Suche löschen...
Sächsische Elbzeitung : 25.06.1932
- Erscheinungsdatum
- 1932-06-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1787841065-193206259
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1787841065-19320625
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1787841065-19320625
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Elbzeitung
-
Jahr
1932
-
Monat
1932-06
- Tag 1932-06-25
-
Monat
1932-06
-
Jahr
1932
- Titel
- Sächsische Elbzeitung : 25.06.1932
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
GüEMMe». Aus dem Landtag Aus der Tagesordnung der nächsten, am 28. Juni statt- sindenden Landtagssijzung steht anher der Fortschung der Beratung der in der Sitzung am 28. nicht erledigten Tages ordnungspunkte noch die Beratung eines deulschnationalen Antrages betreffend die Abänderung des Gesetzes über das Steuerrecht öffentlich-rechtlicher Religionsgesellschaflen. — Die Tagesordnung der Sitzung am 30. Juni sieht u. a. vor die zweite Beratung der Borlagen betreffend den Gesetzent wurf über Ablösung gewisser Markanleihen der Gemeinden und Gemeindevcrbände, den Gesetzentwurf zur Aeuderuug des Allgemeinen Baugesetzes, den Gesetzentwurf über die Grundsteuer für 1932, ferner der Vorlagen über die Ausein andersetzung zwischen Sachsen und dem Reich über die Eigen tumsverhältnisse an den ehemaligen sächsischen Hecresgrund- stücken, über den Geschäftsbericht der Landesbrandversiche rungsanstalt für 1930 und 1931 sowie über den Personen- und Besoldnngsplan der Anstalt für 1931. Der Etat für die Landcsanstallen Im Haushaltsausschuß A des Sächsischen Landtages wurde der Etat für die Klinischen Anstalten, Heil- und Pflege-Anstalten berate». Die Berichterstatterin Frau Abg. Thümmel (SPD) wandte sich scharf gegen das Eindringen parteipolitischer Tendenzen in die Landesanstalten. Sie be antragte, ebenso wie die kommunistischen Abgeordneten, den Posten für die Anstaltsgeistlichen zustreichen, wofür sich aber keine Mehrheit fand. Innenminister Richter hob die aufopfernde Tätigkeit des Gesamtpersonals hervor. Die sogenannte staatliche Aner kennung des in sächsischen Anstalten ausgebildete» Personals sei im Gange. In den Anstalten sei politische Betätigung des Personals nicht zu billigen. In Arnsdorf seien diese Grund sätze nicht lückenlos beachtet worden und entsprechende Matz nahmen veranlaßt. Die Belegungsziffer der staatlichen An stalten ging etwas zurück. Bei Irren- und Epileptischen-An- stalten iviro mit einem durchschnittlichen Tagesbestand von 9200,bei den übrigen mit 1220 Köpfe,n gerechnet. Die stärk sten Ziffern weisen Arnsdorf mit 1720. .Hubertusburg und Dösen mit je 1100 auf. Das Personal beträgt insgesamt 2269 Beamte, 239 Angestellte und 590 Hilfskräfte. Das mit 11,3 Millionen RM in Einnahmen und Ausgaben abschlictzendc Kapitel wurde eiustellungsgcmätz genehmigt. Für die Erziehungsanstalten sind in den Etat 1,9 Millio nen RM eingestellt, wozu ein direkter staatlicher Zuschuß von 226 000 RM zu leisten ist. An Einnahmen aus Verpfleg- gelüern sind 1,5 Millionen RM angesetzt. Diese Beträge wer den vorwiegend aus Mitteln der Bezirksfürsorgeverbünde geleistet. In Frage kommen 208 Blinde, 676 Schwachsinnige. 