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Allgemeiner Anzeiger : 03.06.1916
- Erscheinungsdatum
- 1916-06-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191606037
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19160603
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- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1916
-
Monat
1916-06
- Tag 1916-06-03
-
Monat
1916-06
-
Jahr
1916
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 03.06.1916
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Greys tilgen. Der englische Staatssekretär des Äußeren, Grey, ist jetzt so in die Enge getrieben, daß er notgedrungen eine bereits zehnmal widerlegte Behauptung erneut aufstellt. Mit erstaunlicher Zähigkeit lischt er der Welt immer wieder das Märchen auf, der Krieg hätte vermieden werden können, wenn Deutschland den englischen Konferenzvorschlag angenommen hätte. Der ,Pester Llöyd' widerlegt in einem längeren Artikel entschieden die Behauptung Greys, daß er auf der Londoner Botschafterkonserenz Un parteilichkeit nnd guten Willen bewiesen habe. Auch werden die Gründe beleuchtet, warum die Konferenzvorschläge Greys unannehmbar ge wesen sind. In dem Artikel heißt es u. a.: Ein für allemal soll festgestellt werden, daß Österreich-Ungarn, um dessen Lebensinteresse es sich in erster Linie auf der Londoner Bot schafterkonferenz handelte, von dieser diplo matischen Veranstaltung und der Rolle, welche die englische Diplomatie dabei spielte, alles eher als befriedigt gewesen ist. Der Gesamteindruck der Konferenz war der, daß die englische Diplo matie den Krieg vermeiden und den Frieden ausrechterhalten wollte in der Art und durch Has einfache Mittel, daß Osterreich-Ungarn sür die Kosten aufzukommen und seine künftige Sicherheit auch weiterhin den wechselnden Launen und Ansprüchen der Belgrader Machthaber und ihrer Hintermänner in Petersburg anheim zu stellen hatte. Grey wird Österreich nicht zu überzeugen ver mögen, daß er in den Sommertagen des Jahres 1914 als aufrichtiger Friedensfreund gehandelt habe. In der Tat hatte die englische Politik schon lange zuvor unverhohlen gezeigt, daß ihr an einem Osterreich-Ungarn, das an Deutsch land sesthielt und sich den deutschfeindlichen Plänen des Berbandes nicht zur Verfügung stellte, nicht nur nichts gelegen war, daß sie viel mehr eine Schwächung der Großmachtstellung und der inneren Stärke der Monarchie als ihren eigenen Vorteil betrachtete. Das war schon in der Bosnischen Krise deutlich zu erkennen, und dieser Eindruck steigerte sich auf der Londoner Botschafterkonferenz bis zur Gewißheit. 'Entweder heuchelt Grey, oder er besitzt eine erstaunlich geringe Feinfühligkeit und Er- kenntniskraft, wenn er es für möglich hält oder sür möglich ausgibt, daß die Monarchie nach der Konferenz von 1913 ihre Existenz, ihre Sicherheit und ihre Würde in die Sand einer von England geleiteten und beein flußten internationalen Konferenz hätte legen sollen. Sein Konferenzvorschlag sollte bis zu dem Zeitpunkt, der ihm sür den Schlag gegen Deutschland Wohl geeigneter er schien, das Konzert der Großmächte durch den Verzicht Österreich-Ungarns zusammenkitten, die wichtigsten Fragen seines Grenzschutzes nach eigenen Bedürfnissen zu regeln, und war in folgedessen von vornherein gegen Osterreich- Ungarns Existenzgrundlagen gerichtet. Grey hatte kein Recht, Glauben an seine Unparteilich keit und guten Absichten zu erwarten und zn verlangen. Er sollte