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Allgemeiner Anzeiger : 17.01.1900
- Erscheinungsdatum
- 1900-01-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190001178
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- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
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- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1900
-
Monat
1900-01
- Tag 1900-01-17
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Monat
1900-01
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Jahr
1900
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 17.01.1900
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Politische ^«mdschan. Vom Kriegsschauplatz. * Der Krieg währt jetzt gerade ein Vierteljahr, ohne daß sich an dessen Physiognomie trotz aller eingetroffenen englischen Verstärkungen in der letzten Zeit irgend etwas Wesentliches geändert hätte. Dem weitern Vor dringen der Boern ist allerdings Einhalt gethan; dafür schwillt in der Kapkolonie der Aufstand immer weiter, und jedenfalls haben die Eng länder bis zum heutigen Tage noch keinen Quadratzoll feindlichen Gebietes besetzt. — Uebcr den Vorgängen an derTugela und Lei Ladysmith am 6. d. schwebt noch immer ein gewisses Dunkel. Der Londoner .Kabel korrespondenz' zufolge hat am 6. d. überhaupt kein Angriff der Boern auf Ladysmith statt- gesunden, sondern es hat vielmehr General White einen letzten verzweifelten Durchbruchs versuch gemacht. *Eine neue Aktion Bullers wird für die nächsten Tage erwartet. Diese Annahme gründet sich allerdings vorläufig nur auf die Mitteilung des.Standard' aus Durban, daß 1'200 indische Krankenträger Montag-Nacht nach der Front abgegangen seien. Ihr Abmarsch deute, wie man annehme, auf eine „unmittelbar bevorstehende" Bewegung Bullers hin. *Lord Methuen wird als erster von den englischen Generalen das Feld räumen. Seine Abberufung wird mit den üblichen Gesundheitsrücksichten begründet. Die ,Daily Mail' meldet, es bestehe leider kein Zweifel, daß Lord Methuens Gesundheit voll ständig untergraben sei. — Als Lord Methuen am 23. November in Eilmärschen mit seinen Truppen, die nur den Brotsack mitnehmen durften, zum Entsatz von Cecil Rhodes in Kimberley vom Oranjefluß aufbrach, war er frisch und gesund. * Die Engländer beschlagnahmten ein auf der Fahrt nach Philadelphia befindliches russi sches Lloyd-Schifs. Der Lloyd rief die Intervention der russischen Regierung an. * * * Deutschland * Der Kaiser hat der .Ostsee Ztg.' zufolge beim Stapellauf des Dampfers „Deutschland" dem Oberbürgermeister Haken versichert, daß mit seiner Zustimmung für den Großschiff fahrtsweg Berlin - Stettin die Westlinie von der Staatsregierung gewählt sei, und daß er mit Bestimmtheit auf deren baldige Ausführung im Interesse Stettins rechne. *Eine allgemeine Amnestie wird nach der.Augsb. Postztg.' der Prinz-Regent von Bayern zu seinem Geburtstag am 12. März erlassen. *Die Firma Krupp ist amtlich ersucht worden, von der Absendung von Kriegs material an England oder Trans vaal abzusehen. * Die deutsch-englischen Verhand lungen über die Beschlagnahme deut scher Schiffe dauern fort. Die Pflicht zur Entschädigung für die Beschlagnahme der freigegcbenen Dampfer „General" und „Her zog" ist englischerseits zugestanden, und sie wird betreffs des „Bundesrat" ebenso zugestanden werden, sobald die noch fortdauernde Untersuchung seiner Ladung ergeben hat, daß er keine Kontrebande enthält. Die Verhandlungen betreffen jetzt einmal die Frage, was Kontre bande ist, ob insbesondere Lebensmittel dazu gerechnet werden können, welche ausdrücklich sür Transvaal, nicht nur nach Laurenzo Marques bestimmt sind. Dann aber die Frage der Ver hütung künftiger Beschlagnahmen. *Jm Reichstage ist