Suche löschen...
Allgemeiner Anzeiger : 15.01.1916
- Erscheinungsdatum
- 1916-01-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191601153
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19160115
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19160115
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1916
-
Monat
1916-01
- Tag 1916-01-15
-
Monat
1916-01
-
Jahr
1916
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 15.01.1916
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
bme neue Haulckung. Der Zar und der französische Generalissimus Joffre haben schon se einen Wechsel auf das Kommende ausgestellt. Der Zar hat bei der Parade vom 2. Januar in einer Ansprache an die Georgsritter erklärt, er werde nicht Frieden schließen, solange nicht der letzte Feind vom russischen Gebiet vertrieben sei. Kundgebungen von Herrschern und Heerführern sind historische Aktenstücke, deren Worte sorgsam angesehen werden, nicht nur auf das, was sie sagen, sondern auch auf das, was sie enthüllen, ohne daß es. gesagt wird. Bei den Worten des Zaren gedenkt man der mehr als ein Dutzend Festungen, die Rußland abge nommen worden sind, und der früher russischen Ländergebiete, die sich bereits seit langen Monaten deutscher und österreichisch-ungarischer Verwaltung erfreuen. Meint der Selbstherrscher, daß irgendjemand auf Erden glaubt, daß Ruß land jetzt, nach seinen Millionenverlusten, nach seiner ungeheuerlichen Einbuße an Offizieren, Kerntruppen und Kriegsmaterial, die deutschen und österreichisch-ungarischen Heere aus dem Ge biet und den eroberten Festungen verdrängen wird? Sehr mit Recht meint deshalb die ,Köln. Zig.' in einer Übersicht über^die Tage, die den Titel: „Die neue Täuschung" trägt: Das pomp hafte Wort des Zaren läßt wie ein Schein werfer das Licht auf die ganze Größe der russi schen Niederlagen fallen, läßt die Welt erst recht daran denken, wieviel Rußland verloren hat, wie lange es schon vergeblich um die Wiederge winnung auch nur eines Teiles des Verlorenen kämpft. Was die ungebrochene russische Macht nicht halten konnte, soll die durch Niederlagen und Verluste erschöpfte wiedererobern? Einem Gegner abnehmen, der so lange Zeit gehabt hat, mit überlegenen geistigen, technischen und wirt schaftlichen Mitteln das Eroberte gegen Wieder- eröbekung zu sichern? Joffre mußte, wie an der militärischen, so an der prophetischen Offensive scheitern, mit der er das neue Kriegsjahr eröffnete. Auch er konnte dem Schicksal nicht entgehen, daß das, was er sagt, erst recht enthüllt, was er nicht zu gestehen darf. Er versichert, das deutsche Heer halte sich noch immer, sehe aber, wie täglich seine Bestände und Hilfsmittel sich vermindern. Denkt nicht jeder Leser unwillkürlich weiter: und es hält noch immer zehn Departements Frankreichs, von denen das französische Heer in einem Jahre keine Bergspitze zurückerobert hat? Denkt nicht jeder Ldser unwillkürlich, welche Schwächung Frankreichs es bedeutet, daß Deutschland schon so lange die Hand auf seinen industriell wichtigen Gebieten hat? Und wsrd nicht nach der Lektüre von Joffres Prophe zeiungen der Blick zur Karte gelockt, auf der man sieht, wie nahe die deutsche Macht der französischen Hauptstadt steht und wie weit der Weg von der deutschen Front zum Rhein ist? Joffre erzählt den Franzosen, Deutschland sei darauf angewiesen, auf nebensächlichen.Kriegs schauplätzen leichte und vorübergehende Erfolge zu suchen, und der Leser denkt an die Aufrich tung der neuen Vierbundsmacht, die von Ant werpen bis nach Kleinasien hinein nicht mehr zu zerreißen ist, und die auf gesichertem Wege ihre Machtmittel und wirtschaftlichen Güter aus tauschen und ihre Pläne einheitlich durchführen kann. Und man fragt sich: Wenn solch eine Machtverstärkung, solch ein Zusammenschluß mit drei andern