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Sächsische Elbzeitung : 26.07.1932
- Erscheinungsdatum
- 1932-07-26
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1787841065-193207263
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1787841065-19320726
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1787841065-19320726
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Elbzeitung
-
Jahr
1932
-
Monat
1932-07
- Tag 1932-07-26
-
Monat
1932-07
-
Jahr
1932
- Titel
- Sächsische Elbzeitung : 26.07.1932
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Llnterhattung und Missen Mchard Wagner probt -en „parsifat". <Z»M ov. Jahrestage dcr Erstausführung dcs WcihcfcstsPiclcS ain 26. Juli 1932). Erinnerungen von Paul Lindenberg. Der große Tag war nah, der 26. Juli 1882, dcr die Erstaufführung des Wcihesestspiels dringen füllte. Froh gemutes Lebe», vielseitige Bewegung, gespannte Erwartung in dcr auhcimeludcu fränkischen' Stadl, Wagner und „Par- ifal", das war fast das ausschließliche Gespräch, auf den laggeugeschmückten Straßen, in de» Geschäfte», i» deucu zahl- ose Gegenstände de» Name» des Meisters tr»gc», i» de» Gast- tätte», tvo bei schäuniendem Bier ger» die mitwirkeiiden Künstler Einkehr hielten. Mit meiner Unterkunft hatte ich's gut getroffen, bei einem Lehrer, dcr im Ehor milspiclte und mir mancherlei vom Einüben des Werkes durch den Meister berichtete, später ergänzt durch Albert Niemann, mit dem mich Jahr um Jahr persönliche Beziehungen verknüpften. Richard Wagner war im Frühling krank aus Italien in Vahrcuth cingetroffen, Vrustkrämpfe und Magcnschmerzcu guältcu ihn, an pessimistischen Anwandlungen fehlte cs nicht. Abcr als die Proben zum „Parsifal" begannen, da war er mit vollster Hingebung dabei: jede Minute ansnntzcnd, an alles denkend, für alles sorgend, unter treuer Mithilfe Frau Cosimas. Was gab's zu besprechen, Ivas zu bedenken, was ausznglcichen, mit den Künstlern und Künstlerinnen, die immer neue Wünsche hallen! Im Musiksaal dcr Villa Wahn- sricd wurden einzelne Gesangsübungen abgehaltcn, in dcr Halle trafen sich die hauptsächlichsten Mitwirkendcn, ihre An sichten über dies und das der Wiedergabe austauschcnd, später saß man im Garten beisammen, an gastlich gedeckten Tisclfcn, Wagner genoß mit Behagen die Ruhe nach vollbrachtem Tagcswerk. Dcr nächste Morgen brachte neue Arbeit, neue Sorgen, -neue Aufregungen. Um die zehnte Stunde fnhr dcr Meister in dem schlichten, offenen Gefährt zum Fcstspielhügel. Er hatte sich an dcr rechten Seite des Parketts eine Art Lauf brücke zur Bühne Herrichten lasse», nahm mit dcr Gattin in der ersten Zuschancrreihc Platz, beide die Partitur vor sich. Die Probe begann. Eine Viertel-, eine halbe Stunde blieb Wagner ruhig, rief mahnende, ermunternde, abwehrende Worte hinauf, hatte für alles ein Auge, auch den kleinsten Fehler bemerkend. Dann, vielleicht durch etwas ganz Neben sächliches, verlor er die Geduld. Wie ein Wiesel rannte er auf die Bühne, machte den einzelnen Künstlern Gesten vor, zeigte ihnen, wie sic gchen, stchcn, die Köpfe und Arme bewegen sollten, fuchtelte mit den Händen, sang einzelne Stellen. „Kinder, macht mich nicht verrückt, hört, was ich sage, wie ich's mache!" schrie er sie an. Das war freilich