auch endlich damit auf hören, seine Anklage wegen Vereitelung der Konferenz gegen Deutschland zu richten. In der Konferenzfrage hatte die österreichisch- ungarische Monarchie zu entscheiden, und die Monarchie ist es, die ihre Entscheidung gegen die Konferenz getroffen hat. Sie hat es mit gutem Gewissen getan, und mit gutem Gewissen bekennt sie sich bis auf den heutigen Tag zu dieser ihrer Entscheidung. Die Ablehnung der Konferenz war nichts anderes als die selbstver ständliche Bejahung des Lebenswillens der Mon archie als einer Großmacht, die sich das Blaß der für ihre Sicherheit unentbehrlichen Voraus setzungen nicht von anderen Großmächten nach deren Belieben und feindseligen Berechnungen vorschreiben lassen konnte. Grey mag, so oft er nur will, die Abweisung seines Konferenzvorschlages als Beweis für Österreichs und Deutschlands Kriegswillen aus geben. Für uns war und bleibt sein Konferenz vorschlag einer von den Beweisen dafür, daß England ein Interesse daran hatte, uns durch die serbischen Wühlereien zu schwächen, uns in ewiger Unsicherheit zu erhalten, unsere bundes- genössische Kraft für Deutschland zu entwerten,' uns und Deutschland durch diplomatische Künste leien zu täuschen und die Abrechnung mit Deutschland bis zum Eintritt der völligen Kriegsbereitschaft Rußlands hinauszuschieben. Der Konferenzpolitiker Grey war kein Friedens politiker, er war nach Plan und Absicht Kriegs- pol'tiker. Darum ist die Monarchie nicht auf seine Konferenz gegangen. An dem Scheitern der Konferenzidee ist weder Osterreich-Ungarn noch Deutschland schuld, sondern ein anderer: Sir Edward Grey. verschiedene Uriegsnachrichten. Cumivres und Thiamnont. Nach dem verlustreichen Scheitern des fran zösischen Nachtangriffes gegen Cumiöres ist diese Ortschaft für die Pariser Fachkritik wieder in ihr Nichts von fünfzig zerschossenen Häusern zurückgesunken. Verschwiegen wird das voll ständige Fehlschlägen der gleichfalls sehr opferreichen Versuche, an die Waldhöhe von Thiaumont heranznkommen, die poch, bevor sie in deutschen Besitz gelangte, von der Fachkritik als überaus wichtig bezeichnet wurde. Nur von den krampfhaften französischen An strengungen. sich in den Verbindungsgängen westlich deß Thiaumonthofes zu halten, wird gesprochen. * 230 Quadratkilometer italienischen Bodens besetzt. Der Kriegsberichterstatter des .Wiener Frem denblattes' meldet: Bisher sind von den öster reichisch-ungarischen Truppen über 250 Qua - dratkilometeritalienischen Bodens besetzt worden. Versuche der Italiener, unsere Offensive aufznhalten, sind erfolglos. Untere Angriffssront steht knapp vor der inneren Be festigungszone der italienischen Hauptstellungen im Gebiet von Asiago und Arsiero. * Italienische Schiffsverlustc. Die italienische Presse gibt jetzt offiziell die Torpedierung der italienischen Handelsschiffe „Herkules", „Australia", „Nita", „Moravia" und „Erminia" zu. Damit hat die Zahl der torpedierten Schiffe in kürzester Fust zwölf erreicht. * Eine falsche Rechnung. Die rumänische Zeitung Moldawa' veröffent licht einen Artikel, der mit Italien überaus scharf abrechnet. Italien, sagt das Blatt, hat durch seine Kriegserklärung an Österreich-Ungarn, mit dem es über drei Jahrzehnte verbündet ge wesen ist, den größten in der Ge schichte bekannten Verrat begangen. Alle Redereien werden die Tatsache nicht aus der Welt schaffen, daß es aus „heiligem Egoismus" und aus der Hoffnung heraus, sich ohne viele Mühe fremdes Gut