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Sächsische Elbzeitung : 23.01.1932
- Erscheinungsdatum
- 1932-01-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1787841065-193201238
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1787841065-19320123
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1787841065-19320123
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Elbzeitung
-
Jahr
1932
-
Monat
1932-01
- Tag 1932-01-23
-
Monat
1932-01
-
Jahr
1932
- Titel
- Sächsische Elbzeitung : 23.01.1932
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Onkel Sam erhall hohen Besuch. Warum der Prinz den Filmslcrn nicht leimen lernte. — Ter Empfangschef der Stadt New Horl macht TnmmhcUcn. — Ist Namsay MacDonald Amerikaner geworden? Bon G. W. Hammer-Jersey City. Eines schonen Tages erhielt der amerikanische Film schauspiclcr William Haines in Santa Barbara (Kalifornien) von einem Bekannten ans der Bundeshauptstadt die Nachricht, ein junger Mann namens Charlie Dawson, Sohn eines eng lischen Generals, werde demnächst bei ihm ciutrcfffcn. Der Mann aus Washington bat, den angelsächsischen Vetter gut auszimehmcn nnd ihm zu zeige», was es zu sehen gäbe. Ein Paar Tage später traf Charlie ein. Er sah wirk lich sehr gut auch wußte sich entschieden zu benehmen »nd gefiel sofort jedem, mit dem er bekannt wnrde. Vielleicht lag das auch daran, das; irgend etwas Geheimnisvolles nm ihn war, das; er anders austrat als der Durchschniltsamerikaner aus guten Kreisen. Sv führte er nur einen einzigen Anzug bei sich, und seinem Gastgeber vertrante er schon nach ein paar Tagen an, das; die ganze Geschichte mit zwei Hosen nur 32 Dollar nnd fünfzig Cents gekostet habe. ' Nach einiger Zeit, in der sich Charlie anscheinend recht gut unterhalten halte, schlittete er seinem Gastgeber sxiu Herz aus: Er habe einen sehnlichen Wunsch, nämlich einen berühmten weiblichen Filmstar persönlich kennen zu lcrucu. „Hm", meinte Haines zur Antwort, „das ist gar nicht so leicht, denn Tausende möchten die Diva sprechen, und sie hat kaum Zeit. Ich will 'mal sehen, ob cs sich doch machen lässt." Leider lies; eS sich nicht ciurichtcn. Der Filmstcrn hatte keine Zeit für de» jungen Mann. Dagegen knöpfte sich Haines eines Tages Charlie vor: „Hören Sic, mein Lieber, mit Ihnen stimmt etwas nicht. Ich Ivette, Sie sind kein Engländer. Heraus mit der Sprache!" Charlie würgte ein wenig an einem Klos; herum, der ihm anscheinend im Halse steckte. Schließlich zog er ein Schreiben ans der Tasche. Da stand schwarz ans weiß zu lesen, das; der Träger des Ausweises Seine königliche Hoheit Prinz Karl Theodor von Belgien sei. „Mensch", schrie Haines, „warum haben Tie das nichl gleich gesagt? Als Prinz werden Sie natürlich sofort zu Ihrer Diva vvrgclasscn." Doch Karl Theodor Ivar anderer Meinung: „Nein, danke. Jetzt macht mir die Sache keinen Spaß mehr." Dann verabschiedete er sich ein wenig traurig. Er war sichtlich betrübt darüber, das; man auch in Amerika einen Prinzen nicht als Mensch gellen ließ. Wo er jetzt steckt, weiß niemand. Eine Zeitung behauptet, in New fhork halte sich ein junger Mann auf, der sich Paul de Ncthy nenne und genau den gleichen Anzug trage Ivie Charlie damals iu Santa Barbara. Die Sache mag sich nun Verhalten, wie sic will. Auf jeden Fall hat der offizielle Empfangschef der Stadt New Bork keinerlei amtliche Nachricht von der Anwesenheit eines belgischen Prinzen ans amerikanischem Boden erhalten. Sonst würde sich dem guten Mann vielleicht