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Und wer seinen Gott nicht mehr kannte, und wer längst > das Beten verlernt hatte, der lernte in dieser Stunde das Beten, i Klatschend, wie aus Eimern geschüttet, sprang das ret tende Naß vom Himmel . . . 23. Herr Baumann in Köslin ließ sorgfältig die Flaschen pet- schieren, nnd sie gingen mit dem Andresenschen Fuhrwerk zur Bahn und vo.n da in gemächlicher Fahrt nach Schlawe und Bo tow, nach Labes und Schievelbein, nach Rügen und Zoppot. Friedrich Prengel aber stand am Gärtchen der Frau Reh- fnß, die ihre Gemüsebeete bestellte. Die alte Auguste Walter aber war gestorben. Mareile Rehfnß hatte jetzt den Hausstand unter sich. Sie machte ihre Sache brav, aber braver hätte es vielleicht die Mutter gemacht, diese saubere, stattliche Witwe. Friedrich Prengel kam mit seinen: Dachshund Fidus jetzt öfter zu ihr, oder sie kau: auch zu ihm, um in dem Haus an: Mühlenbach nach den: Rechten zu sehen. Das war den: braven Prengel ein Trost. Er fühlte sich sehr einsam. Die Nachbarn fingen an zu tuscheln. Aber das Hanptthema, Wenn sich Friedrich Prengel mit der Fran Rehfnß und dem braunen Mareile unterhielt, war doch immer der Wilhelm und sein Dienst in: Felde. Die schlichte,: Beriet,te, die er schickte, in denen er schrieb von Kampf und Not, von Kampf und Sieg, von seinen: Prin zen, den: der Typhus fast das Leben gekostet hätte, und den er nun gepflegt habe, und von der Sehnsucht nach der fernen Heimat — die gingen von Hand zu Hand, und noch andere, wie Friedrich Prengel, konnten sie Zeile für Zeile auswendig. Metzlers Gustav war schließlich doch nicht mit nach Afrika gekommen. Das Los hatte entschieden. Er war auf ein Schul schiff gekommen und bediente ein Maschinengewehr als Richt schütze. Und Olga Andresen war jetzt wirklich eine gefeierte Künstlerin. Mit Stolz konnte der Vater ans seine beiden Kinder blicken. Hugo Andresen hatte das Examen mit Aus zeichnung bestanden — nächstens würde er seinen Erholungs urlaub in Köslin verbringen — nnd Olga war in der „Ber liner Illustrierten Zeitung" abgebildet gewesen, als sie von ihrer Tournee aus St. Petersburg zurückkam, reich an Beifall, reich an Perlen. In Berlin wollte inan sogar wissen, daß in Rußland ein Großfürst um ihre Gunst gekämpft habe, eben der, der ihr die Perlen, die so groß wie Haselnüsse waren, ver ehrt hatte. Aber der Mittelpunkt aller Gespräche, wenn Vater Prengel an seinen: Stammtisch im „Adler" erschien, blieb der Reiter Wilhelm Hack. Und was täglich die Zeitungen nnd vor allem das Kreisblatt von den: heroischen Heldenmut und der ruhigen Todesverachtung der Handvoll Loute berichteten, ans die das ganze Vaterland mit Stolz blickte, die da fochten und ritten und hungerten und dursteten — und die Kunde gaben davon, daß das Vaterland nicht eingeschlafen war ans den Lorbeeren von Sedan, sondern daß das Vaterland jetzt erst recht ans sein Heer bauen durfte, das seines Vertrauens wert war und in den: der alte, gute Geist noch lebte. — Davon ging ein Teil ans den hel denmütigen Reiter Wilhelm Hack über. Und Friedrich Prengel brauchte sich der Träne väterlicher Rührung nicht zu schämen, die in seinen Augen glänzte, wenn von Afrikas blutgetränkten Flnren nnd von seinen Streiteri: die Rede war. 24. In der Kolonie aber tobte der Kampf. Wie immer, ver suchten die braunen Teufel den deutschen Reiter ans den Schanzen in ihre Klippen und Dornen zu locken, zn fliehen und ihn dann ans dem sichere,: Hinterhalt abzuschießen. Im mer waghalsiger, immer dreister machte der Hunger die ver schlagenen Feinde. Nackt und zerrissen waren die eingebrach ten Gefangenei:. Von den spindeldürren Armen und Beinen stachen die anfgetriebenen Leiber ab, die sich seit Wochen von Käfern und Raupen genährt hatten. Immer frecher wagten sich die hungrigen Rebellen heran. Wie die Schakale lauerten sie nm die Werftei: herum. Und nun war man wieder einmal Hendrik Witboi auf den Fersen. In wenigen Tagemärschen,- so hatten die Buschlente gemeldet, mußte man ihn einholcn. In Eilmärschen ging es in die Kalahari hinein. Tie Regenzeit war zu Ende. Es ging wieder ostwärts, der glühenden Sonne entgegen. Menschenleer, unübersehbar dehnte sich die ungeheure Etappe des trockenen Etefantenflnsses, in