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Allgemeiner Anzeiger : 26.05.1917
- Erscheinungsdatum
- 1917-05-26
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
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- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191705262
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19170526
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- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1917
-
Monat
1917-05
- Tag 1917-05-26
-
Monat
1917-05
-
Jahr
1917
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 26.05.1917
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zür den allgemeinen Frieden. Russische Regierungskrise. Der russische Minister des Äußern Miljukow ist von seinem Posten zurückgetreten. Ob dieser Rücktritt ganz freiwillig erfolgte, ob er ihm vom Arbeiter- und Soldatenrat nahegelegt ist oder ob er dem Außenminister, der sich nach dem Abgang des Kriegsministers Kerenski ver einsamt fühlte, als Ausweg aus seiner immer unhaltbarer werdenden Lage erschien, wird erst die Zukunft erweisen. Augenblicklich lassen sich aus diesem Rückkitt, der zu einer vollständigen Umwandlung des Kabinetts geführt hat — nur Fürst Lwow ist Ministerpräsident geblieben, nur mit Sicherheit zwei Schlüsse ziehen: der Arbeiter- und Soldatenrat besitzt zurzeit die un beschränkte Macht in Petersburg und er ist ent schlossen, seine Macht zugunsten eines all gemeinen Friedensschlusses, nicht eines Sonderfriedens mitDeutsch- land in die Wagschals zu Wersen. Diese beiden Tatsachen scheinen unumstößlich zu sein, wenn die Petersburger amtlichen Meldungen über die Lösung der Ministerkrise und die begleitenden Meldungen aus Stockholm zu treffend sind. Nach diesen Berichten hat der Ar- beiler- und Soldatenrat einen Aufruf andre Sozialisten allerLänder gerichtet, der sich gegen die Kriegsanhänger und Eroberungs süchtigen in alle Welt wendet und erklär!, daß die russischen Revolutionäre keinen Sonderfrieden wünschen, der dem deutsch-österreichischen Bunde die Hände sreimachen würde. Ein derartiger Friede wäre Verrat an der Sache der Arbeiter- demokratie aller Länder. Der Ausruf spricht den Wunsch aus, daß die von der russischen Revolution vertretene Sache des Friedens durch die Bemühung des internationalen Pro letariats Erfolg haben möge, und lädt die Ver treter aller sozialistischen Gruppen zu der Kon ferenz ein, deren Einberufung der Arbeiter- und Soldatenrat beschlossen hat. Gleichzeitig hat der Rat einen Aufruf an das russische Heer gerichtet, der sich in den gleichen Gedankengängen bewegt, die Truppen auffordert, die russische Freiheit zu verteidigen und den Angriff nicht auszugeben und folgender maßen schließt: „Der Friede wird nicht durch Sonderverträge, nicht durch Verbrüderung ein zelner Regimenter und Bataillone errungen wer den. Dieser Weg wird der russischen Revolution nur zum Verderben gereichen, deren Heil nicht in einem Sonderfrieden oder einem Sonder waffenstillstand liegt. Werst also alles von euch, was unsere militärische Macht schwächt, alles was das Heer zersetzt und seine Moral unter gräbt. Soldaten seid würdig des Vertrauens, das euch das revolutionäre Rußland entgegen- brachle!" Welche praktischen Wirkungen dieser Ausruf in Verbindung mit dem Ministerwechsel haben wird, läßt sich schwer Voraussagen. Miljukow ist mit dem vor einigen Tagen zurückgetretenen Kriegsminister Gutschkow das Haupthindernis der Politik des Arbeiter- und