siegreichen, glänzend versorgten und geführten, eng verbündeten Mächten auf ein heitlichem Gebiet Frankreich gelungen wäre, würde das ein französischer Heerführer auch einen „leichten und vorübergehenden Erfolg auf einem nebensächlichen Kriegsschauplatz" nennen? Der Zar verspricht den Georgsrittern, daß er die Deutschen, die Österreicher und die Ungarn bis zum letzten Mann vom russischen Gebiet vertreiben werde. Joffre verheißt den Soldaten der Republik im neuen Jahre Sieg und Ruhm. Bisher haben alle Verheißungen keinen einzigen feindlichen Soldaten aus Frankreich oder Rußland vertrieben. Was für lin neues Recht auf Hoffnung haben Rußland und Frankreich nach ihren erfolglosen, verlust reichen Anstrengungen? Sollen die eng ¬ lischen Unverheirateten — soweit sie keine Gewiffensbedenken haben — leisten, was Russen und Franzosen in einem Jahre nicht errungen haben? Soll die halbe Wehrpflicht in Eng land, die gegen den Widerstand der Arbeiter, aus einer geradezu grotesken Parteiwirrnis und aus der Furcht der Liberalen vor der Möglich keit, daß schließlich die ganze Wehrpflicht kommen könnte, geboren wird und Kabinett und Volk zerreißt und spaltet, die Mauern durchbrechen, die wir auf feindlichem Boden errichtet haben? Alle Beteiligten, einschließlich des Zaren und Joffres, wissen, daß der Wehrpflichtrummel in England ein politisches Ereignis und kein militärisches ist. Erst recht nicht, nachdem die Arbeiter so deutlich gezeigt haben, was sie von der Wehrpflicht denken. verschiedene Uriegsnachrichten. (Von der mit. Zenlurbebörde zugelassene Nachrichten) „Hoffnungslos!" Die „Köln. Volkszig/ veröffentlicht die längere Schilderung eines Italieners, wonach großer Unwille unter den beur laubten Soldaten herrsche. Die Sol daten erzählen von der Unmöglichkeit des Vor rückens. Bei einem Treffen wälzten sich zehn Kompagnien schrecklich verstümmelt im Blute. Ost müssen die armen Verstümmelten tagelang umherliegen, ohne Hilfe verbluten, von schreck lichem Fieber gequält. Wenn wir, erklärten Soldaten, unsere Stellung verlieren, erschießen Offiziere jeden Feigling. Nach vielen unnützen Angriffsstürmen müsse man er kennen, daß alle Energie vergebens sei. Seit Monaten rücken wir nachts aus, um morgens wieder zu weichen. Die Lage i st völlig hoffnungslos. Marinesoldaten behaupten, daß die italienische Flotte weit mehr Schaden gelitten hat, als öffentlich bekannt ge worden ist. * Italienische Alarmrufe. Die ,Jdea Nazionale' ist besorgt wegen der Gefahren, die Italien durch Österreich drohen, wenn eS diesem gelingen sollte, Monte negro niederzuwerfen. Die Folge davon wäre nicht nur die völlig offene Tür für Österreich nach Albanien, sondern auch die Besitzergreifung des Lowzen. Der Vierverband habe es verabsäumt, sich dieses prachtvollen Angriffspunktes vom Lande aus gegen Cattaro zu bedienen. Nicht die geringste Schuld daran habe Italien, das aus dynasti schen Gründen ganz besondere Veranlassung hatte, Montenegro 4- Kriegsmüdigkeit in Montenegro? In Bukarest sind Nachrichten aus Cetinje ein- getrosfen, wonach sich dort eine starke Strömung geltend macht, das Schicksal Serbiens zu ver meiden und eine Änderung der kriege rischen Haltung der Negierung her- beizusühren. Die Führer dieser Volksströmung weisen darauf hin, daß Serbien vernichtet werde, und daß der heldenmütige Widerstand der montenegrinischen Armee nicht imstande sei, die Kriegslage wesentlich zu ändern. Auch mehrere Minister fordern, daß König Nikita mit den Zentralmächten Frieden schließen und nicht ausschließlich für serbische Interessen den Krieg fortsetzen solle. Deutscher Keickstag. (Oriq.