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Allgemeiner Anzeiger : 31.03.1917
- Erscheinungsdatum
- 1917-03-31
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
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- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191703310
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- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1917
-
Monat
1917-03
- Tag 1917-03-31
-
Monat
1917-03
-
Jahr
1917
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 31.03.1917
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Meniger 8rot, mekr fleisck. Mit dem 15. April beginnt iür ganz Deutsch land eine neue Regelung der Ernährungsfrage. Die in eingeweihten Kreisen schon seit einiger Zeit erwartete und auch von dem preußischen Staatskommissar für Ernährungsfragen Dr. Michaelis im preußischen Abgeordnetenhause zwischen den Zeilen seiner Rede angekündigte Herabsetzung der Brotration ist zur Tatsache geworden. Die Regierung hat sich gezwungen gesehen, die Wochenbrotmenge, welche trotz der schlechten Einte des Jahres 1915/16 auf der Höhe von 1900 Gramm per Kopf der Bevöl kerung gehalten werden konnte, von dem oben genannten Zeitpunkt an auf 1500 Gramm herabzusetzen. Was sie aber mit der einen Hand nehmen muß, gibt sie mit der anderen. Als Ersatz für die uns entzogenen 400 Gramm Brot werden wir wöchentlich statt der durchschnittlichen 250 Gramm Fleisch vom 15. April ab 500 Gramm verzehren können. Auch werden weiter, um den Ausfall an Nährwerten völlig zu decken, der Bevölkerung statt 3 Pfund Kartoffeln 5 Pfund zugemessen. Die in der über die bisherige Zu teilung hinausgehende Menge Fleisch und Kar toffeln enthaltenen Nahrungsstoffe entsprechen ziemlich genau denen, die uns beim Brot ge kürzt worden sind. Die Ernährung unseres Volkes wird durch die Neuerung allo wohl verändert, aber nicht geschmälert oder ver schlechtert. Bei der Zumessung der Brot portionen sollen vom 15. April ab nur die so genannten Jugendlichen-Zulagen fortfallen, alle übrigen bisher gewährten Zulagen bleiben auch weiterhin bestehen. Die Notwendigkeit der Verkürzung der Brot rationen hat sich aus der letzten Bestandsauf nahme ergeben. Diese ist leider ziemlich be trächtlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben, die man auf Grund der Schätzungen im letzten Herbste hegen durste. Für diese unliebsame Er scheinung liegt eine ganze Anzahl von Gründen vor. Erstlich ist wohl überhaupt der Ertrag der Ernte ursprünglich von den Landwirten über schätzt worden. Dann aber hat der lauge scharfe Frost sehr schädlich auf unsere Getreidebestände gewirkt, auch dadurch, daß die Donauschiffahrt mehrere Monate still gelegt war und damit auch die Ausfuhr aus Rumänien. Weiter mag Getreide verfüttert worden sein, obwohl die Meinungen darüber auseinandergehen. Wesentlich fällt ferner ins Gewicht, daß die Kommunal-Verwaltungen als Ersatz für die fehlenden Kartoffeln viel Mehl hergegeben haben und daß auch sonst infolge der allgemeinen Knappheit innerhalb der Kommunal verwaltungen mehr Mehl verbraucht worden ist, als zulässig war. Großer Schaden ist schließlich durch die stellenweise sehr umfangreichen Brot- kartensälschungen herbeigesührt worden. Außer dem ist infolge Mangels an Kohle und Arbeits kräften das Dreschen vielfach im Rückstände ge blieben. Aus dem letzten Umstande kann man immer noch die Hoffnung schöpfen, daß sich unsere