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Allgemeiner Anzeiger : 22.01.1916
- Erscheinungsdatum
- 1916-01-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
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- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1916
-
Monat
1916-01
- Tag 1916-01-22
-
Monat
1916-01
-
Jahr
1916
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 22.01.1916
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Montenegro unterwirft fick. Montenegro bat sich, nachdem alle Aus- sichten ans Widerstand geschwunden sind, ent schlossen, Frieden »u schliessen. Der erste Siein aus dem gewaltigen Gebäude des Vierverbaudes ist herausgebrochen, der erste Sepäratfriede zwar noch nicht geschlossen, aber durch bcdin- gungsloie Kapitulation des monlenegnnischen Heeres so gut wie sichergestellt. Hönig Nikolaus, der nach den Meldungen der Vierverbauds- blätter eben noch versichert haben sollte, dast er und sein Volk den Kampf bis zum äußersten sortleken würden, er hat die Hand zum Frieden geboten, noch ehe das verhängnisvolle „Zuspät" ihn: als einzige Antwort in die Ohren gellen musste, und Kaiser Franz Joseph ist grossmütig genug, seinen auf montenegrinischen Boden stehenden Truppen Halt zu gebieten, bevor sie ihre Arben im Königreich der Schwarzen Berge bis zum letzten Schritt getan haben. Mit unaussprechlicher Genugtuung begrüszen wir diesen ersten Vorboten des endgültigen Sieges, der uns und unserm treuen Bundes genossen sicher ist. Handelt es sich auch zunächst ««r uni den kleinsten der Gegner, die wider uns die Waffen erhoben haben, so ist doch immer die feindliche Kette, die uns um- schliesten und erdrücken sollte, an einer Stelle gerissen, und das Loch, das da unten im Südosten entstanden ist, wird sich nicht wieder zusammenflicken lassen. Jetzt versteht man erst völlig daS auigeregte Treiben, das seit ein Paar- Tagen am italienischen Königshofe zu beob achten war, wo die Tochter Nikitas und ihr hoher Gemahl vermutlich durch den Erbprinzen Danilo von dem, was kommen sollte, mit der gebotenen Schonung verständigt worden sind. Jetzt begreift man auch ganz und gar, warum die Vierverbandsmächie seit einigen Tagen gegenüber Griechenland jede Rücklicht fallen ge lassen haben und dem König Konstantin mit einer Entschlossenheit zu Leibe gehen, die vor keiner Gemeinheit zurückschreckt. Man ahnte in London und Paris schon die kleine Katastrophe, die sich da unten an der Adriaküste vorbereitete, und suchte ihren Eindruck in der Welt schon vorher abzuschwüchen durch die Vergewaltigung eines anderen Balkanstaates, der bisher allen Bitten und Drohungen zum Trotz seine Neutralität gewissenhaft bewahrt halte. Noch ist in Athen die letzte Entscheidung nicht gefallen. Inzwischen hat aber Montenegro bedingungslos die Waffen gestreckt, und der Vierverband steht am Grabe seiner Hoffnungen — zum mindesten seiner Balkanhoffnungen. König Peter ist von den mächtigen, aber hilflosen Freunden des Vierverbandes noch da mit vertröstet worden, dast sein Land nur vor übergehend der Gewalt der Mittelmächte ver fallen sei; der Tag werde schon kommen, wo alles wieder ins Gleiche gebracht werden würde. Er war töricht genug, diesem wesenlosen Gerede zu vertrauen, und muß jetzt seinen Leichtsinn in trauriger Verbannung büken. Der alle Nikita ist weniger gutgläubig. Er hat den offenen Ab fall vom Vierverband vorgezogen und damit zu retten unternommen, was noch zu retten