schwer zu befolgen, denn er sprach häufig mehr vor sich hin, man mußte sich daran gewöhnen und sehr aufpasscu, um ihn zu verstehen. Und was er gestern als unbedingt erforderlich angcvrdnet, das warf er heute um: „So muß cs blcibcu!" — um morgen wieder zur alten Aw vrdmmg zurückzukehrcn. Kam er verärgert ins Theater, dann gab cs schlimme Stunden und bei den Damen manch heimliche Tränen. Denn Rücksichten kannte er nicht. Er war gereizt, sarkastisch, tadelte mit jcharfeu Worten, verlangte die seltsamsten Sachen. Alles atmete auf, wenn die Probe zu Ende ging. Abcr seine per sönliche Wirkung war so stark, so unmittelbar, daß man sich rasch beruhigte, seiner Negickunst mußte man in den meisten Fällen recht geben. Er kargte daun auch wieder nicht mit dem Lob, machte gute und schlechte Witze, erging sich in lustigen Einfällen mid harmlosen Spöttereien. Als die Wandeldckoratiou zu Beginn des Wcihcfestspiels -endlich fehlerlos ging, war Wagner außer sich vor Freude: „Wundervoll, ich danke Euch, Fhr seid prachtvolle Kerls!" rief er auf die Bühne. Und ähnlich beim ersten gelungenen Auftreten der Blumcnmädcl)cu, mit denen cs gar nicht hatte gelingen wollen, in Gewandung und im Spiel. Ta war Frau Cosima auf die gute Idee gekommen, ihre Tochter Blandine mut den vvrbcmdcnen Kostümen des Tbcatcrs als Blumen- madü-eu auzukteideii und sie plötzlich vor Wagner hiuzustellcn. „Glänzend, herrlich", rief er, „Tu bist und bleibst eine Zan bcriu. Das ist die einzige Lösung." Dau» umarmte er die geliebte Frau. Den letzten Probe» wohnte Franz Liszt bei, in seiner Nahe und Abgeklärtheit einen guten Einfluß auf Wagucr ausübend. Auch er hatte die Partitur vor sich, hörte auf merksam zu, sah Prüfenden Blickes Szene um Szene vorbei- zichcn, enthielt sich jeder Bemerkung, bis aus einige verhaltene „Bravos", die er dann und wann ausstieß. Als einmal Wagner doch leidenschaftlich eingriff und Cosima ihn daran hindern wollte, hielt Liszt sie zurück: „Laß ihu austobcn, cs gehört mal zu unserem Metier, dies Ucbertrcibcn dcr Gefühle bei uuscrcr eigenen Musik, ich kenne das von früher her!" Nach der letzten Probe trat draußen Albert Niemauiicmf Wagucr zu: „Mcistcr, cs ist großartig. Wie srcuc ich mich auf morgcu!" — „So, gefällt Jhncu also dcr Mosjc?" scherzte Wagner. „Abcr Sie wollten ihn ja nicht singen, Sie hätten ja ine Ihren Bart geopfert?" — „Mcistcr, nicht nur den, auch selbst die Nase!" — Wagucr machte eine ungläubige oder spöttische Miene, darauf Niemann: „Dcr alte Blücher mogelte gern beim Spiel, bis einer sagte: ,Excellcnz, was würden Sie tun, wenn Sie jemcmd zu arg betrügt?' — Blücher ant wortete: ,Wcnn er sonst ein anständiger Kerl ist, würde ich tun, als bemerke ich's nicht.'" — Wagner: „Was wollen Sie damit sagen?" — Niemann: „Wenn einer sonst ein an ständiger Kerl ist, kann er auch einen Bart tragen." Wagner schüttelte wie mißbilligend den Kopf. Am Abend dieses aufregungsrcichcn Tages hatte Wagner alle Mitwirkendcn zn einem Bankett in der Gaststätte neben dem Fcstspiclhansc geladen. Jetzt war er zuversichtlicher Stimmung; er ergriff das Wort und dankte seinen „Kindern", die ihm die treueste Stütze wären; mit ihnen würde er siegen. Zehn Gebote liir heiße Tage 1. Stehe früh auf, lüfte zeitig die Betten und schließe spätestens gegen sieben Uhr Fenster und Läden! 