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Sächsische Elbzeitung Bad Schandau, Mittwoch, den 6. Januar 1932 Ar. 4 Sächsische Schweiz TagcszcUimg für die Laiidgemcindcn Allendorf, Klcuigicszhübcl, Kleinhenners dorf, Krippe», Lichlcuhai», Miltclndorf, Ostrau, Porschdorf, Postelwitz, Prossen, Nathniaunsdorf, Ncinhardtsdors, Schmilka, Schöna, Waltersdorf, Wcndischsähre, sowie für das Gcsamtgebiet der Sächsischen Schweiz. Druck und Verlag: Sächsische Elbzeitung Alina Hieke, Inh. Walter Hieke. Verantwortlich: Walter Hieke. Anzeigenpreis (in NA!.): Die 7gcspaltcnc 35 inin breite Pclitzeile 20 Pfg., sür auswärtige Auftraggeber 25 Pfg., 85 mm breite Ncklamezcilc 8» Pfg. Tabel larischer Satz nach besonderem Taris. Bei Wiederholungen wird entsprechender Rabatt gewährt. Anzeigenannahme sür in- und ausländische Zeitungen. h Tageblatt für die Enthält die amtliche» Bekanntmachungen sür den Stadtrat, das Amtsgericht, Vas Hauptzollamt Bad Schandau und das Finanzamt Sebnitz, — Bankkonto: Stadtbank Bad Schandau Nr. 12. — Postscheckkonto: Dresden 33 327. Kcrnspr.: Bad Schandau Nr. 22. — Drahtanschrift: Elbzeitung Bad Schandau. Erscheint täglich nachmittags ^>5 Uhr mit Ansnahme der Sonn- und Feiertage. Bezugspreis: srci Haus monatlich 1,85 RM. teinschl. Trägergcld), sür Selbst «bhvlcr monatlich 1,05 RM., dnrch die Post 2,00 RM. einschl. Bestellgeld. Einzelnummer Ü>, mit Illustrierter 15 Pfg. — Bei Produktionsbcrtcuerungcn, Erhöhungen der Löhne und Matcrialienprcise behalten wir uns das Recht der Nachfordcrung vor. AUe elllge Leser. " Die Hamburger Polizei hat ungefähr 50 national sozialistische Flugblattvertcilcr festgeuommcn. Sie werden sich wahrscheinlich alle vor dem Richter zn vcrant- wortm haben, da sie eine Beilage «des nationalsozialistischen „Hamburger Tageblattes" verteilt haben, die weder als Flug blatt angemeldct noch genehmigt worden war. * Der italienische König hat den Apostolischen Nnntins Borningini Duca empfangen, der ihm im Namen des Pap stes das Band des Christnsordcus überreichte. Derselbe Or den ist auch dem Prinzen von Piemont überreicht worden. * Der Vorsitzende der Nbrnstnngsabteiluug des Völker bundes, Aghnides, ist in London eingelrossen. Die Zu sammenkunft zwischen Drnmmond nnd Henderson »ins; wegen der Erkrankung Hendersons nm ein bis zwei Tage verschoben werden. Keine Aussicht auf Besserung „Xemps" Wei- die „Streichung der Reparationen" Koalitionsbedingung des Zentrums Außenpolitik nur mit Brüning „Reichsland Kelchen" Gehler Uber die Neichsrcform. In den Mitteilungen des Bundes zur Erneuerung des Reichs äußert sich der Vorsitzende dieses Bundes, Reichs- Minister a. D. Dr. Geßler über die Neichsrcform. Er meint, die politische Entwicklung im obgelaufencn Jahre habe im mer deutlicher gemacht, daß eine Reform des Reiches an Haupt und Gliedern täglich dringender werde. „Mit dem System der tolerierten Notverordnungen", so sagt Geßler, „wird cs kaum mehr allzulange gehen, denn es liegt im Wesen dieses Systems, daß es eine wachsende Nechtsun- sicherheit und Nechtsoerwirrung bringen muß..." Geßler zitiert dann ein Wort des früheren amerikanischen Präsi denten Wilson, das vor dem Kriege gesprochen wurde. Wil son sagte damals: „Kein lebendes Wesen kann seine Organe als Hemmnisse gegeneinanderstellen und fortleben. Sein Leben hängt vielmehr von der schnellen Zusammenarbeit der Organe ab, von ihrem raschen Gehorsam gegen die Ge bote des Instinkts oder der Intelligenz und von einer har monischen Gemeinsamkeit des Zweckes . An dieser Unmög lichkeit sei das alte Heilige Römische Reich Deutscher Na tion schließlich zugrunde