ist. Das ist ein Ereignis von vorläufig noch ganz unabsehbarer Tragweite. Der moralische Ein druck dieser Waffenstreckung must natürlich überall in der Welt ein ganz ungeheurer sein, zumal die Dierverbändler in den letzten Tagen kein Mittel unbenutzt gelassen hatten, um die Be deutung der österreichisch-ungarischen Siege in Montenegro zu verkleinern. Wenn schon „der einzige Freund des Zaren" die Flime ins Korn wirst^und sich bedingungs los den Mittelmächten unterwirft, wie muß es da in Wahrheit um die Sache seiner bisherigen Bundesgenossen bestellt sein, die ausgezogen sind, sich eine neue Welt zu unterwerfen, und nun nach dem Verlust von Belgien, Russisch- Polen, Kurland und Serbien den König von Montenegro ins feindliche Lager übergehen sehen! In erster Reihe darf man natürlich in Italien unmittelbare Rückwirkungen dieses Entschlusses erwarten. Denn es ist selbstverständlich, dast Montenegro den erbetenen Frieden nur erhallen wird unter voller Wahrung der militärischen und politischen Interessen an der Adria, um derentwillen Oster ¬ reich-Ungarn diesen Feldzug geführt hat. Band zwischen Montenegro und Italien ist und bleibt zerrissen, und die Herren Salandra und Sonnino können nun im Verein mit Gabriele d'Annunzio prüfen, wie sie in Zukunft ohne und gegen Montenegro ani Ostufer der Adria, in Albanien und seinem Hinterlande zurechtkommen wollen. In unterrichteten politischen Kreisen ist man der Ansicht, dast Montenegro diesen Schritt ohne Zustimmung Rußlands unternommen hat. Hingegen hält man es für wahrscheinlich, daß Montenegro im vorhergehenden Einvernehmen mit Italien gehandelt habe. Wohl ist Monte negro der schwächste Feind. Allein König Nikita ist ein sehr wohlorienlierter Politiker, und wenn er den Kamps aufgegeben hat, so wird dieser Entschluß auch diejenigen unserer Feinde nach denklich machen, die heute noch große Zuversicht zur Schau tragen. Die Bedeutung des monte negrinischen Friedensgesuches liegt darin, daß Italien aller Wahrscheinlichkeit nach die not gedrungene Zustimmung gegeben hat. verschiedene Uriegsnachrichten. lVon der mit. Zcnmrbehörde zugelassene Nachrichten.) Eine „regelrechte" Blockade Deutschlands. Die amerikanischen Blätter veröffentlichen eine Meldung aus London, wonach die eng lische Regierung binnen kurzem die zurzeit gel tenden königlichen Beschlüsse, die den Handel der neutralen Länder mit Deutschland regeln, durch die Ankündigung einer regel rechten Blockade ersetzen wird. Das amerikanische Ministerium des Äußern hat noch keine amiliche Mitteilungen erhalten. In amerikanischen Regierungskreisen glaubt man jedoch, daß durch eine derartige Maßnahme viele Mißverständnisse aus dem Wege geräumt werden können. * S50V italienische Offiziersverluste. Eine p ri v a l e S ta t i st i k der italienischen Osfiziersverluste mit genauer namentlicher Liste umiaßt 5 Generale, 52 Obersten, 95 Majore, 466 Kapitäne und 1882 andere, im ganzen 2500 Offiziere. * Keine Veränderungen bei Saloniki. Nach italienischen Meldungen befestigt sich immer mehr die Überzeugung, daß Saloniki nicht angegriffen werden und daß noch für ge raume Zeit keine bedeutenden Ereignisse bevor stehen. Aus guter Quelle erfährt ein Mai länder Blatt, daß die Bulgaren die von den Franzosen im Dezember zerstörten Eisenbahn brücken von Demirkapu, Udowo und Gewgheli noch nicht wiederhergestellt haben. Dis Er nennung General Sarrails zum Generalkom mandanten der vereinigten Streitkräfte in