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Allgemeiner Anzeiger : 28.03.1917
- Erscheinungsdatum
- 1917-03-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
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- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191703284
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- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1917
-
Monat
1917-03
- Tag 1917-03-28
-
Monat
1917-03
-
Jahr
1917
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 28.03.1917
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Oie Mirren in K.uNanä. Konflikte in der neuen Regierung. Nach schwedischen und dänischen Berichten trat gleichzeitig mit dem Vollziehungsausschuh Ler Duma, der die Revolution herbeiführle und leitete, ein Arbeiterausschnh ins Leben, der in diesen Tagen der allgemeinen Ver wirrung schnell wachsenden Einfluh aus den Gange der Revolution gewonnen hat. Zwischen den beiden Ausschüssen trat die erste Mißhclligkeit ein, als das Dumakomitee beschloß, mit dem Zaren in Verhandlungen zu treten, und die Arbeiterführer Tsckndse und Kerenski mit ihrem Austritt aus dem Komitee drohten. Die Verhandlungen wurden tatsächlich eingeleitet, und erst als sie an de> Drohung des Zaren scheiterten, General Alexejew als Diktator nach Petersburg schicken zu wollen, besann sich der Dumaausschuh, und Tscheidse und Kerenski traten ihm wieder bei. Ein zweiter Konflikt entstand, als die Duma den Zarewitsch zum Kaiser ausrusen wollte und die neue Re gierung sich ihr anschloh. Gegen diese Absicht protestierte das Arbeiicrkomiiee und erklärte, daß die Arbeiter, wenn es zu einem solchen Schritt käme, gleichzeitig die Republik proklamieren würden. Erst dieser Drohung gegenüber ver zichtete der Dumaansschuß auf sein Vorhaben. Schließlich muhte auch der Plan, die revolu tionären Soldaten zu entwaffnen, vor dem Widerstand der Arbeiter zurückgezogen und statt dessen der Besehl gegeben werden, die revolutio nären Truppen in Peteisburg zu versammeln. Im übrigen weih auch der.Temps' von ernsten Unstimmigkeiten unter den Revolutio nären zu melden. Er berichtet aus angeblich durchaus zuverlässiger Quelle: Die Oktobristen, die den Vollziehungsausschuß gebildet und die neuen Minister ernannt hatten, stellten folgendes Programm auf: Abdankung des Zaren und Übertragung der Regentschaft an Großfürst Michael Alexandrowitfch. Nach der Weigerung des Zaren, sich dem Willen des Dumapräsi denten Rodzianko zu sügen, hatte sich dann das Arbeiterkomitee außerhalb der Duma gebildet, mit dem dieser gezwungen war, zu unterhandeln. Das Arbeiterkomitee verlangte sofortige Abhaltung von Volkswahlen. Dagegen erhoben aber Rod zianko und seine Freunde Widerspruch, weil die allgemeinen Verhältnisse noch zu wenig geklärt seien. So sei zu befürchten, dah als Folge solcher Wahlen in der Konstituante das konser vative Element unverhältnismäßig stark ver treten sein könnte und in gewissen Provinzen Unruhen zu gewärtigen wären. Darum hielt die provisorische Regierung die Vertagung der allgemeinen Wahlen bis nach Friedensschlutz durch die Umstände für geboten. Der Schlichtung dieser scharfen Unstimmigkeit war eine Nacht sitzung gewidmet. Das Ergebnis scheint aber negativ gewesen zu sein. Die Absage des Großfürsten Michael scheint wesentlich dazu bei- getragen zu haben, die Hauptfrage, nämlich die künftige Negierungssorm Rußlands, noch