Ge- treidevorräte schließlich doch noch als besser her ausstellen, als man Zurzeit annehmen kann. In der Tat ist auch eine gründliche Nachprüfung im Gange, die eine wesentliche Minderung des setzt angenommenen Fehlbetrages an Brotgetreide ergeben könnte. Sollte das der Fall sein, so würde natürlich die Kür zung der Brotration in entsprechendem Um fange wieder rückgängig gemacht werden. Aber auch wenn sie ausrecht erhalten werden müßte, eine Verschlechterung unserer Ernährungs möglichkeiten ist ja, wie schon betont, nicht durch sie bedingt. Daß die Fleisch- und Kartoffel mengen, die den Ausfall decken sollen, auch wirklich zur Vertilgung stehen und an den Ver braucher gelangen, darüber besteht volle Sicher heit. Der Fleischpreis soll möglichst so niedrig bemessen werden, daß er mit dem Preis für die entfallende Brotmenge im Einklang steht, wobei der entstehende Ausfall vom Reich übernommen wird. Daß die Kartoffeln, die man anfänglich nur mit Zagen in die wöchentliche Verpflegungs- ration spannen konnte, jetzt mit einem Male als Helfer in der Not erscheint, ist darauf zurückzuführen, daß die letzte Kartoffelbestandaufnahme vom 1. März d. IS. alle Erwartungen weit übertroffen hat. Und was der Kartoffel recht ist, kann dem Brot getreide billig sein. Auch die Befürchtungen, die jetzt aus Grund der letzten Getreidebestands- aufnahme für unsere Brotversorgung bestehen, können sich als unnötig erweisen. Aber die Regierung muß als weiser Hausvater rechtzeitig vorbauen, damit in unserem Ernährungssystem eine jede Störung vermieden wird. Wir haben uns an manche Umgestaltung unserer gewohnten Lebensweise gewöhnt und werden uns an die neue Änderung um so leichter gewöhnen, da sie ja keine Verschlechterung bedeutet. Unsere Feinde werden selbstverständlich eine solche künstlich heraus- tüsteln und aus der Verkürzung der Brotration eine Minderung unserer Widerstandskraft und einen Erfolg des englischen Aushungerungs krieges sich vorspiegeln. Lassen wir ihnen diesen Glauben. Wir wissen, daß das deutsche Volk bis zum siegreichen Ende durchhallen kann und wird, während die Ernährungsschwierigkeiten unserer Feinde unter dem Druck des U-Boot- Krieges von Tag zu Tag wachsen. verschiedene Uriegsnachrichten. Die Heimkehr der „Möwe". Das glückhafte Schiff des Grasen Dohna- Schlodien, das jetzt von seiner zweiten Kreuzer fahrt heimgekehrt ist, hat reiche Beute gemacht: Die „neue Möwe" (in Wirklichkeit die alte), der in englisch-amerikanischen Berichten auch der Name „Puyme" beigelegt worden ist, hat auch auf der zweiten Kreuzfahrt im letzten Viertel jahr unter den feindlichen Dampfern ordentlich aulgeräumt. Namentlich im Januar brachte saft jeder Tag Berichte über neue Beule dieses ebenso sagenhaften wie bei der feindlichen Schiffahrt gefürchteten Schiffs. In der ersten Hälfte des Dezember kreuzte es im südlichen Teil des Atlantischen Ozeans, Ende Januar waren 25 Schiffe mit einem Gesamtwert von etwa 20 Millionen Dollar als von der „Möwe" versenkt gemeldet. Auch in den Indischen Ge wässern tauchte das „Gejpensterschiff" plötzlich auf und holte sich seine Opfer. Japanische, französische, australische Kreuzer und Zerstörer wurden dutzendweise auf die Jagd nach dem gefährlichen „Piraten", wie sie den deutschen Hilfskreuzer nannten, ausgesandt, der nun wieder wohlgeborgen im Heimaishafen ruht. -p Bedenken über den „Sieg". Der Jubel in der französischen Presse über den Sieg über