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Der „Erfolg" äer Offensive. Die geringen Erfolge der großen Offensive kommen am besten zum Ausdruck, wenn man die „Größe* des englisch-französischen Raum gewinns betrachtet. Von vornherein sei bemerkt, daß man eigentlich nur von einem französischen Raumgewinn sprechen kann, da die Engländer nicht viel auf ihre Rechnung setzen dürfen. Um eine richtige Vorstellung von der ganzen Belang losigkeit dieses „Gewinnes* zu bekommen, muß man an andere erfolgreiche Offensiven denken. Es sei nur an unsere große Offensive im Osten erinnert, die einen Gewinn von Hunderttausenden von Quadratkilometern brachte, da wir in Ruß land allein mehr als 300 000 Quadratkilometer besetzt haben. Fast das ganze besetzte Galizien wurde noch dazu von den Russen infolge der Offensive vom 2. Mai 1915 gesäubert, so daß der Raumgewinn nur mit sechsstelligen Zahlen zu bemessen ist. Außer diesen großen weltgeschichtlich bedeut samen Unternehmungen sei noch an manche kleine Lat unserer Truppen erinnert, die fast gar kein Aufsehen erregte, jedenfalls aber nicht von vornherein als umwälzendes Ereignis vor bereitet und angekündigt wurde. Vor einigen Lagen errang am 3. Juli die Armee des Grafen Bothmer südöstlich von Tlumacz einen Erfolg, der eine Breite von 20 Kilometern und eine Tiefe von 10 Kilometern aufwies. An diesem einen Tage wurden demgemäß von der Armee Bothmer nicht weniger als 200 Quadrat kilometer Land gewonnen. Nun vergleiche man mit diesen Zahlen die Ergebnisse der englisch-französischen Offensive. Einen Raumgewinn hatten unsere Feinde nur auf dem kurzen Frontstück zu verzeichnen, das ungefähr nördlich von Fricourt gelegen ist. Bei Thiepval errang er keinerlei Vorteile, nur der gegen Peronne gerichtete kleine Bogen unserer alten Front sah ungefähr von la Boisselle aus kleinere Vorteile der Franzosen. An der Somme nahmen wir schon am ersten Tage unsere Front zurück. Am 6. Juli gelang es den Franzosen Belloy und Hem zu besetzen, sodaß die neue Front jetzt durch diese beiden Ortschaften geht. Tie Berechnung des Geländegewinnes ergicbt sich darum aus dem Vergleich unserer alten Front mit der neuen. Die feindliche Front konnte insgesamt auf eine Entfernung von un gefähr 20 Kilometern ein wenig gegen Osten vorgeschoben werden. Diesem geringen Geländegewinn in der Breite entspricht ein noch viel unbedeutenderer in der Tiefe. Die weiteste Verschiebung der franzö sischen Front konnte bei Belloy en Santerre erfolgen. Hier beträgt sie 5 Kilometer, also auch ein sehr geringer Erfolg. Geradenwegs westlich von Peronne und etwas weiter nördlich davon bei Hem beträgt der Geländegewinn unserer Feinde in der Tiefe aber nur 2 Kilo meter. Etwas weiter nördlich, senkrecht zu Mainetz, steigt der Gewinn in der Tiefe wieder um ein Weniges und beträgt zwischen 3 und 3^/r Kilometer, während er bei La Boisselle wieder auf 2 Kilometer zurücksinkt. Die Be rechnung der mutmaßlichen Frontlinie wird durch die verschiedenen Abstufungen der einzelnen Tiefxngewinne erschwert, zumal genaue Anhalts punkte über jeden Teil der alten und neuen Front nicht vorliegen. Man wird darum den südlichen Teil, südlich von der wagerechten Linie durch Peronne, sür sich allein berechnen müssen. Seine Länge beträgt 10 Kilometer, die größte Tiefe 5 Kilometer, während