2. Im Zimmer lasse Wasser verdunsten in möglichst zahlreichen und flachen Gefäßen, und du wirst über die an genehme Kühle erstaunt sein! 3. Bei Spaziergängen trage leichte Kleidung und bei praller Sonnenhitze eine ebensolche Kopfbedeckung! 4. Beim Trinken vermeide alle Hast und kühle dich erst gehörig ab. Las Durstgefühl läßt ganz bedeutend nach, wenn man einen Schluck Wasser so lange im Munde behält, bis es warm geworden ist. 5. Plötzliche kalte Bäder an heißen Sommertagen können den Tod zur Folge haben. Vorherige Abkühlung des Körpers und eine schnelle kalte Abreibung dcr Arme und der Brust sind dringendes Erfordernis. 6. Am Abend nach Untergang dcr Sonne öffne alle Fenster und Türen und lasse sie mährend der Nacht möglichst offen. Alle übermäßig warmen Decken beim Schlafen sind zu ver meiden. 7. Sei vorsichtig mit Speisen. Unter keinen Umständen dürfen leicht verderbliche Speisen dcr Sonne ausgesetzt wer den. Der jetzt unbenutzte Zimmcrofen ist für kleine Gegen stände eine vorzügliche Kühlstälte. 8. Habe ei» besonderes Augenmerk auf den Magen und das Wohlbefinden dcr Säuglinge. Hitzewellen haben fast stets größere Säuglingssterblichkeit zur Folge. 9. Eingetretene Hitzschläge suche bis zum Eintreffen des Arztes durch Ocsfncn der Kleider und Abwaschungen des Kopfes und Körpers mit kaltem Wasser abzudämmen. 10. Gedenke auch dcr Tiere in dieser heißen Jahres zeit! Vieh, insbesondere Pferde und Rindvieh, aber auch Kleintiere aller Art den Sonnenstrahlen auszusetzen und sie womöglich festzubinden, ist eine böse Tierquälerei. Gib deinen Haustieren mehrmals am Tage reines frisches Trink- walier! MWlM MMiM »MM MM. Von Walter Kaulfuß- Mühlhausen. Vor hundert Jahren begann Thomas Earlhlc den ersten Band seines großen Werkes „Geschichte der französische» Revolution". Jur Sommer des Jahres 1831 hatte er den ersten Band fertiggestellt, einige Monate »ach seinem Einzug in das Haus an der Great Chcyne Nvad iu Chelsea bei Loudon. Thomas Earlhle besaß einen Freund, der Stuart Mill hieß. Dieser brachte Carlyle in eiuc recht unangenehme Lage. Er hatte sich das Manuskript des erste» Ba»dcs des großen Geschichtswcrks zur Emsichtnahmc geliehen. Carlyle war der Bitte seines Freundes gern nachgckommen, da er auf dessen Urteil gespannt war. Er vergaß aber, ihm zu sagen, daß er mit dem Manuskript ja vorsichtig umgehen müße, da es außerordentlich wertvoll sei, einmal, weil er leine Abschrift davon besaß, und auch alle Unterlagen und Notizen vernichtet hatte. Mill war an dem Tage, als er von Carlyle das wert volle Manuskript erhielt, etwas spät heimgckommcu. Gleich bei seinem Eintritt in seine Studierstubc legte er das Manu skript auf einen dicht an der Tür stehenden Stuhl. Dort fand es am nächsten Morgen das Dienstmädchen und verbräunte es. Mill hatte nämlich die Angewohnheit, alle nicht mehr zu gebrauchenden Schriften, Hefte und Aufzeichnungen auf jenen Stuhl zu legen und hatte dem Dienstmädchen ei» für alle nial eingeschärft, diese Makulatur sofort wegzunebmen und sofort zu verbrennen, damit sic nicht in falsche Hände gerate. Als Carlyle »ach einiger Zeit sein Manuskript znrück- habcn wollte, fand cs Mill gar nicht. Schließlich entsann er