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Allgemeiner Anzeiger : 29.01.1916
- Erscheinungsdatum
- 1916-01-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191601292
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19160129
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- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1916
-
Monat
1916-01
- Tag 1916-01-29
-
Monat
1916-01
-
Jahr
1916
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 29.01.1916
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Rsiscns GeburtstAg. Mohr «sch als i» srühersn Jahilin drängt er uns 1i)rutfche in dieser schweren Zeit der Kliegsn^s, des Kancrs an seinen: Geburtslage zu gedeillm; denn in diesen Tagen deS Sturmes urd deS Kampfes ist es dar aller Wett so recht offenbar geworden: Kaiser und Bolt sind eins rMc) nicht van einander zu trennen. Fest ver ändert ui die Erkenntnis, daß für Deutschland alUin di; Monarchie, die Staatsform des nationale» Enolges, des nationalen Ge- deKiens ist» Indes, drr Sinn steht uns heute nicht nach Festreden und lauten Huldigungen. ES gibt ja >'rum eine Tür, an die nicht Frau Sorge odeü' gar der Schnitter Lod mit hartem Finger geMht HAK, kaum ein HauS, in dem nicht zu der ÄewrgM um die Geschicke des Vaterlandes pers4n!iches Leid sich gesellt hätte, und die, an dem ii die Heimsuchung bis jetzt vorübergegangen, empfinden den Schmerz der Volksgenossen wie ihren eigenen. Und doch haben wir alle das Bedürfnis, gerade zu Kaisers Geburtstag uns noch einmal zusammenzufmden in dem Geiste des 4. Augusts .1914, in dem Bewusstsein einer uns alle auf Gedeih und Verderb miteinander verkettenden Gemeinbürgschaft, der Liebe und des Vertrauens zum Kaiser, der keine Parteien mehr, fondem nur noch Deutsche kennt. Der Kaiser hat ersucht, von festlichen Veranstaltungen und glückwünschenden Kundgebungen abzuschcn und an seinem Geburtstage den Gesinnungen gegen ihn durch Gaben der Liebe zur Linde rung der durch den Krieg geschlagenen Wunden oder durch erhöhte Teilnahme an der Kriegs fürsorge Ausdruck zu geben. Dieser Wunsch wird überall fruchtbaren Boden finden. In vielen Städten des Reiches haben sich die in der Kriegsfürsorge tätigen Vereine darüber verständigt, daß an dem Geburtstags des Monarchen in diesem Jahre Sammlungen veranstaltet werden sollen, deren Ertrag den Soldaten im Felde, den Verwundeten oder den Hinterbliebenen gefallener Krieger zugute kommen soll. Das ist sicher im Sinne des Kaisers. Darüber hinaus aber soll des Kaisers Wunsch an seinem Geburtstage von allen deutschen Frauen und Männern beachtet werden. Wo immer sie in der Familie, in Gesellschaften oder Vereinen zusammenkommen, sollen sie ihr Scherf lein beilragen zu einer Volksspende des 27. Januar 1916, die wiederum Zeugnis ab legt von de» ungebrochenen Willen des deutschen Volles mit Äkn Kräften gemeinsam für den Sieg des Vaterlandes zu wirken, die wieder vor aller Welt offenbar werden läßt, daß wir, Wie in den Augusttagen 1914 entschlossen sind, unser letztes einzusetzen für unser Vaterlandes. Auch wir hinter der Front sind uns wohlbewußt, daß wir diesen Kampf führen für unser Vater land, Unsere eigene Existenz und für unsrer Kinder Zukunft. Sorge deshalb jeder durch einen Beitrag zur .Kriegsfürsorge dafür, daß dieses Gedenken des Kaisers zur klingenden Tat werde, die den