neuerlich Gelegenheit bieten, einen kleinen Schnitzer zu mache«. Hector Fuller, dieser demokratische Würdenträger, war einmal zum Mitglied eines Festausschusses der Stadt New Bork ernannt worden. Dabei zeichnete er sich durch seinen Eifer derartig aus, daß Bürgermeister Walker bei seinem Amts antritt den Mann irgendwie belohnen musste. Da aber für Fuller keiu Amt vorhanden war, so wurde eben eines gc- jchasfcu, nämlich das des „Einführers prominenter Gäste der Stadt". Der Posten bringt dem braven Hector keinen Cent ein, aber Fuller trachtet auch nicht nach Geld. Er ist glücklich, wenn er mit Stentorstimme im großen Empfangüsaal der Stadthalle seine Schutzbefohlenen anmeldcn darf. Als vor einigen Jähren die Königinmutter von Rumänien nach New Aork kam, scholl cs aus Hectors Mund durch den Empsangsräum: „Ihre kaiserliche Hoheit, die Königin Maria." Glücklicherweise erklärte Rumänien den Vereinigten Staaten dieser beleidigenden Aeußerung wegen nicht sofort den Krieg, sondern wartete, bis Hector seinen Irrtum eingestand. » c Auch der englische Ministerpräsident MacDonald nahm einen Fehler des braven Mister Fuller nicht allzu tragisch. Hector verkündete nämlich beim Eintritt des englischen Gastes in den festlich geschmückten Naum: „Der ehrenwerte Ramsay I. MacDonald, Ministerpräsident der Bereinigten Staaten." Die Folge davvn waren erregte Anfragen aus der Heimat, ob MacTcmald etwa m den Amerikanern überaeaanacn sei. Der Ministerpräsident schaffte aber die Angelegenheit selbst ans der Welt, indem er Inner einen launigen Brief schrieb. Als der französische Ministerpräsident Laval kürzlich in Begleitung des Botschafters Claudel die New Barker Stadt- yallc betrat, wollte Hector Fuller die Ankündigung wahrschein lich ein wenig kürzer gestalten. Sonst hätte er doch sicher nicht verkündet: „Seine Erzellenz der französische Ministerpräsident Herr Paul Claudel." Laval, der richtige Ministerpräsident, machte ein finsteres Gesicht. Clandcl war bestürzt. Am leichtesten unterläuft dem armen Hector ein Fehler, wenn er mit Offizieren zu tun hat. Er scheint sich durch die verschiedenen Bezeichnungen noch nicht hindurch gefunden zu laben. Sv meldete er kürzlich den amerikanischen General major (höchster Rang im Bundesheer) Haskell als „Majvr Haskell" an, worauf der brave Soldat kreidebleich wurde. Vielleicht hälle es eineu Skandal gegeben, würd'«? nicht ein Zivilist den tödlich Beleidigten rasch am Arm ergriffen und m den nächste» Raum geschoben haben. Hector Fnllcr war wahrscheinlich durch den Vorfall aus der Fassung gebracht, und so unterlief ihm ei» noch unverzeihlicherer Fehler. Er sah einen anderen General mit dessen Adjutanten eintreten, hielt letzteren für den amerikanische» Generalissimus im Welt krieg, General Persbing, nnd posaunte: „Major Ely, begleitet von John I. Pershing." Ei» Glück für den guten Hector, daß man Beleidigungen in den Vereinigten Staaten nichl durch Duelle anLträgl. Sonst wäre er nach diesem Vorfall ein toter Mann. Der Tunnel von Madioen. Javanische Skizze von K u r t R a s ch k c. „Toten Sie doch das Vieh, Palmson!" sagte ich ver ärgert. Denn nun kroch die Spinne mit ihrem unglaublich tückischen Greisenhaupt und ihren langen Beinen, die nervös den Weg abtasteten, schon über die Tischplatte. „Hier bei Euch in den Tropen weis; man nie ganz genau ..." „Ihre Aengstlichkeit möcht ich haben", unterbrach In genieur Palmson leichthin. Sorgfältig bog er eine Banknote zu einer Schaufel und berührte damit