der Gesetzentwurf be treffend die Abänderung der Unfall versicherungsgesetze mit vier Anlagen: 1) Gewerbe - Unsallverficherungsgesetz, 2) Un° fallversicherungsgesetz für Land- und Forst wirtschaft, 3) B a u - Unsallverficherungsgesetz, 4) S e e - Unsallverficherungsgesetz erschienen. Die Begründung des Entwurfs und eine Denk schrift find beigefügt. *Die Hochseefischerei hat von den Weserhäfen aus im Jahre 1899 wiederum -rhe^ liche Fortsckriiie gemacht. An der Spitze dA: deutschen Fischereihäfen steht Geestemü /de mit einem Erlös von etwa 4Vr Mill. Mk. Es wurden dort von 1789 Fischdampfern und etwa 300 Segle n rund 30 000 000 Pfund Fisch angebracht und verauktioniert. Der Fischhandel erstreckt sich in beständig steigendem Matze über das ganze Binnenland; auch im letzten Jahre war wieder eine erhebliche Zunahme des Kon sums von Seefischen und eine Erweiterung des Konsumtionsgebietes im Inland zu verzeichnen. *Die deutsche Kolonialgesell- schast teilt in einer Eingabe an den Reichs kanzler, betreffend den Schutz der deutschen Interessen in Südwestastika, mit. daß sie es ab gelehnt habe, ihren Sympathien sür die Boern neuerdings Ausdruck zu geben. Begründet wird diese Haltung damit, daß es nicht für zweckmäßig erachtet wurde, in einer Frage von hochpolitischer Bedeutung, und nachdem die Reichsregierung dem ausgebrochenen Kriege gegenüber eine neutrale Haltung eingenommen habe, seitens der Gesellschaitsver- tretung eine Parteinahme einteten zu lassen. Weiter heißt es in der Eingabe: „Indem der verstärkte Ausschuß diesen Beschluß faßte, konnte er sich nicht verhehlen, daß der Krieg, wie er auch endigen möge, nicht ohne Rückwirkung auf die Lage der Verhältnisse in Südafrika bleiben werde und daß insbesondere auch das deutsche Interesse in dem südafrikanischen Schutzgebiet davon in gesährlicher Weise berührt werden könne. Es wurde deshalb weiter beschlossen, Eure Durchlaucht zu bitten, die zur Be stärkung der deutschen Machtstellung in Süd westafrika nöligen Maßregeln rechtzeitng er greifen, namentlich aus eine Verstärkung der dortigen Schutztruppe Bedacht nehmen zu wollen." * Der Entwurf von Vorschriften über den Verkehr mit Geheimmi 1 teln, der dem Bundesrat vorliegt, wird in der .Pharmarz. Ztg.' mitgeteilt. Danach soll die Landeszentralbehörde bestimmen, welche Stoffe als Geheimmittel zu gelten haben. Stoffe, die lediglich als Desin fektionsmittel, kosmetische Mittel, Nahrungs- und Genußmittel angeboten werden, sollen in der Regel als Geheimmittel nicht erklärt werden. Die öffentliche Ankündigung von Geheimmitteln wird verboten, auch dürfen die Gefäße und äußeren Umhüllungen derselben nicht Anprei sungen der Geheimmittel enthalten. Dagegen müssen dieselben mit einer Inschrift über den Namen des Geheimmittels und Namen und Firma des Verfertigers und Namen oder Firma des verabfolgenden Geschäfts und die Höhe des Abgabepreises versehen sein. Geheimmittel, durch deren Verwendung die Gesundheit gefährdet wird, sowie solche Geheimmittel, durch deren Vertrieb das Publikum in schwindelhafter Weise ausgebeutet wird, dürfen nicht angeboten oder feilgehalten werden. England. * Vielleicht ist doch schon der Zusammentritt des Parlaments für den 30. Januar zu erwarten. Abgesehen von der Forderung, daß sich die Minister über die bisherige Kriegs führung und die dabei zu Tage getretenen Schäden des englischen Heerwesens zn verant worten haben, ist wohl anzunehmen, daß die Reform des letzteren und vielleicht die Ein führung der persönlichen Dienst pflicht den Stoff sür die Thätigkeit des Par laments liefern werden, soweit die äußerlichen Ereignisse innerpolitische Verhandlungen über haupt zulassen. * Die britische Regierung hat beschlossen, daß Nahrungsmittel, die auf neutralen Schiffen befördert