gegangen. Hinsichtlich der Neichs- reform schienen durch die Arbeiten des Bundes und die mit ihnen in wichtigen Grundfragen sachlich übereinstimmen den Beschlüsse des Länderausschusses die politischen Mög lichkeiten geklärt zu sein. Man habe erkannt, daß die Ver hältnisse in Norddeutschland anders liegen als in Süd deutschland und Sachsen, daher di« sogen, differenzierte Ge samtlosung. / .. Um die Konsliklsmöglichkeiten zwischen den beiden Großstaalen Reich und Preußen auszuschalten, müsse in vnngemäßer Fortführung der Bismarckschen Verfassungs- ionslrukllon die Slaalskrafl Preußens dem Reich wieder nutzbar gemach» werden. Heuke sei dies nicht anders mög lich als dadurch, daß das Reich die Verwallungshohei» über das Reichsland Preußen übernehme. Ium Ausgleich solle den preußischen Provinzen, die noch durch die lebensunfä higen kleinen Staaten abgerundet würden, eine erhöhte Selbstverwaltung übertragen werden. Soweit die sogenann ten RNttelslaalen den Wunsch haben und zur selbständigen Verwaltung imstande sind, sollten ihnen eigene Befugnisse überlassen bleiben, Vie süddeutschen Länder aber, einschl, Sachsen, könnten und sollten im wesentlichen die hohcils- rcchte behalten, die ihnen auch nach der geltenden Reichs verfassung »och zustehen. Die im Länderausschuß vertre tenen Negierungen, vor allem Preußen, hätten diesen poli tischen Prinzipien zugestimmk, mit Ausnahme von Bayern und Oldenburg. Württemberg nnd Baden halten sich bei der Mehrheit befunden. Siänöiae Wochenbeilaaen: „Unterhaltung und Wissen", „Das llnterhaltungüblatt", „Das Leben im Bit-" Frau und ihre Welt", Illustrierte Sonntagsbeilage: Nichterscheinen einzelner Nnmmcrn infolge höherer Gewalt, Streik, Aussperrung, Betriebsstörung berechtigt nicht zur Bczugspreiskiirzung oder zuin Anspruch auf Lieferung der Zeitung. Weltwirtschaftskrise bald zu Ende gehen müsse.' Das sei'aber eine durch und durch unmoralische Ansicht. Die ganze Tribut politik müsse ihre innere Unmöglichkeit erkennen, wenn nachgewicsen werde, daß die Tribützahlungen tatsächlich an der Weltkrise schuld seien. Zwischen Weltwirtschaftskrise nnd Tributzahlnugen bestehe aber nicht nur ein psychologischer Zusammenhang sondern eine unmittelbar nachweisbare Kausalverbindung. - Die Tributforderungen hätten die Goldstandards der Welt und den internationalen Handel ins Verderben ge stürzt. Deutschland habe nämlich außer den Tributen die Zinsen der für frühere Tributzahlungen geliehenen 10 Mil liarden Auslandsschulden zu zahlen. Hierfür sei ein gewal tiger Ausfuhrüberschuß nötig, den die Gläubigerstaaten jedoch nicht aufnehmen wollten. Die Vereinigten Staaten und Frankreich hätten schließlich so viel Gold an sich gerissen, daß in den übrigen Ländern eine Goldknappheit entstand und alle Preise fielen. Dadurch sei die Summe der Tribute und der übrigen Schulden noch weiter in die Höhe geschraubt morden. Aus diesen Gründen habe das internationale Gold standardsystem zusammenbrechen müssen. Zwilche«- oder EndlAms? Die englische Regierung schwankt. In London rechnet man damit, daß die Abreise des englischen Finanzsachverständigen Sir Frederik Leith Roß nach Paris zu Verhandlungen mit dem französischen Finanz ministerium am Donnerstag, spätestens aber am Freitag erfolgen wird. Der englische Standpunkt hat sich insofern wieder ge- ändert, als man zivar nach wie vor an der Notwendigkeit einer zeitweiligen Lösung der Tributfrage, möglichst durch ein langjähriges Moratorium, feslhält, aber gleichzeitig die Einwände anerkennt, die in der Lily erhoben werden, daß nämlich die Zwischenlösung das notwendige vertrauen auf die Kreditfähigkeit Deutschlands