Volltext Seite (XML)
große Reihe Bünde seiner „Gesammelleu Werle" ab. Er be- slimmle alles fortan nach zu Schreibende für die „9iach- gelasscncn Schriften" und wies seinem getreuen Sekretär Eckermann einen Houoraranteil daran zu. Und in der Osterzeit 18!,-' — kurz vor seinem Tode — ösfnete der greise Goethe noch einmal das versiegelte Paket, das seine lebenslröncnde Arbeit, den «zweiten Teil des „Faust", der Nachwelt verwahrte, und las seiner vereinsamten Schwie gertochter Ottilie aus diesem Manuskript Stellen vor, die von den Lippen des olvmpischen Sehers zuknnftvcrhcißcnd klangen wie ewige besänge. In der Osterwock)« vor hundert Fahren in Weimar starb Goethe und, lebt unsterblich! Tenn sein Leben und Schassen ist von vorbildlich Oesterlichem beseel, vom Wollen steter Erneuerung erfüllt gewesen und hat darum binnen Imndert Jahren dem Begriff Goethe eine wahre und unver gängliche Weltgeltung verschafft, die selbst in sich immerwäh rende Erneuerung beschließt. Hat doch auch niemand in allen Literaturen der Welt den Geist der Ostern, das ewig und immer sich erucnerndc Werden in Geist und Natur, die frohmachende große christliche Ostcrboischaft so herrlich aus- gedruckt wie der Deutsche Goethe in jenen Zeilen, die wie ein Motto über seinem Leben nnd dem Leben aller großen Männer flehen: 'äuge hab ich mich gesträubt, Endlich gab ich nach — Wenn der alte Geist zerstäubt, Wird der neue Wack. Und so lang du dies nickt hast, Dieses Stirb rind Werde! Bist du nur ein trüber Gast Ans der dunklen Erde Oas Ba- am Ostermorgen. Seltsame Osterbräuchc im deutschen Südtirol. ' Von H. So Ide n h o f f-Wien. Ungeachtet aller Schwierigkeiten halten unsere Brüder in Südtirol nach wie vor au deutscher Sprache, Sitte und Volks tum fest. So ist es nicht weiter verwunderlich, daß sich gerade ün oberen Etschtal zu Ostern noch alt« Volksbräuche finden, die zum Teil au solche anocrer deutscher Gaue anklingen oder, der Natur des Landes entsprechend, ourchaus eigenartig sind. Auf uralte Zeiten durfte die zum Osterfest erfolgende Segnung des Oelbaums nnd Lorbeerbaums zurückgchcn, deren Zweige in dieser Zeit das Kruzifix schmücken, das in jedem Bauernhause Südtirols Len Ehrenplatz cinnimmt. Die Zweige des Maulbeerbaums Pflegt mau, nachdem man sie im Winter bereits abgcschuitten hat, im warmen Zimmer zum vorzeitigen Treiben zu bringe». Zn der Osterwoche werde» die blühenden Zsvcige dann in der Kirche geweiht und darauf im feierlichen Züge hcimgetragen, um, an der Spitze einer langen Stange befestigt, mitten in einem Felde oder über einer Ställtür ihrcit eiidgültigcn Platz zn finde». In ersterem Falle sollen sie dieAcckcr vor Hagel und Unwetter, im zweiten das Vieh vor ansteckende» Seuchen bewahre». Die Olive«-, Lorbeer- und Maulbccr» zweige gelten gewissermaßen als Schtttzcngel für Haus und Hof. Bricht z. B. im Sommer ein Gewitter aus, so vertreibt nach dem Volksglauben der vertrocknete Oliveiizweig alle drohende Gefahr nnd dient zur Beruhigung der bösen Äeislcr. In einem zum Stilfser Joch führenden Hochtale befindet sich ei» holzgcschnitzlcs Ehristnsbild, mit dem es eine eigen» artige Bewandtnis hat. Der Ucbcrlicsernug nach wurde vor viele» Jahre» von einem Pfarrer die fast lebensgroße Gestalt des Heilands mit einfachsten Mitteln, nämlich nur einem Feder- und einem Taschenmesser, geschnitzt und da»» inmitten einer Wiese ausgestellt. Dem Voll gefiel das Kunstwerk der maßen, daß maii diesem einen passenderen Platz zuzuweiscn beschloß nnd es in die Dorskirchc überführte. Hier stand cs unn fange Zeit in einer Sciicnkapellc ziemlich unbeachtet, bis am Ostermorgcu des Jahres 1702 einige Gläubige Lie auf sehenerregende Entdeckung machte», daß aus