werden und für neutrale Häfen bestimmt find, der Beschlagnahme nicht unterworfen sein sollen, aus genommen, wenn aus den Ladungsverzeichnissen der Schiffe hervorgeht, daß die Nahrungsmittel für den Feind bestimmt find. In diesem Fall sollen sie als Kontrebanoe behandelt werden. * Das englischeKanalgeschwader soll am 31. d. nach Gibraltar abgehen, um das dortige für besondere Dienste bestimmte Geschwader abzulösen, das wahr scheinlich nach dem Kap gehen wird. Rußland. * In unterrichteten Petersburger Kreisen wird als tieferer Grund der jüngsten russischen Truppenbewegungen im äußersten transkaspischen Gebiet der Wunsch Rußlands bezeichnet, England durch die Be sorgnis vor einem Vorrücken russischer Streit kräfte in noch bedrohlichere Nähe der Grenzen seines indischen Reiches an einer Verstärkung seiner südafrikanischen Armee durch Entsendung eines zweiten indischen Kontingents nach dem Kap zu verhindern. Balkanftaaten. * Der Oberkommissar von Kreta, Prinz Georg, wird die wiederholt angekündigte europäische Reise demnächst unternehmen, um den Herrschern der Schntzmächte Kretas, sowie anderen Höfen Besuche abzustaiten. Aus dem Reichstage. Der Reichstag erledigte am Donnerstag in Fort setzung der zweiten Etatsberatung vom Etat des Reichsamts des Innern das Kapiiel „Besoldungen". Die Sozialdemokraten führten lebhafte Klage über die übermäßige Ausbeulung der Arbeitskraft der Arbeiter in Bergwerksbetrieben und Fabriken, sowie über die ungenügende Unfallrente, die die Sec- berufsgenossenschafi zahle. Die Negicruugsvertreler wiesen diese Beschwerde als unbegründet zurück. Abg. Oertel (kons.) beschwerte sich darüber, daß das Borsengcsetz noch immer nicht durchgeführt sei. Ihm wurde erwidert, daß Aussicht auf Einigung über bisher strittige Punkte vorhanden sei. Am 12. d. stehen zur Beratung die zum Inva- lidenversicherungsgesetz gestellten Reso lutionen, und zwar zuerst die des Abg. Frhrn. v. Stumm (freikons.): „Die verbündeten Regierungen zu ersuchen, dem Reichstage einen Gesetzentwurf vorzulegeu, durch welchen im Anschluß an die Invalidenversicherung die Witwen- und Waisenversicherung für die versicherten Personen eingeführt wird." Ferner die der Abgg. Schaeblcr, Hitze u. Gen. (Zentr.): „Die verbündeten Negierungen zu ersuchen, dem Reichstage thuniichst bald einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch welchen im Anschluß an die Inva lidenversicherung die Witwen- und Waiseuversichc- rung für die in Fabriken beschäftigten Personen unter entsprechender Erhöhung der Beiträge (Zusatz marke) eingeführt und den übrigen Versicherten die Beteiligung im Wege der freiwilligen Versicherung ermöglicht wird." Abg. Frhr. v. Stumm bittet um Annahme der von ihm beantragten Resolution, denn die Witwen- und Waisenversicherung sei gewissermaßen der Schluß stein unserer sozialpolitischen Gesetzgebung, und es fei hohe Zeit, daß diese Lücke endlich ausgcfüllt werde. Der Umstand, daß für die Hinterbliebenen der durch Unfälle ums Leben gekommenen Arbeiter gefolgt werde, für diejenigen, die eines natürlichen Todes gestorben, dagegen gar nicht, werde vielfach als ein Unrecht empfunden. Bed-nklich sei ihm in dem Zentrumsantrage die Beschränkung auf die Fabrikarbeiter. Die Versicherung müsse alle Arbeiter umfassen, die invalidenoersicherungspflichtig sind. Die landwirtschaftlichen Arbeiter würden sonst zu Arbeitern zweiter Klasse gemacht. Seine Freunde würden deshalb, falls feine Resolution nicht zur Annahme gelange, auch gegen die Resolution Schaedler- Hitze stimmen müssen. . Abg. Hitze (Zentr.) stimmt Mlt dem Vorredner darin überein, daß die Witwen- und Wapen- versicherung erst die eigentliche Krönung der ganzen sozialpolitischen Gesetzgebung darstcUen wurde Die Kosten einer solchen Versicherung