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Neinhardisdors, Schmilka, Schöna, Wallersdorf, Wcndischsährc, sowie siir das Gcsamlgcbict der Sächsischen Schweiz. Druck und Pcrlag: Sächsische Elbzeitung Alma Hieke, Inh. Waller Hieke. Veraniwortlich: Waller Hieke. Anzeigenpreis <in NM.): Die 7gcspallcnc 35, mm breite Pciitzcile 2t> Psg., siir auswärtige Auftraggeber 25 Pfg., 85 mm breite Neklamczcilc 80 Pfg. Tabel larischer Sah nach besonderem Tarif. Bei Wiederholungen wird entsprechender Rabatt gewährt. Anzeigenannahme für in- und ausländische Zeitungen. Giänhiae Wochenbeilaaen: "Unterhaltung und Misten", „Nack Llnterhaltungüblatt", Leben im ^itb" .Die Frau und ihre Melt", Illustrierte Sonntagsbeilage: ^kven IM ONV Michterschcincn einzelner Nummern infolge höherer Gewalt, Streik, Aussperrung, Betriebsstörung berechtigt nicht zur Bczugspreiskürzung oder zum Anspruch auf Lieferung der Zeitung. Bad «Schandau, Montag, den 9. Mai 19S2 Nr. 102 26. Jahrgang Verhängnisvolle Schliffe Die Schüsse des russischen Phantasten Gorgulosf ans den Präsidenten der französischen Republik haben ihr Ziel erreicht. Paul Däumer ist am Sonnabcndmorgcn seinen schweren Verletzungen erlegen. Tiefbcstürzt stehen nicht nur die Franzosen an der Bahre des Opfers eines der ver- nbscheuungswürdigsten Verbrechen, die in den letzten Jahr zehnten begangen worden sind. Das Attentat auf Däumer spielte sich in einem Milieu ab. das die verwerfliche Tat in einem besonders tragischen Lichte erscheinen läßt. Sie wurde nämlich in dem Raum verübt, in dem die Schriftsteller, dis ehemals Frontsoldaten waren, ihre Werke zur Ausstellung bringen. Diese Ausstellung lag dem greifen Präsidenten besonders am Herzen, denn er hat im Kriege von seiiren fünf Söhnen vier verloren. Alles, was mit diesem Verlust tatsächlich oder literarisch im Zusammenhang steht, übte auf ihn selbstverständlich einen ganz besonderen Eindruck aus. lind nun hat, als der alte Mann in Gedanken bei seinen Söhnen weilte, ein geistig kaum völlig normaler, heimat entwurzelter Russe die mörderische Waffe gegen ihn ge richtet. Die Wahnsinnstat Gorguloffs forderte ein Opfer, das in der Tat keinesfalls eine Zielscheibe der Feindschaft und des Hasses irgendwelcher politischer Leidenschaften abgeben konnte. Doumer übte sein Amt seit dem Juni 1931, von dem Tage an aus, an dem der ihm im Tode vorangegan- gene Aristide Briand von der Höhe seines Ruhmes über-^ raschend stürzte. Doumer besiegte Briand, der alte rechts-' stehende Senatspräsident den Kandidaten der Linken, den^ politischen Führer Frankreichs. Die Wahl Doumers war zunächst auch in Frankreich vielfach auf Widerstand ge stoßen. Allein der neue Präsident erwies sich sehr bald als musterhafter Führer. Stets stellte er seine persönliche Meinung hinter sein Amt zurück, und streng hielt er sich an die Bestimmungen der Verfassung. Doumer gewann sich darum überall starke Sympathien. Paul Doumer hat ein arbeitsreiches Leben hinter sich. Als Sohn eines Arbeiters in dem kleinen südfranzösischen Städtchen Aurillac geboren, wuchs er in den bescheidensten Verhältnissen auf. Mit 14 Jahren wurde er Lehrling einer Medaillenfabrik. Der stark entwickelte Ehrgeiz trieb den jungen Arbeiter dazu, seine Schulstudien fortzusetzen, und schon mit 20 Jahren wurde er Grammatiklehrer an einem Gymnasium. Der Weg in die Presse führte ihn zur Po litik. Zunächst Leiter einer kleinen Provinzzeitung und dann Verleger eines scharf linksgerichteten Blattes, wurde