dem trockenen Bolze des Ehristnsbildes dicke Wassertropfeu hcrvorguollc«. Seitdem nahm die Verehrnna für das Wunderbild aeradem vl)ania;!hcke Formen an. Die icll;ame Erphennmg joll sich im Lanfc der Zeil noch mehrfach wiederholt haben, die Kirchen bücher des Dörsleins verzeichnen insgesamt zwölf Fälle. Außer den oben erwähnten Zweigen lassen die srommcn Südtiroler zn Ostern auck gern noch das Herdfcncr sowie das Taufwasser weihen. In einigen Dörfer» gilt der Besitz vo» etwas geweihter Glnt als zuverlässigster Schutz gegen böse Geister aller Art. Znweilcn bringt man das Feuer auch aus die Felder hinaus, nm die Pflanzen vor dem Befall mit Krank heiten zn bewahren nnd das Auftreten tierischer Schädlinge hnitanznhaltcn. Um Sen Besitz des geweihten Wassers entspinncn sich häufig leidenschaftliche Kämpfe. Denn die Ucberliefernng will, daß derjenige, d-r als Erster in de» Besitz des erstrebten Wassers gelangt, vom Himmel in besonderem Maße beschenkt wird. An die bei nnü noch vielfach verbreitete Sitte des Oster- Wassers erinnert ein anderer Brauch ans Südtirol: Das Bad am Ostermorgen. Beide dürsten letzten Endes ans die Heid nischc Vorzeit znrüctzusühren sein. Die Sille stellt an die jmlgen Mädchen, die allein für das Ostcrbad in Betracht kommen, verschiedene Harile Anforderungen. Zunächst müssen sie sich ichon vor Somicnanfgaug erheben. Sic bcgcbcn sich dann zn einem Brunnen, der seincn Wasserstrahl nach Osten fließen läßt, und nehmen, nachdem sie sich völlig entkleidet haben, darunter nun ein ausgedehntes Bad. Da das Wasser angesichts der frühen Stunde nnd der noch nicht sehr weit vor» geschrittenen Jahreszeit recht kühl zn sein Pflegt, stellt dies cine „Erfrischung" dar, oic nicht jedermanns Sache sein dürste. Das Härteste ist aber die für ein junges Mädchen eigentlich unerfüllbare Bedingung, Saß während der ganzen Zeremonie auch nicht ein Sterbenswörtchen über die Lippen der Schönen kommen Lars. Diejenigen von ihnen, welche gleichwohl alles getreulich befolgt haben, dürfe» dafür »ach dein Volksglaube» aber auch schöne» Loh» erwarte«. Nicht allein, daß sic körper lich verjüngt mid verschönt werden, sic können anch damit rechnen, im Lanfe des Jahres den heiß ersehnten Man» zu bekomme». Der nraltc Brauch stirbt bedauerlicherweise immer mehr aus und findet sich heute eigentlich nur noch in wenige» Hochgebirgsdörferu. Oie Prüfung. Osterskizze von Panlrichard Hensel. „Warum soll ich nicht nett zu ihm sein?" fragte Ursula, als hätte sie nie davon gesprochen, daß, diese Geschichte nun aus und übergangen sei. Thomas Lerch zuckte nur mit den Schullern. Gesellschaft liche Zufälle, die einen MnNn nnd eine Fran zusammen- führcn, die sich einmal sehr nahe standen — dazu läßt sich nichts sagen. Man kann sich fremd nnd höflich gegenüber- stchen, wenn man innerlich alles hinter sich gebracht hat. Aber erzählte nicht Ursulas Frage von dem Gegenteil? Und er sollte das erklären? Ursula zog die Augenbrauen zusammen. Was dachte er denn nun wieder? Sie hatte sich auf diesen Abend gefreut,' alles andere erschien ihr so belanglos, anch die Mcnscl)en, mit denen sic zufällig zusammenkam, weil sie ihr bekannt waren — müssen viel Worte darüber gemacht werden, wenn cine Frau die selbstverständliche Einladung cinnimmt, einen Wagen z>t benutzen, der ihr nicht fremd ist? Aber auch Thomas kannte den Wagen, in dem cr zu fällig Ursula gesehen. Sic halte ihm davon erzählt, wie ei» Mädchen eben von einer Liebelei spricht, die vorüber ist. Kann etwas vorüber sein, wenn man sich unüberlegt in dieselbe Lage begibt? Ursnla, dachte cr, ich habe Dich so lieb, aber ich weiß nichts von Dir, wenn ich Dich nicht sehe. Denkst Dn gar nicht daran, daß »ns das