wurden allerdings nicht unerheblich sein. Aber die Industrie könne, vor allem in der Zeit des materiellen Aufschwunges, die Erhöhung der Beiträge ganz gut trägem. Bei der Landwirtschaft sei das aber sehr zweifelhaft. Wo für andere Kreise ein Bedürfnis vorliege, da biete sein Antrag die Möglichkeit der Sclbswerpcherung. Im Interesse der Industrie liegt es nun aber, daß die Sache möglichst einfach eingerichtet werde, und der einfachste Weg scheine ihm der, daß auf den Quittungskarlen Zusatzmarken geklebt werden. Staatssekretär Graf Posadowskh ist nm dem Ziel, das beide Resolutionen anstreben, durch aus einverstanden. Aber bei der Fülle von An sprüchen, welche an den Staat auf sozialpolitischem Gebiete heranireten, müsse dieser ein bestimmtes Arbcitsprogramm innehalien und alles zurückstellen, was nicht in dasselbe hineinpaßt. Nachdem die neue Invalidenversicherung verabschiedet sei, habe die Re gierung dem Hause die Novelle zur Unfallversicherung vorgelegt, auf deren Verabschiedung in dieser Session sie bestimmt hoffe. Dann solle eine Reform der Krankenversicherung folgen, durch welche vor allem die letztere von 13 aus 26 Wochen ausgedehnt werden solle Bis das erreicht sei, halte er es für das rich tigste, eine Entschließung, die auf die Einführung einer Witwen- und Waisenversicherung hinzielt, zu rückzustellen. Er müsse ferner erklären, daß die Re gierung sich auf eine exzeptionelle Behandlung der landwirtschaftlichen Arbeiter unter keinen Umständen Anlassen werde. Abg. Frhr. v. Richthosen (kons.): Die Gründe, die der Staatssekretär angeführt habe, seien so schwer wiegend, daß sich für jetzt seine Freunde beiden Resolutionen gegenüber ablehnend verhalten müßten. Ganz undurchführbar scheine ihm die Unterschei dung zwischen industriellen und landwirtschaftlichen Arbeitern. Abg. Hofmann-Dillenburg (nat.-lib.): Die Annahme der Resolutionen verpflichte die Regierung nicht. Lehne der Reichstag beide ab, so erwecke das den Anschein, als ob der Reichstag keinen sozial politischen Fortschritt wünsche. Die Unterscheidung zwischen industriellen und landwirtschaftlichen Arbeitern sei unannehmbar. Seine Freunde würden daher für die Resolution Stumm stimmen. Abg. Molkenbuhr (soz.) erklärt, seine Freunde hielten die Durchführung der Witwen- und Waisen versicherung für dringlich genug, um der Resolution Stumm zuzustimmen. An der Mehrbelastung könne man eine solche Sache doch nicht scheitern lassen. Abg. Rösicke - Dessau (wildlib.) hält die Witwen- und Waisenversicherung nicht nur für not wendig, sondern für ganz unumgänglich. Einen Unterschied zwischen industriellen und landwirtschaft lichen Arbeitern wolle auch er nicht gemacht wissen. Er werde für die Resolution Stumm stimmen. Abg. Richter (fr. Vp.) hält die Sache sür außerordentlich wichtig, aber doch noch nicht für ge nügend geklärt, um in Resolutionen von so allge meiner Fassung den Wunsch des Reichstages zum Ausdruck zu bringen. Er beantrage, die Anträge einer Kommission zu überweisen, am zweckmäßigsten derjenigen, welcher demnächst die Novellen zu den Unfall - Versicherungs - Gesetzen überwiesen werden würden. Abg. Stoetze! (Zentr.) hält es für zu gewagt, gleich die gesamte Arbeiterschaft versicherungspflichtig zu machen. Man solle zunächst versuchsweise mit den Industriearbeitern anfangen. Abg. Hqrhn (wildkons.) hält die Sache bei aller Sympathie für die Witwen und Waisen der Ar beiter noch nicht für genügend geklärt. Der Land wirt und auch der kleine Handwerker sei heutzutage außer stände, eine neue Last auf sich zu nehmen. Damit schließt die Diskussion. Die Resolutionen Stumm und Schaedler-Hitzc im Zusammenhänge werden abgelehnt; die Resolution Stumm wird mit großer Mehrheit angenommen. VreuK» «her Kans Das Herrenhaus hat am