236 sittlich Gefährdete, 200 Korrcktionäre, zusammen 1320 Köpfe. Der Berichterstatter Abg. Wehle (SPD) hob aus drücklich hervor, datz die Ernährungs-.Kleidungs-und Unter kunftsverhältnisse in den Anstalten einwandfrei seien. Das Kapitel wurde unverändert genehmigt. Gemeinden und Staatshaushaltsplan Der dem Sächsischen Landtag vorgelegte Entwurf des Staatshaushaltsplanes für das Rechnungsjahr 1932 enthält eine Anzahl von Ansätzen, die die Interessen der Gemeinden und Bezirksverbände stark berühren Der Sächsische Gemein- dctaa und der Verband der Sächsischen Bc'ürksvervünde haben sich in einer ausführlichen Eingabe an den Landtag mit diesen Einstellungen beschäftigt. Die kommunalen Spit zenverbände verkennen dabei, wie sie in der Eingabe hervor heben, dnrchaus nicht, daß für das Haushaltsjahr 1932 die außerordentlich schwierige Finanzlage des Staates eine be sondere Rücksicht erfordert, sie weisen aber darauf hin, daß die Finanzlage der Gemeinden und Beztrksverbände sich »och unvergleichlich viel schwieriger gestaltet hat, als die des Staa tes. Die Anträge der kommunalen Spitzenverbände beziehe» sich auf die Summen, mit denen die Ansprüche der Vezirks- fürsorgcverbände für die Unterstützung von Lnndeshilfsbe- dürstigen und ihre Ansprüche aus Verpslegkostenermäßigung iu den Landcsanstalten zufolge Notverordnung abgegolten werden und die namentlich im ersten Falle nur etwa die Hülste des tatsächlichen Bedarfs der Gemeinden und Bezirks verbände decken und danach eine untragbare Lasten- verschie bung zu ihren Ungunsten bedeuten. Ferner wenden sich die kommunalen Spitzenverbände gegen eine zu weitgehende Kürzung der Unterstützungen für Ban und Unterhaltung kommunaler Wege, insbesondere aber gegen die Verweisung der Beihilfen zur Beseitigung der Hochwasserschäden vom Jahre 1932 aus diese für den Nor- malbedars bestimmten EtatmiUcl. Die kommunalen Spitzen- verbändc stellen dabei scsi, daß die Ausgaben für den kom munalen Wegebau wesentlich stärker gekürzt werden als die Ausgaben für die Staalsstrahenvermaltung und protestiere» dagegen, daß die vom Landtag im Vorjahr beschlossene Hö herdotierung des Wegebailstocks entgegen den Absichten des Landtags von der Regierung zum Anlaß für eine Kürzung der uebcuher i» de» Etat eingestellte» Wcgebauuuterstiitzuu gen genommen wird. Weitere Anträge haben die Herabsetzung der Beihilfen an Gemeinden zur Unterhaltung und zum Ausbau des Schul wesens in seinen verschiedene» Gattungen zum Gegenstand. Hier gehen die Kürzungen über die tatsächlichen Ersparnis möglichkeiten hinaus, enthalten also nicht nur absolut, son dern auch im Verhältnis zum Bedarf eine empfindliche Schmälerung der Staatszuschüsse. In der Eingabe wird be sonders darauf hingcwiesen, daß noch viele Gemeinden aus früheren, unzureichend finanzierten Schulbauten mit Kapital ader Zinsverpsüchtnngen überlastet sind, so daß nichts übrig vleibt, als Beträge, die in den Vorjahren als Darlehen be willigt worden sind, nachträglich in Beihilfen umzuwandeln. Ausllang der RMeisentagung Dresden, 25. Juni. Die zweite öffentliche Hauptversammlung des Deutschen iaudwirtschaftlichen Gcuossenschaftstages wurde mit dem Re ferat des Professors Dr. Lang-Königsberg eingeleitet; es behandelte die Arbeit der landwirtschaftlichen Genossenschaf ten bei der Ueberwindung der Wirtschaftskrise. Anschließend sprach Landrat a. D. von Hertzberg-Berlin vom Ver kaufsverband der Norddeutschen Molkereien über notwen dige Maßnahmen zum Schutz der deutschen