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Zuchtmcthvdcn usw. Hier liegen noch reiche Möglichkeiten zum erweiterten Ausbau unserer Landwirtschaft vor, die von den Landwirten unter der Voraussetzung eines erträglichen Preis standes auch sicher ansgenuyt werden. Der Ausfall der Ernten dagegen ist van vielen Zufälligkeiten nnd vvr allein vvm Wetter abhängig und daher unberechenbar. Ucbcr den dritten Punkt, die Bcvöllerungscntwicklnng, kann aber wiederum mit ziemlicher Genauigkeit varansgesagt werden, daß ein weiteres Wachstum unserer Volkszahl nicht zn erwarten steht; cs ist an- znnehmcn, daß die Produktion der deutschen Landwirtschaft schneller zunehmen wird als die deutsche Bevölkerung. So wird man abschließend sagen können, daß, wenn nicht eine Reihe schlechter Ernten Rückschläge bringt, mit einer zu nehmenden Selbstversorgung Deutschlands hinsichtlich seiner Ernährung gerechnet werden kann. GOS. Von Max Müller. Windstärke zehn! Eisiger Mrdwest rast über den aus- acwüblten Atlantik. Vor drei Togen sahen wir die letzten französischen Leuchtfeuer. Und noch liegt Europa kaum 200 Meilen zurück. Es dunkelt. Bald hüllt nndurchdringlichc Finsternis unsern schwer beladenen Frachtkahn in grenzen- lose Einsamkeit. Geraume Zeit schon stehe ich unter der Tür meiner Fnnkbndc und lausche dem Wüten der Elemente. Tausend losgclassenen Dämonen gleich jagt nnd hcnll cs in dcn Lüftcn. Der aufgeregte Ozcan wirft Berge von Wasser über das nn trüben Schein meiner Stationsampel naß schim mernde Eiseudcck. Das Schiff rollt und stampft, bäumt sich wie ein wundes Tier. Geisterhaft taucht achtern die Hccklampe für Momente aus dem Ehaos. Donnernd hauen Brecher über die Reling. Fontänen versprühen gegen die Ladcbäume. Schäumende Wasscrmasscn wälzen sich rauschend im Takte des schlingernden Schiffes. Die Rudermaschine stöhnt in ab gehackten Stößen. Wütend dreht sich die Schraube bei jedem Beben des Achterschiffes in der Lnft. Ein Zittern durch läuft den stählernen Leib. Meine Abcndwache beginnt. Im Gefühle sicheren Gcborgenseins schalte ich ans Empfang. Mechanisch dreht die Linke den Kondensator. 000 Meter, die Welle des allgemeinen Verkehrs. Valencia Radio sendet Wetterbericht. Da was war das? Wie elektrisiert fahre ich auf: „SOS." Die Nerven zittern, der Bleistift fliegt. Hält Bruchstücke fest aus dem Wirrwarr von hundert Stationen. Und immer wieder durchdringend: SOS SOS Näheres geht unter ini Wellenchaos und im Heulen des Sturmes, der Kanonaden von Hagelschauern auf mein Stationsdach schleudert. Verdammt! Wo ist das Schiff, das sich in Not befindet? Wie heißt es? Der Ruf kommt laut durch, sehr weit ab kann es nicht sein. Aber kommt das Zeichen über haupt von dem havarierten Fahrzeug selber? Ist das, was ich höre, nicht nur von andern wcitcrgcgebcn? Ich schreibe, male Buchstaben hinter Buchstaben, suche zu Entziffern. Ver gebliche Muhe, in dem tollen Durcheinander Zusammenhänge zu erjagen. Erst das Eintreten der benachbarten englischen und französischen Küstcnstationcn bringt Klarheit. Mit höchster Lautstärke tönen Landsend nnd Oucssant Radio in Wieder holungen durch dc>; Aether: ORT ORT SOS. Eine Anzahl MorMriche folgen. „ORT" ist eine der vielen internationalen Abkürzungen, die cs ohne Rücksicht auf Natio nalität und Sprache jedem Funker ermöglichen, sich über Fragen, die für dcn Betrieb von Wichtigkeit sind, zu ver- ständigen und bedeutet: „Hören Sie sofort mit Senden auf!" Während „SOS" den jedermann bekannten Hilferuf eines in Not geratenen Schiffes ausdrückt. Dabei sei bemerkt, daß die drei Buchstaben „SOS" nicht, wie man meist annimmt, von dcn Worten „Save vur sonls" („Nette unsre Seelen"), abgeleitet sind. Der Grund