die Front nach Norden und Süden sich wieder bis aus 2 Klometer der alten Front nähert. Um den Feinden nicht Unrecht zu tun, sei die Durchschnittsliefe auf 4 Kilometer an genommen. Es würde also hier ein Gelände gewinn von rund 40 Quadratkilometern zu ver zeichnen sein. Der nördliche Teil ist etwas länger, dafür aber weniger tief. Rechnet man die Länge mit 13 Kilometern und die Durch schnittsliefe mit 3 Kilometern, so erhält man hier ungefähr 40 Kilometer. Nach oben oder nach unten können sich die Zahlen aus den obengenannten Gründen ein weyig verschieben. Das Gesamtbild wird dadurch aber in keiner Weise beeinflußt. > Es zeigt sich auch auS diesen untrüglichen Zahlen, daß der Erfolg der großen'Offensive sehr geringer Natur ist. Auch die Feinde ver schließen sich nicht der Tatsache, daß das Er reichte weit hinter dem Gehofften blieb, und gleichsam entschuldigend schreibt die Londoner ,Times', man könne aus der Schlacht, die jetzt an der Somme geschlagen werde, zwei Lehren ziehen. Die erste sei der unermeßliche Wert des Maschinengewehrs sür die Verteidigung, vorausgesetzt, daß sich das Gelände dazu eignet und daß genug Zeit bleibt, um die Stellungen soviel als möglich zu befestigen. Die zweite sei die große Wichtigkeit einer unbeschränkten Menge Artillerie von möglichst schwerem Kaliber als Angriffswaffe. verschiedene Uriegsnachrichten. Neue Geschosse gegen Flugzeuge. Der,Temps' stellt fest, daß die Deutschen gegen die Flugzeuge eine neue Art von Granaten verwenden, die raketenartig explo dieren. Der ersten Explosion solgen mehrere kleinere. * Englands Hoffnung, Amerikas Entzücken. Die Londoner .Daily Mail' berichtet aus New Jork: Der Anfang der englischen Offensive erregte in ganz Amerika großes Aufsehen und rückte den mexikanischen Konflikt völlig in den Hintergrund. Die Abendblätter ließen Sonder ausgaben erscheinen und veröffentlichten, daß die englische Treibjagd begonnen hätte. Die Veröffentlichung war in großen Buchstaben gedruckt, mit denen gewöhnlich wichtige Nach richten bekanntgegeben werden. Große Er wartungen wurden durch die günstigen Nachrichten über den ersten Zusammenstoß zwischen Eng ländern und Deutschen erweckt. Es ist kaum zu denken, daß man den Erfolg Englands bei nns zu Hause so sehnlich wünscht, wie in Amerika, überall wird der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß die deutschen Schlachtlinien in ent scheidender Weise vernichtet werden mögen. Das war nach dem ersten Tage der großen Offensive. Wie mag man jetzt über dem großen Teich die „englische Treibjagd* beur teilen? * „Befehlshaber der Negerdivifionen." Der Befehlshaber der im Somme-Abschnitt kämpfenden französischen Negerdivisionen und Fremdenlegionäre ist nach Genfer Blättern Armeekorps-Kommandant General Puyperoux. * Japanische Artillerie. Durch Suczawa (dicht an der rumänischen Grenze) gingen in den letzten Tagen drei russische Abteilungen, bestehend aus Infanterie, Kosaken und japanischer Artillerie. Die japanischen Kanonen werden von japa - nischenOffizieren befehligt. * Böse Zustände bei der Saloniki-Armee. Der Vertreter des .Pariser Journal' in Saloniki berichtet, daß die Hitze unerträg lich geworden sei und bis 45 Grad im Schatten betrage. Dysenterie, Sumpf- und Nervenfieber gäben dem Gesundheitsdienst in der Armee viel zu