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Allgemeiner Anzeiger : 10.06.1916
- Erscheinungsdatum
- 1916-06-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191606102
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- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
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- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1916
-
Monat
1916-06
- Tag 1916-06-10
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Monat
1916-06
-
Jahr
1916
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 10.06.1916
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Die Vereinfachung äer Rost. Die Verordnung über die Vereinfachung der Beköstigung, so schreibt die ,Nordd. Allgem. Ztg.fi wird auf das äußere Verkehrsleben, auf jenen Teil des Verkehrslebens namentlich, den der fremde Besucher deutscher Städte mehr als der Einheimische täglich vor Augen hat, stark und sichtbar einwirken — stärker und sichtbarer, als es der tatsächlichen Bedeutung der Maßregel entspricht. Und sicherlich wird man alsbald in der feindlichen Presse Berichte sogenannter „Neu traler" lesen, die verkünden, daß es nun mehr endgültig unmöglich geworden sei, in deutschen Gasthöfen und Gastwirtschaften menschenwürdig zu essen und einigermaßen satt zu werden. Wir haben für solche Ent stellungen nur ein Achselzucken. Nach wie vor wird der Fremde, der nach Deutschland kommt, Weder zu hungern, noch auf die Befriedigung verfeinerter kulinarischer Ansprüche zu verzichten brauchen. Was durch die Speisekartenverordnung erreicht werden soll, ist lediglich eine Ver ringerung des Abstands, der in der Menge und Reichhaltigkeit der Beköstigung nachgerade zwischen dem Tische des privaten Haushalts und dem mancher Gastwirtschaften eingetreten war, und di» Beseitigung des unerfreulichen Eindrucks, den in unserer Zeit jede Schlemmerei in den Gastwirtschaften auf den mit Glücksgütern nicht gesegneten Teil der Bevölkerung ausüben muß. In der Speisekartenverordnung zeigt sich — genau wie von einer ganz anderen Seite her in der Errichtung von Speisegemeinschaften — ein Zug zur Uniformierung der Ernährung. Sie ist durch die besonderen Verhältnisse der Kriegs zeit geboten. Doch liegt keine Notwendigkeit und auch keine Absicht vor, sie ans die Spitze zu treiben. Wie die Mahlzeiten aus den Speisegemeinschaften zwar jedermann zur Ver fügung gestellt, aber niemand aufgezwungen werden sollen, so läßt auch die Speisekartenverordnung weitgehende Freiheit in der Gestaltung der Küche des einzelnen. Dadurch wird nicht nur be stehenden Gewohnheiten und den Bedürfnissen des Fremdenverkehrs Rechnung getragen, son dern auch die zweckmäßige Verwertung gewisser in beschränkten Mengen verfügbarer, teurer Luxusnährmittel ermöglicht. Würde unsere Lags die völlige Uniformierung, die allgemeine Ver pflegung nach militärischem Vorbilde fordern, so würden wir vor ihr selbstverständlich nicht zurückscheuen. Allein es ist nicht nötig, so weit zu gehen. Die Wirkung der Speisekartenverordnung wird dadurch gefestigt und unterstrichen, das; die bisher nur in einzelnen Reichsteilen, vor allem in Süddeutschland, durchgeführle Rationierung des Fleischverbrauchs sind rasch verallgemeinert. Die Gemeinden Groß-Berlins sind in diesen Tagen im Begriff, den Bezug und Verbrauch von Fleisch im Haushalt und in den Gastwirt schaften mit Hilfe von Fleischkarten zu regeln. Für den Verbrauch in den Gast wirtschaften wird dabei entsprechend der ver kehrsmäßigen Einheit und