Saloniki geschah auf Grund eines englisch- französischen Abkommens. * Die serbischen Flüchtlinge in Italien. ,Tribuna' läßt in einem Begrüßungsartikel an die in Brindisi angekommene serbische Negie rung durchblicken, dast die italienischen Beamten die serbischen Flüchtlinge nicht über mäßig zuvorkommend behandeln. Dem.Corriere della Sera' zufolge passieren andauernd lerbffche, von Bari kommende Flüchtlinge Rom, wo nur wenige Aufenthalt nehmen. Die meisten ziehen die Weiterfahrt nach Frankreich vor. In der letzten Woche sollen mehr als 20000 Serben Rom passiert haben. -i- Die Einigkeit im Vierverband. Der nächste Kriegsrat der Verbündeten wird sich, wie aus unterrichteter Quelle verlautet, eingehend mit der Verwendung der Über reste des serbischen Heeres, das an geblich noch lOOOOO Mann umiassen toll, be schäftigen. Darüber herrscht im Schoße des gemeinsamen Generalstabes keine Einigkeit. England und Frankreich halten nichts von einem Feldzug in Albanien und wollen daher die serbischen Streitkräfte nach Saloniki, und wenn nötig nach Ägypten schicken, wogegen Italien sie in Albanien für die eigene Sache binden will. In London und Paris ist man überzeugt, daß Albanien gegen die Österreicher und Bul garen nicht gehalten werden kann, und daß das Auiwerfen des albanischen Problems durch Italien keinen anderen Erfolg haben kann, als schließlich Griechenlands Mißtrauen Zu steigern und dieses Land in die Arme der Mittelmächte zu treiben. Deutscher Reichstag. (Orig.-Bericht.) Berlin, 18. Jan. 1916. Das Haus besprach am 17. d. Mts. mili tärische Fragen. Der Hauptausschust legte mehrere Entschließungen vor, die die Urlaubs- gewährung, besonders zur Vornahme landwirt schaftlicher Arbeiten, sowie Preisfragen und Regelung der Lebensmittelversorgung zum Gegen stände halten. Abg. Schöpflin (soz.) bemängelte die Be handlung der Mannschaften. Abg. vanCalker (natl.) betonte, daß das Verhältnis zwischen Offizieren und Mannschaften ein glänzendes sei. Nervöse Menschen gäbe es überall, jedoch müsse die Beschwerdeführung er leichtert werden. Es habe sich gezeigt, daß das deutsche Heer aus der höchsten Stufe stehe. Abg. Nacken (Zentr.) bezeichnete unbe dingte Disziplin als notwendig. Für Ge währung von Urlaub treten auch seine Freunde ein. Stellv. Kriegsminister v. Wandel gab seiner Freude über die den Offizieren gewid meten Worte der Anerkennung Ausdruck und erklärte, daß Urlaub so weit als möglich ge währt werden solle und besprach die Frage der Disziplin. Nach kurzer weiterer Aussprache wurde ein Schlußantrag angenommen, gegen den der Abg. Liebknecht (soz.) Einspruch erhob. Daran schloß sich eine Geschäftsordnungsdeballe, in welcher der Präsident dem Abg. Liebknecht einen Ordnungsruf erteilte. Die Entschließungen des Ausschusses wurden angenommen. Pi äsident Dr. Kaempf teilte unter großer Bewegung des Hauses die Einleitung von Friedensverhandlungen mit Montenegro mit. Darauf wurde die Entschließung über die Herab setzung der Soldatenpaketgebühr nach kurzer Er örterung angenommen und Abg. Stresemann (natl.) erteilte Bericht über die Ausschuß verhandlungen über die Zensurfrage. Das Haus hielt am Dienstag seine letzte Sitzung ab, in der er zunächst dem Verlagungs- antrage bis zum 15. März zustimmte. Dabei wurde von dem Redner der Konservativen, Nalionalliberalen und Sozialdemokraten be- zweuelt, daß der Haushaltsplan rechtzeitig fertig gestellt werden könne, da die neuen Steuern eine gründliche