die Deutschen ist verstummt und nach und nach klingt ein Ton von Besorgnis durch die Zeilen. Man weiß nicht, was die Deutschen mit ihrem freiwilligen Rückzug beab sichtigen. So schreibt u. a. das .Journal de peuple', es sei geiährlich, die Kaltblütigkeit auf zugeben. Gewiß könnten die großen, in den letzten Tagen errungenen Vorteile nur erfreuen, aber man dürfe sich n i ch t z u üb ers ch w en g - lichen Phantasien Hinreißen lassen und beachtenswerte Erfolge als endgültige Siege ansehen. Es sei frappierend, in wie guter Ord nung die Deutschen zurückgingen. Die Lage sei dazu angetan, die Behauptung der deutschen Presse zu bestätigen, welche erkläre, daß es sich nur um einen strategischen Rückzug handle. * Was will Hindenburg? Immer deutlicher tritt nun auch in der eng lischen Presse die Besorgnis hervor, daß der Rückzug der Deutschen ein wohlbe rechnetes Manöver gewesen sei. Oberst Nepington schreibt dazu in der .Times': „Der Feind hat nun mehr Truppen im Felde als im letzten Jahr. Darum kann er schwerere Schläge sühren, vorausgesetzt, daß er seine physische und moralische Stärke behält und daß die Verbündeten keine entsprechende Verstärkung haben. Nun, da die Flotte unter Hindenburg steht, wird dieser beide Werkzeuge zu seinem Schlag benutzen. Wir müssen auch Italien als eine Verlängerung der französischen Front be trachten und uns auf Wechsel und Zufälle dort gefaßt machen." Italienische Hilferufe. In einem Artikel, betitelt: „Möglicher Plan gegen Italien und deutsches Zurückgehen in Frankreich" kommt ,Corriere della Sera' zu folgenden Schlußfolgerungen: „Wir wissen nicht, ob die Vorbereitungen zu einer solchen Offensive schon sichtbar sind. Da jedoch die Möglich keit eines solchen Vorgehens besteht, müssen wir uns darauf vorbereiten, als ob eS unvermeidlich wäre. Unser Oberkommando hat Maßnahmen getroffen, die immer verbessert werden. Wenn aber alle feindlichen Reserven sich nach Italien ergießen sollten, ist es nur gerecht, daß auch der Vierverband mithilft, nicht durch Widerstand auf einem ihrer Front abschnitte, sondern mit der Gesamtheit der ver fügbaren Reserven; dies liegt im allgemeinen Interesse und könnte den entscheidenden Sieg herbeisühren." Deutscher Keickstag. (Orig.-Bericht.) Berlin, 22. März, Von der Tagesordnung der heutigen Sitzung wurde zunächst das Gesetz betr. Änderung des Reichsstempelgesetzes abgesetzt, da ein Antrag und eine Entschließung dazu neu eingegangen sind. Ferner ist ein Antrag Bassermann ein gegangen, der den Reichskanzler ersucht, die Übernahme der Wasserstraßen auf das Reich und die Schaffung eines Reichsamts für Wasser straßen in die Wege zu leiten. — Die allge meine Aussprache über den Haushalt des Reichsamt des Innern ist geschlossen und es folgt nun die Einzelberatung. Teicknet äie leckste Xriegsanleike! Zum Kapitel der Reichsschulkommission er greift zunächst der sozialdemokratische Abgeord nete Schulz das Wort. Redner weist auf die Mängel des Einjährig-Freiwilligensystems hin. Ein Reichsschulgesetz und eine Reichsschul behörde werden nach dem Kriege zu schaffen sein. Die Behandlung der heimkehrenden Kriegsprimaner muß im Reiche vereinheitlicht werden. Das Reich darf sich nicht der Initiative auf dem Schnlgebiet begeben. Abg. Kuckhoff (Zenlr.): Die heutige Art der Einjährigen-Prüfung ist nicht zweckmäßig. Die einseitige Berussberechtigung muß von den Schulen weggenommen und an die Schwelle des Eintritts