Butterwirtschaft. Er forderte eine Ausfallbürgschaft des Reiches für die Ein lagerung nicht verkaufsfähigcr Butter. Dann behandelte Di rektor Dr. Ha scl bc rgcr München das Tbema „Der 31. Juli und die ländlichen Kreditgenossenschaften". Im Anschluß hieran »ahm der Ncichskommissar für das Vcmkgcwerbe, Ministerialdirektor Dr. Ernst, das Wort zum Kredit- und Zinsproblem und ging zunächst auf das Zinsabkommen mit den landwirtschaftlichen Genossenschaf- s ten ein. Er bcartttztc es. daß von aenossenschgstlichcr Seite die Herabsetzung von Zinsspannen angeregt worden sei und bat die Genossenschaften, nicht müde zu werden und sich weiter in dieser Richtung zu betätigen Bezüglich der Krc- ditkontrolle müsse das jetzt bestehende Durch- und Neben einander unbedingt aufhören. Es wäre Aufgabe der Regie- , rung, auf Vereinfachung und Verbilligung der Kreditkontralle hinzuwirkeu. Hinsichtlich des Burgfriedens zwischen den land wirtschaftlichen Genossenschaften und den Sparkassen betonte er, datz er es sich nicht varstellc» könne, datz der Gedanke des Burgfriedens nicht auch bei de» Sparkassen Anerkennung finden sollte. Das letzte Referat erstattete Verbandsdirektor. Staatsan maltschaftsrat a. D. Professor H u g u e » i n - Königsberg, über die Bedeutung der Revision und Betriebskontrolle in heutiger Zeit. Reichsminister a D. Dr. Hermes, der die Tagung geleitet hatte, schlotz hieraus die Versammlung mit den besten Wünschen. Tagung des Jnlcrnalionaicn Missionsrates in Herrnhut Herrnhut. Hier wurde die Tagung des Internatia- ualen Missionsrates, die aus Anlaß des 200jührigen Jubi läums Herrnhuter Missionsarbeit nach hier gelegt worden ist. eröffnet. Zu dieser Tagung sind 56 Teilnehmer aus allen Ländern der Welt, darunter zwei aus Deutschland, einge troffen. Die Begrüßungsfeier leitete Dr. John Matt-Nciv- Aork. Er sprach über die Beziehungen Herrnhuts zur Mis sion und feine weltweite Bedeutung. Der Vorsitzende des Deutsch-evangelischen Missionsbundes und ein Vertreter einer französischen Missionsgesellschaft sprachen das Gebet, wor auf der Bischof von Salisbury die Versammlung schloß. Am Freitagvormittag trat der Internationale Missionsrat unter dem Vorsitz von Dr. Mott zusammen. Unter anderem sprach der Generalsekretär der Evangelisch-kirchlichen Missionsge iellschaft, W. W. Cash. Der Vertreter der deutschen Mis sionsgesellschaften, Professor Schlnnk-Tübingcn, führte aus, daß heute 15 Jahre nach Beendigung des Krieges die Arbeit der deutschen Missionsgesellschaften noch nicht überall ln Freiheit geleistet werden könne. Aufgabe des Internationalen Missionsrates werde es sein, hier für Besserung zu sorgen. Als Vertreter der christlichen Kirchen aus den verschiedenen Missionsgebicten ergriffen Inder, Japaner und ein Philip- />me das Wort. Anch mehrere Amerikaner griffen in die Ver- Handlungen ein. Am Sonntag wird im Fruhgottesdienst der Bischof van Salisbury die Predigt halten. Die letzte Tagung des Internationalen Missionsrates hatte in Jerusalem stat^- aesunden. Das Bodenrechi in Sachsen Eine wesentliche Förderung hat der Wohnungsbau in Sachsen dadurch erfahren, daß die sächsischen Gemeinden in erheblichem Unifang von ihrem Grund und Boden Land im Erbbaurecht zur Verfügung gestellt haben. Insgesamt sind bis 1931 769 Hektar unter Erbbaurecht gestellt worden, allein im Jahre 1931 32,5 Hektar. Auf dem gesamten in Erbbau recht ausgegebenen Bauland befinden sich rund 19 000 Woh nungen. — Auch das Neichsheimstättenrechl Hal in de» leis ten Jahren in Sachsen erfreulicherweise weiter Eingang in die Praxis gefunden. Insgesamt befanden sich in Sachsen Ende 1931 6212 Neichswohnhcimstätten und 1175 Neichs- gartenheimstätten. Die Reichswohnhcimstätten umfaßten ins gesamt 163 Hektar, die Neichsgartenheimstättcn 106 Hektar. 