für die Wahl dieses Zeichens lieg', vielmehr in seinem ausgezeichneten, überall durchdringenden Morserhylhmns ... ... Allmählich verstummen die Sender der Schiffe und ich vernehme nun Namen und Pofi« non des beschädigten Fahrzcngs. Mit Mühe erreiche ich bei dem herrschenden Seegang die Brücke, nm dcn wacbbabcnden Offizier in Kenntnis ru leben. «in Biicr auf die Karie sagt uns, daß der Standort des Dampfers immerhin 70 Meilen südlich von uns liegt. Hilfe unsererseits ist demnach ausgeschlossen. Machen wir doch stündlich kaum zwei Meilen gegen die fürchterliche See. Die Brücke steht dauernd unter Spritzwasscr. Ranchfchcn jagen, vom schwachen Lichtschein getroffen, schemenhaft aus dem dickqnalmenden Schornstein. Wieder sitze ich vor dem Lantsprechcr. Immer noch Funk stille. Nur selten unterbrochen von dem warnenden „ORT" als Antwort auf voreiliges Senden einiger Funker. Nnhe — — drückend empfunden und ungewohnt in dieser am dichtesten befahrenen Gegend der Welt. Hört man hier doch sonst ein Höllenkonzert von Pfeifen, Summen, Fauchen und Knarren. Und nnn so still, als wären alle Fnnkcr aus- gcstorbe». Nur das Schiff ächzt, die See brüllt, und der Sturm heult in die Nacht. Ich lausche, höre gespannt in den Aether, da — wie aus weiter, unsagbarer Ferne piepst ein Stimmchen, hell und zart wie eines kleinen Vogels Lied durch dcn nngchcuren Raum: „SOS — — QNT " Nun wieder! Stimmen sind es, die sonst ungchört verhallen. Stationen weit nnten im Südatlantik, im Noten Meer, hoch oben im Baltikum und aus dem äußersten Westen. Ihr Ton klingt so entfernt, als käme er aus einer andern Welt: „SOS" — — Sonderbar be rührt mich das, wie so die Kontinente aneinanderrücken. Der erste Ruf um Hilse, in nächster Nähe ausgcsandt, wurde aus- Oas Tiesbeirübtiche. Was ist zu tun? Was längst ich wußte, Die Wissenschaft tcilt's gransam mit: Daß ans der alten Erdenkruste Die M c n s ch heit nur — ein Parasit! Daß wir ans unserm Sterne hocken Durchaus nicht anders — recht beschaut — Wie Flöhe in des Pudels Locken, Wie Läuse aus des Affen Haut. Und was wir Planten, bauten, trieben, Was wir gehofft, geträumt, begehn, Und was wir malten, saugen, schrieben Hat keinen — und für niemand — Wert. Und Nnhm, von dem so großer Lärm is' Im Völkcrkricg von alters her — Ein Juckreiz auf der Epidermis Des Erdensternes, nnd nO)ts mehr! Und was an Höhe oder Tiefe Uns je erschreckt, uns je erbaut, War Ms der M i l b c n Perspektive, War ans dem L ä u s e ucst geschaut. Und Wenn — bevor ihr ernstlich schadet Der Schorf nnd Moder — einmal bloß Die Erde tief im Aether badet, Sind wir erledigt. Gnadenlos. Na, schön — wir müssen's eben tragen; Wcnn's schon bewiesen, ist cs so. Was ist da weiter viel zn sagen: Ich bin 'ne Laus — du bist ein Floh. Doch der Erkenntnis Schmerz sitzt tiefer Und setzt dcn letzten Hochmut matt: Daß dieser Erde Ungeziefer Noch selber — Ungeziefer hat; Daß unter uns, in unsrer Mitten Für jeden, der nicht blöd nnd blind Noch viel gemcin'rc Parasiten, Als wir's schon für die Erde sind; Abtrünnige und Apostaten, Bei jeder Lumperei voran, Und die ihr Blut und Volk verraten Dem — Ungeziefer nebenan... Rudolf Prcsber. gefangen von Stationen des näheren Umkreises. Und Funker gaben, solange ihnen der Ausgangspunkt des Nnfcs unbekannt, diesen, vermittelnd, ins Unbestimmte weiter, als Warnsignal für alle, ruhig zu sein. So eilt das schicksalsschwere Zeichen hin in fernste Erdenwinkel und tausende von Menschen sind für kurze Zeit in den Kreis eines fernen Ereignisses gebannt. Der StascUenlanf nm die Erde hat diese zu einem einzigen Spielfeld gemacht, innerhalb dessen man alle Nanmbegrisfe für kurze Zeit in Trümmer schlägt. Endlich, nach einer langen