cmtfremden kann? lind das willst Dn doch auch nicht... Der Abend schloß mit einem Mißklang. Und das war nicht der erste. Thomas fühlte, daß cine leichte Verbitle^mg in ihm wnchs. Er hatte Ursnla lieb nnd eine lange, glück liche Zeit mit ihr erlebt. Tas wollte er sich festhalten, nnd es schien alles so einfach — man erzählte sich von seinen Ge danken, war ehrlich nnd offenherzig zueinander nnd suchte immer neue, rrobc Liunden m aewinnen: es brauchte nicht Bon Orinnen und Draußen. Berlin, Ostern 1933. Der Mensch, so alt cr ist und wird, bleibt immer Stim mungen unterworfen. Man braucht nicht gerade unter die glühende» Verehrer des früh verstorbenen Romantikers No valis zn gehen, nm vieles in seinen Schriften sehr schön, sehr wahr und sehr tief zn finden. So hat er lvon dem übrigens auch der Ausspruch stammt: „Der Deutsche ist lauge das Häuschcii gewesen — er dürste aber recht bald der Hans aller Häuse werden") einmal gesagt: „Stimmungen, unbestimmte Empsinduggcu, nicht bestimmte machen glücklich. Ma« wird sich wohl befinden, wen» mau keine besondere Tiefe, keine bestimmte Gedanken- und Empfiudnngswcise in sich wahr nimmt"... Und ist solche Stimmung, solches sich mibe» stkmmtcn Empsmduugeil Hingebc» nicht so recht eigentlich Vor» beLiugmig oder Folge — wer will das genau auseiucmdcr halten — der Tagch die wir jetzt erwarte«, begrüße«, durch lebe«? Der Tage, da unser Her«; wieder in Wort nnd Glocken» klänge« die durch die Jahrhunderte hallende Kunde vernimmt von jener shmbolischc» Uebcrwindnng des Todes znr Römer« zeit vor den Toren Jerusalems. Und auch wieder der Tage, da unser Ange an Busch und Strauch, die noch vor kurzem tot und nncrweckbar schienen, das treibende, knospende, zum Licht drängeude junge Leben gewahrt. Der Tage, da alles in uns Stimmung und Vorgefühl ist — und gerne Genuß nnd Dank und Zuversicht werde n möchte. Nu» will ich nichts von Trübsal wisse»! Noch gestern arm — hc»t' bin ich reich, Die wch'nden grünen Fahne« Hillen Die schlanken Birken schon am Teich. Boni Süd hcr linde Lüfte wehe» — Da springt die Fessel, Lie uns hält, Es geht ein wonnig Aufcrstchcn Im holden Zauber durch die Welt. Wo unter kaum begrünten Zweigen In liebsten Arm sich Liebe schmiegt, Ranscht's leise durch das heil'ge Schweiget«: Der Frühling siegt — der Frühling siegt! Das ist die Zeit — in fernen Lande», Als noch das Kreuz am Hügel stund, Hob sich aus Tüchern, die ihn banden, Der Meister tief im Grabesgruud; ' Ging dnrch des Gartens schweigend Blüh« ' Und grüßt die Bäume, jung belaubt, Und legte segnend den Maricen Die Hände aus das gläubige Haupt; Und rings auf des Erstand'nc» Wegen, Der keinem Tode unterliegt, Rauscht hi» durch Zeit nnd Welt der Segen: Der Frühling siegt — der Frühling siegt! Oh Voll, mein Voll, das viel ertrage», Das tief verstrickt in Not »ud Weh, Schau, wie die Sonii' iu diesen Tage» Sich spiegelt im gcschmolz'ucn Schnee. Horch! Glocke» klinge» alte» Segen, Die Blüte springt ans Knospeiihafl; Heidnischer Ahncii Wälder rege», Safllreibcnd, sich in »euer Kraft. Jung Grün selbst am bescheid'ncn Klotze Treibt noch, der schon am Boden liegt — — Und kannst du jauchze» »icht, so trotze: Ter Frühling siegt — der Frühling siegt! Als — ei» bißchen spät vielleicht — der Aufruf zum Goelhejahr veröffentlicht wurde, der de» unverlierbaren, dem Volke nicht mehr z» nehmenden Besitz feierte, da hieß es schon, daß der Name Goethe dem deutschen Volk eine Bot schaft innere» Friedens bedeuten werde. Hoffen wir, daß cs so sei! Solchen Namen und solche Botschaft können wir brauchen. Die preußischen Staatstheater habe» sich in Goethes Dienst nicht eben mit Erinnermlgsfeiern über nommen. Der Generalintendant Tiedjen hat