Soldatenrates gewesen, die darauf ausgeht, das russische Ver langen nach einem allgemeinen Frieden den Verbündeten gegenüber zu vertreten. Milsukow war — seine Aufrufe, Noten und Reden be weisen es — allrussischer Eroberungspolitiker, der gleich der gestürzten Zarenregierung im englischen Fahrwasser segelte. Er war der Ver trauensmann des englischen Botschafters Buchanan, mit dessen weitgehender Unterstützung er die russische Revolution vorbereitete. In letzter Linie richtet sich also die Umwandlung der Regierung gegen England, das man als Friedenshindernis offenbar erkannt hat. Es ist nun nicht ausgeschlossen, daß die neue russische Regierung den Einfluß, den sie innerhalb des Vierverbandes zu haben glaubt oder auch wirk lich hat, im Sinne des allgemeinen Friedens gedankens geltend macht. Man soll sich aber nicht täuschen, sie wird nebenher kein Mittel unversucht lassen, das Heer stark zu machen für die Landesverteidigung. Die Übertragung des Kiiegsministeriums an den bisherigen Justiz minister Kerenski, der sich als Mann von Um sicht und Tatkraft erwiesen hat, deutet darauf hin, daß die Armee kampfbereit gemacht werden soll. frieäe Lörrensen. 8s Roman von H. Courths-Mahler. (Fortsetzung.) Unbeweglich saß er noch eine Weile, nachdem er gehört hatte, daß Ruth die Wohnung ver ließ. Nun war er ungestört, bis sie zurückkam. Langsam öffnete er ein Fach seines Schreib tisches und nahm einen Kasten heraus. Dieser enthielt zwei Pistolen. Er hob die eine davon heraus, prüfte sie ruhig und aufmerksam. Dann sah er eine Weile vor sich hin, in tiefe Ge danken versunken. Endlich richtete er sich straff empor. Die Augen bekamen einen energischen Ausdruck. „Nun fort mit dem Krüppel/ sagte er hart vor sich hin. Er setzte die Pistole an die Stirn und drückte los. 7. Friede Sörrensen hatte, wie sie oft zu tun pflegte, den Sonntagnachmittag benutzt, um Volkmars zu besuchen. Der Weg bis zur Villa ihrer Freunde führte durch den Wald. Friede ging ihn in beschaulicher Ruhe. 'Sie fand Herrn und Frau von Volkmar da heim und auch den ältesten Sohn Georg. Friede wurde herzlich begrüßt. Der Hausherr sagte ihr ein paar Artigkeiten und küßte ihr die Hand. Georg zog sie zu ihrem behag lichen Sofaplatz, den sie immer innehatte und Frau von Volkmar versorgte sie mit Kaffee. „In eurem Sofaeckchen ist es zum Sonntag- nachmstlag zu mollig, ich freue mich immer die ganze Woche darauf. Und vollends jetzt, da unser kühner Weltenbummler zurück ist, der so Wie weit das möglich ist, läßt sich natürlich von der Ferne nicht beurteilen. Ebensowenig läßt sich von hier aus überblicken, wie groß die Gefolgschaft der neuen Negierung im Innern des Landes ist. Man darf als sicher annehmen, daß die Selbständigkeitsbestrebungen der ver schiedenen Provinzen und Gebiete sich auch weiterhin geltend machen und vielleicht hier und da die Entschlußkraft der Regierung lähmen werden. Vor allem aber darf man die Hoff nung nicht überspannen. Es ist kaum anzu nehmen, daß es der neuen Regierung gelingen wird, England für einen allgemeinen Frieden zu gewinnen, der seinen geheimen und offenen ehr geizigen weittragenden Plänen nicht Rechnung trägt. Vorläufig ist nur festzustellen, daß der Wille zum Frieden in Rußland mit jedem Tage stärker wird und daß er durch die Umwandlung der Regierung sichtbaren Ausdruck fand. An den übrigen Mitgliedern des Vierverbandes ist es, daraus die Folgerungen zu ziehen. Die Frage, wie Rußland sich verhalten wird, wenn den neuen