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Sächsische Elbzettung Sächsische Schweiz Ba- Schandau, Sonnabend, den 48. Juni 4932 76. Jahrgang Nr. 444 las Lausanne, 18. Juni. Zu Beginn der Freitag-Sitzung der Konferenz vcr- dcr Vorsitzende MacDonald eine von Vertretern Englands, Frankreichs, Italiens, Belgiens und Japans unterzeichnete Erklärung, in der sich diese Negierungen für eine unverzügliche Lösung der Konfcrenzproblcmc im Nahmen eines Welt-Abkommens aussprechen und im Hinblick auf den Ablauf des Hoover-Moratoriums er klären, das; unbeschadet späterer Lösungen die Nepara- tions- oder Schuldcnzahlungen der an der Konferenz teilnehmenden Regierungen für die Dauer der Koufc- cenz ausgesetzt werden sollen. Die Erklärung über die vorläufig unbefristete Verlän gerung des Hoover-Moratoriums hat folgenden Wortlaut: ..Die unterzeichneten Negierungen, tief durchdrungen von dem wachsenden Ernst der wirtschaftlichen und finanziellen Gefahren, die die Welt bedrohen, sowie von der Dringlich keit der Probleme, die auf der Lausanner Konferenz zur Verhandlung gelangen, ferner tief überzeugt, daß diese Pro bleme eine endgültige und präzise Lösung verlangen, die eine Besserung der allgemeinen Bedingungen Europas er möglichen. eine Lösung, die unverzüglich und ohne Unter brechung im Rahmen einer allgemeinen Regelung gesucht werden muß. stellen fest, daß gewisse Reparationszahlungen und Kriegsschulden am 1. Juli fällig werden. Diese Regie rungen sind der Ansicht, daß — um eine ununterbrochene Wetterführung der Arbeiten der Konferenz zu ermöglichen — die Leistung der Zahlungen, die den an der Konferenz beteiligten Regierungen geschuldet werden, auf dem Repa rationskonto öder als Kriegsschulden, während der Dauer der Konferenz aufgcschoben würden, jedoch unter dem Vor behalt der Lösungen, die später gefunden werden. Die Ne- aierunaen erklären ibren festen Willen, in kürzestmöalicher Von Lausanne flog am Freitag so euvas wie eine Scu- Mtion auf: Draht und Aether meldeten in alle Welt, daß die Negierungen von England, Frankreich, Italien, Bel gien und Japan ihre» Entschluß in Lausanne Hütten ver kündigen lassen, daß sie während der Dauer der Lausanner Konferenz — nach einer anderen Lesart „bis zur endgültigen Reparationsregelung durch die Lausanner Konferenz" — für ein vollständiges Ruhen aller Schuldenzahlungen ein treten. In den Hauptstädten der Länder wurde diese Erklä rung von der Presse zum Teil als Streichung aller Reparationen und Kriegsschulden ausgelegt. Diese Annahme ist zweifellos zu weitgehend, wenn sie auch den Wunsch zahlreicher an dem Reparationsproblem beteiligten Länder wiedergibt. Wenn aber diese Erklärung überhaupt -inen politische» Sinn haben soll, dann kann es nur der ein, daß eine Lösung in der Richtung einer endlichen Be seitigung der politischen Schulden versucht werden muß. Vor erst ist man auf Mulmaßimgen angewiesen, da selbstver ständlich nichts darüber verlautet, was in eingehenden ver traulichen Besprechungen zwischen MacDonald und Herriot und mit den übrigen beteiligten Vertretern der Gläubiger länder vereinbart worden ist. Man wird uns jedenfalls er lauben müsse», unsere eigenen Gedanken darüber zu ha ben. daß diese Erklärung erst »ach sehr langwierige» hinter verschlossenen Türe» geführten Verhandlungen zustande ge kommen ist. Private Informationen wollen zwar wisse», daß Fra»kreich einer endgültigen Streichung sämtlicher Re parationen zuzustimmen bereit wäre unter der Voraus setzung. daß Deutschland einer Abschlagszahlung zu stimmt. Angeblich soll Herriot de» deutschen Minister» in