den Nückcnschild. Der Spinncnleib kugelte sich blitzschnell zusammen und lag nun, zu einem zeutimctcrdickcn Klumpen geballt, scheintot auf der Platte. Palmson schob ihn behutsam auf das Papier und trug ihn auf die Veranda. Vorsichtig lies; er die Spinne in den Hvtclgarten fallen. „Ihre Gefühlsduselei möcht ich haben", spottete ich, als er znrückkam. — Palmson sah mit tiefernstem Blick zn mir ans. „Es ist sehr begründete Dankbarkeit", antwortete er. „Eine Spinne hat mir einmal das Leben gerettet. Ich habe seitdem leinen Grund, ein Tier unnütz zu toten." „Verzeihen Sie meine Bemerkung!" bat ich beschämt. „Aber das; eine Spinne Ihnen das Leben gerettet hat, das müssen Sie erzählen." „Es ist nicht viel zu erzählen dran", zögerte er nach denklich. Er nahm dabei sein Taschentuch und tupfte auf einen winzigen Blutstropfen auf der Fingerspitze. „Sehen Sie!" streckte er mir lachend den Zeigefinger entgegen. „Schattenseiten hat dieser Abzahlungsdank auch. Das Tier ist beim Hinübertragcu gegen die Hand gefallen nnd hat mich gebissen. Na, cs macht nichts." „Wollen Sic die Wunde nicht lieber mit Alkohol ans- ' tupfen? Ich habe mal irgendwo gelesen, auch Spinncnbissc sollen zuweilen giftig sein " „Ach, das sind Märchen. Alkohol? Wär ewig schade um jeden Tropfen, de: statt in die Haut auf die Haut kommt. Also die Geschichte. Sie sind ja mit der Bergbahn von Tcmerang nach Soeraoaja gefahren, kennen also die Strecke. Erinnern Sic sich des Tunnels kurz vor Madioen? Den hatten wir für die neue Bahnlinie auszusprengen. Die Arbeiten gingen auch flott vorwärts. Nur gab es da einige Streitigkeiten mit eingeborenen Arbeitern. Die Haupthetzer waren ins Gefängnis gewandert, andere hatten eine tüchtige Tracht Prügel bekommen. — Verdammt, der Finger brennt vie verrückt. Das Biest scheint tatsächlich giftig gewesen zu sein. Ich werde dach lieber einige Trvpscu Alkohol in die Wunde schütten." „Der Finger beginnt zu schwellen. Wollen Sie nicht bester .nun Arzt gehen?" „Unsinn, wenn man hier auf Java um jeden Spinncubiß zum Doktor lausen wollte, achhcrr;eh! Also weiter. Paupate, ein Javanese, sollte auf das gegebene Zeichen die elektrische Zündung für die Sprengungen nnslvscn. Der Obcringcnicur hatte mich gewarnt, Panpate auf seinem verantwortungs vollen Posten zu lassen. Die Javanesen sind rachsüchtig, und dieser gehörte zn denen, die 25> Hiebe über das Fell bekommen hatten. Ich Ivar damals erst kurze Zeit in de» Tropen und glaubte nicht so recht an den Ernst der Warnung. Teufel, wenn PanPateS Nachestückchen gelungen wäre, säße ich heute nichl mehr hier nnd könnte ich Ihnen diese Spinnengeschichte nicht mehr nun besten aeben. Kur; vor Schichtwechsel meldete man mir eines Abends, das; im Tnnnelschacyt irgend etwas in Unordnung sei. Bevor ich einstieg, rief ich Paupate noch dcu Befehl zu, de» Strom auszuschalten. Ein Hebcldruck auf den Auslöser hätte uns allesamt da unten in die Hölle gejagt. Zehn Minuten dauerte es, bis der Schaden wieder beseitigt war. Ich prüfte noch einmal die Anlage der Sprengpatronen, dann stiegen wir zu Tage. Wenige Schritte vor dem Ausgang hörte ich den Knall eines Schusses. Vor dem Maschincnhaus standen dichte Gruppen. Das erste, was ich sah, war der Revolver in der Hand des Oberingcnieurs. Er hatte damit den Javanesen über den Hausen geknallt. Panpatc aber lies; selbst im Todcs- kampf die Hand nicht vom Auslösehcbcl. Er wollte nns alle da unten in die Luft sprengen. Aus Rache für die erhaltenen Hiebe. Ein ganz