Stunde, die sür eine Schar von Menschen Schicksal ist, durchbricht Laudscnd die lähmende Stille: „C Q CQ — — G L D SOS clcar" Die erlösende Nachricht an alle: Hilfe sür das verunglückte Schiff ist geregelt. Der allgemeine Nachrichtcnverkehr kann wcitergchcn. Inzwischen haben sich bei dcn vielen Funk stationen die abzusetzcnden Telegramme gehäuft. Wie auf Kommando stürzt sich jeder Funker ans die Taste, um im schwirrenden Tanze der Morsezcichen der erste zu sein im Kampf nm die Antwort der gerufenen Station. Nichts cr- inncrt mehr an die verflossene Stunde. Wir sehen Pflanzen wachsen. Reue Fortschritte im Messen kleinster Strecken. Bon Hans Felix N o ch o l l. Es sind erst etwa zwei Jahre vergangen, als die Welt von der Ankündigung üb^rascht wurde, daß man das Gras wachsen hören könne, und jeder Besitzer eines besseren Rund- unlempfängers vermochte sich damals mit eigenen Ohren von >cr Wahrheit dieser Behauptung zu überzeugen. Aber was ind für die heutige Wissenschaft und Technik zwei Jahre? Ein endloser Zeitraum, sodaß man heute seine Ansprüche höher schraubt und Pflanzen jetzt auch wachsen sehen will. Selbst ein derart kühner Wunsch läßt sich erfüllen. An der Wiener Technischen Hochschule wurde kürzlich ein Apparat angcfertigt, der die Messung kaum vorstellbar kleiner Längcnändcrungcn bis hinab zn einem millionstel Millimeter mit großer Genauig keit ermöglicht. Zur Messung kleinster Entfernungen gab cs bisher be reits verschiedene Verfahren und Apparate, die überwiegend auf dem Grundsatz der Messung von Kapazitätsänderungen eines Plattcnkondensatorü mittels Hochfrequenz beruhen. Allerdings waren sic nicht empfindlich genug, als daß man diese auf optischem Wege nicht unmittelbar sichtbaren Schwankungen von einem Zeigerinstrument hätte ablescn können. Dieser Mangel ist nun kürzlich von dem Wiener Ingenieur Sieg fried Ncisch in Verbindung mit dcn Professoren Or. Melau und vr. Wolf der genannten Technischen Hochschule erfolgreich aclöst worden. Mit dem Ncisch'schcn Instrument lassen sicb in der Tat außerordentlich geringfügige Längcnändcrungen stark vergrößert von einem Zeiger ablescn oder auch mittels einer photographischen Ncgistricrvorrichtung graphisch wicder- gcbcn. Daß dieses Wnnderinstrumcnl in der Tat dcn eingangs geäußerten Wuiisch, das Wachstum der Pflanzen sichtbar zn machen, zu erfüllen in der Lage ist, haben Praktische Versuche bereits erwiesen. Man schaltete dcn Apparat an eine kleine Kaktuspflanze, worauf sich alsbald ein Ausschlag am Zcigcr- apparat von etwa einem Millimeter je Sekunde ergab. Dieses eine Millimeter entspricht aber in Wirklichkeit einem hundert- tanscndstcl Millimeter. Um diese Strecke ist mithin der Kak tus im Laufe einer Sekunde gewachsen. Um ein volles Milli meter größer zu werden, würde die Vcrsnchspflanzc 32 Stun den benötigt haben. Die Praktischen AnswertungSmöglichkeitcn des neuen Ultra-Mikrometers lassen sich im Augenblick noch gar nicht übersehen. Man rechnet damit, kleinste Kräfte wi^ z. B. den Strahlungsdrnck der Lichtwcllen, geringfügige Temperntur- ändcrnngen verschiedener Körper künftig genau nnd zuver lässig fcstlcgcn zu können. Daß auch in der Technik — man denke nnr an die Durchführung schwierigster Materialprüfun gen — das neue Meßinstrument eine wichtige Nolle zu spielen berufen ist, liegt auf der Hand. Mut. Skizze von Karl N o d e m a n n - Berlin. Als Ernst Petersen am frühen Sonntagmorgen ans dem Hause trat, frohlockte er. Am heiteren Himmel strichen ichmale Windstrcifcn dahin. Was konnte er sich heute, da er mit Irene segeln wollte, Besseres wünschen als eine frische Brise. Sie hatten sich zwar gestern Slbend gezankt, er und Irene Rubeck, aber trotzdem war