Lausanne auch bereits eine dahingehende Erklärung ab gegeben haben. Bedenklich stimmt uns auch die Nachricht, daß die Ab sicht bestehe, auf der Lausanner Konferenz mit einer großen Friedenserklärung sämtlicher Mächte hervorzutre ten, die im Sinne einer allgemeinen Befriedung der poli tischen Zustände und gegenseitige» Zusicherung der Frie denspolitik bestehen soll. Mail will damit angeblich auf dis Genfer A b r ü st u n g s k o n f e r e » z drücken, um auch das Abrüstuiigsproblem einer endgültigen Regelung zuzufüh ren. Wir haben schon zu viele solcher großen internationa len „Friedenskundgebungen" erlebt und dann erfahre» müs sen, daß Kundgebungen keine Taten sind. Der deutsche Reichskanzler v. Papen hat aber mit Recht in seiner Lau sanner Dienstag-Rede erklärt, daß jetzt die Stunde des Handelns gekommen ist. „Die Zeit der kleinen Mittel, der Atempausen, der Vertagungen ist endgültig vorbei. Es muß jetzt ganze Arbeit geleistet werden."'Diese Auslassun- gen des deutschen Kanzlers, noch mehr aber die Erklärungen Herriots deuten nicht daraus hin, daß die Vereinbarungen zwischen den in Lausanne beteiligten Hauptmächten schon so weit gediehen sind, daß gewissermaßen die Streichung der Reparationen bereits als feststehende Tatsache zu gelten hätte. Es wirkt wie eine kalte Dusche, wenn man die Rede Herriots im Anschluß an die von Papens auf sich wirken läßt: Während der Kanzler in sachlicher Darlegung der ge schichtlichen Entwicklung der Reparationsfrage nachqing. ihre Wirkungen auf die Weltwirtschaft mit der vollständigen Verschiebung des Güteraustausches, der Weltgoldvorrüte und des Kreditprobleins nachwies und die Schädlichkeit aller bisherige» Neparationsexperimente vor Auge» führte, wußte Herriot der Welt nichts anderes zu sage», als daß Frankreich an der Unabänderlichkeit bestehender Ver träge und der Garantienmg der französischen Sicherheit festhallcn müsse. Der Kern des Problems ist, wie ebenfalls durch Herr» v Pape» »achgcwiesc» wurde, bereits vcm verschie dene» Sachverständigenausschüsse» herausgcschält worden: „Die Reparationsleistungeii haben sich als unmöglich und schädlich erwiesen." S ch l » ß mit d e n Reparations experimente». will man nicht die ganze Welt in ein wirtschaftliches Ehaos stürzen Nicht das, was man einst- mals erstrebte, kann für die Menschheit maßgebend sein, iondern das wie es sich auswirkte. Schließlich sollten auch die Staatsmänner allmählich sich zur Erkenntnis der Wirt schaftssachverständige» durchgerimgc» habe», daß auf diesem bisher eiugcschlagenen Wege nicht ein Schritt mehr vor wärts getan werden darf Es ist so oft gesagt worden, daß Politik die Kunst des Möglichen sei. Das sollte in besonderem Maße von der ho hen Politik, die sich Diplomatie nennt, beherzigt werden. Das Tributsystem ist nicht durchführbar, ist auch deshalb nicht durchführbar, weil es dem Gesichtspunkt der Gerech tigkeit und der Forderung des Friedens widerspricht. Man hat seinerzeit die Rcparationsverpslichtung Deutschlands be gründet mit der Notwendigkeit der Wiedergutmachung, des 'Wiederaufbaues In Wirklichkeit haben die Reparationen nicht a u f g e b a u t, sic haben zerstört. Die in Lau sanne versammelte» Staatsmänner haben heute das Schick sal der Menschheit in Händen. Sie tragen die Verantwor tung dafür, daß endlich der Weg zur Gesundung, zum Frie de» und zur Gerechtigkeit gegangen wird. Tageszeitung für die Landgemeinden Altendorf, Kleingießhübel, Kleinhenners dorf, Krippen, Lichtcnhain, Mittelndorf, Ostrau, Porschdorf, Postclwitz, Prossen, Aalhmamlsdorf, Rcmhardtsdors, Schmilka, Schöna, Waltersdorf, Wcndischsährc, sowie