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Lin farmlierrblalt Nr. 1. 1916. Verlag Stadt und Land Max Wundermann, Berlin W. SV Münchenerstraße 35. Wattierte; ilmerdaltiiMblan Erscheint jede Woche. —— Vie Mcksrekuppen. Humoreske für Silvester Nachdem der Stabsarzt Doktor Stelle den Leutnant der Reserve Karl Wenzel längere Zeit stumm aber sehr aufmerksam beobachtet hatte, fragte er endlich ziemlich besorgt: „Was haben Sie eigentlich, Wenzel? — Fortwährend zucken Sie nervös zusammen, als empfänden Sie ein starkes Unbehagen. — Dabei wollten Sie doch heute eine richtige lustige Silvesterstimmung zeigen. Unser Unterstand ist geradezu pomp haft. . . Wein ist auch da. . . Ich begreife also nicht recht. . ." „Ich erst recht nicht, lieber Doktor. — Als ich heute früh aufstand, war nur noch ganz normal. — Aber jetzt ist es zum Tollwerden. Sobald ich mich nur bewege, sticht es an bestimmten Stellen meines Körpers wie mit Nadeln. . ." „Sollten Sie vielleicht irgendeine Kinderkrankheit bekom men? — Ein paar Leute haben sich an den Masern gelegt! — Warten Sie mal, das müssen wir gleich feststellen." Aber es war nichts Auffälliges an Karl Wenzel wahrzu nehmen. — Da redeten sie weiter nicht davon. — Nur zu dem Gefreiten Siebecke, der im Felde seinen Burschen und daheim auf dem Rittergut Pesenken den herrschaftlichen Kutscher vorgestellt hatte, tat er später noch einige Fragen: „Sagen Sie mal, Siebecke, haben Sie heute irgendetwas Auffälliges an meiner Uniform entdeckt?" Siebecke wurde ab wechselnd rot und blaß. Aber sein Vorgesetzter merkte das nicht, weil er sich gerade wieder setzen wollte, und das Pieken von neuem begann. „Zu Befehl, nein, Herr Leutnant." „Na, dann bilde ich es mir eben ein! — Schön!" Und für sich dachte er mit leiser Bitterkeit, daß es vielleicht das Heimweh nach ihr. . . der einen, heimlich Geliebten, wäre, das ihm so maßlos zusetzte. Diese Eine, die zugleich die Einzige war und blieb, die für ihn in Betracht kam, war leider die Tochter des schwerreichen Rittergutsbesitzers Deimke, die oft genug ausgesprochen hatte, daß man sie lediglich ihres Geldes halber begehrenswert finde. Das aber wollte Karl Wenzel nicht auch von sich gesagt haben. — Darum überwand er sein Herz und zog schweigend ins Feld. — Nicht einmal Urlaub hatte er bisher gewollt. — Wozu auch? Er besaß niemand mehr, der ihn mit Sehnsucht erwartet hätte. Darum blieb er lieber auf seinem Platz. — Herr Deimke schrieb ihm fast jede Woche und er antwortete auch wieder und berich- von Käte Lubowski. ... (Nachdruck verboten.) tete das Erfreuliche aus seinem jetzigen Leben. — Von Hilde Deimke wußte er nicht viel mehr, als daß sie daheim tüchtig mitschaffte und für ihre Vettern und seinen Burschen fleißig der Feldpost zu tun gab. — Siebecke war sicherlich besser unterrichtet, denn er hatte sich mit dem Pesenkener Stubenmädchen noch in aller Eile kriegstrauen lassen, ehe es dem Feinde ans Leder ging. — Das körperliche Unbehagen wirkte entschieden ungünstig aus seine Willenskraft. Denn ohne es zu wollen, tat er eine Frage nach ihr: „Was hören Sie übrigens von dem gnädigen Fräulein daheim, Siebecke?" Die Hellen Augen des Gefreiten glänzten stolz. „Sie hat mir ein feines Paket geschickt, Herr Oberinspektor — Herr Leutnant, wollt' ich sagen. Zu Befehl! — Lin Töppken Gänseschmalz ist auch dabei." Gänseschmalz . . . Leutnant Karl Wenzel schloß die Augen, als empfinge er eine angenehme Liebkosung von zarter Hand. „Sooo — und was dann noch, Siebecke?" Der Gefreite lächelte geheimnisvoll. „Strümpfe, Herr Leutnant — und ein Fläscheken Silvester punsch und ein Stück richtigen Karpfen in Essig! Ganz dick eingekocht. Damit ich auch weiß, daß Silvester ist . . ." „Hat Ihnen das gnädige Fräulein auch geschrieben, Sie becke?" „Z' Befehl, Herr Leutnant! — Wir haben ja beide zusammen gespielt . . . früher mal, und was meine Frau ist, die hat ihr Vertrauen." Das klang beinahe großartig. Leutnant Wenzel schloß leicht die Augen. „Es mutzte schön sein, wenn man Hilde Deimkes Vertrauen hatte." Gr saß in dem alten irgendwoher requirierten Armstuhl und träumte vor sich hin. Dabei war ih m ganz behaglich. So bald er sich aber regte, war das Gefühl, das ihn noch um den Rest des Verstandes bringen würde, wieder lebendig. — Es quälte ihn einfach zum Tollwerden. — Trotzdem nahm er an der kleinen schon längst geplanten Silvesterfeier teil. - Der Hauptmann von der leichten Munitionskolonne und die drei jüngsten Herren vom Stabe hatten sich dazu gefunden und aller hand Schönes mitgebracht, so datz der Abend in jeder Beziehung