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Sächsische Elbzeitung : 10.06.1932
- Erscheinungsdatum
- 1932-06-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1787841065-193206100
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1787841065-19320610
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1787841065-19320610
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Elbzeitung
-
Jahr
1932
-
Monat
1932-06
- Tag 1932-06-10
-
Monat
1932-06
-
Jahr
1932
- Titel
- Sächsische Elbzeitung : 10.06.1932
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Sächsischer Landtag Aussprache iiber den Etat Dresden, 10. Juni. Die Tagcsordmmg der Lmidtgtzssitzung an. Doimerstag ,nlt lediglich der Beratung des Etats für das Rechnungsjahr 1032/33. Die Aussprache wurde eröffnet durch de» Abgeordneten Edel (So,;.), der die Abstriche des Etats für kulturelle Zwecke bemängelte. Der Redner beschäftigte sich im übrigen mit der jüngsten Entwicklung der Neichspolitik. Abg. Siegert (Dnt.) wandte sich gegen die SPD rind gegen jede Verbindung zwischen nationaler und sozialistischer Wirtschaft. Er kritisierte den Berliner Zentralismus und wies auf die Zurückseüung hin. die Sachsen dauernd in Ber lin erfahre. Sachsens finanzielle Selbständigkeit sei nach und nach vollkommen geschwunden. Die Sächsische Regierung habe die dringende Pflicht, sich in Berlin gegen den Zentralis mus zu wenden und von der Ncichsrcgierung zu verlangen, die finanzielle Verantwortung für die Not der sächsischen Ge meinden zu übernehmen. Der Redner kündigte für die zweite Lesung des Etats einen entsprechenden Entschlieszungsantrag seiner Partei an. Er ging weiter aus die einzelnen Etatkapi tel ein und betonte, das; die Beamten durch die Gehaltskür zungen unter das Besoldungsniveau von 1027 gesunken seien. Erforderlich sei eine allgemein durchgeführte Verwaltungs reform. Abg. Siegert trat schliesslich für die Schaffung der christlichen Bekenntnisschule ein Abg. Renner (Koni.) wandte sich schars gegen die Aus führungen des Finanzministers zum Etat sowie gegen die Darlegungen der Vorredner. Er kritisierte namentlich die Drosslung der Wohlfahrtsausgaben. Den Freiwilligen Ar beitsdienst lehne seine Partei ab; auch der Etat sei grundsäh- lich abzulehnen. Abg. K u n z (Nats.) hielt dem Abg. Edel vor, das; dieser wohl gegen die Staats- und auch die jetzige Ncichsregicrung Vorwürfe erhebe, aber ganz vergessen habe, aus die Notver ordnung des Kabinetts Braun einzugebcn. Der Redner ent wickelte das nationalsozialistische Programm; den Etat lehne seine Partei aus politischen und sachlichen Gründen ab. Abg. H e n tis ch e l (Wp.) unterstrich die Forderung auf Rcichshilfe für Sachsen nnd stellte das ernste Streben der Regierung fest, den Haushaltsplan auszugleichcn. Abg. H i ck in a nn (DBP) nannte den Etat ein c r s ch u lern des Dokument deutscher Notzeit. Er kri tisierte scharf die Abstriche am Kulturetat, verlangte durch greifende Neuordnung der Arbeitslosenfürsorge sowie Ab bau der Steuer überbürdung und der W o h - n u n g s z w a n g s w ir t s ch a f t. Der Redner wandte sich ebenfalls gegen den Berliner Zentralismus und meinte, bei der notwendigen Reichsreform gehe cs um die gesamte verfassungsrechtliche Struktur des Reiches. Für die Zwecke der Arbeitsbeschaffung sollte die Negierung zur sofor tigen Verausgabung vorhandener Mittel