für das Gesamtgcbiet der Sächsischen Schweiz, Druck und Verlag: Sächsische Elbzcinmg Alma Hieke, Inh. Walter Hieke. Verantwortlich: Walter Hieke. Anzeigenpreis (in NM.): Die 7gcspaltcnc 35, mm breite Pclitzcilc 20 Psg., für auswärtige Auftraggeber 25, Psg., 85 mm breite Neklamczcilc 80 Psg. Tabel larischer Satz nach besonderem Taris. Bei Wiederholungen wird entsprechender Rabatt gewährt. Anzeigenannahme für in- und ausländische Zeitungen, Eine Geste Hoovers. Auch Amerika zu Zahlungserleichterungen bereit. Washington. Präsident Hoover hat aus die 'Nachricht über das Fiinfmächteablommen in Lau sanne hin, das eine vorläufige Einstellung der Zahlun gen aus den politischen Schuldenabkommen und den Neparationsabinachungen vorsieht, den Führern der europäischen Mächte die Mitteilung zukommen lassen, das) die Negierung der Vereinigten Staaten gewillt sei, auch ihrerseits mit den europäischen Schuldncrmächten Verhandlungen über Zahlungserleichternngen anszu- nehmen, falls die europäischen Länder untereinander eine annehmbare Neparationsregelnng erzielen sollten. Belgien nur für Anpassung der Reparationszahlungen an die Wirtschaftslage. Lausanne. Der belgische Ministerpräsidem Nenlin erklärte in der Vollsitzung der Nepnrntivuslvnsercnz nm Frei tng, die belgische Negierung könne einer glnlte„ Streichung der Repnrntivnen n i ch t z n st i m m e n , da Belgien hiervon nm härtesten von allen Ländern betroffen sein würde. Belgien würde sich jr'bvch einer Anpnssnng der Nepnrntivnsregelnng nn die gegenwärtige Wirtschaftslage nicht widerseuen. Bel gien benötige die Nepnrntivnsznhlnngen für sein sinnnzielles Gleichgewicht Der japanische Botschafter A o shid n erklärte, seine Ne gierung werde jede Lösnng der Ncparnliunsfrnge nnnehmen, die zu einer lleberwindnng der Weltwirtschaftskrise führen könnte. „Schluß mit unnützen Versuchen!" Generaldebatte in Lausanne — Bisher noch keine Einigungsformel gefunden „MW- md Mich Für eilige Leser. e nnlionnlsozinlistischc Fraktion bat im ^ä ch s i scheu Landtag eine» Antrag cingebrachl, m dem die Auflösung des Landtages gefordert wird, da >cmc I» sammcuschung nicht mehr dem Poltswillcn cnstprcchc. * Wie der amtliche Preußische Pressedienst miltcill, ist gemäß dem Beschluß des Landtages alSbald angeordnei wo, de» daß die in den Strafsache» gegen Klaus Hc>m und Gen. und Hellman» und Gen. verurteilten »uv in stra, Haft befindliche» Personen sofort auf freien Fuß gesebt wer den. Es handelt sich insgesamt um o Personen. * Durch ein schweres Eisenbahnunglück bei Great Bridgcford in der Nähe von Stafford «Minclcnglaudi wurden 3 Passagiere getötet und über ein Dutzend Reisende schwer verletzt. Die Zahl der Loichlvcr letzten ist noch nicht scstgcstclll, ist aber sehr groß. * Leber die Gegenrevolution in Chile verlautet, daß der ehemalige Präsident Ibanez von seinem Exil an der argentinischen Grenze aus die Unternehmung in Gang gc bracht habe. Es wird vermutet, daß Ibanez zurückkehrt und wieder die Diktatur übernimmt. Frist zu einen, Ergebnis auf der Konferenz zu gelange». Da der Zinsendienst für die auf den Kapitalmärkten auf gelegten Anleihen durch diese Entscheidung nicht berührt wird, erklären die unterzeichneten Regierungen, daß sic für ihren Teil bereit sind, entsprechend dieser Regelung zu han deln; sie ersuchen die übrigen Gläubiger-Negierünge». die gleiche Haltung einzunehmen " Die Erklärung ist unter- zeichnet von dem Schatzkanzler Chamberlain (England). Ministerpräsident Herriot (Frankreich), Finanzminister Mos coni (Italien), Ministerpräsident