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unterwegs noch Hilfe gebraucht, so nimmt man möglichst noch Verwundete auf. Unsere neuesten Berliner Omnibusse leisten hier als lackierte Feldgraue treffliche Dienste. „4 Liegende oder 8 Sitzende ist jetzt ihre Aufschrift zumeist, statt „Molkenmarkt" und „Moabit". Ueberzählige müssen ffie ^aber auch hier mit nehmen, ohne Zagows Genehmigung. Bei den einzelnen Lazaretten istZTag und Nacht Arzt- und Pflegerdienst eingeteilt, so daß die beschädigten Krieger bald ärztlich versorgt sind. Erlaubt es der körperliche Zustand, so findet schon wenige Stunden darauf eingehende Untersuchung der Wunden, äußere und innere Reinigung vom Schmutz, Stiesel-, Kleider- oder Geschoßteilen statt. Über jeden Fall mutz der betreffende Saalarzt einen ge nauen Befund schreiben, wobei er von geeigneten Hilfskräften aus dem Kreise der Genesenden oder Leichtverwundeten unter stützt wird. Gleich hinter der Feuerlinie hat die bewährte Or ganisation des deutschen Militarismus dafür gesorgt, daß selbst nach großen Gefechten die friedliche Lazarettordnung ausrechter halten wird. Hohe Anforderungen werden allerdings im jetzigen Kriege an die ärztliche Kunst gestellt, aber die überwiegend günstige Wundheüung zeigt doch, daß wenigstens die Natur dem deutschen Können recht gibt. Amputationen sind leider immer noch nicht aus der Welt zu schaffen; die Kriegschirurgie mutz darum auch heutzutage Meißel und Säge in Bewegung setzen. Was jedoch erreicht wird, erfüllt unsere Helden mit Zuversicht. Line Vision, wie im Gedicht vom Ritter Götz im Schützengraben, das wir neulich in westlichen Feldlazaretten von Marcell Salzer hörten, lebt in jedem Kriegsbeschädigten, vermag er selbst physisch oder psychisch die Tragweite des Geschehenen oft nicht zu be urteilen. Wie ein Seelsorger befaßt sich der Militärarzt auch mit den wechselnden Stimmungen seiner Patienten, ermuntert herzhaft und gutmütig die leidenden Wassenkameraden. So bildet sich ein beinahe freundschaftlicher Umgangston heraus, der gewiß auch an der Stelle rein menschlicher Hilfstätigkeit ein scköner Beweis für das herzliche Einvernehmen deutscher Vorgesetzter mit den Mannschaften ist. Umgekehrt wird aber auch ein tüchtiger Arzt ohne weiteres im Herzen aller hilfs bedürftigen Kameraden anerkannt. Wer als ganzer Kerl draußen um sich hauen muß, der bringt das nötige Verständnis dafür mit, was es im jetzigen Kriege bedeutet, Wunden zu heilen! Var Lies vom Wöenbmg. Melodie: König Wilhelm saß ganz heiter usw. Hindenburg, du edler Recke, Brachtest unsern Feind zur Strecke Droben dort in Preutzenland, Wo die blanken Seen blinken Und die dunklen Wälder winken, Traf ihn deine Eisenhand. Gerade wärest du entschlummert, Als an deine Tür gekümmert Lin Befehl von Majestät: „Hindenburg, Du sollst es wagen, Draußen steht der Extrawagen, Der gradaus nach Preußen geht." Hei, wie sprangst du aus den Federn, Dampfst aus flinken Eisenrädern Mitten in die Schlacht hinein. „Morgen, Kinder, seht da bin ich, Und die Schlacht, patzt auf, gewinn ich Oder will ein Lügner sein." Hindenburg, hast nicht gelogen, Hast sie tüchtig umgebogen Mit Geschütz und Stiel und Stumpf. Hunderttausend Mann gefangen, Well sie dir ins Garn gegangen, In den Hohensteiner Sumpf. Hindenburg, dir woll'n wir danken, Daß du mit den Löwenpranken Niederschlugst den Zottelbär. Wo du wellst in deutschen Landen, Soll es heißen: „Stillgestanden! Präsentiert ihm das Gewehr!" 