schwieriger zu gestalten. . Gefahr einer Gegenrevolution- Englische Blätter melden aus Petersburg: Das ganze westliche Rußland steht jetzt auf leiten der neuen Negierung. Eine von sozialistischen Revolutionären abgehaltene Konferenz erkannte an, daß die Gefahr einer Gegenrevolution noch nicht vorüber sei. Sie würden deshalb den Vollziehungsausschub unterstützen, so lange dieser sein Programm von politischer Freiheit, von Abschaffung der Klassenunterschiede und Aushebung von Glaubens- und Nasse- beschränkungen aufrechlerhalte. Das Komitee werde auch bei Vorbereitung einer kon stituierenden Versammlung unterstützt werden. In Petersburg wurde eine Flugschrift verbreitet, die „Befehl Nummer 1" überschrieben und von Leuten unterzeichnet war, die sich „Abgeordnete der Arbeitervertretnngen und der Soldaten" nannten. In dieser Schrift wurden die Sol daten aufgefordert, die Autorität der Offiziere nicht mehr anzuerkennen und entweder von der Duma oder durch eigene Vertreter sür Aufrecht erhaltung von Zucht und Ordnung sorgen zu lassen. Diese Proklamation üble einen verhäng nisvollen Einfluß aus. Sibirien für die neue Regierung. Die Städte Odessa, Tiflis und Jekateri- nostaw, sowie beinahe ganz Sibirien haben sich nach Schweizer Blättern der neuen Regierung angeschlossen. In Kiew sei die Nachricht von den Petersburger Vorfällen mit der Ermächti gung Brussilows bekannt gegeben worden. Die neue Regierung habe den Winterpalast zum Nationaleigentum erklärt und beabsichtige, ihn zum Sitz der konstituierenden Versammlung zu machen. Ausbreitung der Revolution in Finnland. Finnischen Zeitungen zufolge verlies die Militärrevolte in Helsingiors besonders blutig. Die Stadt war einen ganzen Tag in der Ge walt der Truppen. Der Straßenbahnverkehr wurde bis auf weiteres eingestellt. Große Fabriken in Helsingfors und Tammersors haben den Betrieb eingestellt. Admiral Nisopel wurde in Helsingfors erschossen. Die Soldaten durch ziehen in Massen die Straßen mit roten Papier sahnen, die Offiziere verteilen. Wer die An nahme der Fahne verweigert, wird sofort nievergeschossen. Sehr viele Offiziere wurden auf diese Wehe getötet, darunter zwei Admirale. Auf einem Panzerschiff im Haien von Helsingiors wurden nicht weniger als vierzehn Offiziere erschossen. Eins revolutionäre Abordnung langte in Fcedriks- hamm an, wo sich eine große Garnison und Marine befindet. Die Revolutionäre über nahmen die Stadtverwaltung. Sie verhafteten den Wiborger Gouverneur v. Pfählen und führten ihn auf die Festung. Der Wiborger General Petrow wurve ebenfalls verhaftet und wird in seinem Heime bewacht, ebenso der Militärdistrikichef General Deringen. In den finnischen Städten finden große Volkskund gebungen statt, die der neuen Negierung ihr Vertrauen ausdrücken, aber die verlorene Auto nomie wiederverlangen. verschiedene llriegsnachrichten. Im geräumte» Gebiet. Zögernd und vorsichtig folgen die Eng länder den Deutschen mit Kavallerie und schwächeren Abteilungen in das geräumte Gebiet nach. Vielfach beschießen sie mit großer Heilig keit Ortschaften, die bereits geräumt sind. Aus Manancourt feuerten sie nach der Räumung 200 Granaten. Die deutschen Sicherungen brachten den vorsühlenden englischen Patrouillen östlich Bapaume schwere Verluste bei und zogen sich dann befehlsgemäß weiter zurück. Die Franzosen, die nach übereinstimmenden Gefangenenaussagen zwischen Avre und Oise sehr stark