in den Heeresdienst verlegt werden. Anders wird den Tüchtigen keine freie Bahn. Ein Jugendschutzgesetz ist notwendig. Die Schul- fragen dürfen nicht zur Reichssache werden, der Gedanke der Reichsschulkonferenz ist nicht durchführbar. Abg. Dr. Kerschensteiner (Vp.): Die Bemängelungen am Einjährigensystem unter streiche ich. Eine Reichsschulkonferenz würde auf eine Neichsschulgesetzgebung und auf einReichs- schulministerium abzielen. Die Reichsschul- lonjerenz würde aus vielen Teilnehmern be stehen. Das Hauptgewichtwürde in den Unter- kommissionen liegen, und wer wahrt da den Zu sammenhang ? Ministerialdirektor Dr. Lewald: Nach diesen Darlegungen brauche ich gegen den Ge danken der Reichsschulkonferenz nicht mehr zu polemisieren. Das Schulwesen ist Landessache aus den verschiedensten Gründen. Daran können wir nicht rütteln. Die Verhandlungen über den Einjährig-Freiwilligendienst werden nach dem Kriege fortgesetzt werden. Begrenzte Schulsragen können natürlich von den Einzel« staaten auch gemeinsam behandelt werden. Nach einigen weiteren Ausführungen der Abgg. Ortmann (natl.), v. Graefe (kons.), Kunert (Soz. Arbg.) und Dr. Junck (natl.) wird die Reichsschulkonferenz abgelehnt. Darauf wird mit geringfügigen Neuerungen die Vorlage betr. die Abänderung des Reichsstempelgesetzes angenommen. Es folgt die Besprechung des Reichsgejundheitsamts. Dabei erörtert Abg. Kunert (Soz. Arbg.) bevölkerungspolitische Fragen und beklagt besonders die Zunahme der Frauenarbeit. Wir haben eine Unter ernährung, die an Hungersnot grenzt. Unge heuerlich ist der Geburtenrückgang. Präsident des Reichsgesundheitsamts Bumm: Es ist entschieden unrichtig, daß bei uns eine wahre Hungersnot herrscht. Die Zahl der Todesfälle und Erkrankungen an Scharlach, Diphtherie, Masern, Typhus, Magen- und Darmkrankheiten ist zurückgegangen. Die Er« nährungsverhältniffe haben sich durch den Krieg allerdings verschlechtert. Der sehr bedauerliche Geburtenrückgang ist indes nicht auf die Er- nährungsverhältnisse zurückzusühren. Er ist schon seit vielen Jahren eingetreten. Staatssekretär Helfferich: Das schwarze Bild, das der Abg. Kunert von unseren ge sundheitlichen Zuständen gezeichnet hat, hat der Präsident deS Reichsgesundheitsämtes ruhig und sachlich richtiggestellt. Aus' seinen Aus führungen ersieht man, daß ich mit gutem Recht behaupten konnte, daß der Gesundheitszustand des deutschen Volkes angesichts der schweren Verhältnisse, in denen es sich durch den Mangel an Nahrungsmitteln und durch den Krieg befindet, relativ gut ist. Abg. Hoch (Soz.): Je mehr wir für die Gesundung des Arbeiters tun, desto mehr leistet er auch fürs Vaterland. Abg. Dittmann (Soz. Arbg.): Mir scheint, die Herren von der Regierung wissen nicht, daß in manchen industriellen Betrieben die Arbeiter vor Hunger umfallen. Die Re gierungsvertreter dürfen dem Lande nicht blauen Dunst vormachen. Vizepräsident Dove rügt den Ausdruck. Präsident Bumm: Eine Hungersnot gibt es im deutschen Volke nicht. Das ist eine Übertreibung sondergleichen. Dagegen muß ich Einspruch erheben. Das Reichsverficherungsamt. Abg. Becker-Arnsberg (Zentr.) bespricht die Lage der Krankenkassen, die im allgemeinen günstig war. Die Ausheilung der Kriegs beschädigten darf nicht irgendwie den Kranken kassen zur Last fallen. Abg. Hoch (Soz.): Die Verhältnisse der Arbeiterversicherung werden sich nach dem Kriege schlechter gestalten. Bei Beratung der