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Allgemeiner Anzeiger : 24.05.1905
- Erscheinungsdatum
- 1905-05-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190505247
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- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19050524
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19050524
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1905
-
Monat
1905-05
- Tag 1905-05-24
-
Monat
1905-05
-
Jahr
1905
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 24.05.1905
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politische kunälcbau. Ler rssfisch-japanische Krieg. *Die Flotte unter Noschdjest- wensky soll nun doch die französischen Ge wässer verlassen, sich nach Norden gewandt haben und sich der chinesischen Insel Hainan nähern. Das mehrfach aufgetauchte Gerücht, Roschdjest- wensky werde wegen Nervenzerrüttung von seinem Posten zurücktreten, wird von Peters burg als auf ein Mißverständnis beruhend be zeichnet. Er scheint ziemlich resolut und im Gefühl beneidenswerter Wurschtigkeit zu sein. Der Admiral soll für den Streit über die Neutralität eine unverhohlene Miß achtung an den Tag gelegt haben. Er handelt, als ob seine Aufgabe ihm völlige Un abhängigkeit gebe. Er hat erklärt, er operiere ganz nach seinem Gefallen. Die ihm wegen seines Vorgehens gemachten Vorstellungen sollen auf ihn keinen Einfluß ausgeübt haben. Bei seinem Geschwader herrsche eiseme Disziplin. * Die Japaner scheinen bei Formosa eine Seeschlacht zu erwarten. Die Frauen und Kinder von den Formosa vorgelagerten Fischerinseln werden nach Formosa gebracht. * Der Londoner .Daily Telegraph' läßt sich aus Tokio melden, daß unter der russischen Armee inCharbin dieBubonenpest ausgebrochsn sei. Die Sterblichkeit sei er schreckend hoch. Durchschnittlich sterben drei hundert Opfer täglich. Die Erscheinung einer solchen fürchterlichen Epidemie in einem mili tärischen Zentrum wie Charbin bedrohe die russische Armee in der Mandschurei. Die ärztlichen Verhältnisse sollen trostlos sein. Es gebe keine Feldspitäler für die Kranken und keine Ärzte oder Krankenwärterinnen, um sie ordentlich zu pflegen. Eine Bestätigung dieser Schilderung liegt bisher noch nicht vor. * Eine Petersburger Drahtung der .Times' besagt, das vierte baltische Ge schwader bestehe hauptsächlich aus alten Schiffen, wie sie von der britischen Ad miralität im aktiven Dienst nicht ver wendet würden. * General Stössel, der sich bisher zur Verfügung des Kriegsgerichts in Petersburg aufhielt, hat endlich die Erlaubnis erhalten, sich zur Kräftigung seiner Gesundheit nach Saratow zu begeben. * * Dvttschltmd. * Es ist bemerkenswert, daß Graf Tattenbach schon am zweiten Tage nach der Ankunft in Fes, also auffallend schnell, vom Sultan empfangen wurde. Der Sultan wies in seiner Antwort auf die An sprache Tattenbachs noch ausdrücklich auf die überlieferte Freundschaft zwischen den beiden Ländern hin, die schon von seinen Vor fahren gepflegt worden sei und drückte die Hoffnung aus, diese Freundschaft werde unter seiner Regierung weiter blühen. * Die Handelsvertragsverhand lungen mit Bulgarien dauern fort. Möglicherweise kann sich der Reichstag bald nach seinem Mederzusammentritt im Herbst mit dem neuen Handelsvertrag befassen. * Die in letzter Zeit vielfach erörterte Ange legenheit der Bestechung von Ange stellten durch Lieferanten ist auch bei der diesjährigen Etatsberatung im Reichs tage zur Sprache gekommen. Angesichts der Verschiedenheit der hervorgetretenen Auffassungen wird der weiteren Entschließung zunächst eine eingehende Untersuchung über den