Männern eine Einwirkung in ihrem Sinne auf die Diplomaten und leitende Männer der verbündeten Staaten versagt bleibt, muß einer späteren Erörterung Vorbehalten bleiben. Ll. v verschiedene Urlegsnachrlchten. Das Völkergemisch an der Westfront. Die bunte Zusammensetzung der Armeen unserer Feinde überbietet alles bisher Dage wesene. Nicht nur aus allen Rassen der Erde, auch aus allen möglichen Volls fläm men innerhalb der einzelnen Rassen haben Engländer und Franzosen die wehrhaften Männer gegen uns zusammengebracht. Ein interessantes Streiflicht auf das Völkergemisch wirst eine „Nachweisung über die Zusammensetzung der im Senegal-Bataillon Nr. 70 vertretenen Volks stämme und deren Kampswert", die bei einem Gefangenen des Bataillons gefunden wurde. Nach dieser Zusammenstellung betrug damals die Kopsstärke des Bataillons 840 Mann. Bon ihnen wurde der Kampfwert von 547 Mann als gut, von 170 als zweifelhaft, und von 123 als schlecht angegeben. Dann werden als Ange hörige des Bataillons Neger von über 50 ver schiedenen Rassen und Stämmen angesührt. Sie alle kämpfen in einem einzigen Bataillon für „Freiheit" und „Menschlichkeit" gegen das „bar barische Deutschland". * Kein Slbwchrmittel gegen U-Boote. Französische Zeitungen geben die Unzu länglichkeit aller bis jetzt zur Abwehr der U-Bootgefahr ergriffenen Maßregeln zu. „Die Netze haben sich als zwecklos er wiesen. Das deutsche U-Boot schlüpft hindurch. Die Wasserflugzeuge? Sie schützen die Schiffe in der Nähe der Küste und auch noch auf eine gewisse Entfernung davon, aber wir bauen nicht genug davon. Die Patrouillenboote? Sie sind unentbehrlich für die U-Bootjagd, aber abge sehen von den Torpedobooten sind unsere Patrouillenschiffe unzulänglich. Die Fischkutter, die kleinen Dampfer, die wir verwenden, laufen acht, zehn, höchstens zwölf Knoten. Sie kommen immer zu spät. Die Marine muß darum auf ihren eigenen und auf privaten Werften mit aller Beschleunigung schnelle Kanonenboote, Torpedoboote und sogar große Petroleum- Wachtschiffe bauen lassen." * Neue Völkerrechtsverletzung durch die Engländer. Der Hamburger Vertreter der Telegraphen- Union hat von einem Lotsen erfahren, daß die Engländer in Norwegen öffentlich bekanntgeben, daß s ämtl ich e d e ut s ch e n S ch i ff e, die an Norwegens Küste fahren, ganz gleich, ob sie innnerhalb oder außerhalb der norwegischen Hoheitsgewässer sich befinden, in Zukunft ohne weiteres in den Grund geschossen würden. * Die Amerikaner sind da! Das englische amtliche Pressebureau meldet: Ein Geschwader amerikanischer schön gruselig erzählen kann, wie ungemütlich es bei den Kannibalen ist." Georg machte ein drohendes Gesicht. „Du, Tante Friede, den Wellenbummler nimmst du sofort zurück. Ich habe ehrlich ge arbeitet im Schweiße meines Angesichts. Friede sah mit fast mütterlicher Zärtlichkeit in das kühngeschnittene, gebräunte Gesicht des großen schlanken jungen Mannes. „Also sagen wir Forschungsreisender statt Weltenbummler." Georg Volkmar war Friebes besonderer Liebling, wenngleich sie seinem Bruder Heinz ebenfalls herzlich zugetan war. Georg hatte nach beendetem Studium eine große Forschungs reise unternommen und war vor kurzem erst heimgekehrt. Sein Name wurde schon mit be sonderem Klang in der Gelehrtenwelt genannt. Nun wollte er sich in L . . . als Privatdozent niederlassen und ein großes wissenschaftliches Werk schreiben, zu dem ihm seine Reisen den Stoff liefern sollten. Friede war mindestens so stolz auf ihn