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75 arme Mensch war vielleicht nicht wohl, und trank deshalb et was mehr!" „Und strich ganz gehörig über den Zapfen. . „Io, aber vitte, bitte, zeigen Sie ihn nicht an!" Gr lächelte. „Na, ich werde es gnädig machen! Aber ganz hingehen kann's so nicht!" Dann verabschiedete er sich höflich, der Nachtwächter machte, noch immer lachend, seinen Kratzfuß und ging auch. Fräulein Adelgunde saß auf dem Rand ihres Bettes. Die Tränen rollten unaufhörlich die Wangen herab. Das war das Ende ihrer Einquartierung? Denn daß er fortkam, war selbst verständlich. Und dazu würde er noch schelten auf die alberne Pute, die ihn angezeigt hatte! Und sie dachte wieder an all ihre schönen Träume, an die stillen Hoffnungen, Kam nun ein an derer? Nein, nein, sie wollte keinen mehr! Mochte er aus quartiert werden! Aber all die netten lieben Menschen, die ihre Bekannten im Quartier gehabt hatten, all die Fäden, die da angeknüpft waren? War nur sie zu ungewandt dazu? Das gleichmäßige Schnarchen tönte zu ihr herüber. Ihr Tambour schlief sem Räuschchen aus. Ja, dieser mutzte fort. AVer ob sie nicht doch später wieder einen Landsturmmann in Quartier nahm'? Gin leises schüchternes Lächeln glitt über ihr Gesicht. Jeder war doch nicht wie dieser! Bielleicht später — — vielleicht richtete sie doch mal wieder ein für ihren Land sturmman! ' lter elnrige Zebu Sie haben in fernem Lande gegraben ein tiefes Grab, Da senkten sie tausend Deutsche, so wackre Jungen herab. Ls rollten die braunen Schollen darüber mit hartem Ton. In diesem weiten Grabe liegt unser einziger Sohn! Er war so hell von Stimme und hatte so braunes Haar, Und ein so goldenes Herze und war erst zwanzig Jahr! Mutter, du hast des Knaben zarte Jugend betreut, All' deine Sorgen und Mühen haben dich nicht gereut! Und stand ich auf vor Tage und ging an des Landmanns Pflicht, Mir wurde zu schwer mein Schaffen, zu hart meine Arbeit nicht. Ich dachte: Sind deine Jahre auch mühvoll und herbe schon, So nimmt, was du geschaffen, doch alles dein einz'ger Sohn. Träume sind Sommerfäden, die fliegen in jedem Wind, Wer weiß noch in seinem Alter, wo all' seine Träume sind! Doch dies war unseres Lebens und unserer Arbeit Traum, Wir kannten heißere Sehnsucht und frohere Hoffnung kaum. Als Deutschlands Trommel erschallte, da hat er fort gemußt. Als Deutschlands Fahne entrollte, da schwoll sein Herz voller Lust, Errief: „Jetzt geht es zum Siege!" und drückte uns noch die Er ging zu frühem Sterben in einem fremden Land! sHand, Nun hat unser Alter verloren, was uns das Beste war! Wir wischen leise die Augen und streichen einander das Haar Und sprechen voll tiefer Wehmut und doch mit stolzem Ton: „Wir gaben für Deutschlands Siege auch unsern einzigen Sohn!" Georg v. Kries. frSuIem »Mor. Von Matthias Blank. 1. Käte Menges hatte mit der Auszeichnung summa cum lauäe den Doktortitel der Medizin erhalten. So groß darüber auch ihre eigene Befriedigung war, am stolzesten fühlte fick da rüber Direktor Hans Menges, der für einen Abend eine große Anzahl von Gästen und Freunden des Hauses Menges einlud, um diesen den neugebackenen Doktor vorzustellen. Es war dies doch sein einziges Kind, seine Tochter; die Mutter war ja bald nach deren Geburt gestorben. Zu einer neuerlichen Heirat hatte sich der Direktor um seines Kindes willen nicht entschließen können. Deshalb freute er sich um so mehr über den Erfolg, da er die Erziehung von dem nunmehrigen Fräulein Doktor Käte Menges beeinflußt hatte. Das Haus Menges faßte eine sehr große Zahl von Gästen, für die eine Tafel gedeckt war; auf dieser stand feines Meißener Porzellan, lag schweres, silbernes Besteck und warteten geschliffene Kelche und Becher auf die schweren Weine und den prickelnden Sekt, die schon gekühlt bereitgestellt waren. Ein Tafelaufsatz, ein mit geblähten Segeln ausziehendes Schiff, ein Prachtstück alter Goldschmiedekunst, zierte den weitzgedeckten Tisch. In zier lichen Klemen Vasen, Galluschen, Gläsern, waren