anzucignen, so gehandelt hat. Diese Rechnung war falsch. Italien hat bisher über Vg Million Mann ver loren, 10 Milliarden verausgabt, seinen Handel und Industrie vollkommen ruiniert, seine wirt schaftliche Zukunft vollkommen vernichtet, um einige verlassene Dörfer, kahle, verschneite Berg rücken zu besetzen, von denen es jetzt wieder unter schweren Verlusten verjagt wird. Das Blatt meint schließlich, auch dieser Krieg werde Italien nicht unter die siegreichen Nationen ver setzen. * Unruhen in Portugal. Der .Pester Lloyd' meldet von der spanisch portugiesischen Grenze: In den Kasernen der Landarmee mehren sich Fälle von Meuterei, und auf den Höhen von Ajeda und Santa Catalina sind Maschinengewehre ansgestellt, weil die republikanische Garde in vielen Fällen, wo sie gezwungen wurde, gegen Zusammenrottungen einzuschreilen, sich dagegen auslehnte, von den Waffen Gebrauch zu machen. Meutereien sind in Lissabon, in Santa Castello, Branco Baga und Oporto an der Tages ordnung. Die Straßen hallen wider von Rufen: „Wir wollen keinen KriegI" Die Mobilisierung hat bisher das denkbar kläg lichste Ergebnis gehabt. Die wehrpflichtige Bevölke rung flüchtet in Scharen. In einzelnen Städten fanden zwischen Flüchtlingen und der Gen darmerie wahre Kämpfe statt, und auf beiden Seiten gab es blutige Opfer. Die Azoren und die Kapverdischen Inseln wurden zu Stütz punkten für die englische und die französische Flotte ausgebaut, überall sind Munitionsfabriken errichtet. Deutscher Reichstag. (Ortg.-Berichl.) Berlin. 30. Mai 1916. Auf der Tagesordnung der heutigen Sitzung standen zunächst kleine Anfragen, von denen zwei sozialdemokratische einen Gegenstand der Tagesordnung (Zensur) betrafen und damit er ledigt waren. Ans die Anfrage des Abg. Bassermann, wie es sich mit dem Sterbe geld der Versicherten verhält, die in Feindes land gefallen sind, und dessen Auszahlung des halb verweigert worden ist, erklärt Ministerial direktor Dr. Caspar, daß diese Unbilligkeit durch eine Bundesratsverordnung beseitigt werden wird. Fortsetzung der Zensurdebatte. Abg. Noske (Soz.) wendet sich gegen Auswüchse der Zensur, ferner gegen angebliche mannigfache Beschränkungen der persönlichen Freiheit durch die stellvertretenden komman dierenden Generale und verlangt die Aufhebung der Zensur. Kriegstönende Reden wie die der Herren Abgg. Oertel und Hirsch dürfen nicht unwidersprochen bleiben. Für mehr oder weniger phantastische Erobernngspläne ihr Blut zu ver gießen, dazu verspüren die Volksmassen nicht die geringste Neigung; sie sind lediglich zur Verteidigung der Heimat ins Feld gezogen (Zustimmung bei den Soz.). Wir fordern auch die Freiheit der Erörterung der Kriegsziele, aber in diesem Sinne! Vertreter des Kriegsministerinms, Oberst Hoffmann: Die scharfen Äußerungen, die in diesen Debatten gefallen sind — man hat sogar von „Unverschämtheit" gesprochen — weise ich mit Entschiedenheit zurück; sie dienen nicht der Sache. Briefzensur und Pressezensur sind wahrhaftig nichts Angenehmes, und keine mili tärische Kommandostelle drängt sich dazu; die Militärbehörden tun ihre Pflicht. Der vom Abg. Noske erwähnte Erlaß, wonach eine Reichs tagsrede des.Abg. Bauer über Ernährungs fragen nicht verbreitet werden durfte, wollte nur die Verbreitung nach dem Auslande verhüten; meines Erachtens ist gegen den Erlaß nichts ausznsetzen. Abg. Gothein (Bp.): Ich halte diesen Erlaß trotzdem für verfassungswidrig. Die wahrheits getreue Wiedergabe der