er schon, nachdem er Kabinettschef des Kammerpräsidenten geworden war, 1888 im die Kammer gewählt. Er wurde Fmanzminister, Generalgouverneur von Indochina, Kam merpräsident, Senator, Senatspräsident, nachdem er zuvor wiederholt Minister gewesen war und als Krönung seiner Laufbahn schließlich Präsident der Republik. Es waren weniger glänzende Geistesgaben als zähe Arbeit, die ihn den weiten Weg von der kleinen Arbeiterwohnung in den Präsidentenpala'st führte. Die Kugeln Gorguloffs haben ein wertvolles Menschenleben vernichtet. Die Frage, ob die Mordtat in Paris politische Rück wirkungen haben wird, läßt sich im Augenblick noch nicht beantworten. Wir kennen aus der Geschichte die verhee renden Auswirkungen politischer Anschläge. Aber es ist in diesem besonderen Falle kaum anzunehmen, daß man ver suchen wird, irgend jemandem die Verantwortung für diese Wahnsinnstat aufzubürden. Freilich will es scheinen, als ob etwas wie ein Amoklaufen einzelner entwurzelter Rus sen anhebt, die durch Gewalttaten das auf ihnen liegende Schicksal zu wenden versuchen wollen. Der Anschlag auf Doumer ilt offenbar eine solche Demonstration. Er weckt Für eilige Leser. * Der Reichspräsident cnipsing den Reichsminister siir Ernährung und Lnndwirtschast Tchiele zum Porlrog. * In der zweite» Aprilhälste ist die Zahl der muerstützlen Arbeitslosen i n O c st c r r e i ch nm 20 370 ans 303 888 znrückgegangen. * Nach dem Acrzlebericht hat der englische Premiermini ster Mac Donald einen besricdigcnden Tag verbracht. Er leidet keine Schmerzen an dein operierten Ange. * Die deutsche B e r t r a m - A t I a n t i s - F l n g c x p c dition hat Batavia erreicht und macht von dort ous einen großen Abstecher von der vorgesehenen Flugroute. Am 7. Alai ist das Iunkersflugzeug „Atlantis" unter Führung von Hans Bertram rnnd nm Australien gestartet. * Dcr Vollzugsausschuß der ch i n c s i s ch e n Studenten verbindnngen har beschlossen, in ganz China eine Tranerkmid- gcbnng abznhalten zum ^Zeichen des Protestes gegen die Un terzeichnung des japanisch chinesischen Wajsenstillstandsab kommens. die Erinnerung an den Anschlag auf den deutschen Bot schaftsrat von Twardowski in Moskau. Beide Verbrechen weisen überraschend zahlreiche gleichartige Merkmale auf. In beiden Fällen scheint das gleiche Motiv den Mördern die Waffe in die Hand gedrückt zu haben. Die beiden Blut taten mahnen an die furchtbare Tragödie Rußlands, die mit den Schüssen von Serajewo eingeleitet wurde. Am kommenden Donnerstag wird Frankreich seinen „guten Bürger" zur letzten Ruhe bestatten. Aber schon am Dienstag wird der Kongreß in Versailles zusammcn- treten, um den neuen Präsidenten zu wählen. So will cs Frankreichs Verfassung. Es wird diesmal keinen großen Kampf zwischen den Senatoren und Deputierten um die Nachfolge geben. Traditionsgemäß soll der jetzige Senats- Präsident Albert Lebrun den verwcistcn Präsidenkensttz cm- nehmen. Man hatte schon aus Anlaß der letzten Wahl von seiner Kandidatur gesprochen, die ganz besonders von den Freunden Poincarös und des inzwijchen gleichfalls ver storbenen Maginot unterstützt wurde, da auch Lebrun Loth ringer ist. Lebrun gehört seit dem Januar 1920 dem Senat an. Er war schon verschiedene Male Minister und ist von Beruf Bergwerksingenieur. Politisch bekennt er sich zur Republik kaniichen Vereinigung, der Fraktion Poincare-Millerand. Das alte Parlament muß die Wahl vornehmen Unter dessen hat sich am Sonntag das französische Volk