tun. Ärzte und Lazarett gehilfen würden von Frankreich verlangt. Es sei unerläßlich, sie unverzüglich hinauszuschicken. * Englische Tote auf See bestattet. Aus den Berichten englischer Teilnehmer an der Seeschlacht vor dem Skagerrak geht hervor, daß der größte Teil, wenn nicht sämtliche in der Schlacht gefallenen Engländer am 1. Juni, als am Tage nach der Schlacht, von ihren Schiffen auf der See bestattet wor den sind. Bekanntlich sind die deutschen Toten der Seeschlacht von unseren Schiffen mit in die Heimathäfen zurückgenommen und dort beigesetzt worden. — Da Admiral Jellicoe sofort nach der Schlacht nach England zurückgekehrt ist — wie aus seinem von der englischen Admiralität selbst bekannt gegebenen Eintreffen schon am 2. Juni in den englischen Heimathäfen hervorgeht —, erscheint das Verfahren der Engländer mit ihren Toten sehr auffällig. Entweder waren es ihrer zu viele, oder sie haben der heimischen Bevölkerung das Schauspiel der Beerdigung nicht zutrauen wollen, oder schließlich hat man vermeiden wollen, durch die Errichtung von Gräbern ein dauerndes Andenken an eine englische Niederlage zur See zu schaffen. Im d koot nack Amerika. Wieder einmal hat deutscher Unternehmungs geist eine Tat vollbracht, die die ganze Welt mit Staunen erfüllt: ein deutsches Handels- II-Boot ist in. Baltimore eingetroffen. Aus London wird darüber berichtet: Die Blätter veröffentlichen ein Tele gramm aus New Vork, in dem gemeldet wird, daß ein deutsches Unterseeboot mit einer wertvollen Ladung Farbstoffe in Baltimore angekommen ist. 20 Meilen von der Küste wurde das Unterseeboot von englischen und französischen Kreuzern verfolgt, wodurch seine Anknnft um vier Tage verzögert wurde. Übereinstimmend damit wird der ,T. U.' aus Amsterdam gemeldet: Das Handelsunterseeboot „Deutschland" kam im Haien von Baltimore mit einer Ladung wertvoller Chemikalien für die Firma Schumacher, Vertreter des Nord deutschen Lloyds, an. Die dortige Presse be zeichnet diese Reise des Unterseebootes als eine große Tat. Ha»dels-V-Boot „Deutschland". Nach diesen Meldungen unterliegt es keinem Zweifel mehr, daß das Unterseeboot tatsächlich in Baltimore angekommen ist und damit rein schiffahrtlich alle Leistungen überboten hat, die vorher von seinen Schwesterschiffen vollbracht worden sind. Denn, wenn auch die Entfernung von Hamburg nach der im amerikanischen Staat Maryland am Patopscofluß gelegenen Stadt — rund 4000 Kilometer — nur unerheblich größer ist als die nach den Dardanellen, die schon mehrere unserer Tauchboote überwunden haben, so ging doch hier die Fahrt durch den weiten Ozean ohne die geringste Möglichkeit, unter wegs im Falle der Not einen schützenden Hafen anzulaufen. Als vor einiger Zeit zuerst in aus ländischen Blättern die Nachricht auftauchte, daß ein Unterseebootverkehr mit Amerika geplant sei, haben wohl viele ungläubig den Kopf geschüttelt, jetzt werden sich auch ihrem Auge noch vor kurzem ungeahnte Aussichten eröffnen. Jedenfalls stellt sich die Ankunft eines deutschen Unterseebootes an der amerikanischen Küste des Atlantischen Ozeans den größten maritimen Leistungen dieses Krieges würdig zur Seite. Sie liefert nach der glücklichen Heimkehr von „II 35" aus Cartagena einen neuen er freulichen Beweis der glänzenden technischen Entwicklung unserer Tauchboote, die