Umfang der Mißstände und über die Notwendigkeit gesetz geberischer Maßnahmen vorangehen müssen. Vom Staatssekretär des Innern find deshalb die Bundes-Regierungen ersucht worden, in dieser Richtung Ermittelungen anzu stellen. In erster Linie wird die Anhömng der Handelskammern in Betracht kommen; in Orten, wo geeignete Vertretungen von Ange stellten bestehen, soll auch diesen Gelegenheit gegeben werden, über die betreffenden Fragen sich zu äußern. *Jm preuß. Abgeordnetenhause begann am Donnerstag die zweite Beratung der Berg gesetznovellen. Die Sozialdemokraten haben die angekündigten Anträge im Reichstage eingebracht. *Die Hansestädte revidieren ihr einzel- staatliches Wahlrecht jetzt in einer dem be stehenden Neichstagswahlrecht entgegengesetzten Richtung. Hamburg ging voran. Lübeck folgt. Der dortige Bürgerausschuß stimmte der gegen die Sozialdemokratie gerichteten Wahl- rechtsänderung zu, lehnte indessen den Kom missionsantrag ab, alle seit drei Jahren mindestens 2000 Mk. Jahreseinkommen versteuernden Nicht bürger mit 50 Prozent Einkommensteuerzuschlag zu belegen. * General Trotha hat in einer Prokla mation in Damamland die Rebellen zur friedlichen Unterwerfung aufge fordert und ihnen für diesen Fall Verzeihung zugefichert. Außerdem hat er auf die Köpfe von Hendrik Witboi 5000 Mk., von dem falschen Propheten Stuurman Scheppert 3000, von Komelius Frederik 2000 und auf die aller andern schuldigen Führer je 1000 Mk. aus gesetzt. Frankreich. *über den wahrscheinlichen Rücktrit DeIcassös, der von allen Seiten gemeldet wird, wird noch mitgeteilt, daß der Minister präsident Rouvier entgegen den Wünschen Loubets die Ersetzung Delcasfös fordere. Die größten Aussichten für den Posten hat noch immer der Konstantinopeler Botschafter Constans. Der frühere Kriegsminister Freycinet soll das an ihn gerichtete Ansuchen, den Posten zu über nehmen, abgelehnt haben. * Der konservative Deputierte Denys Cochin, der eben aus Rom zurückkehrte, erklärte, die französische Regierung müsse, unabhängig von der inneren Politik, es durchzusetzen wissen, daß der neu zu ernennende Patriarch von Jerusalem ein Franzosenfreund sei, im Gegensätze zum verstorbenen Piavi, der dem Kaiser Wilhelm den Heiliggraborden zusandte. England. * König Eduard ist zum Ehren- Admiral der spanischen Flotte ernannt worden. Schweden-Norwege«. *Jn Christiania hielt am Mittwoch der Staatsminister Michelsen bei einer Festlichkeit, die er aus Anlaß des Verfaffungstages den Mitgliedern des Storthings und der Regierung gab, eine Rede, in der er sagte, noch sei das Wort der Verfassung, das von Norwegen als einem freien und selbständigen Reiche spreche, nicht durchgeführt. Spanien. *Jn einer Ansprache aus Anlaß seines 19. Geburtstages kündigte König Alfons seine bevorstehende Verlobung an. Mit wem — das verschwieg er noch, man meint aber, es werde eine englische Prinzessin sein. Rußland. * Kolajew, der Mörder des Großfürsten Sergius, ist am Donnerstag in Moskau gehängt worden. Amerika. *Der Kriegsminister der Ver. Staaten, Taft, der in Abwesenheit des Staatssekretärs Hay die auswärtigen Angelegenheiten leitet, hat die gegen den jetzigen Unterstaatssekretär Loomis erhobenen Anschuldigungen seines Nachfolgers auf dem Gesandtenposten in Venezuela, Bowen, für grundlos er kannt. Wenigstens gilt dies von dem Kern punkt der Anschuldigungen, Loomis habe einen Scheck von 40 000 Mk. von der Asphaltgesell- schait erhalten. * Mt dem Bau des Panamakanals geht es rüstig vorwärts. Der vollziehende Ausschuß der Jsthmuskanal-Kommisfion hat neuerdings beschlossen, die für den Bau des Panamakanals erforderlichen Materialien und Schiffe auf den Weltmärkten zu kaufen. (Man sucht also den Schein zu vermeiden, als handle es sich um ein rein nordamerikanisches Unternehmen. Tatsächlich ist dem aber doch so.) Aston. *Jn Indochina haben es die Franzosen plötzlich mit Eingeborenenunruhen zu Finanzwesens werde dadurch nicht geschädigt. Vor 30 Jabren mochte ein Widerspruch angebracht 'ein, weil damals die finanziellen Folgen der Kleinstaaterei beseitigt werden mußten, heute aber sei cs Zeit, einen Fortschritt zu machen. Abg. Paasche (nat.