eine neue parlamentarische Vertretung gegebei Das Leben geht seinen Gang . . . KrankreSG in Trauer Staatsbegräbnis im Vantheon Paris, 7. Alai 1932. s Der Ministerrat hat beschlossen, den Präsidenten der Republik ein Nationalbegräbnis auf Staats kosten zu bereiten. Die Veisetzungsfeierlichkeiten werden am 12. Mai stattfinden. Die Beisetzungsfeier erfolgt in der Kirche Notre Dame, die Beisetzung im Pantheon. Am Dienstag, also noch vor der Beerdigung, tritt der Nationalkongreß in Versailles zusammen, um den neuen Präsidenten zu wählen. Nach dein Gesetz muß die Neuwahl des Staatspräsidenten unmittelbar nach dem Ausscheiden oder dem Tode des Vorgängers erfolgen. In allen bisheri gen Fällen hat der Zeitraum zwischen zwei und vier Tagen geschwankt. Da die Vollmachten der Kammer erst am 1. Juni erlöschen, setzt sich die Nationalversammlung aus dem Senat und der alten Kammer zusammen. Heber die Kandidaten ist noch nichts bekannt, doch spricht man dec Tradition nach vom Senalspräsidenten Lebrun. Die im Vordergrund des politischen Lebens stehenden Per sönlichkeiten sind zu jung, um auf die Alterswürde des Staatsoberhauptes Anspruch erheben zu können. Außerdem ift es in Frankreich nicht Sitte, einen aktiven Politiker zu wählen. Die Niederlage Briands gegen Doumer war mit darauf zurückzuführen. Etwaige Gegenkandidaten gegen den Senatspräsidenlen Lebrun werden zweifellos nur dec Form halber ausgestellt. Lebrun nimmt an — Paris, 9. Mai. SenakspräsidenI Lebrun hat die Kandidatur als Staats präsident angenommen und dürfte am Dienstag mit großer Mehrheit auch gewählt werden. Wie verlautet ist geplant, Painleve als Kandidaten des Linksblocks aufzustelleii. Die Leiclze des ermordeten Präsidenten Doumer ist einbalsamiert und im Elysöe aufgebahrt worden. Wäh rend am Sonntag nur offizielle Persönlichkeiten Zutritt hatten, wird von Montag bis zum Donnerstag die größte französische Oeffentlichkeit Zugelassen werden. Deutschlands Beileid Im Auftrag des Reichspräsidenten begab sich Staats sekretär Meißner in die französische Botschaft, um dem Bot schafter Francois-Poncet Hindenburgs Beileid zum Tode Doumers auszudrücken. Auch der Reichskanzler begab sich in Begleitung des Chefs vom Protokoll, Grafen Tattenbach, zu Francois-Poncet, um das Beileid der Neichsregierung zu übermitteln. Ferner sandte Reichspräsident von Hindenburg ein Beileidstelegramm an die Witwe Doumers und der Reichskanzler ein Telegramm an die französische Negierung. Reichskanzler Dr. Brüning hat an den französischen Ministerpräsidenten Andre Tardieu das nachstehende Bei leidstelegramm gesandt: „Auf das schmerzlichste bewegt durch die Nachricht, daß es nicht gelungen ist, das Leben des Herrn Präsidenten Doumer zu erhalten, drängt es mich, Eurer Exz. meine, der Reichsregierung und des deutschen Volkes wärmste Anteilnahme an der Trauer auszusprechen, welche Frankreich in diesem Augenblick erfüllt. In tiefem Mitgefühl beklage ich das grausame Schicksal, daß Ihr Staatsoberhaupt mitten in seinem Wirken sür sein Vater land sein Leben zum Opfer bringen mußte." Tardieus Dank an Brüning. Bertin. Der sranzösische Ministerpräsident Tardieu Hai an Reichskanzler Dr. Brüning salgendes Telegramm gerichtet: „Ich danke Cm. Erzcllcn; tiesbewcgt sür das Bei leidstelegrannn, welches Sie die Güte hatten ans Anlaß des — Lebrun der neue Aräfident? so schmerzlichen Todes des Herrn Präsidenten der Republik an mich zu richten. Ans das sranzösische Volk nnd seine Regie rnng Hai