massiert staunen, versuchten stärker nachzudrängen, doch auch sie wurden überall von den deutschen Nachhuten in Schach gehalten und erlitten vielfach schwere blutige Verluste. So wurden einige Kompagnien zusammengeschossen, die aus Beaulieu vorbrechen wollten. Das gleiche Schicksal ereilte eine andere Abteilung bei dem Versuch, aus Noyon gegen Mont St. Simeon vorzugehen. Auch die Franzosen nahmen vielfach deutscherseits längst geräumte Dörfer unter Anillcriefeuer. Während die Nückzugsbewegung planmäßig den gewollten Verlaus nahm, errangen bei Verdun deutsche Stoßtrupps nicht unwesentliche Erfolge im Walde von Malancouri, an der Höhe 304 und am Toten Mann. Im Walde von Malan court wurden drei hintereinander liegende Stellungen gestürmt und besetzt. Hier und an der Hohe 304 wurden die genommenen Stel lungen gegen alle feindlichen Gegenangriffe ge halten. Am Toten Mann lehrten die Stoß trupps befehlsgemäß mit Beute und Gefangenen in die Ausgangsgräben zurück. Die Franzosen erlitten, vor allem auch bei den mehrfach wiederholten Gegenangriffen, schwere blutige Verluste. -i- Wie „L. 3ik" untcrging. Der Absturz von „L. 39" hat in Frankreich großen Jubel hervorgerweu, weil nach Ansicht der französischen Presse durch das Abschießen des Luftschiffes der Z e p p e l i n a n gri ff auf Paris verhindert werden konnte. Bei Com- piögne wurde der Zeppelin gleichzeitig von Fliegern und Luftabwehrgeschützen angegriffen, den Fliegern gelang es jedoch nicht, das Luft schiff zur Strecke zu bringen. Erst als eine Granate aus einem Luftabwehrgeschütz die mit Gas gefüllte Ballonhülle traf, wurde das Luft schiff kampfunfähig gemacht. „L. 39" explodierte und stürzte, in Flammen gehüllt, in der Nähe des Boulevard Gambetta nieder. Das Luft schiff ist nur ein verkohlter Trümmerhaufen, die Besatzung ist bei dem Absturz ausnahmslos ums Leben gekommen. * Ist Ruhland zur» Sonderfrieden berechtigt? In. englischen und italienischen Zeitungen scheint man nicht so ganz davon überzeugt zu sein, daß die russischen Wirren ohne Einfluß auf den Krieg bleiben könnten; denn Mailänder Zeitungen besprechen einen Artikel der Londoner Morning Post', in dem es u. a. heißt: Die gestürzte russische Re gierung habe zwar das Londoner Abkommen über Sonderfrieden mit unterzeichnet, aber eine Einschränkung gemacht, daß es im Falle einer Revolution Rußland gestattet sein sollte, einen Sonderfrieden abzuschließen. In Deutschland sei diese Klausel längst bekannt. — Es ist bezeichnend, daß die Zensur diese doch immerhin beunruhigende Nachricht nicht beanstandet hat. Oder will man die Völker des Vier verbandes auf alle Möglichkeiten vorbereiten? * Die vernichteten englischen Zerstörer. Die von unseren Seestreitkräften bei ihrem letzten Vorstoß in den Kanal vernichteten be ziehungsweise schwer beschädigten englischen Zerstörer gehören zu den modernsten Schiffen in der englischen Flotte. Der versenkte Zerstörer gehörte der K-Klasse an, die k9l3 erbaut wurde. Er war 920 Tonnen groß, hatte 100 Mann Besatzung und als Bestückung 13,2-Ztm.-Gejchütze. Er lief 32 Seemeilen. Der schwer beschädigte Zer störer war ein Schiff der in den Jahren 1913/14 vom Stapel gelassenen L-KIasse, 980 Tonnen groß, etwa 30 Seemeilen Geschwindigkeit und ebenfalls mit einer 13,2-Ztm.