Zusammengehörig keit des Groß-Berliner Gebiets allgemeine Frei zügigkeit der Karten erforderlich sein. Bei der Regelung des Einzelbezuges wird jetzt ziemlich allgemein das System der „festen Kundschaft" angewandt, durch das — bei zweckmäßiger Aus gestaltung — die Ansammlungen vor den Ver kaufsstellen mit ihrer Vergeudung von Zeit und Kraft verhütet werden können. Man darf hoffen, daß es an der disziplinierten Mitarbeit des Publikums, die das System verlangt, nicht fehlen wird. Auf größere Fleischrationen wird allerdings — das muß immer wieder mit dem größten Nachdrucke wiederholt werden —in den nächsten Wochen nicht zu rechnen sein. Unsere Bestände an Vieh im ganzen sind zwar durchaus zu- friedenstellend, die an schlachtreifem Vieh aber im Augenblicke außerordentlich gering. Hier ausklärend zu wirken und die mit den Verhält nissen nicht Vertrauten von der Notwendigkeit weitgehenden Fleischverzichts in der nächsten Zeit zu überzeugen, ist vaterländische Pflicht. Jeder Versuch, jetzt vom reinen Verbrauchs standpunkte aus auf eine Vermehrung der Schlachtungen hinzuwirken, muß mit größter Entschiedenheit abgelehnt werden. Wir dürfen nicht auf unser Mehkapitak, auf die Milchkühe, das Zucht-, das Arbeitsvieh und das jetzt noch magere, im Herbst und Winter aber vollwertig werdende Jungvieh zurückgreifen. Was wir jetzt zuviel schlachten, fehlt uns im Herbste, fehlt uns später. Und nicht nur unsere künftige Versorgung init tierischen Nahrungsmitteln, auch die künftigen Erträge unseres Bodens würden durch weitere Opferung von Teilen unseres Viehkapitals geschädigt. Wir müssen uns für einige Zeit auf eine Ernährung einrichten, in der das Fleisch nur eine ganz untergeordnete Rolle spielt. Das ist ohne weiteres möglich, ist, bei Lichte besehen, nicht einmal ein so außerordentlich großes Opfer. Der Sommer bringt uns ein reicheres Angebot anderer Nahrungsmittel; die organisatorischen Vorbereitungen für ihre Erfassung und gleich mäßige Verteilung sind teils schon getroffen, teils in vollem Gange. Deutscher Keickstag. (Orig.-Bericht.) Berlin, 6. Juni. Der Reichstag befaßte sich am Montag, der unerwarteterweise eine Kanzlerrede brachte, zu nächst mit der 3. Lesung des Kriegskonttoll- gesetzes, das aber nicht erledigt, sondern an den Rechnungsausschuß verwiesen wurde. Eine längere Aussprache gab es bei der 2. Lesung der Änderung des Reichsvereinsgesetzes. Staatssekretär Dr. Helfferich erinnerte an die Regierungserklärung im Ausschuß, daß in der gegenwärtigen Zeit nicht über den Rahmen der Vorlage hinausgegangen werden könne. Alle Arbeitsanspannung gehöre zunächst den; Kriege, der Erkämpsung des Sieges, der Sicherstellung des Fliedens, der uns gestatte, unbehelligt von außen das Haus neuzubestellen. In dieser großen Zeit sei das Bewußtsein der Staatsbürgerpflicht gereift. Dem neuen Inhalte werden selbstver ständlich neue Formen entsprechen müssen, aber neue Früchte könne man nicht pflücken, ehe sie reif seien. Daß sie ausreifen, liege auch in der Hand der Abgeordneten, die Vorarbeiten können, den Geist der gegenseitigen Achtung und des Vertrauens im Volke bis über den Krieg hinaus wachzuhalten. Dr. Helfferich schloß, daß er zu dem Volke das Vertrauen habe, daß jeder vom Bewußtsein der Wahrheit durchdrungen sei, daß Rechte nur auf dem sittlichen Boden der Pflichten gedeihen können. Abg. Kertschen st einer (Fortschr. Vp.) begründete noch seine Ansicht, daß die Zulassung der Jugend ein schwerer FehlerFei; die Jugend müsse zur Achtung vor dem Gegner