Feinden da draußen zeigt, daß ihre verächtliche Hoffnung auf unsern Kleinmut zerschellt an der festen Entschlossenheit jedes Deutschen, durchzu- halten und auszuhalten, was da auch kommen mag. Dann wird der 27. Januar als ein weithin leuchtendes Zeichen deutscher Gemein- bürgschaft in die Welt hinaus die Kunde tragen, daß ALdeutschland in dankbarem Vertrauen zum Kaiser und gestützt auf sein gutes Recht und seine ehrliche Sache jenem „Baralong" -Geist, der meuchelt, verleumdet und unter falscher Flagge fährt, die Stirn bieten wird bis zum siegreichen Ende. Wir haben oft in früheren Tagen, als noch die Sonne des Friedens uns lächelte, unseres Kaisers Geburtstag gefeiert mit Festessen und sonstigen nicht immer billigen Veranstaltungen. s Deutsche Männer fanden sich immer gem Zu- j sammen, wenn es galt, das Wohl des Landes herrn, des Führers im Reiche bei einem Trünke anSzuLringen. Nichts dergleichen in diesem Jahre! Wenn wir alle, die wir sonst an Fest lichkeiten teilnahmen, unsere Schaufenster schmückten oder Lichtanlagen zu Illuminationen schufen dem Wunsche unseres Kaisers folgen und für die Kriegsfürsorge die Summen früherer Jahre spenden, so werden wir hinter der Front einen gewaltigen' Sieg erfechten. Darüber hinaus aber soll uns dieser 27. Januar eine Mahnung sein, nicht nachzulasssn in Werken der Liebe und Fürsorge. Das heißt jetzt: Kaisers Geburtstag würdig begehen. Verschiedene MegZmchrichten. (Von der mit. Zcnsurbchörde ziigelasscnc Nachrichten.) Deutschland in der Luft voran. Manchester Guardian' bezeichnet in einem Leitartikel die Erklärungen Tennants über die Lu ft kämpfe an der Westfront für unbefriedigend. Das Blatt betont, daß Deutsch land im Bau von Flugzeugen England überflügelt habe. Die Deutschen benutzten verschiedene Typs für verschiedene Zwecke. Sie haben in den letzten sechs Atonalen Zwei neue Flugzeuge eingesührt, darunter den Fokkertyp, mit dem sie eine neue Taktik entwickelten. Die Engländer haben dem nichts an die Seite zu stellen. Kriegserklärung Essad Paschas au Listenreich? ,Le Journal' erklärt, daß die Kriegser klärung Essad Paschas an Österreich noch unbestätigt ist. Immerhin ist möglich, daß der immer unruhige Essad Pascha am Kriege tcilnehmeu will, umsomehr, da er seine Herrlich keit durch den österreichisch-ungarischen und bul garischen Vormarsch bedroht sieht. — Er wird die Lage auch nicht ändern. * Die Reste der Serbenarmee. Wie Mario Passarge aus Konstantinopel der ,Voss. Zig.' meldet, gehen ihm folgende An gaben über die Stärke des nach Albanien ge flüchteten und vorläufig in Sicherheit ge brachten serbischen Heeres zu, das sich der Verfolgung der Verbündeten entzogen hat. Esbeträgtrund tOOOOOMann mit 3500 Offizieren. 50 000 Mann sind noch mit Gewehren versehen. Sie sollen weiter über 170 Maschinengewehre verfügen, während das Artilleriematerial fast völlig verloren gegangen ist. Ein großer Teil dieser Kräfte ist, wie gemeldet, bereits nach Saloniki transportiert. , * Fortdauer der Truppenlandungen in Saloniki. Nach einer Meldung -des Lyoner Hrogws' aus Saloniki dauern die Landungen frischer Truppen des Vierverbandes an. Dir Verbündeten befestigen das Vardarufer mit Drahtverhauen und versenken Minen im Vardar fluß. Auch sind viele serbische Sol daten bei den französischen Abteilungen am Vardar eingetroffen. * Die ohnmächtige