sich, daß er cs ans Unachtsamkeit auf jenen Stuhl gelegt halte. Es war also verbräunt und Carlyle um viele Arbeitsstunden betrogen. Dieser war sehr erbittert. Das Werk sollte er scheinen und mußte »lil dem erste» Band beginnen. Es blieb ihm weiter nichts übrig, als mit dcr Arbeit noch einmal an- zusangcn. Das geschah denn auch bald. Eine Attszeichnung in seinem Tagebuch aus dem April des Jahres 1834 lautet: „Mein Wille ist ungebrochen", nämlich iubczug auf das noch malige Niedcrschrcibcn des ersten Bandes und schon im September des gleichen Jahres verzeichnete er in seinem Tagebuch: „Mit den verbrannten Manuskripten ist's in Ordnung." — Auch dcr Begründer der neuen mathematischen Physik und der Physischen Astronomie, Sir Isaac Newton, ist von einem ähnlichen Mißgeschick betroffen worden. Sein Werk über die Gravitationslehre „Philosophiac naturalis principia mathematica" war im Manuskript eben vollende«. Mit einem Gefühl der Erleichterung mag oer Gelehrte vom Schreibtisch aufgcstandcn sein. Um sich Kp ergehen, begab er sich hinaus. Während dieser Zeit blieb sein Hund im Zimmer. Aus irgend einer Veranlassung sprang das Tier, wie die Chronisten melden, auf den Schreibtisch, stieß an den darauf stehenden brennenden Lcnchter, dcr umficl und das Manuskript in Flammen setzte. Als Newton in sein Studierzimmer zurück- kehrtc, war von dem Manuskript nichts mehr zu retten. Aber auch Newton ließ sich durch dieses Mißgeschick nicht unter- kricgen. Alsbald begann er seine Berechnungen und die Nieder schrift seines Werkes von neuem. Theodor Mom m s c » schrieb die römische Geschichte. Band 1 und 2 erschienen, daun folgte dcr dritte Baud und schließlich der fünfte, dcr vierte Baud abcr blieb aus und dwsc Lücke klafft in dem Hauptwerk des Geschichtsforschers. Wie kommt das? Auch hier soll das Manuskript durch das Umfallen einer auf dem Schreibtisch stehenden Lampe ver brannt sein. Mommsen hat sich nie daran gemacht, das ver brannte Manuskript zu rekonstruieren. Es gab andere Ge lehrte, die erklärten, Mommsen habe den vierten Band deshalb zurückgehaltcn, weil die neueren Forschungen mit den von Mommsen vertretenen Grundideen nicht mehr übcrein- stimmtcn, ja, böse Zungen behaupteten sogar, dcr vierte Band sei überhaupt nicht geschrieben worden. Wie dem auch sei, interessant ist an obigen Beispielen, wie sich auch bei Schrift steller» u»d Gelehrten Vorgänge wiederholen köniien. Ltrwaldtragödie. ! Wlizze von Franz Friedrich Oberhauser. In die tiefe, satte Dämmerung des Urwaldes, die fest And zäh wie Gummi an den Bäumen, Farren und Gebüscl-cn üiug, schoß Plötzlich ein Lichtstrcif. Verängstigt und verwirrt über den unerwarteten Einbruch der Souuc iu das geheim- lnisvollc Dunkel flüchteten ungezählte Tiere. Durch die Stille drang deutlich das gleichmäßige Arbeiten der Malaien au den hohen Bäumen; aller Wald mußte umgelcgt werden, alle Gebüsche und alle hohen Farne, bis ein einzelner Baum änittcu auf eiucr Lichtung stand. In der riesenhaften Krone dieses einen Baumes lag, faul ruud satt, ein Orang-Utan in einem Nest aus Nippablättern »nd Farrenkraut imd äugte mit komischer Traumhaftigkeit lauf das Geschehen unter ihm. Einen vollen Tag lang hatte man unter den Blicken dieses Majas gearbeitet, ohne daß er