1931 sind neu errichtet worden 190 Neichswohn- und 5*1 Reichsgartenhcimstätten. Oopirigy» 193) 07 Nori Köhler » Co Berlur-Zehtendork. (23. Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.) Mit einem Gesühl von jäh ausspringendcm Stolz betrachtete er das Bild. Wie liebreizend sei» Kind war. Mare, dachte er. Gar so lebendig war sie in Christina geworden. Ein starker Woklgcruch umschwebte ihn plötzlich und eine rasche Hand griff über seine Schuller weg nach dem Blatt. Liane stand hinter ihm und lachte jetzt ihr splitternd Harles Lachen. „Aha, deshalb so verliest, eine Abbildung der gnädiger Tochter. Was Hal sie denn angestellt? Weshalb wird ihr denn soviel Wichtigkeit zugesprochen? Hal sie eine Banl ausgcraubt oder lanzt sie über den Köpscn der Berliner auf dem Seil?" Franz Heynau erhob sich, unangenehm berührt von Liane? allzu starl aufgctragencm Epoll. „Es ist Zeit zur Probe", sagte er und etwas unterstrichen fügte er hinzu: „Wenn du dir die Mühe gemacht hättest, die paar Zeilen unter dem Bild zu lesen, würdest du fosorl gewutzl haben, daß Christina viel beachtete Vorträge über Astronomie in Schulen und Volksbildungsvereincn hält." Liane warf das Heft, das sie noch immer in der Neckten hielt, nachlässig aus das nächste Tischchen. „Jesses, und wegen so einem Schmarrn opfert der Verlas eine halbe Seile. Ich sinde, es ist eine starte Zumutung an dic Käufer des Blattes, ihnen den Alltagsbacksisch vorzusetzen, al° wenn ernsthafte Leistungen öahinterständcn. Komm, gehen wir." Schweigsam traten die beiden den nur kurzen Weg an unk bis nach der abendlichen Vorstellung ward das Thema wie au^ Verabredm-o "icht mehr berührt. Aber Franz Heynau halte sich am Nachmittag die Zeit schrift getauft und einen langen zärtlichen Bries an Christina ge schrieben. Er war traurig, niemanden zu haben, mit dem er über sein Mädchen sprechen konnte. Die Frau, die ihm am näch sten stehen sollte im Leben, stand ihm ja in Wirklichkeil welten fern, Liane, die Christina eine mütterliche Freundin hätte jein müssen, war ihre ausgesprochene Feindin und jedes gute Wort, das Christina gatt, llang ihrem gereizten Ohr als Beleidigung. Nach der Vorstellung ging man mit ein paar Kollegen noch in ein Restaurant, um gemeinsam zur Nacht zu essen. Ein Schau spieler, der neben Liane saß und ihr auffallend den Hos machte, was sie sich stets sehr gern gefallen ließ und ihren Mann längst nicht mehr störte, sagte zu ihr: „Verzeihen Sie, meine gnädigste Frau, eine neugierige Frage, aber es ist stärker als ich. Da sah ich heule in einer Ber liner Zeitschrift ein Bild, eine Tochter Ihres Galten aus erster Ehe, wie dabei bemertt war, und nun möchte ich gern von Ihnen wissen, ob die junge Dame in Wahrheit hält, was das Bild verspricht. Ich meine, ist sic wirklich so bezaubernd lieblich wie aus dem Bilde?" Franz Heynau hatte zufällig aufgesangen, was der Schau spieler gesprochen und empfand