erzogen werden. Nach mehr als vierstündiger Beratung wurde die Vorlage mit den Entschließungen des Aus schusses angenommen, gegen die Stimmen der Konservativen und der Sozialdemokratischen Ar beitsgemeinschaft. Die Kriegssteuervorlagen wurden im ganzen zur Abstimmung gestellt und angenommen. Abg. Scheidemann (Soz.) stimmte der Kriegsgewinnsteuer zu, lehnte aber alle übrigen Steuern ab. Abg. Haase (Soz. Arbg.) lehnte alle Steuern ab. Die namentliche Abstimmung über die Kriegs steuervorlage ergab deren Annahme mit 312 gegen 24 Stimmen. Nunmehr wurde der Initiativantrag auf Aufhebung des Sprachenparagraphen zur Ab stimmung gestellt. Sie war ebenfalls nament lich und ergab die Annahme des Antrages mit 266 gegen 75 Stimmen bei einer Ent haltung; auch die 3. Lesung wurde erledigt. Inzwischen hatte der Reichskanzler den Saal betreten. Das Haus schritt zur 3. Lesung des Etats, und das Wort erhielt Reichskanzler v. Bethmann Hollweg. Er dankte namens der verbündeten Regie rungen sür die Bewilligung der Steuern, durch die den Feinden gezeigt wurde, daß wir bereit seien auszuhalten. Unter stürmischem Beifall besprach der Kanzler die Veränderungen der Kriegslage, die die Kriegskarte zu Deutschlands Gunsten erfahren hat. Wenn die Feinds auch weiter davor die Augen verschlössen, so müssen, so werde das deutsche Volk weiterkämpfen bis zum endgültigen Siege; es habe alles getan, um den Frieden anzubahnen und nur Spott und Hohn dafür geerntet. Jedes Friedens gespräch sei jetzt nichtig und irreführend. Dann ging der Kanzler auf die Zensurfrage ein, er kannte an, daß die Presse ihre schwere Aufgabe mit Pflichtgefühl erfüllt habe und versprach, sich dafür einsetzen zu wollen, daß sie so wenig Fesseln empfinden solle wie irgend möglich. Der Kanzler erwähnte dann die anonymen Druck schriften, die in zahllosen Exemplaren verbreitet würden und von denen besonders eine die heftigsten Schmähungen gegen ihn enthielt. Der Kanzler nannte alle diese in solchen Schriften gemachten Behauptungen als erstunken und erlogen, als Verleumdungen. Mit erhobener Summe rief er Wort für Wort in den Saal, lautlos lauschte das Haus und begleitete die Widerlegung aller dieser Vorwürfe mit stürmischem ! Beifall und öfterem Händeklatschen. Der Kanzler erklärte, den Kampf gegen alle Verleumdungen auf nehmen zu wollen, gelte es doch die Sache des Vater landes. Die schönste Frucht des Krieges werde sein, wenn nach dem Kriegr die alten Gegen sätze im Innern zum alten Eisen gelegt würden. Die Zeit werde kommen, wo auch im Innern harte Kämpfe geführt werden müssen. Aber auch in diesen Kämpfen werde das deutsche Volk siegen wie bisher. Gewiß müssen jetzt Entbehrungen getragen werden, aber die Ver hältnisse würden nicht schlechter, sondern besser im Bevorstehen einer gesegneten Ernte. Eng land sei noch nicht besiegt, aber der Sieg am Skagerrak sei ein Vorzeichen für die Zukunft. Das Haus brach in stürmischen Beifall aus, der minutenlang anhielt und in den die Tri bünen einstimmten. Der Kanzler verbeugte sich mehrmals bei immer wiederholtem Hände klatschen. Die Abgeordneten standen auch nach dem nun erfolgenden Schluß der Sitzung in Gruppen zusammen und besprachen lebhaft die Rede. Kleine Anfragen standen am Beginn der Sitzung vom Dienstag. Die Anfrage des Abg. Bassermann (natl.) über die Deutschen in Por tugal beantwortete Ministerialdirektor Kriege, daß die Internierung aller Deutschen zwischen 16 und 45 Jahren und Ausweisung aller übrigen von der portugiesischen Regierung an geordnet