-Bestückung. Auch dieses Schiff halte 100 Mann Besatzung. Politische AkMiMbau. Deutschtanv. * Vor längerer Zeit hat der Reichskanzler einer Abordnung von Gewerkvereinen mitgeteilt, daß im Frühjahr eine Erhöhung der zu- geieilien FI ei sch menge eintrelen würde. Obwohl inzwischen der Leiter des KriegS- ernährungsamtes erklärt hat, daß von einer solchen Erhöhung abgesehen werde müsse, ist jetzt doch damit zu rechnen, daß die Fleisch zuteilung eine nicht unbeträchtliche Erhöhung erfahren wird. Dagegen ist mit einer Er höhung der Brotmenge nicht zu rechne n. * Wie aus parlamentarischen Kreisen ver lautet, ist nach Lage der Dinge nicht mehr damit zu rechnen, daß der Reichs Haus- Haltset al und die neuen Steuer vorlagen im Reichstage vor dem 1. April noch erledigt werden können. Es sind außerdem noch eine Anzahl von Anträgen zu verhandeln, so daß noch mit starker parlamentarischer Arbeit gerechnet werden muß. Wann der Etat unter Dach und Fach gebracht sem wird, steht noch nicht fest und läßt sich auch nach dem Stande der Ausschußberatungen nicht bestimmen. *Dem Reichstage ist die angelündigle Denk schrift über den Ausbau des Orientalischen Seminars zu einer deutschen Auslands hoch sch ule und über die Förderung der Auslandsstudien nunmehr zugegangen. Österreich-Ungar». *Die zweitägige Anwesenheit des Reichs kanzlers v. Bethmann Hollweg in Wien hat den Leitern der auswärtigen Politik beider Mächte Gelegenheit zu einer ein gehenden Besprechung der mit der gegenwärtigen politischen und militärischen Lage zusammen hängenden Fragen geboten. Hierbei ist, wie Wiener Blätter hervorheben, eine völlige Über einstimmung der beiderseitigen Ansichten zutage getreten. Ruhland. * Nach den Anweisungen der neuen Regie rung sollen die Lokalkomitees berechtigt sein, zeitweilig allen Grundbesitz über 125 Hektar zu beschlagnahmen. Die pro visorische Negierung forderte die Bauern auf, alles Getreive abzuliefern. Gegen einzelne Fälle von Trunkenheit ist sehr scharf vorgegangen worden, man sei sich klar darüber, daß noch sehr viel zu tun bleibt. Amerika. * Die Mitteilungen, die der heimgekehrte frühere Botschafter der Ver. Staaten in Berlin, Gerard, dem Staatsdepartement in Washington vorgelegt hat, widerlegen nach amerikanischen Blättern dis verschiedenen Behauptungen, daß Deutschland daran denke, den unbeschränkten U-Boot-Krieg abzuändern, um den Krieg mit den Ver. Staaten zu vermeiden. Nach dem Beweismaterial, das Gerard mitbrachte, und nach dem, das aus anderen Quellen stammt, erwartet man in Regierungskreisen, daß Deutsch land fest entschlossen ist, den Un 1 erseebool - krieg fortzusetzen, auch angesichts der Tatsache, daß eine solche Politik wahrscheinlich zum Krieg mit den Ver. Staaten führen wird. Der Präsident wird seinen Plan, die Ver. Staaten in einen Zustand be waffneter Neutralität zu versetzen, fortführen, und dieser Zustand wird so lange andauern, bis Deutschland einen bewaffneten Zusammen stoß mit einem amerikanischen Handelsschiff er zwingt, oder bis Deutschland den unbeschränkten Unterseebootkrieg aufgibt. * In brasilianischen Marinekreisen verlautet, das brasilianische Schiff „ Urupy " mit 35 000 Säcken Kaffee nach Havre an Bord, sei am 19. Februar von einem deutschen U-Boot versenkt worden. Es wird be hauptet, der Abbruch der diplomati schen Beziehungen zu Deutschland gelte jetzt als unvermeidlich. Zahlreiche Brasilianer hätten ihre bei deutschen Banken in Brasilien angelegten Gelder zurückgezogen. *Wie amerikanische Zeitungen berichten, haben die Ver. Staaten in ihrer