verrückter Zufall halte die Schandtat verhindert. Eine Spinne war zwischen die beiden Metallplättchen geraten. Der isolierende Körper unlerbrach die Stromführung. Verstehen Sie nun, warum ich vorhin die Spinne so- .gefühlsdnselig' am Leben ließ?" ^er Ingenieur hatte die letzten Sätze in sonderbarer Hast und mit mühsam uiitcrdrücktcr Atemnot gesprochen. In tiefem Erschrecken sah ich Plötzlich, daß sein Gesicht dunkel blau unterlaufen war. Es schien geschwollen. lieber der Stirn lag eine dicke Schweißschicht. „Palmson, Mann, was ist Ihnen? Schnell, sagen Sie, wo wohnt der nächste Arzt?" Mit einem Acchzcn hob er die Hand auf den Tisch. Sic war zu eiucm riesigen Klumpen aus unförmigem Fleisch gewachsen. Die Haut schillerte in grün lichem Blau. Blutvergiftung! „Sic hatten recht", keuchte Palmson in bitterer Ironie. Sein Atem rasselte misstönend in den Lungen. „Es gibt also doch giftige Spinnen." Er starrte mit hilflosem Blick auf die vergiftete Hand. Ich raste in die Hotelhalle und fand glücklicherweise nach kurzem Fragen einen Arzt. Als wir das- Zimmer betraten, war Jngenievr Palmsou schon tot. Oie gefährliche Königskobra. Mancher bekannte Tropcnreiscnde hat auf die Frage nach dem Tier, das er für das gefährlichste halte, unbedenklich gcaiitwortcl: „Die Konigslobra." Ihr Biß führt innerhalb von drei Minuten den Tod eines Mensche» herbei. Die Königs- kobra ist im Vergleich zu alle» anderen Giftschlangen deshalb be'oiiders gcfähriich, weil sic den Menschen angreift nnd ge radezu verfolgt. Iu dieser Beziehung tnn sich die Weibchen besonders hervor. Es sind verschiedene Fälle bekannt geworden, in denen angegriffene Weiße sich mir dadurch von der un heimlich schnellen Verfolgerin retten konnten, daß sic im Lausen ein Kleidungsstück »ach dem anderen abwarscu. Die Schlange fiel nämlich sofort darüber her und lies; den Fliehende» einen Vorsprung gewinne». Gänzlich lässt sich ein Zusammentreffen mit Köiiigökobras selbst bei größter Vor sicht nicht vermeiden. Dann verläuft cs freilich iu den selten sten Fällen so glücklich wie das Abenteuer eines englischen Beamten auf Borneo, der sich plötzlich zwei Kömgskobras mit aufgeblähtem Nacken gegenüber sah. Ein geradezu unglaub licher Zufall wollte es, daß seine beiden Schüsse den Angreifern auf vier Bieter Entfcrming die Köpfe abrissen. Der glückliche Jäger beteuerte aber hoch und heilig, in Zukunft werde er vor jeder Köiugskobra reißcms nehmen. Das ist auch die Taktik der meiste» Tiere, die mit der Schlange in Berührung kommen, denn die Königskobra ist zn allen ihren sonstigen uuig angenehmen Eigenschaften noch Kcmnibale. Der sprechende Spiegel. Historische Skizze von H n n s - E b e r h"a r d v. Besser. „Der Wagen ist da, mein Kind, bist Du so weit?" Baron Kittlitz blieb ans der Schwelle stehen. Er lächelte nnd betrachtete das junge Mädchen, das ihm mit froh be wegten Augen und heißen Wangen entgegen kam. Allerliebst sah das junge Ding aus, seine Josefine! Die hohe Frisur kleidete das Kind gut, wie sicher Josefine daherschritt in dem ungewohnten Reifrock, de» Fächer in der Rechte», ci» Schon- hcitspflästerchc» im Ausschnitt der zarte» Brust, und diese seine», goldenen Bastschuhe! Ma» konnte sich mit seiner Tochter ans dem Hoffest sehen lassen! Josefine von Kittlitz nickte dem Vater vergnügt zn. Sie trat dicht an ihn heran nnd sagte, betont und überdeutlich sprechend: „Ich bin so glücklich^ mein erstes Hoffest werde ich nun mitmachcn, Papa!" Der alte Mann im blauen Staatsrock, einen