sich störe,! ließ, nach einer großartigen Mahlzeit seine Siesta zu halten. Man flocht ein Netz aus Manilahanf, mit kleinen dünnen Stricken an Sen Bäumen festgemacht, und überstrich die Seile mit Damar- Shcncz. Jetzt Ivar es soweit, daß man den Orang-Utan seinem «Schicksal überlasten konnte: Er sollte gcsiingeu werden. Wenn hr rait langsamen Griffen den Baum hcra-kommen wird, muß er im Netz hängen bleiben, und iu den sich zäh ver- iwickelnden Schnüren würde man ihn leicht zu fHfen be- ikormueu. Die Malaie« wurden iu das nahe Rasthaus geschickt, wo sie tvarten sollten. Nur ein kleiner Trupp van sechs Leuten blieb zurück und baute sich auf Befehl des Jagdherrn eine BLitterhütte. ,Lch bin entschlossen, hier zu bleiben", sagte der Mann imit den großen Pflanzungen. „.Hier ist ein großer Baum, auf dem können wir in einem Nest Platz finden; er steht gc- hrau gegenüber dem Baum mit dem Maja." Hinter dem Urwald ging die Sonne unter. In dcr Plötz lichen Nacht kehrte das Sonnenlicht gchcimnisvollcrweisc zu rück, sodaß cs aussah, als wollte es wieder Tag werden. Aber dann versank das Wunder der Schöpfung in der satten blauen Dunkelheit der Trvpcnnacht. Die Insekten begannen in Schwärmen über alles herzu- jfallen; faustgroße Käfer flogen wie Bälle durch die Luft, manchmal stieg ein durchdringender Geruch auf, vermischte sich mit anderen Düften, und der beißende Geruch des nächtlichen wilden Dschungels trieb uns das Wasser m die Augen. Zauberhaft stieg zwischendurch eine mondlichthelle Lanoichafl vor uns auf, phantastisch, unbeschreiblich. Abcr mit wieviel Geduld mußte sie bezahlt werden! Diese wilde Nacht mit den Myriaden Insekten, mit den scharfen Gerück-en zu ertragen, das ist die wirkliche Dschungel. Ununterbrochen glühten die Pfeifen. Es wurde Tag; immer noch faulenzte dcr König dcr Dschungcl in scincm Nest. Die Malaien brachten uns Früchte und Schnaps, Zigaretten und Tabak. Nichts geschah. .Kleine WoMvonaffen kamen in die Nähe des Waldes. Wir sahen sie, wie sie, vergnügt schreiend, Hände und Füße weit ansgestreckt, im Spiel sich von einem Ast zum anocrn fallen ließen, was zum Lachen reizte. Die Malaien wechselten die Wachmannschaft. Sie hockten halbnackt ans dem dunklen Moos und spielten bis tief in die Nacht hinein mit kleinen Würfeln ans Jagokörnern. Sic hielten die Wache, von Mann zu Alaun, bis hinüber in das nächste Hindndvrf. In dieser zweiten Nacht geschah etwas Unerwartetes. Kau»! war es dnnkcl geworden, als ein Orang-Utan-Weib- chen aus dem Walde kam; langsam, vorsichtig wagte cs sich ans den Platz, überquerte ihn iu kleinen, hopsenden Sprüngen gegen den Banin mit dem Maja zu. Dann hörten wir ein leises, tiefes, kurzes Gebell aus einem vollen Kehlsack, wie das eines jungen Hundes, dessen Stimme in die Tiefe abgleitet. Das Weibchen witterte schärfer, sah auf deu Baum hinauf, hörte wieder das leise Bellen und verschwand plötzlich mit schnellen niibeholfcncn Sprüngen über den Platz. „Möglich, daß cs sein Weib war. Stimmt das, dann wird es wicdcrkommen, um ihn zu warnen; vielleicht ist es zu deu Jungen zurückgekehrt." Eine Stunde später kam das Weib wieder. Eine sonder bare Stimme erhob sich. Im Nest drüben bewegte sich etwas. „Er kommt zur Erde", flüsterte unser Jagdhcrr, „früher, als