-lib.) kann seinem Freunde Büsing nicht beipflichten, da gar kein Grund vor- liege, die Ausgabe kleiner Banknoten zu verhindern. In Frankreich laufe eine weit größere Summe in Banknoten um. Er sei bereit, auch ohne Kom- missionsberatung der Vorlage zuzustimmen. Reichsbankpräsident Dr. Koch weist ebenfalls auf den Unterschied von heute und der Zeit vor 32 Jahren hin. Damals galt eS, nach und nach 140 verschiedene Banknotenarten zu beseitigen. Jetzt sollen nur kleine Banknoten zur Erleichterung deS Verkehrs ausgegeben werden, für die in der RcickS- bank stets volle Golddeckung vorhanden sein müsse. Wenn dadurch der Goldvorrat der Bank steige, sehe er darin eine angenehme Folge. Uber das Gut achten der Ältesten der Kaufmannschaft solle man nicht so leicht hinweggehen, auch bedeutende Bank fachleute hätten sich' im Sinne der Vorlage aus gesprochen. Abg. Raab (Antis.) findet die Eile befremdend, mit der hier vorgegangen werden solle. ES handle sich schließlich doch nur um eine Vermehrung des Papiergeldes, man wolle für die kleinen Banknoten nur ein andres Publikum gewinnen. Abg. Arendt (freik.) zieht seinen Antrag, die Vorlage an die Budgeikommission zu verweisen, zu gunsten eines AnirageS Paasche auf Festsetzung einer besonderen Kommission zurück. Dieser Antraa wird jedoch mit knapper Mehr heit abgelehnt. Die zweite Lesung wird abgesetzt. Es folgt die Fortsetzung der zweiten Beratung der Novelle zur Zivilprozeß-Ordnung. In Artikel 1 soll die RevistonSsumme von 1500 Mk. auf 2500 Mk. erhöht werden. Abg. Pohl (freis. Vp.) beantragt die bisherige Summe sestzuhalten. Aba- Rintelen (Zentr.) wendet sich gegen die Heraufsetzung der RevistonSsumme, blieb aber im einzelnen unverständlich. Slbg. Stadthagen lsoz.) bleibt dabei, daß diese Vorlage dem Mittelstände großen Schaden bringen, während er zu den Kosten des Reichs gerichts indirekt beitragen müsse. Das Reichsgericht könnte sich auf einen höheren Standpunkt stellen, wenn es in Strafprozessen den Staatsanwälten nicht so weiten Spielraum ließe. Abg. Trimborn (Zentr.) nimmt als Bericht erstatter die Kommission, die sehr gewissenhaft ge arbeitet habe, gegen verschiedene Bemerkungen deS Abg. Stadthagen in Schutz. Abg. Schmidt-Warburg (Zentr.) hält im Gegensatz zu der Mehrheit seiner Partei an seiner ablehnenden Haltung fest. Abg. Spahn (Zentr.) weist im einzelnen die Belastung der verschiedenen Senate deS Reichsgerichts nach. Sodann wird nach einigen persönlichen Bemer kungen die weitere Beratung vertagt. tun bekommen. Ein Agitator, der sich als Ast gesandten Buddhas bezeichnet, griff mit etwc 40 bewaffneten Eingeborenen ein Dorf mitter im Walde Lei Bienhoa an. Es entspann sich ein kurzer Kampf mit französischen Schützen Ein französischer Hauptmann wurde verwundet ein Schütze wurde getötet, zwei andre wurdet verwundet. Sechzehn der Angreifer wurdet getötet und zehn verwundet, der Rest wurdi gefangen genommen. Milizsoldaten verhafteter abends auch den Agitator, von dem man erst glaubte, daß er gefallen sei. Der Aufrührer der nur verwundet ist, ist ein Schwärmer und behauptete, die Gottheit