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Leise wogte die See. In immerwährendem Spiel hob und senkte sie den kleinen schmutzigen Kutter, der wie ein häßlicher Fleck inmitten der im Sonnenschein flimmernden Wasserwüste vor Anker lag. Die beiden Männer, die an Bord der „Lotosblume" die Luftpumpe des Tauchbootes bedienten, paßten mit" ihrem un gewaschenen, verwahrlosten Äußeren vorzüglich in das Milieu des Fahrzeuges hinein. Die ganze Atmosphäre in der nächsten Umgebung des Kutters schien förmlich durchtränkt von dem penetranten Geruch, den die mit Schalen der Perlmuscheln gefüllten, an Deck stehen den Körbe ausströmten. Auf die Geruchs nerven der beiden, die stöhnend und fluchend die Kurbel der Pumpe in Bewegung setzten, schien der Geruch der faulenden Muscheltiere, der zäh an ihrer Kleidung und an den Ge brauchsgegenständen hing, wenig oder gar keinen Einfluß mehr auszuüben. Dichte Wolken übelriechenden Tabakrauches von sich blasend, gaben sie sich ihrer schweißtreibenden Tätigkeit hin, bis ein Ruck der Signalleine, die der Ältere um den Oberarm geschlungen trug, ihnen das Zeichen zum Ausholen des ausgesetzten Tauchers gab. Wenige Minuten später stieg dieser an Bord, und gleich darauf erschien auch der Korb an Deck, der die Ernte seiner Arbeit auf dem Boden des Meeres enthielt. Mit raschen, gewandten Handgriffen wurde der Taucher seiner schweren Rüstung entkleidet, und während der in der Mitte der Zwanziger stehende junge Mensch sich schwer atmend auf die Kajütkappe sinken ließ, machte sich Jini Dah, der älteste der drei Kuttcreigentümer, an die Bereitung des Mittagmahles, das in seinen Hauptbestandteilen aus Konserven und Schiffsbrot bestand. Ein kleines Glas Brandy beschloß das eilig eingenommene Mahl. Die darauf folgende Zeit der Ruhe verbrachten die Männer unter dem am Heck aufgespannten, zerlumpten Sonnenscgel. Eine reichliche Stunde verrann, schweigend rauchten die Perlfischer ihre mit Plattentabak gefüllten Stummelpfeifen. Bill Korny, der Jüngste des Kleeblattes, der die seinige soeben zum viertenmal füllte, brach endlich die drückende Stille. „Kalkuliere, Fellows, daß unsere Arbeit an diesem gelegneren Fleck getan ist. Die Bank ist geräumt." „Damnation!" knurrte der lange, sehnige Schotte Wellsley. „Bleibt uns weiter nichts übrig, als unser schmuckes Fahrzeug weiter hinauf nach Norden zu bugsieren. Können meiner Ansicht nach mit der bisherigen Aus beute sehr zufrieden sein, und wenn es uns glücken sollte, noch eine solche Stelle zu finden, können wir unseren Kurs getrost wieder auf Thursday Island setzen, vorausgesetzt, daß die Planken dieses lecken, schmierigen Kastens, dem meiner Mutter Sohn lcichtsinnigerweise seine gesunden Knochen anveclraut hat, bis dahin zusammenhalten?" Jim Day, der bis dahin ruhig auf seinem Platze gelegen hatte, hob den Kopf. „Beruhige dich, James! — Was hängen soll, ersäuft nicht, und ich glaube, deiner Mutter Sohn Hal genügend auf dem Kerb holz, um diesen weisen Lehrsatz nicht zu schanden werden zu lassen." Wellsley warf dem Sprecher einen giftigen Blick zu. „Ich an deiner Stelle würde es tunlichst vermeiden, an das Kerbholz anderer Leute zu rühren, ganz abgesehen davon, daß es noch Handspeichen genug gibt, um einer Läster zunge die Bewegung auf längere Zeit hinaus zu lähmen." Day sprang rasch auf die Füße und der Streit der Zungen wäre sicher zu Tätlichkeiten ausgeartet, wenn sich nicht Korny ins Mittel gelegt und die beiden Kampfhähne beruhigt hätte. Kurze Zeit darauf kreuzte die „Lotos blume" nach Norden binauf einem neuen Arbeitsfelde entgegen. Day, als der Führer des Kutters, stand am Steuer, während die beiden anderen mit der Sichtung der Aus beute ihres letzten Ankerplatzes beschäftigt waren. Unter der Einwirkung der Sonnen strahlen öffnen sich die Schalen der Perl muscheln, deren faulender Inhalt die Luft verpestet. Dies Verfahren erleichtert wesentlich die Arbeit der Fischer, deren Geruchsnerven gegen die sie umfächelnden Wohlgerüche längst abgestumpft sind. Kornv, der ungefähr ein halbes Dutzend kleinerer Perlen von geringem Werte vor sich liegen halte, wog jetzt eine außergewöhnlich großeMuschelin der schmutzigen Hand. „Kalkuliere, Fellows, daß dieser Blender hier, seinem Äußeren nach zu urteilen, min destens Perlen im Werte von tausend Pfund