sei. Auch in den portugiesischen Kolonien sei Internierung ungeordnet. Ferner habe die portugiesische Regierung jeden Handelsverkehr mit Deutschen untersagt. Von deutscher Seite seien Vergeltungsmaßregeln angeordnet. Der Antrag, das Haus bis zum 26. Sep - tember zu vertagen, sand Zustimmung. Nunmehr trat das Haus in die 3. Lesung des Haushaltsetats ein. Abg. Dr. Spahn (Zentr.) besprach die Ausführungen des Reichskanzlers vom Montag und betonte besonders, daß alles Friedensgerede zurzeit nutzlos sei. In vertraulichen Erörterungen habe der Kanzler dem Hause Mitteilungen über manche Frage gemacht. Ihn — den Redner — haben die Ausführungen des Kanzlers über die V-Boott'rage beruhigt; deswegen dürsten die Beziehungen zu Amerika nicht abgebrochen werden. Die anonyme Literatur sei eines recht lich denkenden Mannes unwürdig. Die Kämpfer im Schützengraben müssen alle solche Unvorsichtig keiten mit ihrem Leben büßen. Redner schloß mit dem Ausdruck der Hoffnung auf einen neuen Aufschwung nach dem Kriege. Abg. Dr. Gradnauer (Soz.) ckannte die Kanzlerrede eine Flucht in die Öffentlichkeit, die gezeigt habe, daß einflußreiche, mächtige Kreise hinter den Schmähschriften stehen, Kreise, die aus der am Kriege interessierten Schwerindustrie und den alldeutschen Welteroberern bestehen. Redner erklärte schließlich, daß seine Partei auch den neuen Kriegskrediten zustimmen werde mit Rücksicht auf die wirklichen Interessen des deutschen Volkes. Abg. Bassermann (natl.) blickte auf die letzten Erfolge der deutschen Verbündeten zurück und gedachte der beiden Männer, denen Deutsch land so viel verdanke: Zeppelin und Tirpitz. Der Redner erinnerte noch daran, daß dieser Krieg eine Gelegenheit biete, germanische Volks' teste wieder anzugliedern, eine Gelegenheit, die in Ewigkeit nie wieder kommen dürste. Abg. v. Payer (fortschr. Vp.) hielt es fm notwendig, daß der polnischen Brunnenvergis' tung durch anonyme Schmähschriften entgegen' getreten würde. Dem Kanzler gehöre das Ver trauen der ganzen Bevölkerung, die ihm dankbar sei sür eine Vermeidung emes Krieges mit Amerika. Abg. Graf v.W estarp (kons.) beschäftigte M eingehend mit der Kanzlerrede und bezeichnete sie als ungewöhnlich. Gegenüber der Sozial' demokratie betonte der Redner, daß auch seine Partei glühende Bewunderung durchdringe für die Pflichttreue, mit der auch jene, die sich zur Sozialdemokratie zählten, im Schützengraben ihre Pflicht erfüllen. Die Abstimmung vom 4. August 1914 sei eine liebe und teure Ec- innerung. Aber alles dies dürfe nicht abhalten daran zu erinnern, daß vor ganz kurzer Zen der Abg. Scheidemann erklärte, daß seine Partei am alten Programm festhalte. Die Ver ständigungspolitik des Kanzlers gegenüber Eng' land sei ja anzuerkennen, aber jetzt sei dafür kein Naum mehr. England ist der Feind, von dessen gutem Willen gar nichts zu erwarten sei. Es gelte Englands Kraft zu schwächen und es zu zwingen, unser Recht auf Dasein, auf den Zutritt zum Weltmeer anzuerkennen. Der Redner erklärte im Namen seiner Fraktion, daf sie über die Wilsonsche Antwortnote größte Ent' rüstung empfunden habe. Der Gedanke einer Vermittelung durch Wilson sei unerträglich- Nunmehr nahm der Reichskanzler v. Beth- mann Hollweg das Wort, um ganz kur; auf die Rede des Grafen Westarp einzugehen- Gegen die Vorwürfe in anonymen Druck' schriften mußte er auftreten, da diese bis in die Schützengräben gelangen und auch dort die Stimmung vergiften. Von einer Friedensver- mittlung Wilsons sei ihm nichts bekannt. De