die Teilnahme Dentschlands an dem grausamen Me schick, daS sie heute bctrosseu bat, den tiefsten Eindruck gemacht. Gez. Andre Tardieu " Trauerbeflagguttg in Berlin. Anläßlich des Ablebens des Präsidenten der französi schen Republik haben das Reichspräsidium, die Reichskanz lei, das Auswärtige Amt und der Reichstag die Flaggen auf halbmast gesetzt. Wettere Einzelheiten über Eorguloff Lie Sprachsachverständigen, die das bei Gorgnlosf vor gefundene. in russischer Sprache geschriebene Heft durchge sehen haben, erklären, daß es sich um eine Art Plädoyer handele, in dem Gorgulosf erläutere, weshalb er den Prä sidenten der Republik töten wollte. Nach seiner Ansicht sei Rußland Frankreich während des Krieges zu Hilse gekom men, aber Frankreich habe nichts getan, um Rußland zn hel fen.. das sowjetijtische Joch abz:ychütteln. Gorgulosf beschreibe dann das unglückliche Schicksal der Russen und im Gegensatz dazu den Wohlstand der anderen europäischen Staaten. Am Schluß des Aufsatzes bezichtigt sich Gorgulosf selbst, den Sohn Lindberghs geraubt zu haben. Er habe mehr als 60 000 Francs ausgegeben, um ihn e.cksührcn zu lassen. Das Kind werde als Geisel in Verwahr gehalten und werde von russischen Terroristen aufgezogen. Wir, so erklärt Gorgulosf in seinen Aufzeichnungen, verlangen daher auch kein Lösegeld. Die Agentur Havas bemerkt hierzu, die ser Schluß der Aufzeichnungen sä-eine daraus hinzuweiscn, daß Gorgulosf nicht im Vollbesitz seiner geistigen Fähigkei ten sei, es sei denn, daß es sich um eine aufgezogene Komö die handele, durch die er bezwecke, sich verrückt zu stellen. Es ist festgestellt morden, daß dcr Mörder Gorgulosf 1930 sich in Prag damit befaßte, eine allrussische Bauern partei mit ueubolschewistischem Charakter zu gründen. Eine auf seine Weisung, von einem Pariser Drucker hergestellte Broschüre zeige das neue bolschewistische Zeichen, nämlich über zwei Sicheln eine Tanne und Totenköpfe. Die Vereini gungen, die dieses Zeichen führen, seien von der Dritten In ternationale inspiriert, die die betreffenden Leute häufig als agents provocateurs verwende. Diese Broschüre bezeuge außerdem, daß Gorgulosf nicht Herr seiner geistigen Fähig keiten gewesen sei; denn er bezeichnete sich darin selbst als „grünen Diktato r" und als Erretter. Man frage sich allerdings, ob Gorgulosf nicht vielleicht den Verrückten spiele. Um darüber Klarheit zu gewinnen, sei die Untersuchung durch Irrenärzte angcordnet worden. Die Frau des Mörders wurde in Monaco festgenom men und nach Paris übergcsührt. Sie ist eine 1899 In Winterthur in dec Schweiz geborene Anna Maria Geng, die Gorgulosf 1931 in Billancourt bei Paris geheiratet hat. Der Diamant der Zarin Die tschechischen Blätter berichten viele Einzelheiten aus dein Vorleben Gorguloffs. Nach den Mitteilungen seiner ehemaligen Frau hat Gorgulosf im Weltkrieg eine schwere Kopfverletzung erhalten, er war stets sehr nervös und aus geregt, Auf der Flucht aus Rußland kam er 1921 zu Fuß über Polen in die Tschechoslowakei. Gorgulosf soll in die ser Zeit von dem Erlös eines Diamanten gelebt haben, den er direkt von der Zarin erhalten haben wollte. Er studierte an der tschechischen Universität in Prag, wo er 1925 zum Doktor der Medizin promovierte. Die Praxis übte er in Göding bei Olmütz aus. Gegen Gorgulosf wurden von verschiedenen Seiten Anzeigen eingebracht, daß er in Gö ding Frauen au sich gelackt und narkotisiert lind in seinem Sprechzimmer vergewaltigt habe. Er habe auch seine