Donnerstag den Gesetz entwurf betr. die Zwangserziehung verwahrloster Kinder einer Kommission zur Vorberatung über wiesen. In der Debatte erklärten sich sämtliche Redner zustimmend zur Vorlage. Das Abgeordnetenhaus beriet am Donnerstag die Interpellation der Abgg. Arendt u. Gen.: In wiefern die Regierung die von ihr gegen eine Anzahl von Staatsbeamten im Anschluß an die Abstimmung über die Kanalvorlage getroffenen dienstlichen Maß nahmen im Einklang mit den Artikeln 83 und 84 der Verfassung erachtet. In der Begründung schil derte Abg. v. Köller (kons.) die Vorgeschichte des Antrages und warf die Frage auf, ob der Minister nicht wüßte, daß cs nach Art. 83 der Verfassung verboten ist, Volksvertreter durch Versprechungen oder Drohungen zu beeinflussen. In der Kanal frage werde die Regierung sich doch endlich fügen müssen, und habe damit den schönsten Sieg errungen, den über sich selbst. Ministerpräsident Fürst Hohenlohe erklärte sich zur Beantwortung be reit und führte aus, daß es sich um einen durch rein sachliche Rücksichten gebotenen Schritt gehandelt habe. Von einer Bestrafung sei keine Rede Um eine ein heitliche Aktion der Staatsregierung aufrecht zu er halten, müßten die politischen Beamten aber in der Lage sein, die Politik der Negierung im Lande zu vertreten, und das könnten sie nicht, wenn sie im Landtage eine entgegengesetzte Ansicht bekundet hätten/ Deshalb müsse die Regierung auf die poli tischen Dienste dieser Beamten verzichten, unbe schadet der Möglichkeit, diese Beamten in anderen, nicht politischen Stellungen zu verwenden. Nur von ihrer gesetzlichen Befugnis habe die Regierung den Gebrauch gemacht, und der Entschluß sei ihr nicht leicht geworden. — In der Besprechung der Interpellation hielten alle Parteien ohne Unterschied die Beamtenmaßregelungen für unvereinbar mit der Verfassung. Ein diesbezüglicher Antrag wurde vom Abg. v. Kardorff angekündigt. Non Uah und Fern. Dettingen. Der 16jährige Schlosscrlehrling Miltenberg rettete mit eigener Lebensgefahr drei Knaben, die im Main beim Schlittschuhlaufen eingebrochen waren. Der Spuk im alten Herrenhause. Erzählung von Adalbert Reinold. „Laß niemand herein," rief unter sichtlicher Angst der Alte, „niemand, schicke sie unter einem Vorwand hmweg, dann kehre sofort zurück." Emil öffnete behutsam die Thür und trat rasch auf den Korridor, so daß es den draußen Wartenden nicht möglich war, auch nur einen einzigen sicheren Blick in die Bibliothek zu werfen. Zwei Diener standen vor ihm; das Kammer mädchen der Baronin sowie zwei Mädchen, sämtlich nur notdürftig angekleidet, kamen eben falls herbei. „Es ist gottlob nichts Schlimmes," redete Emil die Leute an. „Mein Vater war noch spät in der Bibliothek nach seiner Gewohnheit und ist plötzlich unwohl geworden, er hat sich aber bereits erholt, ihr könnt gehen, einer kann mir eine Karaffe mit Wasser und ein Glas hierher stellen, und der Besorgnis meiner Mutter wegen kann mich einer wach bleiben." „Der Herr Baron — waren um Mtternacht allein in der Bibliothek?" fragte stotternd der eine der Diener. Eine unverkennbare Angst lag auf seinem bleichen Gesicht, sein Mund blieb geöffnet, seine Augen blickten fast wirr von der einen Seite zur andern. „Es ist eine üble Gewohnheit, wie alle Leute sie ost haben," sagte Emil kurz. „Da ist ihm gewiß auch das Gespenst er- 'chienea, Herr Baron," — platzte der Diener Heraus. „Unsinn!" rief der junge Mann. „Die blonde, schwarze Dame mit dem Licht stumpf in der Hand ist mir selber vor einer halben Stunde unten im Hause begegnet, — ich sprach ein Gebet, schlug drei Kreuze und das Gespenst verschwand neben der Treppe, die zum ersten Stock führt." „Du bist verrückt," rief der junge Baron ärgerlich. .Welcher vernünftige Mensch glaubt denn heute noch an