ich dachte. Er geht in die. Falle, sein Weibchen dazu... oder... ? Aber nichts geschah. „Was... oder?" fragte einer. „In der Dschungel weiß man nichts mit Sicherheit. Es gibt Gesetze, die wir nicht kennen." Die Nacht war hell; wir sahen fast jedes Blatt in unserer Nähe. Eine Weile blieb alles still. Niemand wagte ein Wort zu redeu. Dann riß jemand an dcr Lcine, die das Signal weiterleitete, daß jemand dem Netz nahe war. In diesem Zlugcnblick brach ein einziger wilder Schrei in die Nacht. Ern grauenhafter Schrei, so, daß er nicht beschrieben werden konnte, ei» Schrei, in feinem Stimmfall einmalig, nnnach- abmbar. so unerwarrcr myr ouqer Atus oer Wuonrs in unsere Ohren, daß wir die Büchsen fester faßten, daß wir die dicken Käfer nicht fühlten, die an unsere Wangen stießen. Ich fühlte eine Hand auf dcr meinen: sie war feucht und zitterte. Ich konnte nur einen Schatten sehen. Das unbestimmbare Ge summ der Insekten hatte ausgesetzt. Welches Gesetz spielte letzt im Urwald? Diese Stille war wie eine Last. Selbst die Malaien rührten sich nicht. War das eine Stunde, waren cs zwei? Irgend etwas, mußte da vorne geschehen sein. Abcr wir sahen nichts; nichts bewegte sich. Endlich faßte dcr Jagdhcrr »ach seinem Gewehr. Aber ehe etwas geschehe» konnte, riß es wieder an derj Signallcine. Ein heftiger Kampf begann jetzt drüben am Netz. Ein Kampf unsichtbarer Gewalten. Dann ries eine schwache Stimme von nntcn heraus: „Er ist im Netz, Tuan!" „Er ist im Netz", wiederholte der Nubbcrmann, und ein leises Lachen kam hinterdrein. „Abwarten!" rief er zurück. „Es muß bald Morgen werden." Die ausgegangencn Pfeifen wurden wieder angczündet, aber dann begann der Kampf neuerdings. Er will ausbrechcn! dachten wir uns, vielleicht ist auch sein Weib mit in die Falle gegangen? Abcr nein, jetzt sahen wir das Weibchen über den kleinen Platz lausen. Länt brüllend raste es dahin, immer noch hörten wir seine Stimme, eine zweite fügte sich hinzu, dann eine dritte, dann wurde das Gebrüll lauter, näherte sich wieder, toblc auf den Platz heraus, wir sahen drei, vier Orang-Utan-Weibchen, die den: Netz zulicfcn. „Sie werden ihn befreien", sagte jemand. Aber der Jagdhcrr schwieg. Er hatte das Gewehr ge sichert. „Ein Schuß hätte keinen Wert", sagte er laut. „Es muß etwas anderes geschehen sein." Die Nacht verglomm. Einige Schatten flohen über die Lichtung, wieviel waren es? Man konnte sic nicht zählen. Spurlos, lautlos verschwanden sic im Urwald. Im frühen Morgen sahen wir cs: Der Orang-Utan hing im zusammengefallcnen Netz. Ein Stcmhieb hatte seinen Schädel getroffen. „Es ist so", sagte dcr Jagdhcrr und befreite den toten Maja aus dein Netz. „Der König des Urwaldes!" Er strich ihm über das Fell, über den riesenhaften Kopf. „Er ist alt. Ein alter Urwaldkönig hat keine» Wert, er taugt zu nichts mehr. Er ist eine Last für die anderen. Wird ein Seiten- gänger; ist ein König und doch keiner mehr. Steht den andern im Weg. Man will keinen alten Urwaldkönig, vielleicht nach einem Gesetz der Schöpfung, man haßt ihn!" Schweigend standen wir nm die rostrote, graue Tra godic. „Man vernichtet ihn", setzte der Jäger hin;», „man ahnt die Ewigkeit der »»geschriebenen Naturgesetze,"
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