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Sei den Vipernfängern von Istrien Es gibt merkwürdige Berufe, über einer der sonder barsten ist fraglos der eines Giftschlangeufängers. Man kennt die Schlangenfarmen Südamerikas nnd Indiens, in denen die serotherapentischen Institute ihre Sammellager für Giftgewinnung haben. Aber das; auch im Herzen Europas die Serotherapie das Gewerbe des Giftschlaugenfüngcrs ent wickelt hat. ist eine Neuheit. Bisher stellte lediglich Paris Antitoxine für Vipernbiß her. Dieses Monopol ist durch das „Istituta Sieraterapeutico" vo» Mailand gebrochen worden, dessen Leiter, Prof. Müller, aber vor der Schwierigkeit stand, dem Institut die notwendige Zahl lebender und geeigneter Giftschlangen zuzuführen. Italien besitzt in Istrien, den ita lienischen Zonen Dalmatiens, in Caläbrie» und i» einigen Strichen Siziliens die Hornviper, deren Gift sich besonders gut zur Serumbereitung eignet. Aber diese italienischen Hornvipern waren nicht zu bekommen, ganz einfach, weil der Beruf des Vipernfängers nicht existierte. In langen und un ermüdlichen Ueberredungsarbeiten ist es schließlich Professor Müller gelungen, in der armen Bevölkerung Inncristricns sich einen Stand von Vipernfängern heranzubilden, der mm schon seit zwei Jahren Mailand jährlich mit mehr als 1000 Horiivipern beliefert; cs ist also gelungen, das Bipernge- schäft kommerziell aufzuziohcn. Hauptsaison des istrischcn Vipernfanges ist der Frühling. Dann kommen die Vipern auch am Tage heraus und sind infolge der noch schwachen Sonne in lethargischem Zustande. Die Vipernfängcr haben durch Professor Müller Spezialkurse im Fang durchgemacht und gehen mit ihren langen Holzgabcln sehr geschickt um. Unter Hunderten von Vipern, die zugleich zum Versand kommen, befindet sich ost nicht ein verlebtes Tier. Die Vipern werden in Kisten zu 100 Stück nach Triest versandt. Hier werden sie zu drei oder vier in einen Glashafcn gelassen, worin sie mit einem in Aether getränkten Bausch gelötet werden. Bei der sofort nachfolgenden Operation werden die beiden Giftdrüsen herausgelöst und getrocknet. Das Sero- therapeutische Institut von Mailand hat einen Bedarf von 2000 solcher Giftsäckchen im Jahre. Das aus ihnen gewon nene Gift wird den Pferden des Institutes eingeimpft, um die Antitoxinbildung zu veranlassen. Interessant ist noch, daß sich auch schon ein unternehmender Gerber gefunden hat, der die etwa 1000 Vipernhüute übernimmt und sie zu einem farbenprächtigen Schmnckleder verarbeitet. Wahres Erlebnis Die Herbstferien waren vorbei. Die Schüler der Ober tertia, braun von der Sonne nnd rebellisch gesinnt, standen im Klassenzimmer herum und prahlten mit ihren Aben teuern. Sie waren als Anshilfsarbeiter auf dem Lande be schäftigt gewesen und hatten bei der Kartoffelernte geholfen, denn es war Krieg und knapp an arbeitsfähigen Männern. Nun hatten sie die Arbeit verrichtet, und wenn man ihnen Glauben schenken durste, dann hatten sie ihre Sache gut gemacht. Die Bauernfrauen waren baff über ihren Appetit und ihr flottes Benehmen gewesen. Der Schüler Nast zum Beispiel behauptete, daß er den kriegsgefangenen Nüssen — ein Kerl, wie ein Baum! — so wohl was Arbeit als auch Essen beträfe, weit hinter sich gelassen hätte. „Stell' dir vor, es gab Syrup und Ball, was glaubst ou, wieviel ich verdrückt habe?" fragte er seinen Ne benmann. „Fünfzig, ein halbes Hundert, habe ich verzehrt," bedeutete er Hänschen Sinshuber, der ein ungläubiges Ge sicht zu machen wagte. „Weißt du überhaupt, was das ist, syrup und Ball?" Hänschen Sinshuber versicherte, daß er es wüßte und dachte angestrengt über diesen merkwürdi gen Ausdruck nach. Paul Nust aber, feuerrot im Gesicht lind keineswegs von dem Ver ständnis seiner Kameraden überzeugt, schrie über die Köpfe seiner Mitschüler hinweg: „Ball, das sind Klöße, ihr Türken, und fünfzig Klöße zu bewälti gen, ist keine Kleinigkeit, darauf könnt ihr euch ver lassen!" Seine Kameraden bewunderten ihn aufrichtig