18 Vie Vettern. Novelle von Wilhelm Berger. - (Schluß). (Nachdruck verboten.) Verletzt sprang Helene auf. „Wenn du keinen bessern Rat für mich hast, Mutter, dann hätte ich besser getan, zu schweigen, wie ich mir auch vorgenommen hatte. Ich sehe schon: auch zu Hause gibt es nicht für jedes Weh ein schmerzstillendes Mittel. Als ich hierher eilte, glaubte ich's noch. Es war eine Illusion aus meiner Kinderzeit. Jetzt ist auch sie verflogen - mit so vielen anderen. — Ich mutz gehen, vielleicht werde ich doch vermißt, wenn auch nicht entbehrt." „Wo ist dein Mann?" fragte Käthe. „Gr ist auf sein Bureau gegangen, nachdem er sich vom Reisestaub gereinigt hatte." „Erlaube mir, Helene, daß ich dich begleite", sagte Wernitz. Sie sah ihm an, datz er fich auszusprechen wünschte. „Komm, latz uns gehen", erwiderte sie. „Wie glücklich bin ich doch, datz ich einen Freund aus Erden habe!" 17. Es schlug zehn Uhr, als sie ans die Straße traten. Die Nacht war warm; Helene indessen zog ihr Tuch dicht um die Schultern. „Mich fröstelt beständig", klagte sie. „Ich möchte einmal auf eine halbe Stunde in einen warmen Backofen kriechen." Schweigend ging Gustav eine kurze Weile neben ihr her. Dann begann er: „Ich habe — erlaube mir, daß ich's bekenne — den Eindruck empfangen, als ob du den Kampf zu leicht aufgegeben hast. Einen werten Besitz verteidigt man bis aufs äußerste — mit allen erlaubten Mitteln. Hast du das getan?" „Nein", bekannte Helene betroffen. „Ich fühlte mein Recht verletzt und zog mich schmollend zurück." „Du hast nicht bedacht, daß alles Errungene behauptet werden, gewissermaßen täglich aufs neue erobert werden mutz. Der Ring am Finger garantiert nicht den Frieden aus alle Zeit; er kann die Entwicklung der beiden Menschen, die er aneinander fesselt, nicht zum Stillstand bringen; er vermag nicht, die Wirkung neuer Eindrücke auszuschließen. Gr bedeutet nur das Gelübde, alle Kraft einzusetzen, damit die Liebe nicht weiche. Es scheint mir, daß du dieses Gelübde nicht gehalten hast." l ' „Und er?" fiel Helene hitzig ein. „Von deinem Manne spreche ich nicht. Nur von dir. Aus^dem Rechte alter Freundschaft. Mit dem Wunsche, dir einen Weg aus dem Wirrsal zu zeigen, in das du geraten bist." s> „Und der wäre?" „Ich habe ihn bereits angedeutet. Gewinne zurück, was du verloren hast. Mit der Fülle der Liebe. Du kannst es." Eine Weile blieb Helene stumm. Dann ries sie aus: „Und wenn ich diesen Weg beschreite — was winkt mir am Ziele? Die Krone der Selbstüberwindung. Ist sie des Lebens wert?" Ernst erwiderte Wernitz: „Das ist die einzige Krone, die ihren Träger auf die Höhen der Menschheit hebt. Der Schmerz hat sie geweiht und Tränen sind ihr Schmuck. Doch das Herz hat Ruhe unter ihr —" Gr brach ab. Sie waren in der Nähe des Blankschen Hauses angelangt. „Du hast nur noch wenige Schritte", sagte er in verändertem Tone. „Entschuldige mich. Meine Maschinen laufen; ich mutz hin zu meinem Werke." Flüchtig Helenens Hand drückend, eilte er davon. In diesem Augenblick trat Artur aus der Tür seines Hauses. Sofort hatte er seine Frau erspäht, aber auch den Mann, der sich mit raschen Schritten von ihr entfernte. Bei Helene angekommen, sagte Artur spöttisch: „Ich hätte mich nicht zu bemühen brauchen, wie ich sehe. Wer ist der Ritter aus flinken Füßen, der sich dort dem Vergnügen entzieht, meine Bekanntschaft zu machen?" „Ich komme von Mama, wo ich Wernitz traf. Da er noch Arbeit im Elektrizitätswerke hat, so hat er mich bis hierher begleitet." „Wenn ich mir's nicht dachte!" brauste Artur auf. „Wernitz. Immer und überall Wernitz! Ich glaubte, ihn zermalmt zu haben — nein: da ist er wieder, frisch und munter, und wildert in meinem Gehege . . ." „Artur!" schrie Helene auf.