VierverLandsflotte. Stach dem Phrasenschwall von den unein nehmbaren Stellungen in Saloniki, wo ein mächtiges Geschwader vereinigt sei, er regt die Nachricht, daß ein deutsches Unterseeboot einen englischenTrans- portdampfer am Hafeneingang von Salo niki selbst versenkte, in Italien Arger und Bestürzung. Die Kämpfe in Mesopotamien. Kämpfe konnten infolge von Über schwemmungen am 22. nicht wieder aufgen ommen werden. Aylmer besetzte eine Stellung, die 1300 Parbs von den feind lichen Laufgräben entfernt ist. Das sehr schlechte Wetter hält an. Wie gemeldet wird, sind die Verluste auf beiden Seiten sehr schwer. — Die Meldung klingt durchaus nicht siegessicher. Der Irrtum des VierverdandeZ. Rückblicke und Ausblicke. In einem Rückblick auf den jetzt anderthalb Jahre dauernden Krieg stellt das .Fremdenblatt' fest, daß der große verhängnisvolle Irrtum der Vierverbandsstaaten darin bestanden habe, daß sie die Kraft Österreich-Ungarns weit unter schätzt hätten. Gerade weil der Viervervand die Kraft Deutschlands nie unterschätzt hat, heißt es weiter, sie vielmehr für gewaltig hielt, hatte er diesem den Untergang geschworen. Er konnte aber nur daun hoffen, unseren Verbündeten leicht zu besiegen, wenn es ihm gelungen wäre, ihn auf sich selbst zu stellen, sei es, daß er Osterreich-Ungarn seinem Bundesgenossen ab spenstig machte, oder sei es, daß er die Monarchie schnell niedergeworfen hätte. Und eben daran, daß sich alle Hoffnungen sowohl auf einen inneren Zerfall als auf militärische Schwäche und geringe Ausdauer der Monarchie nicht erfüllt haben, ist der sonst so wohl ausgeklügelte Plan unserer Feinde gescheitert. Nun hätte die Lebenskraft und Zähigkeit, welche die österreichisch-ungarische Monarchie ge zeigt hat, den Vierverband bestimmen müssen, ein wenig nachzudenken. Aber wie die irrige Abschätzung der Kraft Osterreich-Ungarns den Vierverband in den Krieg gelockt hat, so hat ihn die irrige Abschätzung der Wirkung der Zeit veranlaßt, den Krieg fortzuiühreu. Während in Paris, London und Petersburg die Annahme herrschte, daß, je länger der Feldzug dauere, die Lage der Mitlelmächte um so schlimmer werden müsse, war gerade das Umgekehrte der Fall. Die lange Dauer ist nicht für die Mittel mächte ungünstig, sondern für die Mächte des Vierverbandes. Uns hätte man schnell besiegen müssen. Statt dessen konnten dis Mittelmächte die feindlichen Gruppen schlagen, andere feind liche Gruppen auihalten und durch fortwährendes Zurückwersen so ermüden, daß der kühne Durch bruch von Gorlice möglich wurde, der für lange Zeit bas Schicksal des Landes entschieden hat, das seither mit Hilfe unseres östlichen Verbündeten seinen Lauf nimmt. Wir können die Heere des Vierverbandes, der seiner geographischen Lage zweifellos ge wisse Vorteile verdankt, nicht bis in die letzten Winkel verfolgen, sodaß sie auch jetzt noch das Spiel hinzuziehen imstande sind, obwohl sie die Partie längst verloren haben. Der Unterschied liegt aber darin, daß die Arbeit, die die Zeit für uns getan hat, fruchtbar gewesen ist, dagegen die Arbeit, die sie jetzt für unsere Feinde Int, unfruchtbar ist. Der Versuch, die Mittelmächte auszuhungern und niederzumenen, um dann die Weltherrschaft, die nach Austeilung der Türkei vollständig ge worden wäre, bequem genießen zu können, ist endgültig mißglückt. Was jetzt noch gegen uns