ermächtigt werden. Gerede um Landtagsnuslösung und ReilhslommWr Abwehr des Ministerpräsidenten Abg. Claus (Staatsp.) wünschte eine schnelle Erlcdi- anna der Etatberatuna. damit bei u n v a r h e r a e s c h e n en ZwischcnsaIle n, etwa bei einer Landlagsauflösung, keine Schwierigkeiten entstände». Äbg. Lasse (Volksnat.) zollte der Regierung hohe An erkennung dasür, daß sie als erste in Deutschland den Frei willigen Arbeitsdienst eingerichtet habe. Abg. H arts ch (Soz.) griff den Etat und die Regierung scharf an und fragte u. a., wie die Mgierung sich zur Ein setzung eines Reichskammissars in Sachsen stellen würde. Ministerpräsident Schieck wies zunächst verschiedene Angriffe der Vorredner zurück und erklärte dann, das; die Einsetzung eines Reichskommissars in einem Land immer ein Vorgang sei, der auch sür andere Länder von Bedeutung sei. Sollte es in Preußen zur Einsetzung eines Reichskomtnis- snrs kommen, so müsse abge.varlet werden, inwieweit der Reichspräsident dasür eine oder die andere Voraussetzung des 8 48 der Rcichsversassung als gegeben erachte. Mas Sach sen angehe, jo klebten weder er noch seine Minislcrkallege» an ihren Aemlern. Er müsse aber erklären, das; die Sächsische Regierung auch als gcschäslssührende nach Reichs- und Landes verfassung verpslichlet sei, die Selbständigkeit des Landes zu wahren. Eine geschästssübrendc Regierung sei bei gewissen Voraus setzungen verfassungsmäßig vorgesehen. Und die Tatsache, daß eine Regierung nur gcschäflssührend sei und als solche besiehe, genüge nicht, sie durch einen Reichskommijsar zu er- sehen. Ebensowenig seien Etat- und kasjenschwicrigkcUen. die eine vom Gefühl ihrer Verantwortung voll erfüllte Lan- oesregierung nicht zu überwinden vermöge, ein hinreichender Anlaß, die Landesregierung durch einen Reichskommisjac zn ersehen. Damit wäre nämlich weder dem Lande noch dem Reich geholfen. Die sachliche Hilse, die einem in unüberwind liche Schwierigkeiten geratenen Lande durch das Reich gelei stet werden müsse, würde diesem wahrscheinlich icurer, erheb lich leurer zu stehen kommen, wenn nicht eine Landesregie rung dazwischen geschaltet wäre, sondern wen» die Reichsre gierung mit der Bestellung eines Reichskommisjars die un- mitlelbare Verantwortung selbst übernähme. Die Einsetzung eines Rcichskommissars sei nur gerechtfertigt, wenn dem Reich durch ein Land Gefahr drohe. Nach weitere» Ausführungen der Abgeordneten M a ck (Volksrp.), Fischer (Christlsoz.) und Siegel (Kom.) kam es zur Abstimmung. Zmiächsl wurde ei» volkspartcilicher Antrag auf Ermächtigung der Regierung zur Vorwegnahme von Lialmilteln zur Beschaffung von Arbeitsgelegenheit ein stimmig angenommen. Hieraus wurde der Etat einstimmig de» entsprechenden Ausschüssen überwiesen. Ein inzwischen cingcgangener kommunistischer Antrag, die Regierung zu beauftragen, auf der in Berlin stattfindende» Konferenz der Ministerpräsidenten schärsstens gegen die Negierung von Papen Stellung zu nehme» und gegen jedes Verbot prole- ! torischer Organisationen aufzrtrete», kam nicht zur Abstim mung, da Widerspruch erfolgte. Damit war die Tagesord nung erschöpft. In der nächste» Woche findet keine Vollsitzung statt. Es bleibt dem Landtagsvorstand überlasse», Zeitpunkt und Ta gesordnung der nächsten Sitzung fcstzusetzen. Der Plauener haushalt abgelehnl Die Stadtverordneten von Plauen lehnten nach fünf