und nahmen gemessen teil an seinen: Ruhm. Es ist klar, daß in die sen männlichen Tagen die Schulweisheit niedrig im Kurse stand, und daß man etwa für die französischen unregelmäßigen Verben, Ne zu repetieren Herr Pro zessor Bramm den Schülern der Obertertia angelegentlich empfohlen hatte, sehr wenig Jnterege aufbrachte. Professor Bramm war für die Zeit bedeutungslos. Niemand in der Schule, niemand in der kleinen Stadt kümmerte sich um ihn. Man nahm Ihn als etwas Unvermeidliches hin. Er gehörte sozusagen seit undenklichen Zeiten zum Stadtbild wie die Häuser am Markt, wie die Kirche mit ihrem schiefen Turm, wie der Fluß und die Brücke darüber. Daß Herr Professor Bramm einmal sterben könnte und nicht mehr da sein würde auf dem Schulhof, in seinem Garten zwischen den Beeten, die er mit unverständlicher Ausdauer zu betrachten pflegte, obwohl nichts Pflanzenähnliches auf ihnen zu finden war, oder in der Fähre, wo er jeden Nachmittag seinen Kaffee vorgesetzt bekam, ohne ihn bestellt zu haben, konnte sich niemand vnrstcllen. Bildert der Moüie 1. Idyll von einem Wahilängkeilsfcst in Spanien. 2. Unter Teilnahme von mehr als -100 Personen wurde in Aguila die Krönung des Papstes Coelestin V, die im Jahre 1201 stattgesundeu hatte, in den historischen Kostümen jener Zeit daracslellt. Vie Königin M aria von Anj o u mit ihrem Gefolge in dem Festzug. 3. Fast so groß wie sie selber. Es macht den Jungens einen Heidenspaß, die Niesenfrüchle zu ermen. -1. Er macht aus seinem Schwindel ein einträgliches Geschäft. Otto Witte, der sich vor einigen Jahren wegen seiner großen Aehnlichkeit mit dem erwarteten König von Albanien dort mehrere Tage unter abenteuer lichen Umständen als Herrscher Albaniens ausgnb und feiern ließ, tritt auf einem Berliner Rummelplatz in der albanischen Herrscheruniform aus. 5. Die Zeit der großen, von Roman tik umwobenen Parforce-Iagden ist gekommen. Die Meute hat die Spur ausgenommen, und die Hatz beginnt. Professor Bramm, klein nnd uuiersetzi, mit einer Mienc, die so gut wie nichts besagte — auffallend an ihm war nur die punktierte Weste — Professor Bramm betrat das Klas senzimmer und setzte sich sacht nnd gelassen hinter dem Pult auf seinen Stuhl. Schweigend nnd in vollkommener Gleich gültigkeit empfingen ihn die Obertertianer Sie wußten, daß jeder Protest gegen sein Erscheinen zwecklos sein würde. „Habt ihr jenials gesehen, daß eine punktierte Weste sich ge ärgert hat?" fragten sich bisweilen die Schüler des Gymna siums, wenn das Gespräch auf Professor Bramm kam. Nie mand hatte so etwas für möglich gehalten Professor Bramm schien sich ein wenig besinnen zu müssen, um was es sich in diesem Augenblick handelte. Dann hob er die Hand und ließ sie sofort und gleichsam zutiefst überzeugt, daß es sich um keine Geste in diesem Leben lohne, wieder fallen. Er rief den Schüler Rust auf und fragte ihn nach dem Imperativ und den Partizipien irgendeines un regelmäßigen 'Verbums. Loyalerweise überließ er es seinem Schüler, das Verbum zu wählen. Nuß wuc um ue^arnge Fragen nicht vorbereitet. Er hatte sein Grammatikbuch nicht zur Hand, aus dem er sich hinter dem breiten Rücken seines Vordermannes in sol chen Füllen zu orientieren pflegte. Stumm und verbittert starrte er auf die punktierte Weste. Sein Nebenmann fühlte! sich verpflichtet einzuschreiten. Er schrieb in bester Absicht! und sehr deutlich das Wort „chanter" auf einen Zettel. Paul Rust las es ohne weiteres ab und gab noch bereit willigst die gewünschten Formen an: „Chante, chantons,! chanlez, chantant, chantc!" Er wunderte sich selber über die! Mühelosigkeit, mit der er solche Weisheit vorbrachte und, war sich durchaus nicht der Pointe seines Fehlers bc wußt. Es soll aber nicht ver schwiegen werden, daß einige seiner Mitschüler sich darüber klar waren, daß diese Vokabel keineswegs zu den unregel mäßigen Verben zu zählen 1 sei. Sie beobachteten mit einer gewissen Spannung die punktierte Weste. Sic rührte sich nicht. Die Klugen glaub