dem man den Räubern nachjagte. Und immer wieder Enttäuschung! „Prinz Alexander hatte eine Hottentottenwerst bei einer Wasserstelle in Brand setzen lassen. Dann sollte der Rückzug angetreten werden. Der Fuchs Hendrik hatte, wie so oft, die Kämpfer genarrt. Da Plötzlich ein Schuß in die Tiere, die gerade angeschirrt werden! Ein zweiter — ein dritter. Zwei Ochsen brechen zu sammen. Im Nu ist alles im Sattel. Freiwillig erbietet sich ein Leutnant als Patrouille. Sind es Nachzügler von Hendrik? Ist es der geriebene Fuchs mit seinen Orlogleuten selbst? PrinZ Alexander kennt den Leutnant. Ein Semester lang hat er mit ihm, dem sächsischen Husaren, auf Kriegsakademie :n einem Hörfaal gesessen. Auf Wimmer ist Verlaß! Mutig galoppiert der Sachse an. Sein Pferd bläst die Nüstern und will zaudern, aber ein kräftiger Schenkeldruck bringt das zitternde Tier vorwärts. Sv fliegt er der sandigen Kuppe zu. Kanu: können die beiden Reiter an seiner Seite mit ihn: Tempo halten. Weit hinter sich läßt er die Gefährten. Auch sie müssen ihre Pferde erst anspornen. Und während hinten die Kompanie blitzschnell an die Ge wehre eilt und die Pferde, die in Eile zufammengetrieben wer den, anschirrt und sattelt und die beiden Geschütze bespannt, ist Leutnant Wimmer, scharf nach dem hinterlistigen Gegner spähend, schon auf halbem Wege zu der sandigen Düne. Da krachen aufs neue Schüsse. Zehn zugleich! Ein mör derisches Schnellfeuer wie aus hundert Gewehren prasselt von dem Dünenkamm hernieder. Zum furchtbaren Bollwerk, zur feuerspeienden Schanze ist diese sandige Kuppe geworden. Der tapfere Offizier läßt die Zügel fallen. Seine Hand hat nicht mehr die Kraft, nach dem Säbel zu fassen. Vor seinen Augen wird es dunkel. Blitzschnell kreisen die Gedanken in seinem Hirn — die Heimat — der Vater, der ihn betrübt hin- anszie'hen läßt — dann fühlt er, wie ihn eine Las: zu Boden zieht, wie die Flints, die er auf der Schulter trägt, ihn drückt und niederzieht. Nur Sekunden sind's gewesen. Die beiden Reiter liegen neben ihn: in: Sande. Die Pferde machen kurz Kehrt und bäumen auf, dann brechen auch sie unter dem prasselnden Schnellfeuer der braunen Teufel zu sammen. Sie streckten schon die Beine in die Luft, als die Kompanie zur Hilfe eilte. „Schwärmen!" Wie die Spürhunde schoben sie sich vorwärts. Von allen Seiten krochen sie flink durch die Dornen und Klippen. Exer- ziermäßig, kaltblütig, wie daheim auf dein Kasernenhof, rich teten die Kanoniere das vorgetriebene Geschütz. Krachend fährt die erste Granate nach der Höhe. Prinz Alexander ist ans dem rechten Flügel. Er eröffnet das Gewehrfeuer. Er hat sich längst daran gewöhnt, selbst die Flinte zu führen, ein Schütze unter Schützen ist er. Mit Ho heitsabzeichen lassen sich keine Hottentotten in die Flucht schla gen. Wie Plunder hat er die Abzeichen seines Ranges weg geworfen. Hier kann nur das Gewehr sprechen, im Notfall die Pistole. Die Schwarzen geizen nicht mit den Patronen. Aus brei ter Front von der Düne hernieder hageln die Geschosse. Ein Ochse von der Bespannung heult in wahnsinnigem Schmerz ans und zerreißt sein Lielzeng. Er stürmt, torkelnd, durch die deutsche:: Reiter. Zwei Meter vor dem Prinzen kracht er zu ^oden. Prinz Alexander wähnte klng zn tun, als er hinter den Gestürzten kroch. Hier galt es, jeden Millimeter Deckung aus zunutzen. Aber die Gegner haben den Mann gesehen, der hin ter den Balg kriecht. Eine Salve von Schüssen prasselt auf die Stelle. Im Nu ist das räudige Fell durchlöchert. Reiter Hack liegt fünf Schritte von seinen: Herrn entfernt. K'anm, baß der halb in: Sand vergrabene Stein, hinter dem er Schutz gesucht hat, seinen Körper notdürftig deckt. Aber er hat Glück, die Geschosse, die ihm galten, sind abgesplittert. Da plötzlich, während er läd, sieht er das blasse Gesicht seines Herrn und er stockt eine Sekunde lang, an den: blassen Typhusgesicht rieselt ein Blutstrom nieder, sickert den Hals entlang — still liegt der Prinz. Da springt er ohne sich zu besinnen auf. In zwei Sätzen liegt er neben ihm. Prinz Alexauder sieht ihn aus wcitaufge- rissenen Augen an. „Laß mich!" sagt er. „Mit mir ist nichts. Ein Schwindel — aber wie kommst Du hierher?! Das Tier schützt uns nicht." „Ich mußte, Hoheit —" (Schluß folgt.) 11*