Stellung der Sozialdemokratie nach dem Kriege betrachtete der Kanzler mit starker Zuversicht- Er sehe eine Zeit kommen, in der der Gegen satz zwischen national und antinational ver schwunden sein werde. Allerdings müsse die Sozialdemokratie Worte vermeiden, wie sie heutcder Abg. Gradnauer gegen die Industrie richtete, ohne die der Krieg längst verloren wäre. Der Kanzler schloß, daß nicht neue Streitfragen au,- geworfen werden dürfen, sondern daß betom werden müsse, was alle Deutschen einige, und das fei der Wille, das Vaterland groß ynd siegreich aus dem Kriege hervorgehen zu laßeu- Nun kamen noch Abg. Frhr. v. Gamv (Deutsche Fr.) und Ledebour (Soz. Arbg > zum Worte, worauf die allgemeine Aussprache geschlossen wurde. In der Einzelberatung empfahl Abg. Zimmermann (natl.) eine Entschließung Unterstützung der Anslanddeutschcm die in Not geraten seien. Staatssekretär ve« Iagow sagte wohlwollende Prüfung zu. Beim Militäretat brachte Abg. Stückle» (Soz.) eine Reihe von Beschwerden über unzu reichende Ernährung und geringe Urlaubsbewiüi' gung vor. Major Langermann sprach über M Militärseelsorge; die Geistlichen, die sich st^' willig zur Verfügung stellten, haben eine segens reiche Tätigkeit entfaltet. . . Abg. Eohn (Soz. Arbg.) brachte ebenfalls zahlreiche Beschwerden vor und meinte, Schmu am Kriege sei die militärische Kaste in anc» Ländern. Generalmajor v. Wandel wies die An griffe der sozialdemokratischen Redner auf ein zelne Kommandostellen zurück und wiederlegte auch einzelne angeführte Fälle. Die Frage dec Urlaubserteilung sei eine brennende; wo er möglich sei, werde Urlaub erteilt, aber es st' eben nicht überall möglich. Bezüglich der Än derung des Militärstrafgesetzes sagte der Redner, daß von einer solchen während des Krieges keine Rede sein könne. . Ein Antrag auf Schluß der Debatte wur^ angenommen und der Militäretat genehmig Das Haus vertagte sich darauf. f)exengolä. Roman von H. CourthS-Mahler. kFortsetzllng.I Jutta sah freundlich in das gute runde Gesicht und dann hinaus in die Frühsommer- procht. ,Wie schön ist es hier!" „Ja, dies ist auch eins der schönsten Plätzchen in Ravenau. Graf Hans-Georg, gnädiger Kom tesse hochseliger Vater, hat am liebsten hier ge sessen, als er nicht mehr so frisch und froh um herstreifen konnte wie früher." „Mein Vater war schwer leidend in seinen letzten Lebensjahren, nicht wahr?" fragte Jutta. „ES war ein Jammer ohnegleichen, gnädige Komtesse. Wenn man ihn gesehen, als er noch Msund war, so stark, so lustig, und nachher, nach dem furchtbaren Unglück, so grausam ver ändert !" Jutta stützte das Haupt in die Hände, und ihre Augen hingen bang an der alten Frau. „Wie kam es denn, daß er sich so verändert hatte? Welches Unglück geschah eigentlich? Ich weiß da- alles nicht." Jettchen Wohlgemut sah entschieden verlegen aus. Da.hatte sie sich wohl auf ein verführe risches Gebiet gewagt. Sie wußte zuviel von jenen unheilvollen Tagen, um an die Mär zu glauben, die man unter dem Dienstpersonal verbreitet hatte. Aber davon durste sie ihrer jungen Herrin nicht sprechen. Sie holte tief Atem und sprach: Wir wissen nur, baß Graf Hans-Georg ond'SMn Gwendoline bei einer Wagensahrt i „Nein, gnädige Komtesse." Jutta blickte zum Bild der Gräfin Ulrike Kind braucht Sonnenschein und frohe Um gebung." Eine Weile blieb es still. Frau Wohlgemut wollte sich schon zurückziehen, da sagte Jutta plötzlich: „Gibt es im Schloß nicht Bilder von meinen Eltern?" „Vom Grafen Hans-Georg hängt ein Por trät im Arbeitszimmer des