Beratung verlangten. Reichsschatzsekretär Dr. Helfferich wies darauf hin, daß die kommenden Vorlagen ledig lich Kriegsmaßnahmen zur Sicherung der Wirt schaftsführung bezwecken, die sehr wohl rechtzeitig erledigt werdey könnten. Die organisatonsche Regelung der endgültigen Steuerbelastung könne erst im Frieden erfolgen. Darauf begann das Haus die Aussprache über die Zensurfrage. Wg. Dittmann (soz.) richtere scharfe An griffe gegen die Zensurmaßuahmen, nannte diese eine Entrechtung des Volkes, eine Einführung russischer Zustände und den Belagerungszustand ungesetzlich und mußte vom Vizepräsidenten Dove mehrfach zur Mäßigung ermahnt werden. Abg. Gerstenberger (ZirO dagegen war der Ansicht, daß die Sozialdemokratie nicht zu arg beaufsichtigt werde. Keine Zeitung habe die Strafen alle so durchgemacht als die .Deut sche Tageszeitung.' Am besten wäre es, alle Zeitungen der Welt für eine Woche zn ver bieten. Dann hätte man auch den Frieden. Abg. Fischbeck (forttchr.) wandte sich eben falls gegen die Zensur und brachte viele Be schwerden vor. Abg. Dr. Stresemann (natl.) meinte, man sollte die Erörterung der Friedensfrage» im Hauke solange verschieben, bis auch ihre Be sprechung der Presse erlaubt sei. Auch Abg. Dr. Oertel (kons.) hatte viele Ausstellungen zu machen, erkannte jedoch an, daß der Belagerungszustand nicht veriassungs- widrig und noch notwendig sei. Die Generale haben Ausgezeichnetes geleistet auf allen Ge bieten des inneren Lebens. Die Presse müsse im allgemeinen freien Spielraum haben. Es sei nicht gefährlich, wenn offen erklärt werde, daß die deutschen Grenzen anders gezogen werden müssen und wenn die Presse offen sage, was das ganze Volk durchdringe. Die Abg. Mertin (Rp.) und Sv ahn (Ztr.) äußerten sich ähnlich. Abg. Heine (soz.) beklagte die Beein trächtigung der persönlichen Freiheit. Als er den Burgfiieden etwas Großes nannte und er von einem Störerer desselben abrücken zu wollen erklärte, machte der Abg. Liebknecht seinem Ärger Luft mit den Worten: „Das sagen Sie als Sozialdemokrat? Schämen Sie sich!" Unter großer Unruhe des Hauses rief Vize präsident Dr. Paasche den Nufer zur Ord nung. Abg. Heine schloß mit dem Wunsche, daß aus der inneren Stärke die Früchte einer besseren Zeit kommen möge. Ministerialdirektor Dr. Lewald betonte, daß der Reichskanzler für den Belagerungs zustand mitverantwortlich fei. Die Zensur sei eine Kriegsmaßnahme. Die Entschließungen des Ausschusses bat er abzulehnen. Weiter er klärte er, dast dem Reichstage eine Vorlage zu gehen werde, wonach Gewerkschaften nicht als politische Vereine betrachtet werden dürfen, sofern sie sich nur mit der Erlangung günstiger Arbeitsbedingungen usw. besassen. Nach kurzen Bemerkungen der Abgg. Walk st e i n und Bassermann wurde ein Schluß antrag unter lautem Protest des Abg. Lieb knechts angenommen. Den Entschließungen des Ausschusses stimmte das Haus zu, lehnte aber die sozialdemokratischen Anträge ab. Nach den üblichen Schlußworten des Präsi denten verlas Staatssekretär Dr. Delbrück die Vertagungsurkunde und mit einem Hoch auf Kaiser, Volk und Vaterland schloß die Sitzung. politische Aunälckau. Deutschland. *Der Herzog von Braunschweig, der mit der Herzogin, von Oldenburg kommend, iu Braunichweig wieder eingelroffen ist, empfing dort den Generalleutnant Zelki-Pascha, der ihm im Namen des Sultans eine türkische Kriegsordens-Auszeichnung über reichte. *Der Bundesrat hat in seiner letzten Sitzung eine Verordnung