unternommen wird, sind leere Schachzügs, die am Ausgange nichts ändern können. Das Spiel war schon von vorneherein veriehlt und aus falschen Grundvoraussetzungen aufgebaut. psLitilcke Deutschland. *Wie aus zuverlässiger Quelle verlautet, ist es sicher, daß schon imMärz die Vorlagen überdie neuenSteuern dem Reichs tage zugehen werden. Als Gesamtertrag dieser neuen Steuern sind 500 Millionen Mark in Aussicht genommen. Um dieses Geld auf zubringen, werden die Zigaretten, die Zigarren, die einzelnen Zweige der Post und Telegraphie und der Eisenbahnverkehr her- angezogeu werden. Bei der Post und Tele graphie wird es sich nicht nur um eine Erhöhung der Telegrammgebühren und des Paketportos Das Indische Amt teilt mit, daß General Aylmer am 21. die türkische Stellung bei Eisin angriff. Den Tag über wurde heftig mit wechselndem Erfolge gekämpft. Elendes Wetter und strömender Regen erschwerten die Be wegungen der Truppen außerordentlich. Die handeln, sondern auch um eine Erhöhung des Briesportos und der Fernsprechgebühren. Bei der Eisenbahn wird wahrscheinlich eine Erhöhung der jetzigen Slempelabgaben staltsinden. * Auf ein Telegramm der Landwirtschafts kammer für Hannover hat der Reichs kanzler u. a. geantwortet : Ich bin über zeugt, daß Deutschland, für das die Erhaltung und Steigerung der landwirtschaft lichen Erzeugnisse ein Lebensinteresse bildet, sich auf seine Landwirte verlassen kann, deren Tatkraft vor keiner Schwierigkeit erlahmen und dem deutschen Volk auch in Zukunft sein täglich Brot sichern wird, allen feindlichen Ver nichtungsplänen zum Trotz. *Wie aus parlamentarischen Kreisen ver lautet, will die preußische Staats- regierung Fürsorgemaßnahmen unternehmen, um einer Katastrophe im städtischen Hausbesitz nach Friedensschluß vorzubeugen. Zwei Vorlagen sollen zu diesem Ende zunächst dem Abgeordnetenhause unterbreitet werden: ein Gesetzentwurf betr. die Errichtung allgemeiner Taxämter und eine Vorlage, durch welche ein Kredit von 10 Millionen beansprucht wird, um den Provinzen Beihilfen zur Errichtung von öffentlichen Pfandbrieiämtern für den städtischen Hausbesitz gewähren zu können. England. *Lord Rosebery sagte dieser Tage in einer Rede in Edinburgh, er zweifle zwar nicht an dem endgültigen Siege des Vierver bandes, aber England werde sich dabei nahezu Zu Tode verbluten, denn mit einer Ausgabe von 1600 Millionen Pfund im Jahre sei es klar, daß England eine Schul denlast auf sich nimmt, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat. *Der höchste englische Gerichtshof entschied in einem bestimmten Falle, daß die Habeas- korpusakte von 1679, die den Schutz der persönliche» Freiheit verbürgt und auf die jeder Engländer stolz ist, auf gehoben sei, so daß die Polizei jeden Eng länder ohne vorangegangenes gerichtliches Ver fahren einsperren und gefangen halten kann. (Die Entscheidung hängt offenbar mit der E i n- führung des Zwangsdienstes zu sammen. Ist doch schon im englischen Unter hause die Äußerung gefallen, daß sich infolge des Zwangsdienstgesetzes die englischen Gefäng nisse füllen werden.) Luxemburg. *Die Lösung der Ministerkrise stößt auf mancherlei Schwierigkeiten. Die Groß herzogin gab Vannorus, dem früheren Ver treter Luxemburgs in Frankreich, den Auftrag, ein neues Kabinett zu bilden. — Die Regierung hat zur Sicherstellung der Verproviantierung des