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,,N' Abend, Fräuleinchen! Ich bin doch recht bei Frä. Heinzelmann? Landsturmmann Franke, Tambour von der 3. Kompagnie. Aber Fräuleinchen, so komm' ich nich durch die Tür! Können Sie se nicht ein bißchen weiter aufmachen?" Fräulein Adelgunde war sprachlos. Wo blieb ihre schöne Rede zur Begrüßung? Schweigend öffnete sie die Tür, so weit es ging. Gr zwängte sich durch, stellte seine Trommel auf den Hausflur und trampelte den Schnee von den Füßen. In kleinen, schwärzlichen Rinnsaalen lies er über die weiß gescheuerten Dielen. Wie ein Blitz durchzuckte sie der Gedanke an die gestickten Rosen ihres Teppichs! Nein, sie wollte nicht kleinlich sein. War's doch fürs Vaterland! Und er sah ja freundlich aus! Und gehörte zur Musik. Nur ideal? . . . Nein, dar nicht! „Na, und wo komm' ich denn hin?" Fräulein Adelgunde öffnete die Tür zum Allerheiligsten und begann: „So seien Sie mir willkommen in diesem Heim! Möge es Ihnen in den rauhen Kriegsstürmen eine Zuflucht sein.". . . Dröhnend lachte Tambour Franke auf. „Soll es sein! Machen wir! Donnerwetter fein! Aber wissen Sie, all den Krimskrams von Decken wollen wir man runter nehmen, und die Blumengeschichte auch! Meine Frau sagt immer: „Franke, du schmeißt alles um! Vor dir ist nichts sicher!" Na, man wird ja nicht viel drin sein! Dienst! Und abends ein Schoppen! Hoffentlich gib's doch hier einen anständigen Tropfen! Wie heißt denn das nettste Lokal?" „Was sind Sie denn im Zivilberus", fragte Fräulein Adel gunde schüchtern, der er die Decken und die Vase in die Hände gesteckt hatte. — „Was ich bin? Hausbesitzer, meine Beste! Und Gastwirt! Feine Sache! Ja! Und dar beste Bier am Ort! Za! Na, meine Frau wird es auch schon machen! Sie war Kellnerin im größten Gasthaus in Th. Habe mir was Ordentliches ge heiratet! Und hatte Pinke — Pinke! Fein! Ia! Die läßt sich kein X für ein U machen! Sie steht auch fest aus ihren Beinen, wiegt ihre 180 Pfund gut und gern. Nicht so spillerig wie Sie, Fräuleinchen! Na, nichts für ungut! War nicht bös gemeint!... Wo laß ich denn meine Trommel?! Ich nehm' sie wohl am besten mit hinein. Da steht sie nicht im Wege." Ach Golt, und nun die nasse Trommel auf ihren Teppich! Fräulein Adelgunde schloß die Augen um nichts zu sehen. Dann ging sie in ihr Zimmer. Da sank sie auf einen Stuhl. Um sie herum fielen die Deckchen zur Erde, all die weißen, gehäkelten, zarten Dinger! Und den Strauß hielt sie in der Hand. Auf ihm schmolz eben ein dicker Schneeklumpen. So zerschmolzen alle ihre Hoffnungen und Träume. Wo war der ideale Künstler? Der Professor? Der Gelehrte? Lin Gastwirt war er, und schlug die Trommel, und seine Frau wog 180 Pfund. Wieviel er wohl wiegen mochte? Zwei Zentner langten doch nicht! Ob das ihr Bett wohl aushielt? Gs stammte noch von den seligen Eltern, und der Wurm war schon darin. Da klopfte es. Auf ihr zögerndes: Herein trat er über die Schwelle. „Fräuleinchen, kann ich den Hausschlüssel bekommen? Ich möchte noch ein bißchen losgehen!" „Wann kommen Sie denn wieder?" „I, da sorgen Sie nich drum Fräuleinchen! Ich komme, wenn die Kanne leer ist!". ... Er lachte über ihr erschrockenes Gesicht. Dann tröstete er: „Man keine Bange nich! Ich komme schon rein! Hab' meine Laterne, Licht brauch' ich nicht. Kaffee Krieg' ich wohl morgen um 7." Wieder saß Fräulein Adelgunde allein. Hatte sie nicht von gemeinsam verlebten Abenden geträumt, die durch die Musik verschönt wurden? Wo ihnen bei köstlichen Gesprächen die Stunden wie im Flug verrannen! Sie wollte ihm Tee kochen aus ihrem kleinen Samovar und feine Brötchen schneiden, wie sie es in Romanen gelesen hatte. Lr sollte sie als Hausfrau schätzen. Aber ob ihr Tambour Tee tränke? ... Er sah nicht so aus! Nein, der ging ins Wirtshaus und trank, bis die Kanne leer war. Kühl rann das Naß des getauten Schnees über die Hand. Das weckte sie aus ihrem Sinnen. Sie stand aus, legte all die zierlichen Decken in den Schrank. Auch die Schale mit den Keks zum Tee schloß sie fort. Nun lebte er schon acht Tage bei Fräulein Heinzelmann. Und sie vertrugen sich ganz gut. Das heißt, er ging seiner Wege, bekam seinen Kaffee pünktlich, sein warm geheiztes Zimmer. Aber die kleinen, zärtlichen Dienste, mit denen sie ihn hatte ver wöhnen