neulich vor ge ladener Presse ein bißchen ans der Schule geplaudert. Nicht aus der dem ehemals königliche» Schauspielhans verbu»de»cn ruhmreiche» „Marie Seebach-Schule", wo man zuletzt, von ersten Größen des Fachs unterstützt, ein entdecktes Talent anmelden konnte und monatelang keine Antwort bckai». Nein, ans seinem Bühnenrcich heraus hat cr gesprochen, das unter dem viel gescholtenen Grasen Hülsen viel mehr und Wesentlicheres geleistet Hal als nnter Leopold Iessuer. Nnd Tiedjen, der gewiß nicht jedem seiner Hörer als Redner, An kläger nnd Verteidiger gefiel, Hal dabei zwei neue „Enl- decknngen" gemach!, die denn doch — nnler dem Gesichtspunkt, daß sie erst wieder gemacht werden m » ßtc » — zn denken geben. Er sagt: er Hal einen Verantwortlichen Leiter für die Staatstheater gewünscht, der dem Hanse nnd dem Spielplan ei» Gesicht geben soll. Man sollte meinen, diesen aufznstellen nnd dabei Rang nnd Art seines Theaters zu berücksichtigen, müßte die e r st e Knust jedes Theaterleiters sein. War's auch sicher einmal. Tiedjen muß ihn unter dem Gerümpel der üblen Jessner'schcm Erbschaft erst wieder entdecken. Und das zweite: er hat sich zn dem Wahlspruch bekannt „Zurück zur Kunst!" Nanu! Man sollte meinen, das ist selbstverständlich. Aber beim Theater i» der Hauptstadt geht's wie beim Kartenspiel im „Roten Ochsen" von Dingskirch. Ein Fremder kommt nnd fragt höflich, an einen Tisch hcrantretcno, an Lei» drei Herren Spielkarten in der Hand halten: „Darf man fragen, was die Herren spielen?" — worauf ihm der Eine von den dreien griesgrämig ansieht, die Achseln znckt und sagt: „Ich spiele Skat — was die beiden andern spielen, weiß ich nicht..." Anch auf Theater, Regie und Spielplan läßt sich die Geschichte anwendeu. Wie eine gnte Geschichte überhaupt — ähnlich wie ein Wiener Filzhut — auf viele Köpfe Paßt. Auck» von der Jnaend. die wieder ne» heran soll an die zu sein, daß Schatten heranfstiegcn, die unbewußt u»d »»« überlegt vergrößert wurden. Und da ein jähes Ende viel leicht doch nicht so schmerzlich war wie dem langsamen Ver- sandcn einer Liebe zuzusehen, entschloß sich Thomas, an einem der nächsten Tage mit Ursnla über alles zu sprechen, rück haltlos. - Er wartete zu der verabredeten Zeit über eine Stunde. Ursula kam nicht. Ihm schlug das Herz. Am anderen Tuge las cr, daß Ursula iu dcm Wagen des Malers K. verunglückt sei. Zwei scharfe Falten legten sich nm den fcstgeschlvsse'nen Muud. Nichts mehr denken, nichts mehr fragen... „Ursnla fragt nach Ihnen. Warum kommen Sic nicht einmal?" sagte drei Tage später Ursulas Mutter am Fern sprecher. Da ging cr hin. Sie streckte ihm die Hand entgegen, versuchte zu lächeln — aber es mißlang. Man kann nicht läcknln. wenn man Schmerzen hat. Sic sprachen auch nicht viel. Thomas saß an ihrem Bett, er dachte an die über mütige Ursula, an Tage voll Schönheit nnd Lachem Und er sah ei» blasses Mädchen, das nur mühsam seine Schmerzen versteckte. Ursula litt — das war ernster als eigene Wünsche nnd Hoffnungen; La schwieg alles andere; er ucote Ursula, und cr wollte das, was jetzt war, ihr leicht macken. Er kam oft wieder, brächte Blumen nnd Bucher. Dann erzählte er von seiner Arbeit, schwieg anch neben ihr, wenn er die Ficberröte in Ursulas Gesicht sah. Von dem Unfall sprachen sic nie. Es war etwas geschehen, es war vorüber — vielleicht fiel cs dcm Mädchen schwer, daran zu denken. Karfreitag stand sie zum ersten Male ans. Zart und blaß sah sie aus, aber sie trug ein Frühliugsklcid. ,Hch dank' Dir auch für alles", sagte sic nnd reichte Thomas beide Hände. „Für alles —" Und nun ist es zn Ende, dachte Thomas. Es sind die letzten Blumen, die ich gebracht habe — „Wenn Du mich noch lieb hast, wird