wie die eigenen Eltern. Solange er fort war, hatten die beiden Frauen manchmal heimlich gebangt, daß ihm ein Unglück in weltserneu Gegenden treffen könne. Aber nun war das vergessen. Er saß wieder heil und gesund bei ihnen und ließ sie teilnehmen an dem, was er gesehen und erlebt halte. Georg zog sich einen Sessel an Friebes Seite. „So hab' ich dich im Geiste manchmal hier sitzen sehen, Tante Friede. Nie suchten dich meine Gedanken in deinem eigenen Hause." Torpedojäger traf in England ein, um mit unserer Flotte zusammenzuarbeiten. Konter admirals Sims führt den Befehl über sämtliche amerikanischen Streitkräfte, die nach Europa kommen. Er steht in täglicher Verbindung mit dem Chef des Generalstabes. * Keine Entschädigung für die „Lusitania". In einigen Blättern findet sich die Angabe, daß von der deutschen Negierung für die Ver senkung der „Lusitania" eine Entschädi gung von 30 Millionen Mark an Amerika gezahlt worden sei. Die ,Nordd. Allg. Ztg.' stellt fest, daß an dieser Meldung kein wahres Wort ist. * Chinas Teilnahme am Kriege gegen Deutschland. Die Londoner Morning Post' meldet aus Tientsin, daß das chinesische Kabinett mit Aus nahme von zwei oder drei Ministern beschlossen hat, das Parlament um eine sofortige Ent scheidung zur Frage der Teilnahme am Kriege gegenDeutschlandzu ersuchen. Deutscher Reichstag. (Orig.-Bericht.) Berlin, 16. Mai. Das Haus setzte die innerpolitische Debatte fort. Abg. Dr. Schiffer-Magdeburg (uatl.): Im Gegensatz zum Abg. v. Naumann könnte man auch meinen, daß wir jetzt von der Stacks allmacht und vom Staatssozialismus auf lange hinaus genug haben und der allgemeine Wunsch bestehen könnte, wieder zur unbeschränkten Möglichkeit der freien individuellen Entwicklung und zum freien Wettbewerb möglichst vieler selbständiger Existenzen zurückzukehreu. Wir wissen vollauf, was wir unserem Oifizierkorps zu danken haben, wir wollen es durchaus in engster Fühlung mit dem Kaiser-König erhalten. Nichts liegt uns ferner, als das monarchische Heer in ein Parlamentsheer umzuwandeln; wir wollen nichts weiter, als die seit 1883 ver änderte Stellung des Milttärkabinetts wieder in Übereinstimmung mit der Kabinetts order von 1861 zu bringen, wonach Offiziere und Beamte in bezug auf ihre Ernennung ver fassungsrechtlich gleichstehen. Wir halten fest an dem monarchisch-konstitutionellen Charakter un serer Versüssung. Wir wollen weiter nichts als eine engere Fühlung zwischen Regierung und Volksvertretung. Die Umgestaltung des preußi schen Verfassungslebens ist eine Notwendigkeit, und nur über das Maß bestehen noch Meinungs verschiedenheiten. Aber Preußen muß selbst wissen, welches Wahlrecht ihm am besten dient. Abg. Gröber (Zenk.): Die Konservativen tun fo, als ob der Verfassungsausschuß sich mit ganz neuen und bisher unerhörten Dingen be schäftigt habe. Dabei sind es doch lauter alte, gute Bekannte. Wir wollen die papierne Ver antwortung des Reichskanzlers für Ressortfragen ersetzen durch die wirtliche Verantwortung des zuständigen Ministers. Abg. Haase (U. Soz.): Das Volk will nicht schöne Reden, es verlangt Taten. Wir sehen nichts von einem Ruck nach links. Die Volksmassen müssen selbst nach dem Rechten sehen, sonst kommen sie vom Regen in die Traufe. Das Volk regt sich. Es wird Re gierung und Parlament vorwärts zu treiben wissen. Abg. Kreth (Kons.): Es kann nicht bestritten werden, daß die Be schlüsse des Verfassungsausschusses den An fang des parlamentarischen Systems darstellen. Wir