Reichs- versicherungsordnung haben wir es unterlassen, an den Krieg zu denken. Ministerialdirektor Caspar: Diese Fragen sind Gegenstand der Erwägung. Die Frage, wieweit eine Krankheit eine Folge der Kriegs teilnahme ist, ist sehr schwer, und nur im Einzel fall zu entscheiden. Abg. Heckmann (natl.): Die soziale Ge setzgebung strebte auch eine Milderung der Klassengegensätze an. Erst jetzt im Krieg hat diese Vertöhnungspolitik Erfolge gehabt. Unsere vorbildliche Versicherung war eine Kraftquelle für unser Volk. Vielfach wird indessen nicht im Geiste des Gesetzes gehandelt. Der Redner empfiehlt einen Antrag Bassermann, wonach vom 1. April 1917 an den Personen, die nach der Neichsversicherungsordnung Renten emp fangen, im Falle der Bedürftigkeit angemessene Zulagen für die Dauer des Krieges aus Reichs mitteln gewährt werden sollen. Abg. Behrens (Dtsch. Fr.) bittet um wohlwollende Handhabung bei Feststellung der Bedürftigkeit. Abg. Coßmann (Zentr.) stimmt dem Antrag zu. Der Antrag Bassermann wird mit dem er wähnten Zusatz angenommen. Beim Aussichlsamt für Privatversicherung begründet Abg. Hildenbrand (Soz.) einen Antrag, wonach Lebensversicherungen von Kriegsteil nehmern, für die keine Prämien gezahlt wurden, unter gewissen Bedingungen wieder in Kraft gesetzt werden können. Dieser Antrag wird dem Haushaltsausfchuß überwiesen. Das Haus vertagt sich. (A- ' Droknen. 10) Roman von M. Berger. cFortlehung.l In dem Nachlaß seiner Tochter fand er ein höchst kunstvolles goldenes Herzchen; er nahm es an sich, und in seiner freien Zeit suchte er die Juweliere in der Stadt auf, denen er das Schmuckstück zeigte. Er hatte Glück; der dritte Juwelier, den er besuchte, teilte ihm mit, daß er das Herzchen aus Bestellung vor wenigen Monaten für Henn von Hupfer, den Neffen des Kommerzienrats Lang gearbeitet hatte. Mertens wußte genug; er kannte den jungen Mann zur Genüge, und in seiner blinden Wut genügte ihm die Angabe des Juweliers, um Herrn von Hupser zu verfolgen. Er erfüllte nach wie vor in der Fabrik seine Pflicht, aber in den Feierstunden lungerte der leid- erfüllte und vergrämte Mann vor dem Hause des Verhaßten und verfolgte ihn ans Schritt und Tritt. Herr von Hupfer war sorglos wie immer, der Erfolg seiner Intrige gegen den Neben buhler stimmte ihn heiter, und oftmals eilte er, ein triviales Liedchen trällernd, an dem Un glücklichen vorüber, der ihm rachgierig nach schlich, aber niemals Gelegenheit zur Ausübung seines entsetzlichen Vorhabens fand. Am Tage nach dem Festball waren Otto und Hedwig im Zimmer der Kommerzienrätin und hänselten nach Geschwisterart einander über die Ereignisse auf dem Balle und die kleinen , Triumphs auf. demselben. Es war 3 Uhr nachmittags. Die Kommerzienrätin saß mit Hedwig an einem eleganten Tischchen und trank ihren Kaffee. Otto lehnte au dem Kamin und hielt die Tasse, aus der er hie und da einen Schluck nahm, in der Hand. „Otto, Fräulein von Bertram," stichelte jetzt Hedwig, „hat dich gestern förmlich ausgezeichnet, bist du nickt stolz darauf?" „Fräulein von Bertram ist schön und geist reich!" sagte Otto mit einer leichten Ver beugung gegen die Schwester und strich sich dann selbst zufrieden mit der Linken den Schnurr bart. „Du bist sehr schnell mit dem Urteil fertig," scherzte die Kommerzienrätin. „Fräulein von Bertram ist sehr gefährlich!" „Das ist es ja, das uns reizt I" antwortete Otto und leerte die Tasse. „Du bist sehr