Buddhas habe ihm der Auftrag gegeben, die Kranken zu heilen und du Völker zu befreien. Klus clem keickstage. Der Reichstag erledigte am Donnersiag in zwe Lesungen das deutsch-luxemburgische Abkommen übe> die gegenseitige Zulassung des zu menschlichen Genuß bestimmten Fleisches zu freiem Verkehr uni beschäftigte sich sodann mit der zweiten Lesung der Totalisatorgesetzes. Die Vorlage, die durch Teilum der Stempelabgabe von den Totalisatoreinsätzer zwischen dem Reich und den Renn-Vereinen di« Landespserdezucht fördern und daneben die Wett bureauS beseitigen will, wurde in zweiter Lesung nach den Kommissionsbeschlüssen erledigt. Dev nächsten Gegenstand der Tagesordnung bildete die zweite Lesung des Gesetzentwurfs, der dazu bestimmt ist, das Reichsgericht in Zivilsachen zu entlasten, namentlich durch eine Erhöhung der Revisions summe. Während nach der Regierungsvorlage die Erhöhung der jetzt 1500 Mk. betragenden ReviflonS- summe sich auf 3000 Mk. belaufen soll, ist der Kommissionsbeschluß nur zu einer Erhöhung aus 2500 Mk. gekommen. In der Verhandlung wurde die starke Überlastung des Reichsgerichts allseitig anerkannt. Am 19. d. Seht auf der Tagesordnung der Gesetzentwurf über die Ausgabe kleiner Reichsbanknoten von 50 Mk. und 20 Mk. Abg. Büsing nat.-lib.): Alle die, die sich für Währungsfragen interessierten, waren von dem Entwurf sehr überrascht, denn man war sich einig, daß Banknoten unter 100 Mk. vom Übel seien. Ferner will der Entwurf keine Schranke für die Banknotenausgaben setzen, sodaß die Reichsbank, theoretisch gesprochen, alles Gold einsperren und Noten dafür ausgeben könnte. Die kleine Note hat im Verkehr den Charater des reinen Papiergeldes. Ist sie einmal draußen, so geht sie von Hand zu Hand und kommt nicht so leicht wieder zur Bank zurück. Damit kommen wir praktisch zur Zettelwäh- rung. Bei großen Banknoten ist das anders. Abg. Bachem (Ztr.): Wir haben gegen die Vorlage nichts einzuwenden, bedauern aber, daß sie uns so spät zugegangen ist. Abg. Eickhoff (fr. Vp.): Wir erkennen das Bedürfnis nach kleinem Papiergeld an und sind mit dem Wege der Notenausgabe einverstanden, weil dadurch der Retallische Charakter unsrer Währung nicht berührt wird. Abg. Frh. v. Richthosen (kons.): Wir stehen der Sache wohlwollend gegenüber, denn finanz politisch ist sie ohne Belang. Abg. Bernstein (soz.): Ich meine, der Ent wurf ist dazu angetan, unsre Währung zu ver- chlechtsrn, denn er bedeutet eine Erziehung unsres Volkes zum Gebrauch des Papiergeldes. Abg. Arendt (freikons.) ist selbst überrascht, daß er in dieser so plötzlich aufgetauchten wichtigen Finanzfrage mit den Herren Büsing und Bernstein zusammengehen müsse. Es sei doch sehr bedenklich, eventuell mehrere hundert Millionen in kleinem Papiergeld auszugeben, und dieses Recht könnte in päterer Zeit leicht mißbraucht werden. Wenn die Tragweite dieses Gesetzes erst im Volk bekannt würde, würde ein Sturm der Entrüstung durch das Land gehen. Er beantrage zunächst Verweisung an die Budgctkommission. Staatssekretär Graf Posadowsky glaubt, raß die Herren Büsing und Arendt die Vorlage mit einem Vorurteile vom theoretischen Standpunkt aus betrachten. Lediglich das praktische Bedürfnis des Ver kehrs veranlasse die Regierung, dem Hause die Aus gabe kleiner Banknoten vorzuschlagen. Von Zettel- Wirtschaft könne man wohl nicht sprechen, denn darunter verstehe man doch die Ausgabe von un gedecktem Papiergeld, während in der Reichsbank genau so viel Gold zur Deckung der vermehrten Banknoten vorhanden sein solle wie gegenwärtig. Die Ältesten der Berliner Kaufmannschaft hätten auch die Notwendigkeit der