Orden auf der Brust, sah aufmerksam auf die Lippen der Tochter, er nickte nnd bot ihr den Arm. In der Diele stand die Schwester des alten Obersten von Kittlitz, ein hageres, freundliches Dämchen, beimmdernd schlng sie die Hände zusammen, als die strahlende, bildhübsche Nichte an ihr vorüberkam. Man stieg ein, und die Kalesche rollte der Hofburg zu. Bald reihte man sich in die Wagcnkette ein, die sich langsam vorschob, vorüber an de» gaffenden, scherzfrohcn Wienern. Not schwelten Fackeln zum nachtdunklen Himmel empor. Lakaien rissen die Kutschen und Karossen ans. Damen und Herren in Gala, Offiziere in prunkenden Uniformen schritten durch das Portal der kaiserlichen Burg. Auch der Rittmeister a. D. Baron Kittlitz, den Dreispitz in der Hand, stieg bedächtig, den Arm seiner Tochter in dein seine», die marmornen Treppen des Eckstosses hinauf. Bald flutete das Licht ver schwenderisch, bald nahmen buntbcwegtc Bilder gefangen, bald ging man im Ans und Nieder, im Stimmengewirr unter. Nnd da — die Kaiserin Maria Theresia. Die Kur begann, huldvoll lächelte die Allverchrtc, und unter dieses gnädig liebfcinc Lächeln neigten sich die gepuderten Köpfe, beugten sich graziös die Knie, klirrten silberne Sporen nnd Degengehänge. Fan faren schmetterten, Musik rief zum Tanz, der Hofball begann. Baron Kittlitz stand in einer Ecke, verloren schonte er in das bunte lichtumwobene Treiben. Er beobachtete Josefine, um ihretwillen war er ja nach Wien gekommen. Er, der Ein same, der, er mußte es sich zugestehen, Verbitterte, der mit seinem Schicksal haderte. Die Welt war für ihn in dumpfes Schweigen versunken, Lautlosigkeit umstand ibn Taa und Nacht, er hörte nichts, er war tanb. Als Rittmeister hatte er gehe» müssen, als er sein Leiden nicht mehr verbergen getonnt, als Mann in den besten Jahren! Einige Stunden vor Wien hanste er in einem verwohnten Landhansc. Biel besaß man nicht. Doch er war reich: Er hatte ein Kind, ein liebes, aus- opferndcs Kind, das ihn umhegte und Pflegte. Da waren jene jungen Offiziere bei ihm vorgcrittcn. Eine Nebnng wurde ab- gehaltcn. Zehn waren Gäste des Hanfes geworden nnd — und seitdem hatten Josefines schöne Augen einen anderen Aus druck bekommen. Das Recht der Jugend war anch in ihr erwacht. Baron Kittlitz beobachtete scharf. Klug und durchdringend standen die Angen im Gesicht des Tauben, in dem ein stetes Horchen zu ruhen schien. Sein Mnnd schloß sich fester, er sah es: Josefine war nicht glücklich. Sie tanzte, wnrde um schwärmt, die jungen Offiziere huldigten ihr, dennoch rnhtc tief auf dem Grunde ihrer Augen Dunkelheit, den Vater täuschte sie nicht. War es verkehrt gewesen, sie ans der Ab geschlossenheit ins Hoflcbcn zu bringen? Fühlte sic nun erst ihr Los an der Seite des tauben Vaters? Und er hatte cS doch gut gemeint und gedacht, vielleicht für sie — ja, er mußte ehrlich sei» — einen Mann zu finden. Sie besaß nichts, doch so viele alte Namen waren vertreten, Reichtum, aussichtsvolle Karriere! Kittlitz sah grüblerisch drei». Was das Kind nur hatte? Josefine war doch so von Freude erfüllt gewesen, als man zur Burg fuhr. Und nun? Die Züge des Mannes verdüsterten sich. Er starrte gerade aus. Wären sie doch lieber nicht »ach Wien gekommen, er, der Einsame, und sein gutes Kind! Was hatte er getan? Der Baron stand einem hohen Spiegel gegenüber. Ver loren starrte er in das vom Licht angerührte, scheinbar bebende Glas. Der Ausschnitt eines kleinen Salons zeigte sich im Spiegel. Zwei Gestalten sprachen