deutscher Seemannsgeist trefflich auszunutzen weiß. Es war eine friedliche Fahrt, die die „Deutschland" — ein Handels-Unterseeboot, eine neue Er rungenschaft — unternommen hatte, aber zu ihrem Gelingen war kriegerischer Sinn und kriegerische Gewandtheit eine unerläßliche Be dingung. Englands Arger. Schon vor einigen Tagen hatte die Londoner .Morning Post' aus Washington gemeldet: In einem großen halbseitigen Inserat der Trans atlantischen Trustgesellschaft wird die Ankunft eines deutschen II-Bootes auf der Reede von Baltimore bekanntgemacht. Mittels des II-Bootes können Geld und Korre spondenzen auf sicherem Wege ohne Gefahr englischer Übergriffe nach Deutschland zurückge sandt werden. Der österreichische Generalkonsul in New Jork, der einer der Mitdirektoren der Trustgesellschaft ist, hat das Inserat mit unter zeichnet. Die Londoner Blätter sind natürlich außer sich darüber, daß es nicht gelungen ist, das II-Boot abzufangen. Ein unbewaffnetes Handelsschiff. Reuter meldet noch aus Baltimore: Das hier angekommcne deutsche II-Boot namens „Deutschland" erhebt Anspruch darauf, ^ein bewaffnetes Handelsschiff zu sein, das FrE führt. Die Offiziere der „Deutschlands stell in Abrede, daß das Unterseeboot von feindliche» Kriegsschiffen verfolgt wurde und erklären, « » sie weder englische noch französische KricgWM gesehen haben. Ein Küstenschutzkutter folgst" „Deutschland" auf ihrer Fahrt nach der Wic peake-Bai. Der Grund hierfür wurde nicht a gegeben, aber es verlautet, daß das E-Zo unter Aufsicht bleiben soll. Politische AuiEckAU. Deutschland. *Jn einer Auseinandersetzung mit schiedenen Zeitungen kommt die ,Nordd. ME Ztg.st das halbamtliche Blatt, zu dem Schluß- Jedenfalls hat unser Großmeister der Stam kunst — Bismarck — den Wert ssE Friedensschlüsse niemals allein nach der Groß der Gebietserweiterungen bemeW deshalb auch niemals fremde, sel" ständige Völker dem Reiche tinzu verleiben getrachtet, sondern Kern uu Stern seines Wirkens war immer: Wie nE ich am zweckmäßigsten und dauerhaftesten nM deutsches Vaterland einig, stark und zur MA Entwicklung seiner Kräfte unangreifbar? DM Grnnd- und Richtlinie der Bismarckschen PaM darf in dem heroischen Verteidigungskampfe das Werk, das er bald mit Blut und Elsen, bald mit weiser Mäßigung schaffen half, gegenüber der Forderung nicht vergessen werde"' daß wir aus diesem Kriege stärker Hervorgeyen, als wir hineingegangen sind. * Dem Reichstag wird, wie auS P verlässiger Quelle verlautet, in seiner Novemven tagung eine Vorlage zugehen, durch die ° Dauer der gegenwärtigen Legt» laturperiode um ein Jahr »kl längert wird. Das Ende des Krieges " einstweilen nicht abzusehen. Daß während Kriegsdauer keine Neuwahlen zum Reichs stattfinden können, darüber herrscht zwischen Neichsregierung und den Parteien völlige live einstimmung, es ist daher unerläßlich» die gegen wärtige Legislaturperiode bis nach Frieoem- schluß zu verlängern. Auch am 12. Jub 1°. wurde ein ähnliches Gesetz erlassen, um " Wahlen während des Krieges zu vermeiden- Frankreich. ... *Nach sechs geheimen Sitzungen hm ", Senat die Erörterungen betr. die natwna Verteidigung beendet und mit 251 gegen sich» Stimmen eine Tagesordnung angenommen, " der der Regierung das Vertrauen aE sprachen wird. Norwegen. .... * Das Vorgehen Englands drückt U immer