Vermehrung der kleinen Banknoten anerkannt. Abg. Mommsen (frs. Vgg.) spricht sich zu gunsten des Gesetzes aus, da kleine Banknoten tat sächlich dem Verkehr fehlten. Die Grundlage unseres Von unä fern. Kabine« kein Geschenk. Bei dem kürzlich erfolgten Tode des Landrats a. D. Birkner- Kadinen wurde vielfach die Nachricht verbreitet, daß der Verstorbene fein Gut Cadinen dem Kaiser geschenkweise übereignet und vorher wiederholt die Ehre gehabt habe, den Kaiser und Mitglieder der kaiserlichen Familie als Gäste bei sich in Kabinen zu sehen. Diese Mitteilungen entsprechen, wie jetzt amtlich fest- gestellt wird, nicht den Tatsachen. Weder der Kaiser noch seine Familie haben Birkner vor 1898 kennen gelernt oder besucht. In diesem Jahre nämlich ist das Gut Kabinen in das Eigentum das Kaisers auf Grund eines Ver trages übergegangen, inhalts dessen als Gegen leistung die Übernahme der mehr als eine halbe Million betragenden Hypotheken und sonstigen Lasten, die Zahlung einer jährlichen Leibrente und endlich die Entrichtung eines dem Werte des lebenden und toten Inventars entsprechenden Kapitals vertragsmäßig festgesetzt wurden. Hiernach handelte eS sich nicht um eine Schenkung, sondern um einen zweiseitigen Ver trag, in dem Leistung und Gegenleistung genau angegeben waren. Das Hochzeitsgeschenk des Kaisers von Österreich für den deutschen Kronprinzen besteht in einem im Viktoriastil gebauten Leibwagen und zwei Vollblut-Lippizaner Schimmeln mit prächtigem Silbergeschirr. Der erste Stallmeister des Kaisers Franz Joseph, Graf Ferdinand Kinsky, wird das Geschenk nach Berlin überbringen. K frauen. 121 Roman von E. Borchart. (Fortsetzung.) Elisabeth war so herbe verschlossen gewesen, einer Mimose gleich, die sich bei der geringsten Be- rührung scheu in sich zusammenzieht. Ihres Gatten Nachsicht und Liebe ließ sie bald Ver trauen zu ihm fassen und das Schöne, das sich ihr bot, voll gemeßen. Die kurze Zeit ver ging ihr wie ihm Fluge, und als sie im Zuge saßen und weiter südlich nach Landegg zu fuhren, da erst regte sich bei ihr wieder die alte Zaghaftigkeit. Was würde sie dort finden und wie würde sich ihr ferneres Schicksal gestalten? Es war das herrlichste Wetter. Alles prangte in duftigstem Grün, Bäume und Sträucher, Wälder und Auen. Auf den Bergen lag der Glanz der Morgensonne, der blaue Himmel spiegelte sich in dem klaren Wasser der Seen wieder. Elisabeth saß am Coupöfenster und weidete fich an dem farbenprächtigen Bilde, das wie ein Panorama an ihren Augen vorüberrollte. Allmählich hob fich ein grauer Schatten am Horizont ab, der wuchs und wuchs, bis er, gewaltigen Riefe» gleich, anfstieg. Nun erkannte das Auge die schneebedeckten Firnen der Alpen, die fich bald in ihrer ganzen gewaltige» Aus- dchuukg zeigten. Drei Stunde» hatte die Fahrt von München gedauert, jetzt war die Laudegg zunächst ge legene «Station erreicht; der Zug hielt und ein Diener in reicher Livree, dessen Augen längst seinen Herrn entdeckt hatten, sprang diensteifrig herzu, die Coupötür zu öffnen. Der Graf gönnte ihm ein leutseliges Wort und auch Elisabeth nickte ihm freundlich zu. War es doch derselbe, den ihr Gatte schon in Berlin gehabt, dem fie so oft eine Bestellung abge nommen hatte. Wie ein Gruß aus der Heimat kam ihr dieses bekannte Gesicht vor, und wenn es auch nur ein Diener war, der kaum eine Miene zu verziehen noch Freude auszudrücken wagte, so war es doch ein Mensch, der ihre Heimat und ihre Lieben kannte. Vor dem Bahnhofsgebäude stand der ele gante, wappengezierte Landauer, in dessen weiche Polster Elisabeth sich bald behaglich zurücklehnte. Und nun ging es fort, durch Wälder