Reichstagsverhandlungen ist ausdrücklich durch die Verfassung geschützt. Redner rügt die Briefjperre, die sogar heimlich geübt worden sei. Er geht auf sonstige Vor kommnisse tm einzelnen ein, die nach seiner Meinung als kindisch, als Kinkerlitzchen-Patrio tismus zo bezeichnen seien, und fährt fort: Die Militärdiktatur hat schwere Fehler gemacht, über die erst nach dem Frieden ausführlicher wird gesprochen werden können. Redner fordert im weiteren die Errichtung eines Neichsamts für Zensur- und Vereins- und Versammlungsrecht. Abg.' Dr. Stresemann (natl.): Die Zensoren sind gar nicht so unabhängig, wie man denkt. Herrn Wilson will das deutsche Volt als Friedensvermittler nicht; wir weisen mit dem überwiegenden Teile des Volkes seine Hand zurück! Seine Neutralität hat denn doch ein zu eigentümliches Gesicht ge zeigt; jede wahrhaft redliche, neutrale Friedens- Vermittlung soll uns willkommen sein! StaatsselretärDr. Helfferich: Der Reichs kanzler kann die Verantwortlichkeit für Maß nahmen der Zensurbehörde nicht tragen. Es wird mit dem allmählichen Abbau der Zensnr- vorschriften fortgefahren werden. Abg. v. Gräfe (kons.): Die jedem Völker recht hohnsprechonde Kriegführung Englands, wie die Politik unserer ganzen Gegner zwingt uns zum Weiterkämpfen bis zu einem dem Deutschen Reiche und Volke genehmen Frieden. Wenn man die Zensur rücksichtslos üben wollte, so hätte man auch Kanzlerreden und Kanzler- Interviews verbieten müssen. Die letzte Rede hat ein englisches Blatt einen „maskierten Rück zug des Kanzlers" genannt. Ich glaube nicht, daß der Kanzler diese Wirkung im Auslände erwartet — er erwartet ja meistens etwas anderes —, aber hätte sie erwarten müssen, nachdem er jeden kraftvollen Ausdruck der Wünsche des deutschen Volkes durch die Zensur unter bindet. Das deutsche Volk hat gerade in diesem Kriege der Negierung und dem Kaiser gegeben, was des Kaisers, geben Sie auch dem deutschen Volke, was des Volkes ist, sein Selbstbestim mungsrecht. Abg. Stadthagen (Soz. Arbg.): Wenn die Rechte wirklich dem Volke das Mitbestim mungsrecht geben will, so mnß sie sür unsere Anträge stimmen. Staatssekretär Dr. Helfferich: Wenn der Abg. Gräfe glaubt, daß er mit seiner Rede dem Vaterland einen Dienst geleistet hat, dann irrt er sich. Es geht nicht an, der Negie rung mitten in einem solchen Krieg vorpi- werfen, daß sie das deutsche Volk auf den Weg nach Olmütz führe. Die An schauungen nnd die Gründe der Regierung sind dem Reichstag in geheimen Sitzungen sehr ein gehend drrrgelegt worden; hier kann ich sil nicht wiederholen, ich würde sonst Verras am Vaterland üben. Lassen Sie mich die dringende Bitte an das Hans und an alle Parteien im Lande richten: Daß wir einig und geschlossen bleiben und uns znsammenfinden, in dem Ge danken, daß über alles der Sieg des Vater landes stehen muß. Abg. Dr. David (Soz.) gibt der Über zeugung Ausdruck, daß Präsident Wilson, wenn er ernsthast sich um den Frieden bemüht, die Unterstützung der ganzen Welt, auch die deS deutschen Volles finden würde. Abg. Hirsch (natl.) fordert Freigabe der Eröileiung der Friedensziele. Der Antrag auf Aushebung des Belagerungs zustandes wird abgelehnt. Der KommissionS- antrag, wonach eine Zeitung nur mit Zu stimmung des Reichskanzlers gänzlich verboten werden kann, wird angenommen, ebenso die übrigen Kommissionsanträge über die Hand habung des Vereins- und Versammlungsrechls/ über die einheitliche Handhabung der Zeiiinr, über die Schutzhaft usw. und