stündiger Beratung den Haushaltsplan, der mit einem Fehl betraa von rund 1 üOO OOO NM abschtießt. init knapper Mehr- Das tägliche Nundfunkprogramm Nmidsmikprogramm für Sonnabend, 1l. Juni Leipzi g-D resden 6,MI Funkgymnastik; 6.15 Frühtonzert; 10,10 Schulfunk: Auf der Lotsenstation; 12,00 Kammermusik, 11.: 0 Kindcrstunve: Spie len nnd Bnilcln; 15,15 BekanManbe der 12. Ausgabe des Schach- problcm-Löiungsturniers des Mitteldeutschen Rundfunks; 15,20 Arbcitsmarktbcricht des Landesnrbcitsamls Sachsen; 16,00 Funk- beratung; 16,30 Stunde der Jugendlichen: Lustige Erlebnisse aus einer Fugrei^c durch Europa; 17,00 Unterhaltungskonzert; 18,30 ! Deutsch: Wir gehen unter die Schriftsteller; 18,50 Gcgcnwnrts- lexikon; 19,00 Wie sieht cs in Südwcstafrika aus? 19,30 Chov- ! kanzcrt des Chemnitzer Volkschors; 20,00 Soldatenlieder und Mi- l litärmusik aus drei Jahrhunderten; 22,05 Nachrichtendienst; an- ! schließend Tanzmusik. Glcichblcibendc Tagcösolgc: 10,00 Winschastsnachrichlcn, 10,05 Wetterdienst nnd ver- i kehrssunt; 10,10 Was die Zcitnng bringt; 11,00 Werbcnach- richtcn außerhalb des Programms der Mitteldeutschen Rund- iunk A. G.: 12,00 Wetterdienst- und Wasscrstandsmcldungen; 15,10 und 17,30 Wirlschaftsuachrichlc» und Wettervoraussage. K ö n i g s w u st e r h a u j e n. 5.15: Aus Hamburg: Wetterbericht sür die Landmirtschast. — 6.00: Aus Berlin: Funk-Gymnastik. — 6.15: Aus Hamburg: Wie derholung des Wetterberichts. — Anschließend bis 8.15: Aus Ber lin: Frühkonzert. — 9.00: Stunde der Unterhaltung: Allerlei Kurzweil aus dem Rokoko. — 10.00: Neueste Nachrichten. — 10.10: Schulfunk- Aus der Lotsenstation. Ein Horbcricht. — 12.00: Aus Hamburg: Wetterbericht sür die Landmirtschast. — Anschließend: SchaUplatten-Kanzcrt. — Anschließend: Wiederholung des Wet terberichts. — 13 30—15.00: Berliner Programm. — 15.00: „Graf Zeppelin." — 15.30: Wetter- und Börsenberichte. — 15.15: Frauen» slunde: „Konserven- und Daucrwarenprllfung durch Acquator- reise." — 16.00: Lob dos Blau. — 16.30: Uebcrtraaung aus Ham burg: Nachmitlagskonzert. — 17.30: Viertelstunde für die Gesund heit: „Vom unnötigen Altern." — 17.50: Ausslchtswarten am pom- merschen Strand — 18 05: Musikalische Wochenschau: „Abbau der Schulmusik" — 18.30: „Der Ausbau eines zivilen Luftschutzes." — 18.55: Wetterbericht für die Landwirtschaft. — 19.00: Englisch für Anfänger. — 19.30: Stille Siunde: „Laut und leise." — Anschlie. ßend: Wiederholung des Wetterberichts. 20: Pom Heldcnplatz, Wien: Soldatenlieder u. Militärmnsik ans 3 Jahrhundert. Die Militärkapellen der Jnf.-Regt. Nr. 2, 3, 1 und 5.'Ein Soldaten chor. — Zeitansage usw. — Danach bis 0.30: Aus dem Park restaurant „Südende": Vom Sommerfell des Vereins für das Deutschtum im Ausland, Tanzmusik (Kapellen Bruno Mahnkopf und Gerhard Hoffmann) heit ab. Annahme sand lediglich der Antrag, die Grund- und Gewerbesteuer wieder in Höhe von 125 Prozent zu erheben. , Ein Antrag, die Bürgersteuer in der gleichen Höhe wie im Jahre 1931, also mit 400 Prozent einzuziehen, wurde ein- ! stimmig abaclclmt. Leipzig. G c r i ch t s v o l l z i e h e r. t ä t l i ch ange griffen. In der Lange» Straße sollte durch einen Ge richtsvollzieher die Räumung einer Wohnung durchgesührt werden. Vor der festgesetzten Zeit wurde der mit der Durch führung beauftragte Beamte in der Maricnstraßc von einein Mann angesprochen, vor die Brust gestoßen und ihm mit Gewalt die Aktentasche mit Aktenstücken, Siegelmarken und verschiedenen Effekten aus der Hand gerissen. Der Täter flüch tete nach der Kreuzstraßc zu und entkam, da der Beamte von etwa sechs unbekannten Männern und zwei Frauen fest- gehalten wurde. Oop^rtgt» 1931 v; Kor! Köchet » Co.. Berttn-Zehlendors. (10. Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.) Christina aber halte sich an jenem Abend, da sie an Karl Lüdinghofens Arm im Freien gewandelt und die Sterne bewun dert, einen leichten Rückfall der Krankheit geholt. Der Arzt ver ordnete einen mehrmonatlichen Aufenthalt in der südlichen Schweiz. Frau Dorothee verspürte nicht die geringste Lust dazu, aber ein einziger Blick ihres Mannes rief ihr ins Gedächtnis zurück, daß sie gelobt: Christina fortan zu halten, als sei sie ihr eigenes Kind, es sie niemals empfinden zu lassen, daß sie eigent lich eine Fremde war und ihr Heimatsrecht im eigenen Heim zu geben, solange Christina selbst cs wünschte. Man reiste nach Mcnlonc, und als Franz Hcynau Hochzeit scierle, tonnte seine Tochter nicht teilnchmen. Karl Lüding- hofens Broschüre blieb zunächst ungeschrieben und wurde zurück- gelegt für den nächsten Herbst und Winter. In Mcnlonc gesun dete Christina volllommcn, und nachdem man den Sommer in Echeveningen verbracht, kehrte Christina schlank und kräftig, mit leicht gebräunten Wangen, zurück. Sie war nun siebzehn Jahre, und Karl Lüdinghofen wünschte, daß sie tanzen lerne und wie eine Tochter des Hauses der Gesellschaft gegenüber gehalten würde. -I: -i- Nauher Oktoberwind trieb sein Unwesen, heulte und lobte, riß nicht nur müde Herbstblälter von den Bäumen, sondern knickte auch ab und zu einen Ast oder langte sich mit seinen brutalen Unholdshänden Schiefer oder Ziegeln von den Dächern und ließ sie durch die Lust zur Erde sausen, als sei das ein sehr unter haltsames und vergnügliches Spiel. Vor der Villa Astronomin fuhren viele Wagen an, es sand große Abendgesellschaft statt, in der Christina zum erstenmal als junge Dame auslrcten sollte. Die Nolle der Haustochter kleidete sie reizend, sand Karl Lüdinghofen, dessen Blicke ihr zufrieden und glücklich folgten. Wie entzückend hatte sich das Kind entwickelt, das ihm der Zufall vor nunmehr fünf Jahren in den Weg geführt hatte. Aber nicht nur Dr. Lüdinghofen stellte das fest, sondern die Augen der meisten jüngeren Herren leuchteten wohlgefällig bei Christinas Anblick aus. Sie trug ein blaßblaues Kleid mit schmaler weißer Bor düre und ihr natürlich gewelltes Haar war im Nacken in brei ten Flechten aufgcsleckt. Um den Hals hing ihr an fadendünner Plalinlettc ein schöngeschnitztes Elfenbcinmcdaillon. Einfach sah Christina aus, aber zu ihrer fremdartigen nordischen Schönheit paßte die etwas streng betonte Einfachheit. Karl Lüdinghofen wußte, daß Christinas Mutter von Jütlands brauner Heide stammte. Mein Kind ist eine süße, schlanlc Nordlcmdspriuzessin, dachte er, und als man dann zum Tanz antrat, holte er sich sein Töchterchen zum Walzer. ,NK'e leicht du tarnest. Christina", sagte er bewundernd. Sie ward ein wenig rot vor Freude über das Lob. Dabei gestand sie: „Weißt du, Onkel, eigentlich macht mir die Tanzerci gar nicht so besonders viel Vergnügen, aber mit dir tanzt es sich herrlich. Am liebsten würde ich jeden Tanz mit dir tanzen." Karl Lüdinghofen wehrte ab. „Ach, Kindchen, das