Volltext Seite (XML)
genehm, in der Veranda zu sein bei diesem ungualifizierbgren Spektakel!" Dann schritt sie den Weg nach dem Hause zu, nud der Kapitän felgte ihr. Und sie trafen das zweite Paar, das ebenfalls sehr niedergeschlagen, bei Mister Wilberforce in des Wortes eigentlichster Bedeutung, einherging. Missis Oktavia ergriff den Arm des so Plötzlich errungenen Bräutigams und zog ihn mit sich fort. „Wenn Sie noch nicht zu müde sind, können wir das unange- gehme Vorkommnis bei einem Glase Wein in der Veranda ver gessen! — Sie sind doch nicht böse, Frau Kapitän?" wandte sie sich nach den beiden zurück. An Jabines Stelle ergriff S'"m das Wort. „Wie sollte sie?" sagte er lustig, „und wir sind gern von der Partie. Nicht, mein Schatz?" Und dann drückte er ihr fest die Hand Und flüsterte ihr zu: „Jetzt müssen Sie schon für eine halbe Stunde meine Frau spielen, das geht nicht an ders! Bin ich Ihnen denn aar so zuwider?" — Da legte sie ihre Hand in seinen Arm >md sagte müde: „Komm!" llnd sie gingen den beiden nndern nach, hinüber in die Veranda. 15. Tas Gelage im Speise- kaal ivar ihnen zum Vorteil, denn sie brauchten wenig zn sprechen, man verstand sie nicht gut, und es gab einge- kühlten Champagner. Und ohne Champagner hätte es Mister Wilberforce Wil loughby nicht getan. Wenn einem eine gesicherte Zukunft so beinahe ohne sein Zutun in den Schoß fällt, dann kann es auf eine oder ein Paar Flaschen Champagner nicht ankommen. Sie fasten also einander schweigend ge genüber, beide Paare, und beide Paare versunken in ihr „Glück", wie ein unerfahre ner Zuschauer hätte anneh men können. Indes über legte Missis Oktavia eifrig, wie sie diesen Bräutigam wieder los werden könnte. Vorläufig ging sie nach Lon don und würde ihm eine falsche Adresse aufgeben. Und Ivenn er sie suchte, so würde ihm das schwer werden — Fitz Geralds gibts wie Saud am Meere, er sollte sich nnr Mühe geben, bis er sie fand. Lange wollte'sie sich in Lon don nicht anDalteu, nur ver schiedene Angelegenheiten von ihrem verstorbenen Gatten her regeln, dann würde sie nach irgend einem idyllischen Landstädtchen ver ziehen, nach welchem wußte sie vorläufig selbst noch nicht. Es sollte ihm schwer genug iverden, sie heranszufinden. Und während Missis Ok tavia dies überlegte, drückte ihr Mister Wilberforce sauft die Hand, und sie erwiderte diesen Druck. Auch Sima Simic suchte aus der Lage Vorteil zu ziehen. Er hatte mit Plötzlicher Bewegung Jabines Hand ergriffen, aber sie suchte sie ihm zu entziehen. Er hielt sie dennoch fest, und seine Blicke ruhten in ihrem Antlitz, das sich da runter mit Purpur färbte. Sie fühlte, wie er sie zwingen wollte, ihn anzusehen, aber sie konnte den Blick nicht auf ihn richten. Ihr war so entsetzlich zu Mute, sie hätte in Tränen ausbrechen mögen und mußte sich Zwang auferlögen, es nicht zu tun. Diese kräftige Hand, die die ihre hielt, brannte sie wie Feuer. Sie fühlte etwas beinahe wie Haß gegen diesen Mann in sich aufsteigen, und dabei war ihr, als müsse sie den Arm nm seinen Hals legen und ihm ins Ohr flüstern: „Aber es ist ja gar nicht wahr, ich hasse Dich nicht. — ich liebe Dich, ich liebe Dich so innig, wie man nur lieben kann!" Und dann stieß sie den Gedanken wieder von sich — wie konnte sie einen Menschen.lieben, der der Welt vorgelogen hatte, sie sei seine Frau, der sie dadurch in die schrecklichste Verlegenheit gebracht hatte! Plötzlich, als es Simic nicht erwartete, entzog ihm Jabine die Hand, lieber