beschlossen, nach der derjenige, der Salzheringe einführt, ver pflichtet ist, diese an die Zentral-Einkaufsgesell- schaft m. b. H. in Berlin unter gewissen Voraus- setzungen abzuliesern. Der Reichskanzler wird die hierfür nötigen Ausführungsbestimmungen treffen. Holland. * Die Erste Kammer behandelte die Vorlage über die Küstenverteidigung. Minister Lely teilte im Namen des Kriegsministers mit, daß mit dem Bau der Vlijsinger Forts fortgefahren werde, obwohl nach der neuerlichen Durchsicht der Pläne der Generalstab erklärt habe, daß er bei Gelegenheit mit dem Kriegsminister über diese Sache noch in Mei nungsaustausch treten werde. Balkanstaate«. * Griechische Zeitungen berichten, daß die italienische Negierung den verbündeten Mächten erklärt hat, sie könne in keinem Falle das Ver bleiben des Königs von Serbien oder der Trümmer der serbischen Armee auf italie nischem Gebiet gestatten, weil der Eindruck der serbischen Niederlagen auf das italienische Volk ungünstig einwirken würde. Deshalb sei nach Verständigung mit den übrigen Mächten die Unterbringung der Serben aus Korfu be schlossen worden. Coläene LcbrLnlren. LS) Roman von M. DierS. lFortietzungg Mit solchen Meistchen hatte man hier zu tun ? Das war ja ein ganz gefährlicher Hinter wäldler, der von Kultur und gesellschaftlichen Formen Such keine Spur besaß! Sicherlich ein verzweifelter Bankrotteur, der nur in größter Zwangslage sich seines Gutes entäußerte und nun jeden, der harmlos und friedlich auf sein Anerbieten einging, wie einen Be leidiger behandeln zu können glaubte. „Verzeihen Sie, Herr von Neuthner," sagte er, mit der ganzen Geschmeidigkeit seines Wesens. „Ich ahnte ja nick>, daß Sie das verletzen würde. Natürlich werde ich mich jedes weiteren voreiligen Eingriffs enthalten, bis wir einig sind. Ich glaubte aber, nach den Mitteilungen, die mir mein Unterhändler machte, daß Sie gar nicht gewunen seien, so große Schwierigkeiten nuszu stellen, ja ich hielt die Sache sogar schon für so gut wie erledigt." Hans Nenthner war einen Schritt näher ge treten. In seiner ganzen Haltung, in Miene und Blick drückte sich eine solch empörte Ver achtung auS, daß sogar Hugos selbstgefälliger Sinn sich diesem Eindruck, den er machte, nicht verschließen konnte. Und trotz seines über legenen Geldbewußtseins kam ihm doch ein plötzlicher, furchtsamer Respekt. Tie rüde, rück sichtslose Art des Gutsherrn in der vornehmen Aristokratie seiner Umgebung imponierte ibm, und mit eurem bänalicheu Ausdruck. Ler sich m ein höchst liebenswürdiges Lächeln kleidete, wich er unwillkürlich ein wenig zurück. In Hans aber tobte wilder Zorn? Was? Diesen geschniegelten Lasten, diesen ausgeprägten Geldtypus, diesen lächelnden, unterwürfigen Bengel, dem die erbärmlichste Feigheit aus den schwarzen Augen sah — den wählte Magdalene sich Zum Galten? Mit dem vereint wollte sie hier leben — hier — hier! In seinem Hanse! In diesen Räumen, in denen er aufgewachsen war! Hier, wo jeder Fleck, durch tausend Er innerungen geheiligt, zu ihm sprach! Hier, wo die Schritte seiner Mutter gewandelt waren, wo ihre längst erloschene Stimme jede Stätte ge- .heiligt hatte Sein ganzer Körper bebie. Schon schien ihm das ganze Haus entweiht, beschmutzt. Aus den Ecken heraus schienen ihm Töne zu kommen — wie widriges Liebesgekose In Ausruhr kam sein Blut. Nichts dachte er, nichts stihlte er in diesem Moment, als die maßlose Schmach, die man ihm antat. Und Ekel und wahnsinniger