verzichten auf den Schutz des Kanzlers. Ob die Rechte des Königs unter die Parla mentskontrolle gestellt werden, das ist der Re gierung gleichgültig. Der Ausschuß hat seine Arbeiten sehr plötzlich abgebrochen. Er jühlte wohl, daß er zu weit gegangen war. Abg. Müller-Meiningen (Fortschr. Vp.): Der gemeinsame Sturmlauf der äußersten Rechten und der äußersten Linken ist sehr be zeichnend. Er ist charakteristisch für die ganze politifche Lage. Die Rechte unterstützt mit ihren Angriffen auf das Parlament und die Volks , Friede fuhr ihm mit der Hand durch das ! dichte, anfbäumende Haar, welches viel dunkler war als das seines Bruders. Es war im Nacken ganz kurz geschnitten und nur über der Stirn etwas länger gehalten. „Und ich habe es auch viel lieber, wenn du hier neben mir sitzest, als wenn ich dich im Geiste bei den Botokuden oder anderen wilden Völkern suchen muß." „Nun, für einige Jahre habe ich Stoff ge sammelt und will nun erst die Eindrücke ver arbeiten." „Gottlob, Anna! Nicht wahr, so sagst du auch: Es ist uns doch lieber, daß unser Wild ling seßhaft wird. Eines Tages nimmt er sich dann eine Frau und dann darf er überhaupt nicht mehr so frei umherstreifen." Frau von Volkmar lächelte. „Das wäre schön, Friede. Aber ich glaube, Georg wäre imstande, seine Frau mit sich zu schleppen in die Wildnis." „Wenn sie sich schleppen ließe, warum nicht?" meinte Georg lachend. „Vorläufig will er vom Heiraten überhaupt nichis hören," seufzte seine Mutter. „Er ist entschieden Damen gegenüber halb verwildert." „Tante Friede, man verleumdet mich un erhört bei dir. Glaube kein Wort!" „Aho ist es nicht wahr, daß du nichts vom Heiraten hören willst?" fragte sie ihn. „O ja, dieser Punkt ist zufällig richtig." „Du bist wohl sehr anspruchsvoll in bezug auf die Damen?" Er zwinkerte lustig mit den Augen. rechte geradezu das Ausland. Wir kämpfen für die höchsten Interessen des Heeres und der Monarchie. Wer dagegen ist, der versündigt sich gegen das Heer und gegen die Monarchie. Damit schließt die Aussprache über die Fragen der inneren Politik. Die Verwaltung des Reichsheeres. Ein Antrag Nehbel (kons.), der auch von nationalliberalen Abgeordneten und Vertretern des Zentrums und der Deutschen Fraktion unterschrieben ist, ersucht den Kanzler, die in Betracht kommenden militärischen Instanzen zu veranlassen, sämtliche in den besetzten Gebieten befindlichen, dem Deutsche Reiche gehörenden und dort entbehrlichen Maschinen, insbesondere Dampfmaschinen, Motorpflüge, Lokomobilen und Dampfpflüge der heimischen Landwirtschaft zu zuführen, ferner alle irgendwie entbehrlichen Pferde und Zugtiere, die in den besetzten Ge bieten noch vorhanden sind, möglichst restlos der heimischen Landwirtschaft zur Verfügung zu stellen. Abg. Stücklen (Soz.): Hoffentlich bleibt der Kriegsminister das, was er versprochen hat, nämlich ein Mann der Tat in der Bekämpfung der Soldatenmißhandlungen. Redner tritisiert dann das Beschwerderecht. Das Eiserne Krenz Ä. Klasse sollte man ganz allgemein als Kriegsgedenk- münze einsühren, denn alle Kriegsteilnehmer haben es verdient. Viele, die es verdient haben, haben es aber nicht erhalten, und viele haben es erhalten, die nicht wissen, wie sie da zu gekommen sind. Abg. Dr. Wirth (Zenk.): Das Kriegs- Ministerium muß aus den vorgebrachten Beschwer den die eiserne Konsequenz ziehen. Wir hoffen auf den Kaiser. Er ist der erste Soldat, er hat ein Herz für seine Soldaten. Man darf nicht nach der Gesinnung