und wildromantische Schluchten, an grotesken Felsen vorüber, über Berge und Höhen. Elisabeth mit ihrem sür Naturschönheiten so empfänglichen Gemüt vergaß über dem Schauen und Genießen alle Sorgen, alle Zweifel, und während sich ihre Augen an den wechselnden Bildern der Landschaft ergötzten, atmete fie mit Behagen die reine, herrliche Gebirgsluft ein. Ihre Wangen hatten fich gerötet und ihre Augen leuchteten. Graf Landegg betrachtete sie mit Entzücken. Sie sah so schön und lieb reizend aus in ihrer jugendlichen Wißbegier, ihre Fragen so bezaubernd, daß es ihm schwer wurde, fie nicht in seine Arme zu ziehen und zu küssen. Da schimmerte es plötzlich wie ein Heller, silberner Streifen zwischen dem dunklen Grün, und als man näher kam, hatte er sich zu einem mächtigen Gebirgssee verbreitert. An seinen Ufern ragten die Berge auf und spiegelten fich in den Muten wieder. „Das ist der Landegger See, Elisabeth," sagte Graf Landegg erläuternd, „und waS dort drüben zwischen den Bäumen hervorleuchtet, ist Schloß Boyneburg." „Ist es noch weit bis Landegg?" fragte Elisabeth. „Kaum noch eine halbe Stunde." Der Wagen fuhr eine Weile am See ent lang und bog dann in einen Wald von Edel tannen mit tiefem, kühlen Schatten. Nun ging es eine steile Höhe hinan, so daß Graf Landegg, der Diener und der Kutscher abstiegen, um die Pferde zu entlasten.. Der Graf schritt neben dem Wagen, mit Elisabeth ab und zu ein Wort wechselnd, bis der Weg ebener wurde und er wieder einsteigen konnte. Die Bäume lichteten fich jetzt und ein Schloß wurde sichtbar. „Ist das Landegg?" fragte Elisabeth. Graf Landeggs Antlitz verfinsterte fich Md seine Augenbrauen zogen fich zusammen. „Nein, das ist Steinburg!" entgegnete er. „Steinburg? Du erzähltest mir nie, daß dies Schloß so nahe bei Landegg ist; besteht ein Verkehr zwischen beiden?" fragte Elisa beth. „Nein, Steinburg steht leer. Die dort wohnten, find gestorben, verdorben." Befremdet sah fie zu ihrem Gatten auf, Vas bedeutete sein düsterer Ton? Was hatte es mit diesem Schlosse und seinen Besitzern für eine Bewandtnis? Es blieb ihr nicht lange Zeit zum Grübeln, denn eben fuhren sie um eine Biegung deS Weges, und da wurde ein andrer Schloßball sichtbar, größer und imponierender als Stein burg. Ein starkes Herzklopfen sagte Elisabeth, daß es Landegg sein müsse. Es lag auf einet Anhöhe, stattlich und vornehm. Die dicke« Mauern, die Türme, Erker und Spitzbogen fenster zeigten, daß die Zeit seiner Entstehung um Jahrhunderte zurücklag. Es hatte den feudalen Charakter rein bewahrt, obgleich die jeweiligen Besitzer es nach der Mode der Zeit und nach eigenem Geschmack umgebaut hatten. Auf Elisabeth machte es einen einladenden Eindruck. Dennoch legte sich eine Beklemmung um ihr Herz. Das war der Ort, wo fie sort- an leben, wo ihre zweite Heimat sein sollte. Was wartete ihrer hinter jenen Mauern? Der Wagen hielt mit kurzem Ruck vor dem Portal. Ehe noch der Diener hinzuspringen konnte, hatte Graf Landegg den Schlag ge öffnet und sein junges Weib herausgehoben. „Willkommen aus Landegg, in unsrer Hei mat, mein süßes Weib!" flüsterte er ihr dabei zu, fie unmerklich an fich pressend. Dan« führte er fie die Freitreppe hinauf. Auf der obersten Stufe stand eins hohe, in tiefe Trauer gekleidete Frauengestalt. „Hier, Beate, bringe ich dir meine Elisabeth, sagte der Graf, di« Hand seiner Frau m dt« der Schwester legend, mit einem ««endlich stolzen, fiegesfrohen Blick. Wie gern wäre Elisabeth der neuen Schwä gerin um den Hals gefallen und hätte fie ge beten, ihr eine Freundin zu sein und fie lieb zn
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