Zorn übermannte ihn. „Ich gebe Hallershaus nicht für Sie der I" sagte er mit lauter kräftiger Stimme. Seine Hand griff nach dem Drücker, er öffnete die Tür. Hugo Sehling wurde kreidebleich. Dieser Ausgang war ein völlig unerwarteter. War der Besitzer denn betrunken? Wodurch war dieser fürchterliche Auftritt hervorgerufen? Alles, alles lag daran, den Wütenden zu besänftigen. Das Gut mußte er haben, um jeden Preis! Wie sollte er Magdastne wieder unter die Augen treten? Verächtlich würde er ÜL machen für alle Zeit. - Gut denn, er rechnete damit, dast seine Er scheinung, seine Persönlichkeit den Landjnnker abstieß. Und ohne eine Spur von Gekränktheit zu zeigen, begann er beschwichtigend: „Aber Herr von Neuthner, seien Sie doch nicht so heftig. Ich komme ja nicht für mich, nur als Vermittler einer jungen Dame —" Er stockte entsetzt. In diesem Moment hatte er eine wirkliche körperliche Furcht vor diesem Manne. Der aber trat jetzt mit einer plötzlichen kalten Ruhe beiseite, so daß die weit aufgesperrte Tür frei wurde, und sagte in einem Tone, unter dessen eisiger Härte auch kein Zweifel an seinem Willen mehr bestehen konnte: „Meine Unterhandlungen mit Ihnen, Herr Vermittler, und Ihrer jungen Dame sind jetzt endgültig abgeschlossen. Ich widerrate Ihnen in Ihrem eigenen Interesse jeden weiteren Persuch." „Adieu, Herr von Ncnthner. Entschuldigen Sie —" murmelte Hugo Sehling in verfassungs loser Höflichkeit. Dicht an ihm vorüber mußte er sich schlängeln, daun schnappte er die Tür hinter ihm mit scharfem Klange ein. Hans Neuthner blickte ihm durch das Fenster nach mit grimmigem Hohn. Mit einer Geberde des Ekels wandle er sich. Dann trat er vor das Bild seiner Mutter und fuhr mit der Hand liebkosend über ihre Züge. „Nein, Mutter, dein stilles Grab lasse ich nicht in solchen Händen. Dein Sohn ehrt noch die Stätten, die einst dein waren, du heilige Frau —" * * Bk Hugo Schling aber ging die Ulmenallee hinunter, total wie auf den Kopf geschlagen. Er konnte sich in diese unglaubliche Sachlage noch gar nicht hineinfinden. Er war hinaus- geworfen wie ein Bettler! Ganz ohne Rücksicht darauf, daß er mit goldgefüllten Händen kam. Der Junker mußte verrückt sein, ganz und gar verrückt! Was nun tun? Fortsahren für's erste, na türlich. Dann vor allen Dingen den Unter händler scharf ins Gebet nehmen. Tann noch einen schriftlichen Versuch machen. Mit solchem Menschen war ja absolut nicht zu reden. Viel leicht imponierte ihm ein geschäftsmäßig ab- gefaßles Schreibe» mit Zahle» schwarz auf weiß, besser. Ja, aber wo steckt der Mietskutscher, der ihn von der Station herübergefahren hatte. Das fehlte auch noch gerade, hier seine Person hcrumzutragen! Wenn das der Wüterich sah, hetzte er ihm die Hunde nach. So etwas war an diesem gottverlassenen Fleck nicht unmöglich. Da kam ihm ein junger Knecht in den Weg, der eben ein paar abgesträngte Pferds aus der Scheune führte. „Zum Kuckuck nochmal, wo steckt mein Esel von Kutscher?" herrschte er ihn an. Ler junge Mensch spukte bedächtig einen Strohhalm ans, an dem er kaute und sagte mit phlegmatischem Grinsen: „Nu, wo fall hei wäsen? Im Kraug ward hei sittcn, loopens man sülwest rinner iu't Dörp." Kein Zweifel, die Kunde seiner Niederlage war in Windeseile verbreitet worden. Sehr natürlich übrigens, bei dieser fatalen weit offenen Tür. Sonst hätte sich jedenfalls der freche Mensch nicht solches Betrage» erlaubt!
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