mehr auf die Stimmung. Die engnM Behörden machen jetzt auch die S alzzufud nach Norwegen unmöglich. In den leßw Wochen hielten die Engländer alle nach ow wegen bestimmten Salzladungen zurück w gaben sie nur gegen die Verpflichtung frei, das Salz nicht zum Ein salzen Fische, die nach Deutschland ausgeW werden, verwendet würde. Im Vorsommer" hinderten die Engländer die norwegische fnhr eingesalzener Fische nach Deutschland, dem sie überall die deutschen Käufer überbot und dadurch die Preise auf eine unerhörtes steigerten. Balkanftaatea. *Die bulgarische Regierung ständigte die rumänisch e Regierung von, daß die Grenze für den Warenvericy und Personenverkehr wieder geöffnet Die ersten Züge gingen bereits mit vielen New den in beiden Richtungen ab. Trotz nu Anstrengungen des Vierverbandes gestalten I also dre bulgarisch-rumänischen Beziehung' immer vertrauensvoller. Amerika. .... * Nach der Truppenschau in Buenos Uu die zur Feier der 100jährigen Selbständig^ Argentiniens abgehalten wurde, gab ein ^n viduum, das erklärte Anarchist zu sein, Nevolverschuß auf den Präsiden r der Republik ab, der sich auf dem Balkon st» Palastes befand, und verletzte ihn. I^exengolä. 15! Noman von L. CourthS-MahleL lFortsetzunq.» So viel stand aber bei ihr fest: in der Mitternachtsstunde würde sie ihr Zimmer nie mehr allein verlassen, und niemandem wollte sie etwas von dieser Nacht erzählen, sie konnte doch nach allem Schelten auf die Dienerschaft jetzt nicht zngestehen, daß sie das Schloßgespenst selbst gesehen habe. _ Als Jettchen später die Morgenpost für Kom tesse Jutta und Frau von Sterneck hinaufbrachte, saßen die beiden Damen plaudernd am Früh- stückstisch. Jutta begrüßte die Alte freundlich. „Sie sehen recht blaß aus, Frau Wohlgemut. Sind Sie nicht wohl?" „Danke für gütige Nachfrage, jetzt ist mir wieder ganz gut. Ich hatte Zahnweh und konnte dann des Gewitters wegen nur schlecht schlafen. Haben gnädige Komtesse das Gewitter gehört?" „Ja, ich erwachte durch einen starken Donner schlag, bin aber bald wieder eingeschlafen." „Glückliche Jugend, nicht wahr, Lebe Frau Wohlgemut ? Wir alten Leute haben leichteren Schlaf," sagte Frau von Sterneck, liebens würdig lächelnd. „Sie können doch noch .eicht vom Alter reden, Frau von Sterneck. Zwanzig A^hre später ist das vielleicht etwas anderes," er- widerte Jettchen ruhig Sie vermochte sich nicht zu helfen. Frau van Sternecks Freundlichkeit berührte sie immer unangenehm. - w sehr sie sich daaeaen wehrte. Jutta öffnete den Brief, den sie erhalten, und Frau Wohlgemut zog sich zurück. Frau von Sterneck griff nach einem an sie gerichteten Briefe. Der an Jutta war von ihrer PensionS- sreundin Heliot Davonshire. Er enthielt nichts Wichtiges, nur leichtes Mädchengeplauder, aber so amüsant, daß Jutta einige Male leise vor sich hinlachte. Frau von Sternecks Brief schien dagegen gar nicht amüsant zu sein. Sie zeigte bei der Lektüre ein auffallend bekümmertes Gesicht und seufzte tief auf. „Sie haben doch nicht schlechte Nachrichten, siebe Frau von Sterneck?" „Nicht eigentlich schlechte, Komtesse Jutta, nur betrübend. Der Brief kommt von meinem Neffen. Armer Schelm I Er hängt wie ein Sohn an mir und ist sehr traurig über unsere Trennung. Er will sich für sein Doktorexamen vorbereiten, vermag aber vor Sehnsucht nach mir sich