Antwort auf die Note Mexikos, in der zur Er wägung gegeben wurde, die Lieferung von Munition an den Vierverband einzustellen, diesen Vorschlag abgewiefen und ihn als deutschfreund lich bezeichnet. Asien. * England beabsichtigt ein selbständiges Fürstentum Mesopotamien unter englischer Oberhoheit mit Bagdad als Haupt stadt einzurichten. Zum Fürsten des neuen arabischen Reiches soll Ahmed Fuad, der Bruder des von England eingesetzten ägyptischen Sultans Kamel Hussein ausersehen sein. Pole«. *Eine Neueinrichtung der Aushebung zum Heeresdienst ist in diesen Tagen getroffen worden. Die bisherigen Werbungs inspektionen in 17 Städten beider Okkupations gebiete werden in 17 Hauptstellen für Aus hebung verwandelt, denen 73 Kreisstellen nach geordnet sind, die ihrerseits 400 Meldebureaus umfassen. Die Landesinspekkion für Aushebung befindet sich in Warschau. Nach Durchführung der organisatorischen Maßnahmen wird ein Ausruf des Staatsrates zum Eintritt in das Heer erfolgen. EnalanV. * In London gehen Gerüchte um, wonach in Irland eine neue Erhebung bevorsteht. Jedenfalls trifft die Regierung besondere Vor sichtsmaßregeln. Es wird zwar in Abrede ge stellt, daß der Bevölkerung befohlen wurde, in den Häusern zu bleiben, aber die Mitteilung Bonar Laws im Unterhause, daß es notwendig sein könnte, das Land aufzurusen, um die irische Frage zu ordnen, wird in vielen Kreisen als Anzeichen dafür aufgefaßt, daß wieder etwas im Anzuge ist. Vroknen. Ns Ronian von M. Berger. Mortsehung.! „Wir werden uns hier in aller Gemütsruhe ein Etas Wein und eins Upmaun schmecken - lassen," wandte der Baron sich au den Kom merzienrat und an Grübel, der es sich bereits an einem Tische begnem gemacht hatte. „Neue Sendung empfangen, vorzügliche Qualität, bin! sehr damit zusrkde.i. Darf ich ihnen eine! ssfencren?" Er bot den beiden Lenen eine Zigarre an nnd bestellte bei dem Kellner, der ihnen auf dem Fuße gefolgt war, eine Flasche Wein, die dieser sofort brachte. „Die Anzapfungen unserer Gegner, lieber Daron," sagte der Kommerzienrat und setzte seine Zigarre in Brand, „sind mir, meinen per sönlichen Beziehungen zu unserem Kandidaten wegen, zwar sehr fatal, allein auch ich halte es für das beste, vorläufig daraus nicht zu rea gieren !" „Unser Kandidat ist über diese Angriffe er haben," warf sich Grübel energisch für den Direktor ins Zeng. „Andere Waffen, als die der Verachtung hat der Ehrenmann gegen un verständliche Drohungen nicht. Wir kennen ihn seit Jahren; so jung er ist, hat er sich große Verdienste erworben, die den Gegner sicher er bitterten. Warum schwiegen die Herren damals und weshalb heute die Angriffe? Wie ich denke, lo denken auch meine Freunde." „Atan kennt ihn, er ist Kavalier, aber man kennt seine Lamilie nicht t" schnarrte de»Laron. „Und wenn er aus dem Hinterhause stammt," sagte Grübel, „wo, ich weiß es genau, manch mal alles drunter und drüber geht, wir werden ihn deshalb nicht weniger achten, im Gegenteil, wir werden erst recht zu rhm halten nnd Mann sür Mann ihn wählen." „Die Sentiments sind verschieden!" meinte der Baron und nahm einen Schluck Wein. „Für seine Geburt kann niemand etwas!" entgegnete Grübel ärgerlich nnd zündete sich zum zweiten Male die Zigarre an. „Darüber bm ich anderer Ansicht," wider sprach der Baron. „Das Wallen Gottes zeigt sich gerade hier. Obus Bestimmung wird niemand geboren. Doch das sind An sichten." „Das sind allerdings