der fortschrittliche Antrag auf Einbringung einer Vorlage zur Übertragung der Zensur au die Zivilbehörden und der Verantwortlichkeit au den Reich»' kanzler. Das Haus vertagt sich. Politische KuncSschau. Deutschland. * Reichskanzler v. Bethmann Holl weg ist in München vom König Ludwig in längerer Audienz empfangen worden. Von München aus begab sich der Kanzler nach Stuttgart. * Als Nachfolger des zum Neichsschatzsekretäc ernannten Grafen v. Rödern ist der bisherige Regierungspräsident in Breslau, Freiherr von Tschammer und Quaritz, zum Staats sekretär für Elsaß-Lothringen ernannt worden. An seiner Stelle wird Herr v. Jagow Re gierungspräsident, der solange Polizeipräsident von Berlin war. * Für die Reichstagsersatzwahl in Heidelberg stellte in Eberbach eine national- liberale Vertrauensmännerversammlung als Kam didalen den Präsidenten des Hanja-Bundes, Geheimrat Dr. Jakob Riesser ans Berlin, ans. Da kein Gegenkandidat aufgestellt wird, ist die Wahl Niessers gesichert. England. * Der Schatzkanzler beabsichtigt, eine 'b e 1 sondere Einkommensteuer von zwei Schilling auf das Pfund Sterling auf ameri kanische Wertpapiere zu legen mit der Absicht, den Übergang der amerikanischen Wertpapiere aus dem Privatbesitz in den Besitz des StaateS zu fördern. f)exengolä. 4) Roman von H. Courths-Mahler. . ' (Fortsetzung'. Für alle Fälle hatte Graf Rabenau ein Dokument verfaßt, das er in einem Geheimfach seines Schreibtisches verbarg. Er weihte Götz in die Mechanik dieses Faches ein und machte ihn mit dem Inhalt des Dokuments bekannt. Es enthielt genaue Mitteilungen über' alles, was Graf Rabenau über die Gatlin seines verstorbenen Sohnes seinerzeit in Ersahrnug ge bracht. Dieses Dokument follte Götz, wenn er etwa Jutta trotz aller Vorsicht nicht vor einer Annäherung ihrer Blutter schützen könnte, seiner Enkelin übergeben. Dieses Schriftstück enthielt den strikten Befehl, Gwendoline nie in Rabenau und Schönrode zu dulden. Götz hatte sein Ehrenwort geben müssen, diesen Auftrag zu erfüllen, nach bestem Willen und Gewissen. Rabenau erwog gar nicht die Mög lichkeit, daß sein Wunsch sich nicht erfüllen könnte. Götz war das einigermaßen peinlich, so sehr ihn das Vertrauen des Grafen ehrte. Ec schlug die Vorteile, die ihm eine Verbin dung mit Jutta bringen mußte, natürlich nicht gering an, aber daß Rabenau ihm gleichsam die Selbstbestimmung über den Kopf hinweg- nahm, widerstrebte seinem männlichen Emp finden. Des Grasen Art ihm gegenüber war aber so herzlich, so wahrhaft väterlich, daß er an eine schroffe Zurückweisung nicht denken konnte. Mit unruhigen Schritten ging Graf Rabenau in seinem Arbeitszimmer auf und ab. Der Wagen, der Jutta vom Bahnhof in Schwarzenfels abholen sollte, mußte jede Minute znrückkommen. Hier, in seinem Arbeits zimmer, wollte er sie empfangen. Allein mußte er mit ihr im ersten Augenblick des Wieder sehens sein. Er fühlte sich nicht stark genug, sie im Beisein der Leute zu begrüßen. In Gerlachhausen waren die ersten Rosen aufgeblüht. Die Gerlachhausener Rosen, in weitem Umkreis als die schönsten berühmt, waren erblüht. ' Götz vereinte selbst die ersten, die sich erschlossen, zu einem Strauß und sandte sie mit- einer Karte nach Rabenau. Frau Wohlgemut placierte die herrlichen Blüten recht wirkungsvoll in Juttas Boudoir und begab sich dann hinunter auf die Freitreppe, ivo die Dienerschaft zum Empfang der jungen Herrin aufgestellt war. Das etwas verwitterte Saudsteinportal mit dem Wappen