enthalten müßte, anstatt, wie Figura zeigt, nur mit Gestank und saulcm Fleisch ungefüllt zu sein." Wellsley warf während Kornys letzten Worten einen flüchtigen Blick nach der be sprochenen Muschel, um sofort mit einem Schrei der Überraschung aufzufahren. In den geöffneten Schalen, die Korny in der zitternden Hand hielt, lagen zwei silberartig glänzende, milchweiße Perlen, deren seltene Größe den Atem der drei Besitzer der „Lotos blume" stocken ließ. „Damnation, Jungens! — Das sind die schönsten Perlen, die meiner Mutter Sohn je vor Augen hatte, und ich will ewig Haifisch- steaks hinunterwürgen, wenn uns dieser Fund nicht alle drei zu reichen Leuten macht." Wellsley ließ seine funkelnden Angen über - die erregten Züge seiner Teilnehmer gleiten, ! die blaß und aufgeregt den kostbaren Fund ! anstarrten. Ein böses Leuchten trat in "des Schotten Blick, als Day schweratmend die Worte hervorstieß: „Dreitausend Pfund, Jungens, keinen Schil ling weniger, und verdammt will ich sein, wenn ich hier an Bord dieses schmutzigen Hulks noch einen Finger, außer zum Essen und Trinken krumm mache." Mit einer raschen Bewegung riß Day die Mütze vom Kopf, und die schrille Melodie eines Nigger Songs pfeifend, traten seine Schuhe den Takt des wilden Tanzes, daß die Planken des Decks krachten. Mit einem Griff seiner langen, sehnigen Arme brachte Wellsley den Aufgeregten zum Stehen. „Ganz meine Meinung, Jim, aber erst muß unser Juwel hier glücklich am Strand von Thnrsday Island liegen. Ich denke, wir sind uns einig darüber, sofort den Kurs unserer „Lotosblume" nach den glücklichen Gestaden jener Insel zu lenken. Unterwegs können wir uns in Ruhe das Weitere überlegen. Jetzt, wo uns die Mittel in die Hand gegeben sind, unsere Kompagnie, die sicher unter einem glücklichen Stern gegründet wurde, weiter ans zubauen, wäre es geradezu Sünde eine Arbeit zu verrichten, die gut genug ist, um von gelben oder braunen Händen ausgeführt zu werden. Jungens, ich habe mal irgendwo und wann gelesen, daß Perlen Tränen bedeuten, und der Bonze der das schrieb, hatte recht, denn, Dam nation, ich könnte vor Freude beinahe heulen." Es war am Spätnachmittage desselbe» Tages, die Brise war cingeschlafen und die „Lotosblume" glitt langsam durch die ölige Flut. Die Bemannung hatte es sich neben der Brandykiste bequem gemacht und vertrieb sich die Zeit mit Trinken und Rauchen. Die anfangs ziemlich rege Unterhaltung war gänz lich verstummt, jeder der drei hing seinen Ge danken nach, die in den alkoholumflorten Köpfen ihre krausen Sprünge machten. „Ein Hai!" Kornys Hand deutete hinaus auf die fast regungslose Fläche, wo die scharfe Rückenflosse der Meereshyüne sichtbar ge worden war. „Soll zu Grase gehen", — brummte Day, die schweren Lider seiner Augen schließend. „Haben jetzt Besseres zu tun, als wie nach solch' schmierigen Burschen die Angel auszu werfen." Korny lachte und sich schwerfällig erhebend, fiel sein Blick auf die Reste der Mahlzeit, die noch immer neben'der Kajütkappe standen. Taumelnd schritt er darauf zu, und die Schüssel mit dem Büchsenfleisch ausgreifend, wandte er sich nach Wellsley um, der sich ebenfalls erhoben hatte und dessen Blicke den Bewegungen des Trunkenen solgten. / „Soll heute auch einen gutem Tag haben, der da draußen. Kalkuliere, der alte Bursche wird selten so ein feines Diner zwischen die Zähne bekommen. Da, old Fellow!" Der Halbberauschle war an den Bordrand getreten und wars dem grimmen Feind aller Seeleute die Reste der Mahlzeit zu. Mit blitzschneller Bewegung lcgte sich der Hai auf den Rücken, und während der Helle Unterleib einen Augen blick sichtbar wurde, verschwanden die Fleisch stücke in dem zahnbewchrten Rachen des Raub fisches. Wellsley hatte keinen Blick von Korny gelassen. Die Wirkung des Alkohols, dem er ebenfalls reichlich zugesprochen hatte, war bei ihm plötzlich wie sorlgeblasen. Er sah einen Moment zu Day hinüber, der init geschlossenen Augen, den Kopf an das Gangspill gelegt, auf seinem Platz saß. Ein grausames Lächeln umspielte die zusammengepreßten Lippen des Schotten, der mit leisen, raubtierartigen Be wegungen dem über den Bordrand lehnenden Korny znschlich. Jetzt stand er unmittelbar hinter diesem, und der Trunkene, instinktiv die Nähe seines Kameraden ahnend, drehte ihm das von Brandy gerötete Gesicht zu.