsah. Hans stotterte verlegen Entschuldigungen, dann raffte er sich zur Tat auf, bat die ihm vom Zufall bescherte Be gleiterin, ihm zu erlauben, de» Schaden wieder gutzu- macl)en, da er sich allein schuldig fühlte. Die junge Dame, sic konnte höchsten zwanzig Jahre alt sein, zögerte mit der Antwort, obwohl man ihr eine stille Erleichterung ansah, dann nickte sie, sah ihm dank bar in die Augen und sagte: „Das ist sehr nett von Ihnen." Er nahm ihr das Trümmerpaketchen aus der Hand, schwang sich auf ihre linke Seite und begann, plaudernd mit ihr hinzugehen. In sich fühlte er eine junge, herrliche Kraft aufschießen, die ihn lebensübermütig erfüllte. Er sah neidische Augen männlicher Passanten. Er ging stolz, auf recht, jung, siegesfroh. Das war einmal ein Zufall! Don nerwetter, wenn er dieses bildhübsche Mädel bei sich halten konnte, wenn es ihm gelingen möchte, plaudernd ihr In teresse zu erwecken, so daß sie mit ihm gelegentlich einmal in ein Theater, zn einem Tanztee gehen würde... Er sprach von allem möglichen, sie gab gescheite Ant worten. An der dritten Straßenkreuzung lachte sie schon, Gericht bezahlen wahrscheinlich es ein Helles, freies Jungmädchenlac.-c.« Unverhofft standen sie vor einem Glasgeschäft, traten ein. Ein Lehrjunge und eine Dame mittleren Alters begrüßten sie. Die Dame ver langte eine geschlissene Kristallschale, erbat ei» bestimmtes Früchtemuster. Mit bebender Beflissenl)eit stand das Ver langte auf den, Ladentisch. Aus der engen Auswahl fand die Dame alsbald das Gewünschle, und Hans bezahlte an der Kasse dann dreiundsiebzig Mark. Es gab ihm einen Stich ins Herz. Dreiundsiebenzig Mark lvaren der vierte Teil eines Monatsgehalts. Ein Glück, daß ihm dieses Mißge schick, das hoffentlich sein Glück werden würde, im Anfang des Monats passierte! Er steckte das gewechselte Geld wie der ein, grüßte, ging mit seiner Begleiterin hinaus und fragte sie, ob sie wohl mit ihm in einem nahen Cafä... „Leider", antwortete sie sehr höflich, sehr bestimmt, „muß ich eiligst heim, ich danke Ihne» sehr für Ihre Ge fälligkeit, mein Herr, gute» Tag " Er sah ihr nach, wie sie mit der Straßenbahn abfuhr Erstarrt, verblüfft, dann gekränkt, beleidigt. Dann dacht« er: Nun, es ist schon gleichgültig, rief ein Mietauto und trug dem Schofför auf, der Straßenbahn dort langsam nach zufahren. Er stieg schnell ein, nahm ein Dreimarkstück zur Hand, falls er unverhofft aussteigen »rußte und zwi schen seinen Augen krümmte sich eine entschlossene Falte. Er erstaunte lebhaft, als die junge Dame bereits an der dritten Station ausstieg, sich forschend umsah und dann über die Straße ging. Hans verließ eiligst den Wagen, zog den karierten Mantel aus, legte ihn sich über den Arm und schritt ihr erwartungsvoll nach. Sie sah sich manch mal wie neugierig um, aber dann ging sic beruhigt schein bar weiter, bog in eine Nebenstraße ein und schlenderte langsam dahin. Hans ging ihr vorsichtig nach. Sie ver schwand durch eine Haustür. Hans pürschte sich wie ein Primaner heran, merkte sich die Nummer und trat dann herzklopfend ein. Er lauschte in das stille Treppenhaus hinauf. Alles war tiefstill, weder Schritte noch Türklappen war zu hören. Aber vor ihm, von einem geräumigen Durch gang her, erklangen