ten, ihren Lehrer richtig ein- geschätzt zu haben; er hatte offenbar nicht das geringste 'M gemerkt. Paul Nust sich keiner Schuld bewußt und stolz wie die Unwissenheit selbst, stand breitbeinig im Gang zwischen den Bänken und kostete seinen Triumph aus. Als er aber Anstalten machte, sich zu sehen, deutete Bramm durch ein mildes Räuspern an, daß er noch einige weitere Auskünfte von ihm haben möchte. Er fragte diskret und nicht direkt bezugnehmend auf die unwissen-' schriftliche Antwort nach dem Ferienaufenlhaltsort seines j Schülers. Der Exnminant hielt es für eine rein persönliche f Frage, und nannte prompt und bieder den Namen des Ortes. Bramm stußte, legte sein Taschenbuch aus der Hand! und rückte wohl einen halben Meter mit seinem Stuhl vom! Pult ab. Paul Nust hielt es für angebracht, den Namen der Ortschaft zu wiederholen. Bramm schloß die Augen. Sein Atmen hörte sich an wie ein leises Stöhnen. Eine selt same Erregung bemächtigte sich der Obertertianer. Sie hörten die müde Stimme ihres Lehrers: „Solche Fehler merkt selbst Professor Bramm!" Das bezog sich unzweifel haft auf den Schnitzer ihres Mitschülers. Nicht ein einziger unter ihnen lachte; sie fühlten sich betroffen. Paul Nust fegte sich auf seinen Platz, sehr darauf be-s dacht, nicht mit feinen eisenbeschlagenen Schuhen gegen die, Bodenleiste der Bank zu stoßen. Bramm ließ ihn gewährens und fragte unvermittelt: „Hüsbarg ist ein kleines Dorf, nicht' wahr, ganz versteckt durch die Hügel der Heide?" „Ja", sagte Paul Rust und ärgerte sich zum erstcnmals über seine grobe und heilere Stimme. „Wenn du auf dem Königsberg stehst," fuhr Bramm! fort, „kannst du es liegen sehen. In der Dunkelheit leuchten! die Zufahrtswege wie mit Silber beschlagen. So weiß ist der Sand zwischen der Heide." Vaul Rusk nickte nur mit dem Kopf. „Am Ansaug des Dorfes liegt ein kleiner Teich. Das, Lasser ist immer etwas trübe, aber an seinem Rande blühen! Vergißmeinnicht, Schwertlilien und Gänseblümchen, aus! denen die Kinder Kränze winden. 'Abends, wenn die Kühe! ins Dorf getrieben werden, bleiben sie an der Tränke stehen und erquicken sich noch einmal für den Rest des Tages.! Gegenüber dem Teich steht ein Haus, ein Haus mit einem! strohgedeckten Dach. Es hat eine bunte, geschnitzte Tür, deren obere Hälfte meistens halb offen steht. Wenn du dich! daraus lehnst kannst du am unteren Ende der Straße di«! hohe Pappel sehen, die sich immer ein wenig bewegt, auch' wenn gar kein Wind ist. — Hast du das Anwesen bemerkt, Paul RE" „Ja", jagte leise Paul Rust. Nach einem langen Schweigen fragte Bramm: „Und woher kenn ich es wohl?" Paul Nust antwortete nicht. Seine Mitschüler hielten,' sich mäuschenstill. Von der Straße her, wie aus weiter'. Ferne hörte man einen Wagen fahren. In den Sonnen-! strahlen, die ins Klassenzimmer fielen, tanzten winzige' Staubkügelchen, kleinster Welten ruhelose Geister. Dann sagte Bramm plötzlich in die Stille hinein: „Dort bin ich, zu Hause, das ist meine Heimat. — Es ist schon sehr lange her, daß ich dort war!" Er sagte es nicht nur Paul Rust,! er sagte es allen seinen Schülern. Velten Voloes. Ein gebrechliches Offizlerkorps. Das belgische Kriegsministerium hat kürzlich unter dem Eindruck unvermeidlich werdender Sparmaßnahmen eine Statistik heraus^egeben, die von der gesamten Presse als Beweis eines unerhörten Mißstandes verwertet wurde. Ent weder besteht das belgische Offizierkorps hauptsächlich aus Invaliden, oder man war geradezu verschwenderisch bei der! Gewährung von Kriegsbeschädigtenpensioneu an aktive Offiziere. Von 24 Generalleutnants beziehen 19 die Jnoa- lidenpension, von 39 Generalmajoren 31, von 119 Obersten 111, von 134 Oberstleutnants 121, von 334 Majoren 267, von 1689 Hauptleuten 1489. Daraus geht hervor, daß unter 4043 Offizieren (noch andere Grade eingeschlossen) nur 1636, als Nichtinvalide betrachtet werden. Mit wahrhaft „könig lichem" Behagen nahmen die Sozialisten von den schwer--, kriegsverleßtcn Generalen Kenntnis.