für jeden Gast Blumen bestimmt, für die Damen Rosen, die Herren Nelken. Das bartlose Gesicht des Direktors strahlte, so ost er mit einem Händedruck begrüßt wurde, so oft er einen Glückwunsch über den Erfolg seiner Käte zu hören bekam. Käte Menges selbst war am ruhigsten; ihr schmales Gesicht mit dem leichtgewellten, goldblonden Haar, das mit den großen braunen Augen einen verträumten zu Sinnen und Grübeln leicht geneigten Hang verriet, war von eigenartiger Schönheit, die nichts mit der rosigen Puppenschönheit gemeinsam hatte. Liebenswürdig beantwortete sie jeden Glückwunsch und zeigte über diesen Erfolg nicht den geringsten Stolz; mit ihren einstigen Schulfreundinnen, die sie auch eingeladen hatte, plauderte sie mit jener fast aus gelassenen Fröhlichkeit, die ein Vorrecht der Jugend ist, als wüßte sie gar nichts von dem errungenen und so gelehrt klin genden Doktortitel Sie wollte als Fräulein Doktor nicht mehr sein denn als Käte Menges. Nur einmal vochte ihr Herz in rascheren Schlägen, nur einmal fühlte sie eine aufsteigende, brennende Blutwelle in den Wangen; Doktor Richard Vollmöller hatte ihr seine schmale und doch so kräftige Hand gereicht. Er war der einzige, dem sie mit ihrem Erfolge Achtung und vielleicht noch etwas mehr abzwingen wollte. Aber seine Worte waren die gleichgültigsten von allen; Redensarten hörte sie, die wohl von Anerkennung sprachen, die sonst noch Schmeicheleien wußten, aber sie fühlte dabei doch, wie sehr gerade seine Worte nur Phrasen waren. Warum? Neidete er ihr vielleicht den Erfolg? Nein! daran glaubte sie selbst nicht, denn Doktor Vollmöller war jeder kleinliche Gedanke fremd. Aber warum hatte er nicht mehr zu sagen gewußt? Ihr war es auch, als wäre seine Hand fast kühl und zurückhaltend leicht in der ihrigen gelegen. Dabei hatte sie einmal geträumt. — — Nein, an diese Träume durste sie jetzt nicht denken. Und dennoch hatte sie es nicht hindern können, daß sie kaum die Reden hörte, die an der Tafel gehalten wurden, daß ihre Blicke immer nur das Gesicht von Doktor Vollmöller suchten; und als sie auf diese Reden antworten mutzte, schien es ihr, als huschte über sein Gesicht ein Lächeln, das ihr fremd war, das auch die letzte Hoffnung ersticken mutzte. Die Gäste aber schrieben ihre jäh unterbrochene Antwort und die etwa» zusammenhanglosen Worte der freudigen Er regung zu. Das Mahl war zu Ende; das Haus Menges aber hatte so viele Räume, um allen Gästen je nach dem persönlichen Wunsche eine Erfüllung zu ermöglichen. Im Musikzimmer sang eine sehr bekannte Opernsängerin, ein kleiner Saal war für die Tanzlust der jungen Welt reserviert, in das Spielzimmer hatte sich Direktor Menges mit noch einigen Herren zurückgezogen, die große, geräumige Bibliothek stand offen, und der Wintergarten wartete auf Besucher. Es zeigte der Reichtum des Hauses die entgegenkommendste Gastfreundlichkeit. Musikzimmer, Saal und Spielzimmer hatten viele Lieb haber gefunden. Am stillsten war es in der Bibliothek. Dort saß Doktor Vollmöller in einem Klubsessel und blätterte in den aufliegenden Zeitschriften; ihm gegenüber saß sein Freund Heinz Bornschlegel, der eben den Rauchringen seiner Zigarette nachstarrte. Das Gespräch schien kurz vorher eine Wendung genommen zu haben, die beiden unerwünscht war, die jenes Schweigen zur Folge hatte. Heinz Bornschlegel streifte die Asche seiner Zigarette ab. „Im Vertrauen gesagt, ich hatte selbst daran geglaubt." Doktor Vollmöller zog die Schullern hoch; seine Brauen schoben sich zusammen und dann erst antwortete er: „Einmal habe ich selbst daran geglaubt. Zugestanden! Mir war es, als liebte ich sie, als müßte die Erfüllung eines so törichten Traumes mein Glück sein. Vorbei!" Seine Hand machte eine wegwerfende Geste. „Warum?" fragte sein Freund. „Sie ist eine der reichsten Erbinnen. Und sicherlich bist du ihr nicht gleichgültig." Die beiden bemerkten nicht, daß sich die schweren Portieren, die die Bibliothek von dem Rauchzimmer abschlossen, bewegten,