solche Tollheiten. Deine Angst hat dir einen Streich gespielt, mein Vater ist ein alter Mann, eine Ohnmacht hat ihn be fallen, das ist alles, — geht und besorgt mir Wasser hierher und dann grault euch unterein ander, so viel ihr Lust habt!" Emil trat rasch ins Bibliothckzimmer zurück, dessen Thür er hinter sich verschloß. Als er den Raum übersah, erblickte er seinen Vater vor dem Wandschrank, während die Mutter den schwankenden asten Mann unter stützte. „Ah - da bist du," lallte der alte Baron und warf ein großes Buch, das von seinen zitternden Händen nur mühsam gehalten wurde, dem Sohne hin, — „leg' dieses Buch — da — da hinein," — und er wies auf das Innere des Schrankes. Emil durchforschte das leere Fach, aus welchem die Bücher fortgenommen waren, er entdeckte an der Rückwand ein jetzt offenes Geheimfach. „Das Buch soll in das offene Fach dort gelegt werden?" fragte er überrascht. „Ja — ja — lege es rasch hinein," hastete der Alte. „Was ist das für ein Buch?" fragte fast unwillkürlich der Sohn. „Pst — spreche leise," zischte es von den krampfhaft sich bewegenden Lippen des alten Diannes, während sei.e grauen Augen aus den Höhlen zu treten schienen, „frage nicht, seiner Zeit werdet ihr alles erfahren, das war's, wes halb niemand eintreten sollte — das — das ist ein Geheimnis, mein alleiniges Geheimnis." Die letzten Worte kamen mühsam und wie gegurgelt heraus; dabei blitzte etwas wie tückische Gier aus den fahlen Augen, ein häßliches, dämonisches Lächeln umzuckte die schmalen, bläulich gefärbten Lippen. Der alte Baron glich in diesem Augenblick fast einem Wahnsinnigen. Die natürliche Neugierde mußte hier Ängst und Besorgnis auf einen Augenblick verdrän gen. So war es bei beiden, bei Mutter und Sohn. „Ich habe nie von diesem geheimen Fache gewußt," wandte die Baronin ein. „Ihr werdet schon alles erfahren," keuchte der Baron, dann streckt- er die Hand aus, — sie tastete behutsam, ob das Buch wohlver wahrt an Ort und Stelle gelegt war, und ein leiser Druck auf eine verborgene Feder schnellte die hölzerne Klappe in eine Lage, so daß kein Auge zu entdecken vermochte, daß die Rückwand eine geheime Vertiefung barg. „So — so — mein Junge, — jetzt packe — packe die Bücher dort vom Tisch — genau und sorgfältig hier hinein, wohin sie gehören," befahl der Alte und schritt noch immer schwankend wie ein Trunkener nach dem Lehnstuhl, auf dem er gesessen hatte, von welchem er ohnmächtig heradgesunken sein mochte. Mit einem schweren Seufzer sank er in das weiche Stuhlpolster. Emil stellte, während seines Vaters Auge mit ängstlich prüfendem Blick jede seiner Be wegungen beobachtete, Buch um Buch an seinen Ort, bis keines mehr übrig war. „Nun verschließe den Schrank vorsichtig," befahl der alte Baron, „und gib mir den Schlüssel." Auch das war gethan, der junge Mann reichte seinem Vater den Schlüssel. „Wie befindest du dich denn jetzt?" fragte wohl zum zehnten Mal Frau von Waldow voll Besorgnis ihren matt im Sessel zurück- gelehuten Gemahl, ohne daß dieser bisher eine Antwort darauf gegeben, so sehr hatte ihn der Schrank in Anspruch genommen. „Ich fühle mich besser, bleibt nur noch eine Weile und führt mich dann in mein Schlaf zimmer," entgegnete der Baron. „Lieber Papa," fragt jetzt Emil, „sollen wir nicht doch zum Arzt schicken, schon deshalb, um Mama zu beruhigen?" „Nein, nein, dazu ist morgen auch noch Zeit, — es war — war nichts, als eine Ohn macht," stöhnte der Alte. „Wurdest du denn plötzlich ohnmächtig, oder hast du dich erschreckt?" sragte Emil weiter. „Ich hörte einen Schrei, der hier laut aus- gestoßen sein muß und glaubte, es sei deine Stimme." Les alten Barons Augen hefteten sich bei der Frage seines Sohnes mit plötzlich starren
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