nicht wiederherstellen könne. Infolgedessen versucht man Mittel und Wege zu fin den, wie sich eine Wiederbelebung des Kreditoerhältnisses in nerhalb Europas durch Zusammenarbeit der verschiedenen Staate» ermögliche» lasse, und wie sich gewisse Hindernisse im internationale» Hn»dclsverkehr, dnrch die die Geschäfts welt starke Nachteile hat, beseitigen lassen. Zn dem Plan der City, in Lausanne nur eine kurze Verlängerung des Tributmoratoriums vorzunehmen und »ach ei»ige» Mona te» wieder zu versuchen, zu einer endgültige» Regelung der Tribut- und Srbuldfraae zu aclanaen. verlautet, daß dieser Wann, so fragt Geßler, werden daraus die praktischen Konsequenzen gezogen? Denn hinsichtlich der staatsrecht lichen Durcharbeitung seien die Arbeiten des Länderaus schusses ein Torso geblieben. Der Bund zur Erneuerung hoffe, demnächst eine große Arbeit über die Zuständigkeits- Verteilung fertigstellen zu können. Dann erst werde für das schwierige Problem des Finanzausgleichs der Boden gegeben sein. Geßler fragt noch, auf was man weiter warten wolle und fügt hinzu, es werde keine Reform geben, die nicht gewisse berechtigte Interessen und Gefühle ver letzen wird. Man müsse aber im gesamten deutschen In. -erelle wählen, dem sich auch berechtigte Sonderinteressen yit fügen hätten. Wenn man warten wolle, bis bessere, ruhigere Zeiten kommen, so müsse man, wie er befürch tete, für unsere Generation wahrscheinlich auf den Sankt- Nimmerleins-Tag warten. Der gordische Knoten, in den unsere staatlichen Verhältnisse sich verwirrt haben, müsse nicht mit dem Schwert zerschlagen werden, wenn wir uns entschlössen, das zu tun, worüber sich die Verständigen in allen Parteilagern einig sind. DeiüWandr Rechtsanspruch NSDAP, DNVP. und Stahlhelm zur Außenpolitik. Der nationalsozialistische Reichstagsabgeordnete Ro- /enberg betonte bei einer Kundgebung in Essen den Rechtsanspruch Deutschlands auf Sicherheit und die Ver pflichtung des Völkerbundes, deck Rüstungsstand aller Völker alle zehn Jahre nachzuprüfen. Es sei unverständ lich, daß der Kanzler in dem Augenblick, wo er stch an- Paris, 6. Januar. Zu dem Vorschlag der „Depeche de Toulouse", die Repa rationszahlungen zu streichen, äußert sich der „Temps" in ablehnenden Sinne. Das Blatt fragt: Würde eine Annul lierung der Reparationszahlungen die Annullierung der ame rikanischen Gläubigeransprüche zur Folge haben? Wie die kürzlichen Beschlüsse des Washingtoner Kongresses gezeigt hätten, würde eine Schuldenannullierung durch Amerika ge genwärtig nicht freiwillig zugestanden werden. Sie könnte sich nur aus dem eindeutigen Willen der europäischen Schuld nerstaaten ergeben. Eine Streichung der Reparationsschul- den würde jene kommerzielle Unmoral sanktionieren, die viel leicht das bestimmende Element der jetzigen Krise sei. Es stehe nicht so sehr das Interesse Frankreichs auf oem Spiel, das das in seinem Budget entstehende Loch aussüllen könnte, sondern vielmehr das Interesse Europas und besonders Deutschlands. Ein Sieg Deutschlands in der Tribulfrage würde Deutschland nur ermutigen, neue Forderungen vorzu bringen. Xributzahlungen und Weltwirtschaft. Im „Svenska Dagbladet" nimmt Professor Gustav Tassel Stellung zu der Frage „Tributzahlungcn und Welt wirtschaft". Frankreich begehe den großen Fehler, daß cs Deutsch lands Zahlungsfähigkeit als eine gegebene Größe hinslclle was unrichtig und unerhört sei. Frankreich habe ja selbst anerkennen müssen, daß Deutschland im Augenblick zah- lungsunfäbig sei. Weiter habe Frankreich allerdings nicht gehen wollen, sondern dann vielmehr bebauvtet. daß die jchicke, zur Tributkonferenz zu