Gnoßherzogtums durch das Ausland eine amt liche Uberwachungskoinmission für die Einfuhr, den Einkauf, die Verteilung und Verwendung aller im Ausland gekauften oder zu kaufenden Waren eingesetzt. Valkanftaaten. * Englische Blätter berichten, das; der ser bischen Regierung das Achilleion zu entlegen ist, weshalb sie sich iu Korfu nieder- lassen wird. Das Achilleion wird von König Peter oder Kronprinz Alexander bewohnt werden. Täglich werden zahlreiche Serben aus- geschisft. In der Sanitälsstation wurden bereits Tausende durch die französische medizinische Mission untersucht. Die Flüchtlinge leiden am meisten unter Erschöpfung. Die Fran zosen versorgen die serbischen Soldaten mit neuen Ausrüstungsgegenständen, sobald sie sich von den durchgemachten Strapazen erholt haben. * Der bulgarische Ministerpräsident Rado slawow äußerte sich zu verschiedenen Abge ordneten, die er empfing, sehr begeistert über die Herrscherbegegnung von Nisch und erklärte weiter, die Behauptung sei unwahr, daß Griechenland durch die Verbündeten zu einem Kamps gegen Bulgarien gezwungen werden könne. Die griechische Armee sei auf der Seite des Königs, und dessen Überzeugungen seien be kannt. Griechenland könne nicht ge zwungen werden, seine Neutralität auszugeben. Goläens Lckranken. 27^ Roman von M. DierS. (Forlsetzung uud Schluß.) „So, das ist alles?" murmelten ihre beben der, Lippen. Lv. Erregung, die durch ihr ganzes Wesen ging, war zu stark, als daß der Mann, der ihr gcgcnnbersaß, sie nicht hätte merken sollen. In sein siegessicheies Einpfinden drängte sich ein Erstaunen. Sollte dies große Interesse, das Fräulein Heider zeigte, vielleicht einen anderen Grund haben als den, den fein Wünschen ihm vor- spisgelte? Nein, nein, bas durfte nicht sein, das war ja Unsinn. Sie war nur ein unerfahrenes, empfängliches Wesen, das von solcher Erzählung gleich aufs höchste aufgeregt wird. „Ja, nicht wahr, es ist eine mteresicmie Ge schichte, die unser ich meine: Ihr altes Schloß hat?" Sie hörte ihn gar nicht. Ruckhaft stand sie auf und trat an das breite Fenster, das einen Ausblick gab auf die bunlgefärbten Laubbäume der Nachbargärten. Sie hatte nur das eine unklare Bestreben, ihm den Ausdruck ihres , Gesicht zu entziehen — im übrigen dachte sie kaum mehr an ihn. Denn all bas zurückgedrägte, gefesselte, Zu Tode gequälte Leben ihres Herzens war empvr- gcsprungen, erwacht mit einen: einzigen jauch zenden Schrei. Ihr schwindelte, ihr war, als müsse sie um Hilfe rufen, als könne sie es nicht allein tragen, das, was so plötzlich über sie kam — das namenlose Glück. Es war nicht wahr, was Erna gesprochen hatte. Die Wut sprach aus ihr, der entsetzliche Neid. Und jetzt erst — jetzt verstand sie ihn voll in dem, was er damals durchmachte, als er zu ihr von der Last der Lüge sprach. Ja er trug an der Schuld eines andern — und er hatte sie tapfer getragen. Vis daß ihm die Erkenntnis kam, daß sein Opfer eine Ver schwendung war. Und als er sich mit Jauchzen aus den Banden löste, als er zu ihr kam, ein befreiter Mensch mit klarem, starkem, ehrlichem Empfinden — da war das Schreckliche geschehen — da war das Gift in ihre Seele gedrungen — Brennend stieg es ihr in die Wangen, und in Scham md heißer Neue preßte sie das Ge sicht iu beide Hände. Ihre Gedanken waren nicht mehr hier. Sie waren drüben bei dem Fernen, dem Ge