der Leute schnüffeln. Abg. Guntzer (Fortschr. Vp.): Bei der Musterung der ungedienten Leute sollte man rücksichtsvoller verfahren. Wir haben noch genug gesunde Leute und brauchen nicht solche einzu stellen, die dann nur die Lazarette füllen und später große Rentenansprüche erheben. Abg. Thoma (natl.) beschwert sich über die langsame Prüfung technischer Neuerungen, worauf Oberst v. Wriesberg erklärt, daß Hunderttansende neuer Erfindungen für das Heer zu prüfen seien. Dann wurden Arbeiterfragen erörtert. Als der Abg. Schöpflin (Soz.) einen Fall der Urlaubsablehnung eines Landtags- abgeordneten für Reuß ä. L. zur Sprache bringt, kommt es zu einem Zwischenfall, als Kriegsminister v. Stein antwortet: Di« Entbehrlichkeit einzelner Leute von der Front kann nur dort, nicht von mir, entschieden werden; aus einzelnen werden viele. Der Kriegsminister kann Beschwerden abstellen, aber er wird sich hüten, in die Befugnisse der Truppensührer ein zugreisen. Das Geschenk einer Erweiterung meiner Machtbefugnisse lehne ich dankend ab. Sollten Schwierigkeiten entstehen, so erledigen sie sich durch Befehl meines allerhöchsten Kriegs herrn, der mich auf meine Stelle berufen hat. Die Abgg. Scheidemann (Soz.) und Müller-Meiningen wenden sich in scharfen Worten gegen den Kriegsminister.. Auch Abg. Gröber (Zenk.) wendet sich gegen den Kriegsminister. Nach längerer Debatte erklärt Kriegsminister v. Stein, er habe keinen Gegensatz zwischen Parlament und Regierung Herstellen wollen. Es wird nun noch der Etat des Reichs» schatzamtes erledigt. Bei der Abstimmung erklärt Abg. Dr. Grad naue r (Soz.), daß feine Fraktion den Etat ablehne, weil der Haushaltsplan das Gepräge der ungerechten Belastung der wirtschaftlich schwachen Volkskreise trage. Auch Abg. Ledebour (U. Soz.) erklärt namens seiner Freunde, daß sie den Etat ab- lchnen. Der Haushaltsplan fvird angenommen. Nach einer kurzen Ansprache des Präsi denten Dr. Kaempf vertagt sich das Haus bis znm 5. Juli. „Sehr anspruchsvoll. Es müßte schon eine sein, die dir gleicht, Tante Friede." „Also mir müßte sie gleichen? Da soll ich wohl auch noch deinen Geschmack bewundern?" Er küßte ihr mit vollendeter Ritterlichkeit dis Hand und sah mit einem warmem Blick in ihr srisches Gesicht. „Wirklich, es ist schade, daß wir nicht in einem Alter sind, Tante Friede. Du müßtest meine Frau werden." „Ich hoffe, daß du dich baldigst nach einem anderen Ideal umsehen wirst. Wir wollen noch auf deiner Hochzeit tanzen." Gegen zehn Uhr verabschiedete sich dann. Friede auch. Georg begleitete sie durch den Stadtwald nach Hause. Es war ein warmer, düfteschwerer Sommerabend. Am Morgen war das erste Gewitter medergegangen und am Himmel hingen noch jetzt einige zerrissene Wolken, hell vom Mond beleuchtet. Georg hatte Friedes Arm durch den seinen gezogen. Sie gingen plaudernd nebeneinander dahin. Der junge Mann sprach noch über seine Wünsche und Hoffnungen für die Zukunft. In Friedes Herz saß ein wehes, drückendes Gefühl. Oft hatte sie das, wenn sie sah, wie Eltern in ihren Kindern die Vollendung des eigenen Seins erleben durften. Arm erschien ihr dann ihr eigenes Leben, arm und unvollendet. Wie herrlich mußte es sein, solch einen Sohn sein eigen zu nennen — oder eine liebe volle, anschmiegende Tochter. Wohl ließen die Freunde sie großmütig mit lcilnehmen an ihren Elternsorgen und Elternglück — aber da- war nur ein Almosen, «in Geschenk, kein Recht.
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