nicht zur Arbeit zu sammeln. Sonst ein energischer Mensch, ist er von einer Emp findungstiefe, die man heute selten bei jungen Männern findet. Nun fragt er an, ob er nicht für einige Monate in dem nahen Schwarzenfels ein billiges Unterkommen finden könnte. Dort würde er, wie er hofft, mich doch zuweilen sehen und Ruhe zur Arbeit finden. Sie gestatten mir wohl, daß ich heute oder morgen nach Schwarzenfels fahre und Umschau halte." „Aber wozu denn die Umstände, liebe Frau von Sterneck? In Ravenau find eine Menge Gastzimmer unbenutzt. Der ganze östliche Flüael wird nickt bewohnt. Da wollen wir Ihren armen Neffen doch nicht zu einem frag würdigen Garyonlogis in Schwarzenfels ver urteilen. Hier in Ravenau soll es ihm nicht an Ruhe zur Arbeit fehlen — und Ihnen ist er dann auch näher und kann Sie sehen, so oft er will. Es ist also das einfachste, er kommt nach Ravenau." Frau von Sterneck streichelte mit strahlender Miene Juttas Hand. „Liebe teure Komtesse, wie gütig Sie sind l" „Ach — reden wir davon nicht I Wir ge winnen doch auch dabei, wenn wir in ihm einen neuen Hausgenossen, einen Gesellschafter bekommen." „So ist eS wirklich Ihr Ernst?" „Gewiß. Ich freue mich, Ihnen einen Ge fallen erweisen zu dürfen. Sie schreiben dock gleich nach dem Frühstück an Ihren Neffen?" „Gern, liebe Komtesse!" entgegnete Frau von Sterneck gerührt. „Je eher er die Freuden botschaft empfängt, um so besser ist es. Ach — wird das ein Jubel sein!" Jutta lächelte. „Sie müssen mir ein wenig von Ihrem Neffen «zählen," bat sie, in der Voraussetzung, Frau von Sterneck mit dieser Bitte zu erfreuen. „Wie alt ist er?" „Neunundzwanzig Jahre." „Und waS studiert er?" „Er wollte erst Jurist werden, aber als wir verarmten, sah er ein, daß dies Studium ihm zu spät ein ausreichendes Einkommen bringen würde. Da ist er Chemiker geworden. „Sie hatten ihn an Kindes statt angenommen, nicht wahr?" „Ja. Seine Eltern sind stütz gestörte- Die Mutter war meines ManneS Schwen. Herbert zählte fünfzehn Jahre, als er zu i - kam. Mit großer Liebe dankte er uns. Sei Mutter hatte ihm ein kleines, gottlob M gestelltes Vermögen hinterlassen. AIS t armte, sorgte er treulich sür mich, obwM sein kleines Kapital angreifen mußte, . ist ein lieber, großherziger Mensch, ein ev Charakter." Sie erzählte allerlei kleine ^>> ö aus dem Leben dieses vortrefflichen iuw> Mannes, und Jutta ahnte nicht, daß ihr größten Lügen vorgekragen wurden. . In Wahrheit besaß Dolly von Stern-» schon seit langen Jahren kein Vermögen w n und ihr Neffe hatte von seiner Mutter kem Pfennig geerbt. Frau von Sterneck lebte, w ihrem verstorbenen Gatten von allerlei klein ' nicht ganz einwandfreien Geschäften. M ' ihren Mann vor reichlich fünfzehn Inh heiratete, brachte sie ihm eine hübsche Sw , mit in die Ehe. Diese Summe war aber geringer, als der unternehmende Herr Sterneck gedacht. Eine leichtsinnige Spiclw , ließ er bald das Vermögen seiner Frau aus grünen Tischen von Monte Carlo. Dann gann das Abenteuerleben. In diesem umich .,' haltlosen Treiben wuchs Herbert von Sons, bei seinem Oheim auf. ' Nach dem Tode ihres Mannes wurde DE von Sterneck der Boden von Pans zu st Ihre vielen Gläubiger drängten ste, uns l wäre sie als Schwindlerin verhaftet Word - Aber schließlich gelang es ihr doch noch, Gläubiger von neuem ru beschwatzen.