ist nun mal so 'ne Redensart, würdest dich bestens bedanken, mit mir altem Nußknacker mehr als einen Walzer abzu'wpson." Sie schmiegte sich im Nhythmus der Musik enger an ihn. „So etwas darfst du nie wieder sagen, hörst du. Du bist immer jung unb - —" Sic brach ab, und in ihren jungen Augen leuchtete ein ; schwärmerischer Glanz auf. Der Walzer war zu Ende und Dr. Lüdinghofen ging zu seiner Frau, die in einem offenen Neben- ! raum Hof hielt. Sie lächelte ihm entgegen, aber es war dabei ; ein vorwurfsvoller Zug in ihrem Gesicht, der ihm nicht gefiel. ! Er war sich zwar keiner Schuld bewußt, aber der vorwurfs- j volle Zug schien ihm irgendwie mit seiner Person zusammen zuhängen. Eine Lösung dieses Nätsels ward ihm auch an diesem Abend nicht mehr zuteil, sondern erst am nächsten Vormittag. Christina war in die Malstunde gegangen, denn sie besaß entschieden Maltalent, und Karl Lüdinghofen wünschte, daß es nach Kräften gefördert würde. Kaum hatte Christina das Haus verlassen, betrat Frau Dorothee das Arbeitszimmer ihres Mannes. Er war cs nicht gewohnt, um diese Zeit von ihr gestört zu werden. „Du wünschest, liebe Dorothee?" Eine leichte Ungeduld war in seiner Stimme. Er liebte es nicht, in seiner Arbeit unterbrochen zu werden. Sie nahm in einem bequemen Leder sessel Platz, machte ein etwas unschlüssiges Gesicht, doch dann blitzte es angriffslustig in ihren Augen auf. „Christina ist zur Malstunde, die Gelegenheit muß ich be nutzen, um dir zu sagen, daß deine Art, mit ihr umzugehen, wirklich nicht mehr die richtige ist. Gestern abend war ich ein fach empört über dich und gewissermaßen auch über Christina. Frau Geheimrat Sührsen meinte, du müßtest wohl dein Pflege- löchterchcn sehr lieb Haden, denn es sei geradezu rührend, wie ihr beide miteinander Walzer tanztet. Die alte Frau Kressin lächelte mich ganz gerührt an und äußerte: Wie ein verliebtes Paar hät tet ihr getanzt." Sie sprach lauter: „Dieser Walzer wäre von euch beiden besser ungctanzt geblieben, denn er enthülste, was besser sür immer verborgen gedlicben wäre." Jede Muskel seines scharfgcschnittene» Gesichts war plötz- > sich angespannt. Kurz und hart fragte er: „llnd was enthüllte dieser Walzer?" Frau Dorothee erschrak vor des Mannes Blick nnd vor ; seinem Ton. Ihre Eifersucht batte sie zu weit gehen lassen. Wer ! weiß, welche Folgen sie für sich selbst heraufbeschwor, wenn sie s die Frage ekrlich beantwortete. Sie wagte cs nicht, und aller Mut fiel jählings von ihr ab. Sie sprang auf und flog ihm um den Hals. „Vergib, meine Gedanken sind sa töricht und unsinnig, wir wollen nicht mehr darüber reden, aber ich habe dich so gren zenlos lieb!" Er schob sie nul merkwürdig bebenden Hände» zurück und dachte dabei erschreckt: Woher kommt es nur, daß meine sonst so fest zupackenden Hände beben, als sei ich krank. „Ich habe dich doch so grenzenlos lieb!" wiederholte Do rothee. Ihre Stimme war dunkel von verhaltenen Tränen. „Laß mich jetzt allein", sagte er hart, und er hatte das Ge fühl, es würge ihm etwas am Halse. Sie duckte sich einen Augenblick, ihre hohe Gestalt schien kleiner zu werden, und die Wimpern lagen tief auf dem Ansatz der leicht hervortretenden Backenknochen. Sie murmelte: „Du darfst mir nicht die Tür weisen, ich habe dir nichts Böses tun wollen. Wenn ich übertrieb, dich kränkte, so ist nur meine Liebe daran schuld, die