jetzt alles gut", fügte sie leise hinzu. „Glaubst Du das?" Er sah an ihr vorbei. „Ja, Thomas. Ich habe viel mehr gelitten, als Dn ähnlest. Du hast, nie gefragt, wie alles gekommen ist. Und — ich kenne Dich doch — Du hast etwas Schlechtes gedacht. Dn kanlst zn mir, aber cs war Dir gleichgültig, was geschehen war. Du wolltest nichts wissen. Und da dachte ich, Dn hast mich schon aufgcgcben. Es war furchtbar für mich, Dich so freundlich zn mir zu scheu und zu wissen, ich habe Dich schon verloren. Und doch, Thomas, daß Dn keinen Vorwurf hattest, obwohl es schwer für Dich sein mußte — ich weiß cs —, das hat mich Dir noch viel näher gebracht." Er sah verwirrt in ihre jungen Augen. „Und wenn ich jetzt frage?" „Ich habe in dieser Zeit viel über mich nachgedacht, Thomas. Und ich weiß, es war nicht alles gnt und überlegt, was ich tat. An jenem Abend, an dem Dn ans mich wartetest, erkrankte meine Mutter. Ich koimte nickt fort und ich wollte doch zn Dir. Es war schon sehr spät. Dann kam Besuch, nnd ich konnte mich fortmnchen. Zwanzig Schritte hinter meinem Hanse sah ich den Maler, von dem ich Dir schon erzählte. Ich rief ihn an, es war mir alles gleich, er sollte mich in Deine Nähe bringet». Ich wußte nicht, daß er betrunken war. Das ist alles..." Ein tiefer Atemzug hob die Brust des Mannes. Langsam zog cr das Mädchen zu sich heran, hielt cs ganz fest, sic hörten ihre Herzen schlagen. Daun ging er zum Fenster, zog die Vorhänge zurück. „Es ist Auferstehung, Ursel", sagte er leise. „Wollen wir Sonntag für eine Stunde hinansfahren? Wenn Dit zum ersten Mal anSgehst, wird gewiß die Sonne scheinen, mid wenn wir einen Wagen mieten ..." Sie hatte den Arm um seine Schaltern gelegt. In ihre» Augen war der alte, Helle Glanz: „Gern, Thomas, aber wollen wir nicht lieber mit der Eisenbahn fahren?" Heule unsere Ättwstrierte „Nus Lieven rrn MIS" .Kunst, vernahm man - Ivie immer — ein gutes Wort. An was soll heule die Fugend nicht heran? — und wo sie nicht heran soll, da mischt sic sich erst recht rein. Eine ncnc Weltmlschannng, eine nene Moral, eine neue Politik wünscht die Jugend — wobei mir einsällt, daß man im Altertum ganz naiv die Moral der Politik untergeordnet hat; und daß man in Mahlzeiten heute wieder nicht weit davon entfernt ist... Aber alte Politiker melden sich und finden Plötzlich — ehemals haben sie vielleicht selbst an der Herabsetzung des Alters der Wahlfähigtcit gearbeitet — finden, daß die Jugend noch zn jung ist, nm ... Schmcckt's nicht ein bißchen nach der Weisheit des König Lear: „Laßt mich zn Fürch tendes beseitigen, — nicht fürchten, daß es mich be seitige!"... Die Weisheit, das ist die neue Lehre, die „politische Reife" kommt erst mit füufuudzwanzig Jahren — nicht, wie noch anno 19A>, mit zwanzig. Studierend imd auf Reisen Hab' ich's gcnan erfahr'«, Daß selbst die sieben Weise» Nicht immer „weise" war'»; Daß ihrer I»ge»d Zeiten, Die schamhaft man verhüllt, Von holden Blödigkeiten — Wie nns'rc — war'-» erfüllt. Glaubt's, daß die „Weisheit" Lohn iä' Für Kämpfe und Verzicht — Die „Weisheit Salo» vnis" Schreibt sich mit Zwanzig nicht, Wofür — zum Unterschiede Erwähnt sei's, »icht gerügt — Ihm zn dem „Hohen Liede" Schon f r ü h ' r der Stoff genügt. Die Bildung schießt geschwinder Im Nachwuchs heut empor, Doch laut e r Wunderkinder Bringt Demschlaiid nicht hervor. Und was Poetisch, kritisch Und technisch noch sich müht, Vielleicht, daß das politisch A n ch »och nicht „voll erblüht". Genug! Und ich verstumme, Sonst werd' ich noch Sophist, Weil mimlich dies das Dumme Bei der Geschichte ist: Daß Mancher, an dir Maner Der Weisheit spät gelehnt, Sich heimlich und mit Trauer Nach junger Torheit sehul .,. D i a i e n e ?. k