kränkten, dem namenlos geliebten Mann. Und nur das eine beherrschte all ihr Empfinden, der glühende, ungeduldige Wunsch, gut zü machen, heute noch, in dieser Stunde noch Hugo Sehling war aufgesprungen und hinter sn getreten. Eine Unsicherheit lag in seinem Wesen. Seine Stimme weckte sie auf. Rasch wandte sie sich herum und sah ihn an. Aber sie sah nicht mehr den Mann vor sich, den sie im Innersten verachtete und verabscheute, dessen Anblick ihr eine Last und Qual war, sondern sie sah in ihm nur den Boten des übermenschliches Glücks, das er ihr gebracht hatte. Ihre Augen strahlten ihn an. „Herr Sehling, Sie wissen nicht, was Sie mir eben getan haben. Ich kann es nicht aus sprechen, aber ich danke Ihnen, wie ich noch keinem Menschen gedankt habe." „Nehmen Sie meinen besten Dank für Ihre Bemühungen in meinem Interesse, Herr Sehling." In seiner Verwirrung beugte er sich noch nieder und küßte ihre Hand, obwohl er sich nachher dafür hätte ohrfeigen mögen. Und dann blieb ihm nichts übrig, als zu gehen. Stümme, verzweifelte, ratlose Wut im Herzen. * * * Regen schlägt au die Scheiben des Gntshanses zu Hallershaus. Mit den schönen Akazien an der Einfahrt spliugt der Wind rücksichtslos herum, und streifenweise flattern Blätter nieder, die gern noch ein bißchen gelebt hätten, ein Opfer des nahenden Herbstes. Hans Reuthner sitzt vor seinem Schreibtisch. Er hat den Kopf in die Hände gestützt, und sein Sinn verliert sich in nutzlosem, schwerem Grübeln. Sollte er doch sein Heim verlassen. Uud er sah in dis Zukunft hinaus, die ihn angähnte, schwarz, tröstlich, ohne einen lichten Punkt, an den sein Lebensmut sich klammern konnte. Er stand auf und ging mit schweren Schritten in das Hinterzimmer, wo eben die Wirtschafterin das Porzellan verpackte. Eine Weile stand er und sah ihr zu. Dann gab er ihr einige Rat schläge, aber er wußte kaum selber, was er sagte. Die alte langjährige Dienerin ant wortete nur durch ein Nicken, die Tränen steckten ihr in der Kehle und ihre Augen waren dick verweint. Dunkel empfand er, daß seine Gegenwart die Frau mehr quälte, als daß sie ihr von Nutzen war, und nach einer Welle ging er stumm wieder hinaus. Als er in sein Zimmer trat Er prallte zurück. Er glaubte, ein unsinniger Traum narre ihn — In einen Regenmantel gehüllt —ein rundes Filzhütchen auf dem Kopf, unter dem hervor die nassen Löckchen sich drängten — in den großen Augen einen Ausdruck bangenden Glücks — so stand Magdalena neben der Tür, wie ein scheues Kind, das sich verlaufen hat und nun froh ist und bang zugleich, wieder nach Hause zu kommen. Er vermochte nicht zu sprechen. Ihr gegen über, am andern Ende des Zimmers blieb stehen und wie entgeistert starrten seine Blicke sie an. Unter diesem stummen Anstarren wmbs die Scheu in ihren Zügen. Nur mühsam und leise kam es von ihren Lippen: „Frau Bertram ist auch hier — da nebenan- Sie — brachte mich her — ich — ich —" Das Erstaunen in ihm löste sich. Ein an deres Gefühl, sinnlos in seiner zornigen Leiden schaft befiel ihn. „Das Gut ist nicht mehr zu haben," stieß er finster hervor. „Nicht mehr für Sie und nicht mehr für Herrn Sehling. Bestellen Sie ihm das." , Er hatte den Blick von ihr gewandt und schritt an den Schreibtisch. Alle seine Nerven zogen sich zusammen unter einem übermächtige» ' Schmerz.
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