keinem anderen Menschen einen Platz in deinem Herzen gönnen will." „Gut, gut, ich glaube dir, aber icy bitte dich, Dorothea, sprich mir nicht noch einmal von dem Häßlichen, was du anzu- deutcn wagtest." Beinah bittend setzte er hinzu: „Nühre um Gottes willen dem Kinde gegenüber nicht daran. Und fetzt geh, bitte, ich muß eine Abhandlung scrtigstellen, die schon in weni gen Tagen von einer Wochenschrift erwartet wird." Dorothee hielt ihm die Hand hin. „Sei wieder gut", bettelte sie. Er nickte. „Ja, ja, doch nun muß ich arbeiten." Die Frau ging in unfroher Stimmung, sie fühlte, der Schalten, den sic zwischen sich und ihren Mann geschoben, der war geblieben. Wieder allein, sah sich Kari Lüdinghofen wie ein Fremder in seinem Zimmer um. Was war denn nur geschehen, daß ihm mit einem Male alles verändert erschien? Kam das daher, weil seine Frau gewagt, an Dinge zu rühren, die ihn bis ins Innerste empören muhten? Kalter Schweiß brach ihm aus, und er sank hilflos wie ein Schwerkranker in seinen Schreibtischstuhl. Oh, wenn er von Dorothee nur beleidigt worden wäre, — dagegen hätte er grob werden können, daß ihn aber das, was sie gesagt, getroffen hatte, daß er jählings erkannt, es beruhte auf Wahrheit, und jene Macht, die ihn so rätselhaft stark und allgewaltig zu Christina zog, hatte mit Vaterliebe nichts Gemeinsames, das raubte ihm fast die Fassung. Das Beben seiner Hände vorhin, was war es anderes als ein Zeichen seiner schweren Schuld? Eine Schuld, von der er vor kurzem noch gar keine Ahnung gehabt und die ihn nun schon so stark drückte, daß er fast darunter zusammen brach. Er stützte die Ellenbogen auf seinen Schreibtisch und legte seinen Kopf in beide Hände. Wie verworren all sein Denken war und wie sein Herz klopfte. Lange, lange saß er so, und er empfand in aller Qual d« eine Gewißheit, der Schaden, den Dorothee mit ihrer versteckten Anklage angerichtct, würde wohl niemals wieder gutzumaclwn sein. Eie hatte zwar die Anklage zurückgenommen, aber sie ver mochte damit doch nicht zugleich das entsetzliche marternde Wissen, das ihm geworden, mit zurücknehmen. Liebe war das, was ihn an Christina fesselte, die Liebe, die den Mann zu» Weibe zieht, nicht jene des Vaters zur Tochter. Weh iiber ihn, weshald traf ihn jo grauenvolle Schuld. Ein Schuld, — an der er, so paradox es klang, unschuldig war. Ein tiefes Stöhnen quälte sich aus seiner Brust empor. Ein Sünder war er und — tat doch nichts Böses. „Christina!" Wie rein und klar der Name klang, so rein und klar wie nur je ein Name, den so ein stolzes schönes Ge schöpf getragen. Er stand müde und schwerfällig auf und trat ans Fenster. Die Herbstsonnc mühte sich, Wärme zu spenden, ihre Strah len wandelten die gelben Blätter der Ahorndäume, die den Weg vor dem Hause deckten, in Gold, webten sie aneinander zu einem goldenen Läufer. Karl Lüdinghofen verharrte am Fenster, als müsse er Ausschau halten nach einem Netter aus seinen Ge wissensnöten. Was sollte nun werden? Er wußte es nicht, viele Gedan ken kreuzten durch seinen Kopf, doch war keiner darunter, der ihm einen Teil seiner Nuhe zurückzugebcn vermocht hätte. Er ging wieder an seinen Schreibtisch, versuchte zu arbei ten und bemerkte nach einer Weile, daß er den vor ihm liegen den Boacn Vavier mit unzähligen Fragezeichen bemalte. (Fortsetzung folgt)
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