siegesbewußt," warnte die Mutter. „Sie ist gefährlich, weil sie kokett ist," meinte Hedwig. „Bist wohl eifersüchtig auf ihre Triumphe," stichelte Otto, der an den Tisch der Damen ge treten war und seine Tasse wieder gestillt hatte. „Ich warne dich bloß l" meinte Hedwig mit spöttischem Löcheln. „Warum? Lächerlich!" brauste jetzt Otto auf. „Das Fräulein hat mich allerdings sehr aus gezeichnet, ihre alten Verehrer dagegen sehr kühl und ablehnend behandelt." „Ein neuer Gimpel flog ins Netz und be anspruchte alle Aufmerksamkeit des Vogelfängers: wenn er bei den anderen im Käfig sitzt, wird das anders werden." „Ich verbitte mir solche Vergleiche ganz energisch, Hedwig," grollte der Bruder und warf seiner Schwester einen wütenden Blick zu, der den Erfolg hatte, daß Hedwig laut auflachte, wodurch Otto nur noch mehr in den Harnisch gebracht wurde. „Ich sehe, Fräulein von Bertram hat in der Tat den alten Verehrern einen neuen zuge« sührt," lachte Hedwig. „Ich komme also leider zu spät, um dir begreiflich zu machen, daß eine Dame, die zu viele Verehrer hat, keinen ernst lich auszeichnen wird." „Meine teuere Schwester ist nicht gerecht," entgegnete Otto gekränkt. „Mir wirft sie vor, daß ich Fräulein von Bertram ausgezeichnet habe, während sie selbst den Doktor Faller in so auffallender Weise bevorzugte, daß Fräulein von Bertram mit einigem Recht von einer bal digen Verlobung in unserem Hause sprach." „Herr Doktor Faller war gestern der Held des Tages und durfte mit Recht auch von uns ausgezeichnet werden," meinte die Kommerzien rätin, über den gehässigen Ton, in dem Otto den Namen des Doktors nannte, empört. „Ich danke dir, Mamachen," flüsterte Hedwig ihrer Mutter zu. „Steht es so! . . . Armer Paull" mur melte Otto zwischen den Zähnen. „Was murmelst du da in den Bart?" fragte die Kommerzienrätin. „Ich? Nichts," log Otto, dann blickte er nach der llbr. „Jetzt heißt cs, Schimmel an die Karie und zieh. Arbeiten heute, das ist langweilig. Mit dem schweren Kopf! Die reine Sklaverei, in der ich gegenwärtig lebe." „Möchtest wohl lieber mit Paul auSsahren und ihm Gesellschaft im Nichtstun leisten und andere für dich arbeiten lassen. Schäme dich doch I" verwies Hedwig ihren Bruder. „Aber, mein Gott, Otto, die paar Stunden wirst du doch im Kontor zubringen können, nimm dir ein Beispiel an Doktor Faller!" meinte die Kommerzienrätin ermahnend. „Der ist zur Arbeit geboren," rief Otto schlecht gelaunt aus. „Bei mir ist Arbeit nur ein Luxus. Wenn der Vater Millionen hat, braucht der Sohn selbst nach Jbsenscher Ver erbungstheorie nicht mehr zu arbeiten." „Geh' nur!" mahnte Hedwig. „Papa wird sonst Löse, zumal du ihn heute vertreten sollst." „Na, dann ins Joch, seufzte Otto und reckte die Arme. „Wenn Paul kommen sollte, schickt ihn mir herunter; habe mit ihm zu reden. Adieu I" Mit diesen Worten verließ Otto Lang das Gemach und begab sich in das Kontor, wo er sich auf das Sofa warf und einen Mittagsschlaf hielt. „Mama," sagte Hedwig, nachdem Otto aus dem Zimmer geschritten war, „der Einfluß Pauls auf Otto ist ein verderblicher." „Paul ist Kavalier," entgeguete die Kom- merzienrLtin, indem sie ihren Neffen verteidigte, „er tritt standesgemäß auf und lebt seinen Passionen. Was hast du gegen ihn? Otto lernt durch ihn die vornehmsten Kavaliere kennen und knüpft durch ihn Beziehungen von dauer haftem Werte an. Bei dem letzten Rennen W
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