Renkin (Belgien). Bot schafter Poshida (Japan). Reichskanzler von Papen begrüßte diese Erklärung als den ersten sichtbaren Beweis des festen Willens der beteiligten Staaten, diejenigen umfassenden und end gültigen Beschlüsse, die ^ic heutige Lage fordert, zu fas sen. „Ich kann nur wünschen", so sagte der Kanzler, „daß die Erklärung von den Völkern, die wir hier ver treten, ja von der gesamten Weltöffentlichkeit in dem gleichen Sinne verstanden wird. Es wäre verhängnis voll, wenn diese Hoffnung enttäuscht würde." Die Kanzlerrede Reichskanzler von Pape» sprach in der geschlossenen Vollsitzung der Konferenz als erster Redner. Einleitend ging er kurz auf die Ausführungen MacDonalds ein, um festzu stellen, daß es sich nicht um ein juristisches Problem handele, da die Haager Abkommen rechtsgültig unterzeichnet seien und von niemand abgeleugnet würden. Es handele sich viel mehr um die heute gegebenen Tatsachen, aus denen die not wendigen Folgerungen zu ziehen seien. Im weiteren Ver lauf seiner Ausführungen gab der Reichskanzler ein groß- angelegtes Bild der Weltwirtschaftslage, zeigte, wie die Weltwirtschaft seit dem Augenblick, wo der Nouugplan im Jahre 29 geschaffen wurde, sich bis heute gewandelt, aus Opti mismus in Pessimismus und Verzweiflung übergegangen sei. Die Arbeitslosigkeit, die Einstellung von Zahlungen einzelner Staaten nach dem Auslande, das Absterben des Kapital- und Kredilvcrkehrs, die Gewichlsverschiebung der Schulden infolge Steigerung des Goldwertes und Fallens der Warenpreise — das alles seien Phänomene, die zeigte», daß eine Neuordnung der Schuldverhältnisse unvermeidlich werde. Im weiteren entwickelte der Reichskanzler de» Zusam menhang zwischen politischer Verschuldung, Goldverteilmig und Güteraustausch. Er zeigte de» Zusammenhang zwischen Handelsbilanz und Goldverteilung, gab ein Bild der jetzigen Kreditfrist, die die Weltkrise des Güteraustauschs überdecke, und betonte, daß in wirtschaftswidrigen Zahlungen die Hauptursache liege. Der Reichskanzler behändeste sodann die Lage in Deutsch land. Er wies darauf hin, daß der Beratende Sonderaus schuß bereits im vorigen Dezember die damalige Skenerbe- lasluug Deutschlands als das Maximum bezeichnet habe, daß man aber trotzdem jetzt »och neue Steuern habe ausschrcibcu müssen, um den Betrieb des Staakes überhaupt aufrecht)»- erhalten. Arbeitslosigkeit, Hoffnungslosigkeit, Radikalisie rung und Schrumpfung des Devisenauskommens, das immer weniger den Zinsen- nnd Tilgungsdienst auch nur für die private Auslandsverschuldung aufbringe» kann, seien Symp tome dieser Entwicklung. Zu de» Einzelheiten des Reparationsproblems über gehend, wies der Reichskanzler darauf hin, daß ma» die Hftempause nicht genützt habe, die Präsident Hoover seiner zeit mit seinem Plane bezweckte, daß ebensowenig die ver schiedenen Empfehlungen der Sachverständigen berücksichtigt worden seien. Lageblatt für die Urschnn, täglich nachmittags X5 Uhr mit Ansnahm^ przugspreis: sret Haus monastich 1,8o NM. adbolcr monallich 1,65 RM., durch die Post 2,00 NM. enychl. Bestellgeld. Einzelnummer 10, mit Illustrierter 15 Psg. — Bei Prodnknonsvcncnernn gc n. «rhöhungen der Löhne und Mmcrialicnprcisc behalten wir uns das Recht der Nachsordcrung vor. „Unterhaltung unt> Missen", „Das Unterhaltungsblatt", „NaS f-ben IM Bild" Siändrge Wochendeuagen. Hrau und ihre Welt", Illustrierte Sonntagsbeilage: Lkven INI Oliv »ich,erscheinen einzelner Nummern insolge höherer Gewalt, Streik, «u-spttrung, Betriebsstörung berechtig, nicht zur B-zugSpreiSkürzung oder zum Anspruch auf Lieferung der Zestung.