wollen, überließ sie ihrer Auswärterin. Frau Meister 74 schimpfte jeden Morgen über die Schmutzspuren auf dem Teppich, sonst aber fand sie Herrn Franke riesig nett. Gr konnte so nelte Witze machen. Und wenn ihm „Frau Meistern" seine Stiefel geputzt hatte, steckte er ihr einen Fünfziger zu. Weshalb sollte sie den nicht nehmen! So'n wohlhabender Mann, Hausbesitzer und Gastwirt! Das gute Fräulein Heinzelmann hatte dem im ponieren wollen mit ihrem Starenkästcheu! War ja sehr nied lich, aber man winzig wie das Fräulein selber. AVer der Herr Franke war ein Mann wie ein Ofen so breit und groß! Fräu- lem Adelgunde hatte gemeint, ob er abends woyl trinken täte? Na, warum nicht! Wenn er sich nicht betrank! Und zur Zeit in der Bude war! Allerdings wann er kam, das wußte das Fräulein nicht!". . . Heute Nacht lag sie wach und horchte. War er schon ge kommen? Gs mußte schon 11 Uhr vorbei sein. Wenn er nun Strafe bekäme?! Sie konnte garnicht einschlafen. Nun wars halb zwölf! Da hörte sie ihn im Vorgärtchen. Er sang und pfiff dazwischen. Nun schloß er auf, ging in seine Stube, riß ein Streichholz an, noch eins! Dann lachte er vergnügt, und sie hörte einen Bums, als ob etwas zur Erde fiele. Und dann Fräulein Heinzelmann erstarrte das Blut in den Adern, denn sie hörte deutlich: terrum — tum — tum; terrum — tum — tum! Seine Trommel! Mitten in der Nacht! Dazu sang er ein Lied, und immer kräftiger begleitete die Trommel die Melodie. Jetzt ein Wirbel, daß ihre zierlichen Möbel zitterten. Guter Gott im Himmel! Der war verrückt geworden! Wie der Wind war sie aus dem Bett, in die Kleider, zitternd raffte sie ihren Mantel aus dem Schrank. Sie bebte vor Frost und Auf regung. Aber hier bleiben konnte sie nicht neben dem verrückten Menschen. Wenn er nun zu ihr ins Zimmer kam?! Aber wohin? . . . Kein Haus war ja offen mitten in der Nacht! Kein Mensch auf den Straßen der stillen Stadt! Wohin? Da durch zuckte es sie wie eine Erlösung: zur Polizei! Da mußte man sie aus nehmen. Leise huschte sie über den Flur, damit er die Tür nicht gehen hören sollte. Aber daran dachte er gar nicht. Lin dröhnender Trommelwirbel begleitete sie bis zur Haustür, und das Terrum-tum-tum folgte ihr noch nach. Wie gehetzt flog sie dahin. Zur Polizei! Zur Wache! Hier sah man sie erstaunt an. Sie wollte bleiben bis zum Morgen, weil ihr Landsturmmann verrückt geworden war. Nein, das ging nicht, da mußten sie mitkonimen und sehen, was da geschehen war. Die Polizei in ihr Haus? Nein, nein! Das wollte sie nicht! Äber der Polizeikommissar sah sie bei ihrer energischen Weigerung bedenklich an. Za, was wollte sie denn? War sie etwa selbst verrückt? Da half kein Sträuben! Ein handfester Nachtwächter wurde mitgenommen. Und nun gingen sie zu ihrem Häuschen. Sie bitterlich weinend, der Kommissar innerlich fluchend über die Kälte und verrückte Frauenzimmer. Endlich waren sie da. Sie öffnete die Haustür. Alles still . -. Ja, hatte sie denn gefaselt? Man glaubt ihr nicht? Nun ging's um ihre Ehre, nun wurde sie lebhaft, schilderte, beteuerte, schwur, daß er wie ein Verrückter getrommelt habe mitten in der Nacht. „Za, denn Hilst das nicht, dann müssen wir ins Zimmer hinein." Fräulein Adelgunde hatte Licht angezündet. Der Kommissar öffnete die Tür, der Nachtwächter hielt den Revolver schußbereit, sie hielt mit bebender Hand den Leuchter. — Im Zimmer war alles still. Doch da ... an der Erde lag der riesige Tambour auf dem Rosenteppich, hielt seine Trommel fest im Arm, die Trommelstöcke ruhten in der Hand. Er selbst aber schlief fest und süß, und ein Lächeln lag auf seinem breiten, gutmütigen Gesicht. — Der Kommissar drückte die Tür wieder ins Schloß Gin herzhaftes Lachen kämpfte in seinen Zügen, indes der Nacht wächter hell losprustete. »Ja, Fräulein, der tut Ihnen nun wohl nichts! Vorkommen darf so etwas allerdings nicht! Aber heute Nacht können Sie ruhig schlafen. Sein Nachtlager ist ein bißchen hart. Aber das braucht uns nicht zu grämen. Und morgen kommen Sie da rum ein, daß ihr Landsturmmann ausquartiertwird. Das Trommeln dürfte ihm vorläufig etwas vergehen." Fräulein Adelgunde liefen die dicken Tränen die Backen herunter. Nun war sie schuld durch ihre alberne Angst, wenn er Strafe bekam! „Nein, bitte, bitte, lieber Herr Kommissar, das nichtl Der