nun ein leises Unbehagen. Was würde Liane antworten? Sie besaß hoffentlich Takt genug, jetzt ihren kleinlichen Haß gegen Christina für kurze Zeil niederzuzwingen. Er äugte vor sichtig zu seiner Frau hinüber und sah das mokante Schürzen ihrer roten Lippen, das böse Funkeln ihres goldumränderten Ein- ulalcs. „Verehrter Kollege", lam cs übcr ihre spöttisch geschürzten Lippen, „ich muß Ihnen da leider eine Illusion zerstören. Die Tochter meines Mannes ist ein blondes Durchschnittsgänschen mit den eckigen Bewegungen einer altjüngferlichen Lehrerin." Franz Heynau ließ seine Gabel gegen den Teller klirren und scharf sprach er: „Meine Frau irrt, Herr Kollege, meine Tochter ist wunder hübsch." Dic anderen Schauspieler blickten erstaun!. Nanu, was war denn los, weshalb redete der Heynau denn in so aufsallend ge reiztem Ton? Liane lächelte harmlos. „Lieber Franz, über den Geschmack läßt sich ja bekanntlich nicht streiten, du findest Christina wunder hübsch. ich sinde sie dagegen ziemlich reizlos. Es ist ja gleich, wer von uns beiden recht hat. Schweigen wir darüber und las sen wir uns nicht durch Meinungsverschiedenheiten die gute Laune verderben." Sie beachtete ihn nicht mehr und neigte sich koke» ihrem Nachbar zu. Im Hotel angckommcn, stellte Franz Heynau Liane zur Nede. „Ich verbitte mir, daß du so nebenher und mißachtend von meiner Tochter sprichst", sagte er erregt. „Nun, nun, ereifere dich nur nicht zu sehr, mein Lieber", erwiderte sie talt, „meinst wohl gar, deine Tochter sei etwas Be sonderes, weil ein Blatt ihr Bild brachte." Franz Heynau nickte lebhaft. „Natürlich meine ich das, denn gerade diese Wochenschrift bringt nur Bilder von Personen, die wirklich etwas Besonderes sind oder leisten." Liane zuckle die Achseln. „Wenn du meinst, es sei etwas Besonderes, solche von ihrem Professor gut eingepaukten Vor träge zu halten " „Soviel ich weiß, brachte diese Wochenschrift dein Bild bis jetzt noch nicht." Im Nu verwandelte sich ihr Gesicht, sie fühlte sich an ihrer empfindlichsten Stelle getroffen, denn sie hatte sich stets geärgert, wenn die vielverbreitetc Wochenschrift Bilder anderer Schau spielerinnen veröffentlicht hatte und bisher immer an ihr vorbei gegangen war. „Laß mich mit dem dummen Blatt in Ruhe", fuhr sie ihn gereizt an, „es wurden im Laufe der Jahre so viele Bilder von mir gebracht, daß es mir ganz gleichgültig ist, ob man eins mehr bringt und wer das tut. Im übrigen bin ich müde, morgen müs sen wir früh heraus!" Er sagte ingrimmig: „Ja, morgen früh geht die Hetzjagd weiter, ruhelos wie Vagabunden ziehen wir von Ort zu Ort." — Sie blinzelte ihn spöttisch an. „Laß nur, Verehrtester, du wirst bald von deinem Joch erlöst sein, wenn unsere Gastspiel serie zu Ende ist, darfst du am „Stadttheater zu Neutomischl" oder „Kyritz an der Knatter" den braven Spießern etwas vor- mimen." Er antwortete nicht, aber das Haßgefühl, das er schon so oft in sich gegen Liane verspürt, war plötzlich in bisher noch nie emp fundener Stärke da und verschlug ihm förmlich den Atem. Er wußte, wenn er jetzt sprach, hätte er etwas sehr Häßliches und Böses gesagt. -i- * - . -i- Es war Vormittag. Karl Lüdinghofen ging durch di« Straßen der Provinzstadt, er hatte einige Besorgungen erledig', und der Zufall führte ihn in die Nähe der Gasse, wo vor Jah ren einmal der Schauspieler Heynau mit