der Rabenaus hatte Jettchen Wohlgemut höchst eigenhändig mit einer Gir lande verziert. „Damit es doch nach etwas aussehe". Endlich fuhr der Wagen durch die Säulen halle und hielt vor der Freitreppe. Komtesse Juttas schlanke Gestalt sprang, von Seidel mann unterstützt, aus dem Wagen, den ehr furchtsvollen Gruß der Leute erwiderte sie mit anmutiger Freundlichkeit, aber ihr Blick schweifte unruhig suchend umher. Wo war der Großvater? Ein Schallen flog über ihr Gesicht. Schon auf dem Bahnhofe hatte sie vergebens nach ihm ausgeschaut — nun bot er ihr auch hier nicht einmal die Hand, sie einzuführen in das Haus ihrer Väter. Mit einem bangen Blick stieg sie langsam die Freitreppe empor. Heller Sonnenschein lag über dem Schloßhof, und der, Drachenbrunnen rauschte leise, als wollte er die Erbin von Ravenan begrüßen. Jettchen Wohlgemut hatte den bangen Blick Juttas aufgefanhen, und ihr Herz klopfte vor Rührung. Sie löste sich aus der Gruppe der Dienerschaft und trat Jutta entgegen. „Gottes Segen zur Heimkehr, gnädigste Kom tesse!" sagte sie ergriffen. Jutta sah in das alte freundliche Gesicht, und eine Erinnerung erwachte in ihr, als habe sie diese schwarzgekleidete, rundliche Frau mit der weißen Schürze und den fliegenden Haubenbändern schon gesehen. Fragend sah sie in Jettchen Wohlgemuts seuchlschimmernde Augen. „Ich danke Ihnen. Mir ist, als müßte ich Sie schon kennen." Jettchen Wohlgemut kuixte. „Als gnädige Komtesse noch ein kleines Mädchen waren, habe ich Sie manchmal auf meinem Arm getragen. Ich bin Frau Wohl gemut, die Haushälterin im Schloß Ravenau." Jutta reichte ihr lächelnd die Hand. „Dann muß ich also eine sehr alte Bekannt schaft erneuern, Frau Wohlgemut," sagte Jutta. Dabei richtete sich aber ihr Blick wieder bang und suchend auf das offene Portal. „Unser gnädigster Herr Graf erwartet Kom tesse in seinem Arbeitszimmer," sagte Frau Wohlgemut schnell. Das schlanke, schöne Mädchen neigte noch einmal das Haupt gegen die Dienerschait. „Bitte, führen Sie mich zu ihm," sagte sie ruhig, obwohl ihr die Tränen nahe waren. Die Flügeltür zu dem Arbeitszimmer öffnete sich. Hell von der Sonne beschienen, trat Jutta über die Schwelle und stand dem Großvater gegenüber. Er Halle sich erhoben und sah mit weitgeöffneten Augen auf die anmutsvolle Ge stalt. Tief erschüttert umkrampfte er die Lehne eines Sessels. War seine Jugend wieder leben dig geworden? Stand da nicht das leibhaftige Abbild seiner Gattin Ulrike? — Nein — die Stirn war anders gebildet — eine echte Navenausche Stirn und das Haar hatte einen lichlernen Schein, aber die Angeld diese tiefblauen Mädchenaugen, die so groß und bang aus dem erblaßten Gesichtchen strahlten-- ja, das waren die Augen seines Sohnes, die seiner Frau. Gottlob, sie war eine echte Ravenau. Sogar die „Trubfalte* erschien jetzt auf der weiße» Mädchenstirn, ganz fein und zart, aber unver kennbar in der seltsamen dreieckigen Form. Eine furchtbare Erregung war über den alte» Herrn gekommen. Er fühlte einen Herz krampt nahe, und kalter Schweiß stand auf ferner Stirn. Schweigend sahen sich die beiden eine Mac an. Dann trat Ravenau auf Jutta zu uno streckte ihr die Hand entgegen. . - „Gott segne deinen Eingang, Jutta — ff herzlich willkommen und — und nun laß rw» allein — Frau Wohlgemut wird dich m do Zimmer führen. Du mußt mich jetzt entschuldige — ans später — jetzt gehl", sagte er, sich uwt sam die Worte abrinMd.
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