gehen, die Nationalsozialisten bekämpfe, die stets für eine Revision eingetreten seien. In Münster sagte G r a f N e v e n t l o m, die National sozialisten seien niemals Gegner der Verständigung mit den ehemalige» Feinden gewesen. Sie verstünden unter Verständigung jedoch etwas, was auf Gegenseitigkeit beruhe. Bei allen Verhandlungen sei es Voraussetzung, daß man Deutschland nicht als Nation zweiter Klasse behandle. Komme die allgemeine Abrüstung nicht, so sei eine neue Lage ge schaffen. In einer Wahlrede in Detmold sagte Dr. Hugen berg, in dem jetzt kommenden Kampf um den dritten Tri- butplan werde niemand außerhalb der Sozialdemokratie und des Zentrums der These widersprechen, daß derjenige ein Verbrecher und Landesverräter sei, der einem dritten Tributplan zustimme. Die heutige deutsche Not forme den nationalen deutschen Menschen: in dieser Hinsicht werde ein künftiges Deutsches Reich bei aller Vielgestaltigkeit keinen Individualismus und keine Duldsamkeit mehr kennen. In einer Stahlhelmversammlung in Hannover trat Oberstleutnant Duesterberg mit allem Nachdruck der Kriegsschuldlüge entgegen und erklärte weiter, Deutsch land könne keine Tributzahlungen mehr leisten und brauche es auch nicht: die Regierung Brüning müsse nur in Lau sanne das von allen nationalen Deutschen seit 13 Jahren heißeriehnte energische „Nein" sprechen. Der Stahlhelm sei bereit, sie tatkräftig in ihren nationalen Forderungen zu unterstützen. Die Arbeit des prelökommisfars. Der Rcichskommissar für Preisüberwachung beschäftigt sich gegenwärtig mit den Spannen der Milchpreise und de^ Preisen sür Schuhreparaturen. Atif Anregung der Hau«2 frauenorganisationen werden zur Zeit auch die Möglich keiten des Preisauszeichnungszwanges im einzelnen geprüft. 26. Lahrgang Mainz, 6. Januar. Im „Mainzer Journal", dem Mainzer Zentrumsblatt, veröffentlicht der Vorsitzende der hessischen Zentrumspartei, Rechtsanwalt Dr. Bockius, M.d.N. einen Artikel „Im Jahre 1932 hinter Brüning". Es heißt darin: „Soweit es an uns liegt in Deutschland, müssen wir geschlossen auftreten. Das heiß» aber nichis anderes, als daß das ganze deutsche Volk sichtbar und offen hinter den verantwortlichen Staatsmann, den Kanzler und Außenminister Brüning, zu treten hat. Das ist das Gebot der Schicksalsstunde Deutschlands im Anfang des Jahres 1932. Deshalb ergebe sich für uns In Hessen daraus auch die Konsequenz, daß wir von jeder Partei, die mit uns in eine Regierung treten will, verlangen müssen, daß es in Deutschland nur eine Außen politik gibt, die der Rcichsregierung Brüning, die im Reichs- rat unterstützt werden muß. Wir stehen vor Wahlen in Preußen und vor der Neichs- präsidentemvahl ebenfalls in diesem Schicksalsjahr. Niemand kennt den Ausgang dieser Wahlen. Soviel jedoch erscheint als sicher: in den nächsten Jahren wird keine Partei die ab solute Mehrheit erhalten. Dies haben die Hessenwahlen ge zeigt. Es wird im übrigen Deutschen Reich genau so sein, nreil der katholisct)e Volksteil dem Zentrum die Treue hält, wenn auch alle Parteien rechts von ihm zerschlagen werden sollten. Nach allen Wahlen wird das Zentrum mitregieren müssen. Mit dem Zentrum kann man jedoch nur verant wortlich regieren und auch wohl auf weite Sicht hinaus nicht ohne Brüning, den gegenwärtigen Exponenten des Zen trums. Auch die Nationalsozialisten, die danach nicht dazu kommen werden, auf Grund von Wahlen in Deutschland allein zu regieren, müssen sich eventuell einmal entscheiden, vom Negieren sich dauernd fernzuhalten oder völlig verant wortlich zu arbeiten, also umzulernen, wie es vor ihnen schon so viele andere Parteien tun mußten.