Ansichten, über die sich tatsächlich mit manchen Leuten nicht streiten läßt l" entgegnete Grübel anzüglich. „Das Moselblnmchen scheint etwas von dem Geist, der stets verneint, in sich zu haben, so ost sie ihm verfallen sind, meine Herren," mischte sich jetzt der Kommerzienrat in das er regt werdende Gespräch der beiden Tisch genossen, „streiten Sie um des Kaisers Bart. Unser Kandidat, das erwarte ich von ihm, wird sich zur rechten Zeit schlagend und glänzend ver teidigen." „Und wenn er dennoch schwiege?" wandte der Baron ein. „Würde ich ihn zur Rede zwingen I* ent gegnete der Kommerzienrat energisch. „Damit wäre ja die Sache abgemacht, indes glaube ich, daß hier das Schweigen der Ver- achtuna angebracht wäre," sagte Grübel. «Wie » mir Dr. Beer andeutete, scheint die Sache nicht von politischen Gegnern, sondern von salfchen Freunden ausgeheckt zu sein." „Schon möglich," stimmte der Kommerzien rat bei, „hat doch der Mensch unter seinen Freunden die schlimmsten Feinde." „Wir können die Verantwortung für die persönlichen Gegner des Kandidaten in unseren Reihen nicht übernehmen," schloß sich der Baron dem an. „Es genügt, daß wir ihn aufgestellt haben und seine Wahl mit allen Kräften fördern; garantieren können wir unmöglich sür alle und jeden!" „Ich garantiere sür meine Freunde," meinte Grübel. „Mein Gott," wandle sich der Kommerzien rat an Grübel, „a bissel Lieb, a bissel Treu, a bissel Falschheit ist alleweil in der Politik. Aus Gründen politischer und persönlicher Natur wird uns mancher, dem wir heute noch trauen, am Entscheiduugstags im Stiche lassen." Baron von Trewitz nickte zustimmend mit dem Kopfe. „Würden Sie," fragte er Grübel, „mit Leib nnd Seele einen Kandidaten, dessen persönliche Färbung nicht die Ihre ist, unterstützen?" — Grübel zuckte ausweichend mit den Achseln. — „Na, sehen Sie, die Politik verdirbt eben den Charakter!" Der Kommerzienrat stieß mit beiden Herren an, dann sagte er, um dem Gespräch eine andere Richtung zu geben: „Ihre Upmann ist wirklich famos, lieber Baron?" Baron Trewitz fühlte sich geschmeichelt. .Mir geht das Ding immer aus l" knurrte Grübel, indem er zum dritten Male die Zigarre in Brand setzte. „Ja, lieber Freund," lachte der Baron. „Havanna muß man rauchen lernen; nicht sür alle ist dies Kraut gewachsen." „Ist wohl gewissen Menschen schon vor der Geburt gelernt worden!" entgegnete Grübel malitiös. „Ich muß doch bitten, meine Herren, diese ewigen Hänseleien zu unterlassen," sagte d« Kommerzienrat ernstlich erzürnt. „Lieber Kommerzienrat," lachte jetzt Grübel belustigt, „ereifern Sie sich doch nicht, der Baron und ich verstehen uns ganz gut; wir florettieren nur manchmal I" Herr von Hupfer näherte sich jetzt den Herren; er war zu dem Entschluß gekommen, heute abend die Bombe zum Platzen zu bringen. „Halten wohl Sitzung ab, meine Herren!" lachte er und nahm an dem Tische Platz. „Immer Arbeit!" „Könntest dir ein Exempel daran nehmen," gab der Kommerzienrat kurz zurück. „Im Weine arbeiten, dünkt mich nicht allzu schwer!" erwiderte Hupfer schlagfertig. „Sie tanzen nicht?" schnarrte der Baron. „Ziehe Wein vor!" antwortete Herr von Hupfer und setzte sich eine Zigarette in Brand. „Fuchs, dem die Trauben zu hoch hängen!" „Wie meinen Sie das, Herr Grübel?" wandte sich Hupfer an diesen. In diesem Augenblick intonierte das Orchester einen Ländler.
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