rasche Schritte. Er sprang in we nigen Sätzen vor, gewann einen vollkommenen Ueberblick über einen zwei Parallelstraßen verbindenden Durchgang und sah die junye Dame in dem wundervollen Figurmantel soeben in den Hinteren Eingang eines Hauses treten. Hans zögerte eine Weil«, bis sie im Schatten verschwunden war. dann sprang er mit weiten Sätzen hinterher, huscht« in das Dunkel dieses Hauses, stolperte fast in der unverhofften Düsternis eine kleine Treppe hinauf, lauschte dann emsig nach allen Seiten, aber e-- börte nichts, alles war tiefstill. „Verdammt", sagte er ganz laut. Er stieg die vier Stockwerke hinauf, las alle Namen schilder ab, stieg mißmutig wieder hinunter, ging durch den Vorflur, vertröstete sich auf morgen und trat auf die ge genüberliegende Straße hinaus. Er stutzte, richtig, das war ja die Straße, -in der sie zusammen die Kristallschale gekauft hatten. Er wandte sich zur Rechten, warf einen nebensächlichen Blick in das erstbeste Schaufenster und prallte fast zurück: Er stand vor dem Geschäft, wo er soeben drei undsiebenzig Mark leichter geworden war. „Komisch", dachte er, und warf im Vorübergehen eine» flüchtigen Blick in das Innere des Geschäfts. Ein Passant mußte ihn aufhalten Er wäre vor Ueberraschung umgc- fallen. lieber den Ladentisch beugte sich die junge Dame im entzückenden Figurmantel und plauderte friedlich mit der Frau in mittleren Jahren, der er soeben die Schale abge kauft hatte. Da in diesem Augenblick der Lehrjunge Her auskain, um die schützenden Jalousien hochzuziehen, fragte ihn Hans: „Wer ist denn die junge Dame da drin? Und dabei steckt« er dem Bürschlein ein Markstück in die Hand. „Die Tochter von der Alten", sagte der Stift und grinste. Hans nickte vor sich hin, blieb eine Weile abseits des Geschäftes stehen, und nach einigen Minuten trat die junge Dame in dem wirklich sehr reizvollen Figurmantel wieder heraus. Sie trug ein braunes Paketchen in der Hand und ging rasch hin. Hans schritt ihr bewegt nach. Sie gingen nun m der entgegengesetzten Richtung. Und nach einer kleinen Viertelstunde stieß ein gutaussehender Herr so unvorsichtig an den Figurmantel, daß di« junge Dame das Paketchen mit einem leisen Ausruf des Erschreckens fallen ließ. Es klirrte verhängnisvoll. „Vorsicht Glas, nicht stürzen." sagte lachend ein Vor-, übergehender. Hans sah noch, wie der Herr das Paketchen aushob, auf die sehr niedergeschlagen dreinblickende junge Dame einsprach, dann mit ihr hinging, aufrecht, jung, selbstbewußt, siegesfroh. Und neidische Blicke trafen ihn. Sicherheits halber folgte ihnen Hans bis zu dem Kristallgeschäft. Sie traten beide ein. In diesem Augenblick machte Hans kehrt, erreichte grade den passenden Autobus und fuhr zu Hanne hinaus. „Den Kristallgeschäften muß cs auch nicht gut gehn", war das erste, womit er unvermittelt herausplatzte. „Warum?" „Nur so, Han ne, wer kaust heut noch Schliffsachen, das Zeug ist ja entsetzlich teuer, ich kam dar auf, weil da ge rade der Vor trag ist", und ganz plötzlich: „Stelle ab, was geht uns di« Glasindustrie an ..." Und als es, still war, gingi er zu Hanne hin, nahm ih ren klugen Kopf in seine Hände, beugte sich zu ihr nie der und sagte: „Du bist ja doch meine Be ste." Und Hanne lächelteglücklich.