er jetzt auf dem Wege zu ihr, um sie abzuholen. Um den Mnt der Frauen war es gegangen. Sie hatte behauptet, daß dieser beim weiblichen Geschlecht ebenso groß sei wie beim männlichen. Er war anderer Ansicht gewesen. Und es hätte ein ernsthafter Zwist iverdcn können, wenn er schließlich nicht gesagt hätte: „Wir wollen uns nicht streiten, liebe Irene. Sobald Sie mir mal den Beweis einer besonders mutigen Tat liefern, will ich Ihnen gern zustimmen." Da hatte es in ihren Augen aufgeblitzt, aber nur für einen Husch. „Einverstanden für heute abend. Morgen ist wieder ein Tag. Und jetzt habe ich rechtschaffenen Hunger. Kommen Sie mit zu uns hinauf, Ernst?" Oft schon hatte er als gern gesehener Gast oben in der Wohnung bei ihr und ihrer Mutter gesessen, mit beiden ein einfaches Nachtmahl teilend und bei einem Plausch die Nöte der Zeit vergessend. Gestern abend mußte er danken. Ein gewisser Stachel war in ihm geblieben. Was trieb diese liebe, kleine Person nur immer' dazu, ihn zu quälen? Doch bei dieser lachenden Sonne heute früh lebte nur ein Verlangen in ihm: zu ihr! Eine halbe Stunde später standen sic draußen auf dem Bootsgclände. Weit hinaus blinkcrte die Wasserfläche, das jenseitige Waldufer zerfloß im Sonnendunst. Und der Ost wind zanste in Ernsts Haar und ließ auch Irenens braune Locken flattern. „Ist die Brise nicht wunderbar heute? Da können wir draußen noch was erleben!" Irene sah ihn mit lustigen Augen an. „Möchten Sie denn da draußen gern etwas erleben?" „Für mein Leben gern." „Ja, ja, hier noch auf dem Trockenen, für mein Leben gern. Wenns aber wirklich mal nms Leben gehen sollte — wir wollens nicht hoffen —, ob Sic dann auch so sieges- gewiß sind?" „Sic sangen schon wieder an, an meinem Mut zu zweifeln?" „Nein! Ich will auch nicht schulmeistern. Bei der strahlenden Sonne! Also erleben Wir was! Je schöner, desto besser." Seine Augen bohrten sich in die ihren. Einen Augenblick hielt sie der Werbung stand. Dann drehte sie sich um. Eine Röte, die sie nicht jehen lassen wollte, flutete ihr in die Wangen. Aber doch spürte sic cs gern, daß ihr Herz schneller klopfie. „Schnell umgezogcn!" Halb drehte sie den Kopf zurück. „Unser Maat kommt schon mit dem kleinen Boot." Nach einem Nickegruß — kann ihn noch jemand anders so wundervoll zustande bringen? — verschwand Irene in ihrer Kabine. Hier zog sie ein hellblaues Badetrikot an, eine weite, Weiße Hose und eine Helle wollene Joppe drüber. Was sie an Geld und Ringen bei sich hatte, stopfte sie in einen kleinen Ledcrbcutel, der wiederum von einem Gnmmibentcl fest umschlossen war und inncnwärts im Trikot befestig! wurde. Vor Abend rechnete sic nie mit Ernst ab. Als sic fertig auf den Steg trat, hielt Ernst das Boot schon zum Einstcigen an der Leine. Auch er in Trikot und Uebcrklcidern. Mit markigen, knappen Rudcrschlägcn brachte der Maat die beiden zu ihrem an der Boje liegenden, leichten Segelboot. In einigen Minuten waren sie schon weit draußen. Und nun zigeunerten sie den ganzen Tag umher. Gingen hier einmal an Land, um im grünen Ufergras zu früh stücken, an einer anderen Stelle, wo Badestrand war, um zu fcbwimmen, verließen endlich dcn See nnd stakten den Flnß- lauf hinaus, um sich dort im Garten eines Waldwirtshauses einen vorzüglichen Kaffee schmecken zu lassen. Immer als gute Kameraden. Der Nachmittag war hcrangcrückt, mit ihm hatte sich die Brise belebt. Irene jubelte. Es war ausgemacht, daß über den See zurück sic das Steuer führen sollte. Als Erste kletterte sic Wiede'- in dcn Kahn, entledigte sich der Ucbcr- kleider und verwahrte diese in der Klappe unter dem schmalen Brett am Vordersteven. Dann mache sic sich daran, immer auf dem Boden des Bootes hockend, auch