der kleinen Christina gewohnt hatte. Oh, wie die Erinnerungen da jählings auf ihn losstürmlen. Förmlich benommen blieb der hochgewachsene Mann sieben. Er wollte lehrlmachen, da stand eine kleine mollige Frau vor ihm. Sie grüßte den stadtbekannten Herrn respektvoll. Er rückte leicht an seinem Hut, stutzte und fragte: „Woher kennen wir uns eigentlich?" Die Frau lachte breit und behaglich. „Sic waren einmal bei mir beim Schauspieler Heynau und später kam dann die kleine Christina zu Ihnen." Ja, er erinnerte sich. „Sic sind also Frau Wedeler, richtig, nun weiß ich Be scheid." Er stand unschlüssig. Vielleicht wußte die Frau etwa» über Christina? Er sagte: „Fräulein Heynau lebt jetzt bei ihrem Vater in Berlin, wissen Sie das?" Die Frau nickte. „Wenigstens habe ich es mir gedacht, weil sie doch jetzt die Vorträge in Berlin hält." „Was für Vorträge?" fragte er erstaunt und nach kurzem Hin- und Herreden folgte er der Frau ins Haus und da sah e> Christinas Bild in der Wochenschrift und las förmlich erschüttert die wenigen Zeilen der Erklärung, die dem Bilde beigegebe» waren. „Wo haben Sie das Blatt her?" forschte er hastig. Frau Wedcler lachte: „Aber Herr Lüdinghofen, das kan> man doch in jeder Buchhandlung und an jedem Zeitungsstand lausen." Die Frau geleitete ihn zur Tür. „Daß noch mal sowas aus der kleinen Ckristina werden würde, hätte ich nicht geglaubt, habe mich immer über sie lustig gemacht, wenn sie des Abends zu den Sternen aufstarrte." Lüdinghofen kehrte heim in fein Arbeitszimmer und grübelte: Weshalb hatte Dorothee nicht geschwiegen, weshalb halte sie ihm mit ihrer unwürdigen Eifersucht die Binde von den Augen ge- rissen. Er hatte so fest und starl an seine väterliche Liebe z« Christina geglaubt, weshalb mußte ihre häßliche Nede ihm die Binde Niederreißen, auf daß er sah, was er doch nimmer hätte sehen dürfen: Daß er Christina in Wahrheit lieble. O, dreimal unselige Erkenntnis! Er lächelte das Bild an: Kleine Christina, bist etwas gewor den in der Welt, tausende von Augen sehen dein Bild, lesen, was du junges Geschöpf leistest. Er sagte laut: Ich bin stolz auf dich, Christina! dann erhob er sich und ging langsam durch das Zimmer. Wenn er nur hätte arbeiten können, um die Gedanken unlcr- zulriegen. Immer noch suchte er vergeblich nach der braunen Ledermappe, die das Material für seine zu schreibende Broschüre über Doppelsternsysteme enthielt. Rätselhaft war das Verschwin den und für ihn entmutigend und niederdrückend, denn irgendeine andere Arbeit zu beginnen, fehlte ihm die Lust Die vermißte Mappe barg, was ibn setzt wieder arbeitsfroh hätte machen können. Dorothee trat nach kurzem Anklopfen ein „Geheimrat Sührsen und Frau bitten uns für Sonntag zu Tisch, ich will dich natürlich befragen, aber wir nehmen doch selbstverständ lich an " „Das ist nicht selbstverständlich, du weißt, daß ich den Ver kehr mit Sührsens etwas einzudämmen wünsche, weil mir der Sohn des Haukes unsympathisch ist." Dorothee wg die Stirne kraus. „Groll» du ihm noch immer, weil er Christina einmal ver liebt angeguckt Hot? Das ist doch mindestens komisch und wir können Geheimrats nicht um solcher Bagatelle willen vor den Kopf stoßen, sonst muß ich wirklich glauben, dein Herz ist bei der Sacke mebr beteiliat als es darf." (Fortsetzung folgt-
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)