gnädigen Herrn Grafen und dasselbe noch einmal in der Ahnen galerie. Es stellt ihn vor, wie er noch gesund und heiter war. Von der hochseligen Gräfin Gwendoline existiert kein Bild, Sie sollte erst später für die Galerie gemalt werden." „Wollen Sie mir die Ahnengalerie zeigen?" „Komtesse brauchen nur zu befehlen. Soll es gleich geschehen?" „Ich bitte darum." Jutta erhob sich und schritt neben Jettchen Wohlgemut durch die Halle und die Treppe hinauf. Wenige Augenblicke später stand sie vor dem Porträt ihres Vaters. Lange sah Jutta in das strahlende, sonnige Gesicht, und das Herz tat ihr weh. Und doch war ihr dies lachende Gesicht fremd. So hatte der Vater nicht ausgesehen, wenn er sich liebe voll über sie neigte und mit der traurig zärt lichen Stimme sagte: „Meine arme kleine Jutta!" Sie wandte sich ab. „Ein späteres Bild meines Vaters existiert nicht?" verunglückt sind. In aller Gesundheit waren sie abgereist, und wenige Wochen später kam das furchtbare Unglückstelegramm. Ich sah, wie es unser gnädiger Herr Graf öffnete und darauf leichenblaß zurücktaumelte. Damals war er selbst noch ein gar stolzer, kräftiger Herr. Ich sprang hinzu, um ihn zu stützen, weil ich be fürchtete, er werde umsinken. Aber da raffte er sich schon wieder auf und rief mit rauher Stimme nach Seidelmann, damit dieser alles zur Reiss ordnete. Ganz allein reiste er einige Stunden ab. — Es dauerte dann sehr lange, bis wir unsere beiden Herren Grafen wieder sahen — und Graf Hans-Georg — den er kannten wir garnicht wieder." „Und meine Mutter?" fragte Jutta heftig, atemlos. Frau Wohlgemut sah an ihr vorbei, als sie antwortete: „Wir haben Gräfin Gwendoline nicht wieder gesehen — sie ist da unten im Süden gestorben." „Gestorben — so jung — und so schön!" murmelte Jutta traurig. „Ja, schön wie ein Bild war Gräfin Gwen" doline mit ihrem goldenen Haar und der weißen, zarten Haut." „Mein Vater hat sie gewiß schmerzlich be trauert." „Das soll wohl sein. Nie habe ich ihn mehr lachen hören." „Und ich kam gleich nach meines Vaters Tode in die Pension, nicht wahr?" „Nicht lange danach. Es war auch gar zu düster und trauria in Rabenau, und ein > empor und trat überrascht zurück. „Wer ist das?" „Die hochselige Gräfin Ulrike, Komtess' Großmutter." ..., „Ach — mir ist, als sähe ich ihr ähnlich- „Das ist mir auch schon aufgefalle«." . Jutta betrachtete bewegt das gütige, st"" Frauenantlitz. Dann durchwandelte sie langst'» die Ahnengalerie. Hier und da blieb sst »o einem Bilde länger stehen und erbat sich Auskunft darüber. Auch vor dem Portrat "N unseligen Katharina Charlotte machte sie Hw, Fast unwillkürlich streckte Jettchen WoMmw die Hand aus. „Gnädige Komtesse sollten dies Bild »M so lange bettachten. Man sagte, Gräfin OtM lotte habe den Navenaus Unheil gebracht. -- Dienerschaft schwört darauf, daß sie keme N > im Grabe gefunden und manche von den -ein bilden sich gar ein, ihr begegnet zu sein- Jutta lächelte. . . „Ah, wir haben also auch ein SchloMsteM Das müssen sie mir erzählen." Jettchen Wohlgemut erzählte ausfiuMfi Jutta hörte interessiert zu und schaute unv ' wandt in Katharina Charlottes weißes ocp mit den schwarzen Augen. Ein kühler Luftstrom durchzog plötzss"! s Galerie. Jutta fröstelte und kehrte nut E Wohlgemut in ihr Zimmer zurück. Av" wenig gruselig war ihr doch zu Mute, tröst sie sich frei wähnte von Gespcnsterfnrcht Aberglauben. , Am Abend ivar die Tafel ebenso reich und > vornehm geschmückt wie beim Diner. I""
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