heimlich erregt, zwei La kaien. Sie glaubten sich unbeobachtet, ahnten nicht, daß der Spiegel dem Salon gegenüber ihr Bild ausgesangen. Gc- wohnhcitsgemäß blickte Kittlitz auf die Lippen der beiden. Er war gewöhnt, alles aus der Stellung der Lippe» abznlcsen, ohne diese Kunst wäre er gänzlich verloren gewesen. Plötzlich zuckte er zusammen, seine Auge» bohrten sich in das Spiegel bild. Keinen Blick verwandte er von den Lippe» der beiden. Jedes Wort las er von ihnen ab, und sein Gesicht ver färbte sich. „Alles in Ordnung", sagte der eine der Lakaien schnell. „Ich habe Nitscha benachrichtigt. Er liegt mit seinen Leuten liu Hinterhalt. Die zehntausend Gulden sind uns gewiß und der Leutnant mit seinen Husaren — erledigt. Es ist doch alles beim alten geblieben?" „Ja, ich hörte, wie die Kaiserin »ach dem Kabinetisral die Meldung des Münzdircktors cntgegcnnahm: Zehntausend Gulden werden als Kricgsschatz Wirch den' Leutnant von OLbcrg »ach Lemberg geschafft. Heute früh ging der Trans port ab. Nitscha wird alles prompt besorgen, die Beute " Kittlitz tanzte» Funken vor den Äugen. Zehntausend Gulden aus der staatlichen Münze unterwegs nach Lemberg, Räuber im Hinterhalt, Verrat! Es branste ihm in den Schläfen. Seine Pulse hämmerten. Er starrte in den spre chenden Spiegel. Das Paar war verschwunden, der Spiegel verstummt! Da kam jähe Ucberlcgung über ihn, er bändigte seine dnrchcmanderwogeudcn Gedanken. Hastig riß er seine Schreib- tascl heraus, zitternd kritzelte er einige Äoitc hin, eine knappe, militärische Meldung. Dann eilte er durch das Gewühl, trat in den Kreis der Großen des Reiches, die um die Kaiserin staiidcn. Man sah auf, lächelte etwas mitleidig; erstaunt nahm die Kaiserin die Schreibtafcl. Sie las, ihre wundervollen Frauenaugcn wurden voll harten Glanzes, sie senkte unmcrk- lich die Lider. Ein Wink mit dem Kopf, Kittlitz und der Geiicraladjntant solchen ihr. In dem Kabinett berichtete der Baron eilig von dem sprechenden Spiegel. Die Kaiserin legte ihm die Hand auf die Schulter. „Eine Eilstaffette dem Leutnant von Osberg nach, sofort, und die Route nach Lemberg ändern! Zwei Schwadronen auf, dieser Nitscha und seine Bande müssen morgen hinter Schloß und Niegel sein. Die Lakaien wandern unverzüglich in den Kerker." Sie sprach gebietend und ruhig, der Offizier eilte davon. In diesem Augenblick huschte Josesine herein, die den Vater gesucht. Ihre Augen blickten müde und enttäuscht. Kittlitz wollte sich mit einer Verneigung zurückziehen. Da lächelte Maria Theresia. „Bittet Euch eine Gnade aus! Zehntausend Gulden habt ihr gerettet und dem Leutnant von Osberg und seinen Husaren das Leben. Das ist viel." Kittlitz sah verwirrt drein, Josefine aber schoß das Blut ins Antlitz, als sie den Namen Osberg hörte. Sie dachte an den Mann, der unter den Gästen im väterlichen Hans geweilt, nur Stunden — und diese hatten genügt, um ihre Herzen zusammen zu schmieden. Die große Enttäuschung, ihn nicht auf dem Balle zu finden, erklärte sich. Sie begrifs nicht ganz, sie ahnte nur und hörte von einer Gnade. „Majestät", sagte sie mit reizendem Hofknix, „Osberg, nnd ich lieben uns. Wir haben beide nichts. Ich lütte unter- länigst, der Tochter des Barons Kittlitz die Möglichkeit zur Heirat zu geben!" Ihre Augen leuchteten. Der Vater verstand jäh alles. Die Kaiserin lächelte. „Aus Euch soll ein Paar werden — und Euer Kind, Kittlitz, wird gut versorgt sein. Verlaßt Euch auf mich!" ,
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