sein Gesicht flog ein Lächeln. Er legte die Hand auf ihre Schulter und fragte mit so sanftem Tone, wie sie ihn noch nie bei ihm gehört hatte: „Aber Kind, was ist Dir? Darf ick denn nicht diese liebe Hand halten?" — Da kamen ihr doch die Tränen. Sie zog das Tuch vor und Preßte es an die Augen. Sie konnte nicht länger an sich halten. Die Engländerin sah sie erstaunt an, dann stieg die Erkennt nis in ihr auf, daß die junge Frau unter' den Mitteilun gen, die sie ihr auf dem Rück weg vom Konzert gemacht hatte, leide, und triumphie rend sah sie in Simics Ant litz. Das war jetzt das Vor spiel, die Hauptszene würde noch kommen, die ihm das Schöntun mit Künstlerinnen verleiden sollte. Schade, daß sie, Missis Oktavia, das nicht mit anhören konnte. In zwischen hatte sich Jabine erhoben. „Ich bin müde und angegriffen," sagte sie. Die Herrschaften werden ver zeihen, wenn ich mich zurück ziehe." Und als der Kapitän ihr folgen wollte, veranlaßte sie ihn, noch zu bleiben. Er möge sich nicht stören lassen, die Nacht sei so schön! — Er sah ihr mit einem langen Blicke nach. Wie sie so da hinschritt — was war das doch für eine herrliche Frau! Den Kopf hatte sie ein wenig gesenkt, als ob sie ein Leid tragen müsse, das sie nieder drücke. Und es wallte in ihm auf, er hätte ihr nach springen und sie in die Arme schließen mögen. Aber frei lich, das ging nicht an. So blieb er noch eine Zeitlang sitzen und trank den mittel mäßigen Champagner, den Mister Wilberforce auftischte. Im Speisesaal war es immer ungenierter gewor den: die Geigenfee und die Herren jagten einander um den Tisch herum. Einige gute Turner sprangen selbst darüber hinweg lind zerbra chen bei dieser Gelegenheit verschiedene Tischgerätschaf ten. Und als Kapitän Hunt einen Toast auf Mademoi selle ausbrachte und nach dessen mit lautem Geschrei begleiteten Ende sein geleer tes Glas heraus in die Veranda warf, so daß die Splitter nur so herumflogen, da wurde es doch dem neu verlobten Paare und Sima Simic zu bunt, und auch sie suchten ihre Zimmer auf. Der Telegraphist blieb, nachdem er sich von Missis Oktavia verabschiedet hatte, noch eine Weile stehen. Aber es war nicht die schwärmerische Liebe, die ihn vor dem Hause der Angebeteten ver weilen ließ, sondern mehr ein Bedauern, daß er nicht mit bei der Gesellschaft im Speisefaal sein konnte. Er hatte schon einigemal derartige „Abende" mitgemacht, und man hatte sich sehr gut amü siert und noch monatelang davon erzählen können. Das ivar nun vorbei — aber versorgt war er wenigstens und brauchte nicht mehr zu arbeiten. Tann schickte er sich an, durch die nun völlig stillen , Straßen nach Hause zu gehen. (Fortsetzung folgt.) Siftli-rnUcke Drückte. Nach dem schönen Sizilien, in die uralte Stadt Taormina reiste Ende März die deutsche Kaiserin, um in dieseni wunder schön gelegenen Orte besonders für den Prinzen Eitel Friedrich volle Genesung und Erholung zu suchen. Unzählige Fremden scharen bevölkern die Insel. Die großartige, vulkanische Natur des Mittelmeereilandes, das herrliche Klima, das im Lenz den Sommer vortäuscht — am Fuß des oft noch schneebedeckten Aetna — die Fruchtbarkeit des Bodens, die Buntheit der Farben, all das läßt in dem fröhlichen Touristen leicht die Meinung aufkommen, er befinde sich in einem Paradiese. Der Orangenregen, der sich von Messina aus über ganz Europa ergießt, ist so reich, daß tausend und abertausend Hände kaum zu genügen scheinen, um ihn zu fassen, zu verpacken, zu versenden. 22*