Ernsts Sachen zu sammen zu Wickeln. Doch bevor sie diese verstaute, glitt ihre Hand rasch in die rechte Tasche der Joppe und holte Ernsts Uhr und Geldbörse heraus. Beides stopfte sie ebenso ge schwind in den Gnmmibentcl ihres Trikots. Ernst hatte dcr- weile, ohne viel auf Irene zn achten, das Ruder zur Hand genommen und staktc jetzt das Boot den Fluß hinunter bis zum See. „Auf Posten, Fräulein Steuermann! Machen Sie Ihre Sache gut!" Mit sicherer Hand führte Irene das Steuer. Bald kam das Boot einem Landvorsprung nahe. Dahinter, das wußte sie, lag oft eine Bö aus nordöstlicher Richtung. So wurde Irene von ihr auch nicht übcrrnmpclt. "Schote los, Segel nnd Steuer herum, Nase in den Wind! Bon hier an mnßte über den See gekreuzt werden. „Bravo, Irene!" rief Ernst vom Backbordrand her, wohin er hinnbergcwechselt. „Aber aufpasien! Es scheint auf deni See noch böiger zu werden. Soll ich Sie lieber ablösen?" „Ablösen? Jetzt, lvo's gerade ein bißchen aufregend wird? Wir können ^a schwimmen." Aber kaum war dies gesagt, da sprang eine schwere Bö fauchend aufs Wasser und ins Segel. „Leine los!" schrie Ernst Irene zn. „Segel los, Nase in den Wind!" Waren denn Irenes sämtliche Sinne ver- stopft? Schon gälte sich das Boot ganz ans Backbord gelcgi, doch das Mädchen rührte sich nicht, hielt Schote und Ruder fest. Gleich mußte die Leinewand ins Wasser stippen. „Irene, was machen Sic?" schrie Ernst hoch vvm Stcuer- bordrand herab. — „Meinen Mnt beweisen will ich", rief sie. Und schon geschah cs. Eine noch stärkere Bö drückte das Segel ins Wasser, im Nu lag es flach und sank tiefer nnd tiefer. Irene war es rasch gelungen, auf die Außenwand des Booles zu klettern. Auch Ernst mußte zum Kiel hinauf. „Seien Sie wegen Ihrer Uhr und Börse unbesorgt, lieber Ernst, beides habe ich im Gummibcutel bei mir." „Irene!" Ein Schrei des Erstaunens. „Sie haben ab sichtlich ..." „Umgeschmisscn! Ganz recht. Geben Sie jetzt zn, daß ich Mur habe?" „Und hier, wo weit nnd breit kein Boot in der Nähe?" „Gerade hier! Wir schwimmen an Land." „Also los, Irene! Bevor cs zu spät. Geradeaus, dorthin, wo das Haus am Ufer steht." Beide sprangen ins Wasser. Ernst muhte bald erkennen, daß das eintreffcn werde, was er im Stillen besürchtct hatte; Irene hielt nicht durch. Immer und immer wieder schluckte sic Wasser. „Die verdammten Wellen!" rief sic. „Wenn Sie keine Kraft mehr haben, schnell zu mir! Arme um dcn Hals. Körper slach nach hinten ausstrccken!" Nach weiteren fünfzig Stößen war cs so weit. Irene mußte sich ins Schlepptau nehmen lassen. Da hing sie nun, ziemlich ermattet, und schalt sich innerlich wegen ihres Leicht sinns. Nun drängte cs sie, Ernst etwas Lieber zu sagen. „Ernst, nicht böse sein, lieber Ernst! Bitte, bitte nicht! Als Deine Frau Werve ich es gewiß nicht wieder tnn." Da fuhr Ernsts Kopf fiir einen Augenblick herum. „Irene! Hipp, hipp, hnrrah!" Ein Jauchzen war's. Eine Viertelstunde später trug er Irene ans Ufer und bettete sic sorgsam im Weichen Gras. Ehe sie sich ganz hin streckte, zog sie sich zu ihm empor und bot ihm den zitternden, blassen Mund. In aller Frühe des Montags trat er in ihre Wohnung. Schelmisch lachend kam sic ihm entgegen und hielt ihm ei« dünnes Büchlein vor die Augen. „Namenbuch. Ausdeutungen der üblichsten Vornamen", las er. Schnell schlug sie den Buchstaben „E" auf, auf „Ernst" deutend: „Entschlossener Kämpfer, Krieger, der Mann' schlechthin", sprach sic ihm vor, schlug ein Paar Seiten nm und hielt den Finger auf „Irene". „Was steht da?" fragte sie. „Irene, die Friedliche." „Bist Du jetzt beruhigt? Du mein Mann' Dn!" Statt jeder Antwort holte er sich ihren Mund. Dann sagte er: „Und Mut hast Du auch. Alle Wetter!"