-Bcricht.) Berlin, 11. Januar. Präsident Kaempf eröffnet die Sitzung, indem er die Mitglieder des Hauses zu Beginn des neuen Jahres herzlich begrüßt und dem Vaterlande und uns allen ein glückliches, segen bringendes neues Jahr wünscht. Abg. Liebknecht (soz.) fragt, ob der Reichskanzler bei der türkischen Regierung Schritte gegen die Vertreibung und Nieder- machung der armenischen Bevölkerung unter nommen habe. Der Vertreter des Ausw. Amts Dr. von Stumm: Dem Reichskanzler ist bekannt, daß die Pforte vor einiger Zeit wegen auf rührerischer Umtriebe die armenische Bevölkerung aus bestimmten Teilen des türkischen Reiches ausgewiesen und ihr neue Wohnstätten ange wiesen hat. Nähere Einzelheiten können nicht mitgeteilt werden. Abg. Dr. Liebknecht (soz.) will seine Anfrage dahin ergänzen, wieviel Gebäude und Ortschaften in den besetzten Gebieten zerstört worden seien. Präsident Dr. Kaempf: Das ist keine Ergänzung, sondern eine ganz neue Anfrage, also unzulässig. (Lebh. Bravo). Abg. Dr. Liebknecht (soz.) fragt an, ob die Negierung Material vorlegen wolle über die auf Grund des Belagerungszustandes getroffenen besonderen Maßregeln zur Aufhebung des Vereins- und Versammlungsrechts usw. Ministerialdirektor Dr. Lewald:, Der Reichskanzler ist nicht bereit, das von den: Abg. Liebknecht gewünschte Material dem Reichstage vorzulegen. (Lebh. Bravo). Der Gesetzentwurf über die weitere Zu lassung von Hilfsmitgliedern im Kaiserlichen Patentamt wird in zweiter Beratung debattelos angenommen. Die Ameihe-Denkschrist chr das Reich 1915 wird an die Budgetkommission ver wiesen. Es folgt der Bericht der Kommission für den Reichshaushaltsetat über Ernährungsfragcn. Abg. Graf Westarp (kons.) stellt, wie schon in seinem schriftlichen Bericht, als die einmütige Überzeugung der Kommission fest, daß voll kommen ausreichende Vorräte, speziell an Brot, Kartoffeln und Fleisch vorhanden sind, um die Bevölkerung während des Krieges zu ernähren, daß aber Sparsamkeit auf allen Gebieten not wendig sei. Aus Rücksicht auf die Ernährungsfrage braucht der Krieg keinen Tag früher beendet zu werden, als die politische und militärische Lage es gebietet. Abg. Schmidt-Berlin (soz.): Air be stimmte Nahrungsmittel muß ein Verteilungssystem durchgeführt werden. Die Preisbildung muß der freien Konkurrenz entrückt werden. Die Preisfestsetzung darf nicht Rücksicht nehmen auf die Spekulation. Die Bestandaufnahme zeigt, daß reichlich Vorräte vorhanden sind. Aber die Be stände werden von den Produzenten zurückgehalten, und die Stellen, die das Recht zum Zwangsankauf der nötigen Kartoffelwengen haben, machen von diesem Rechte keinen Gebrauch. Das fortgesetzte Ansteigen der Nindviehpreise hat zur Folge, daß in weit höherem Maße als notwendig ist, Milch vieh abgeschlachtet wird, undhatdas wiederum eine Gefährdung unserer Milch- und Butterversorgung zur Folge. Wir brauchen Fleischkarten so gut wie Butterkarten. Daß Butter nicht in ge nügender Menge vorhanden ist, das versteht die Bevölkerung; was sie aber nicht versteht, das ist, daß in einer Zeit, wo sich die Einteilung null) Rationen auf andern Gebieten so glänzend bewährt hat, in der Butlerversorgung darauf Verzichtet wird. Auch hier sind es wieder die minderbemittelten Bevölkerungsklassen, die am schwersten unter der Kalamität zu leiden haben. Staatssekretär Dr. Delbrück: Die Ne gierung ist darin mit den Parteien einver standen, daß wir in dieser ernsten schweren Zeit die Versorgung des Marktes und die Bildung der Preise nicht dem freien Spiel der Kräfte überlassen dürfen, sondern daß wir hier mit fester Hand eingreifen müssen und auch vor Härten nicht zurückicheuen dürfen. Ich will auch noch einmal -ausdrücklich seststellen, daß wir bis zur nächsten Ernte reichen werden, wenn wir sparsam wirt schaften. Der Vorwurf des Vorredners gegen den preußischen Minister des Innern ist nicht gerechtfertigt. Der preußische Minister des Innern war von Anfang an bestrebt, den An ordnungen des Bundesrats die nötige Achtung im Lande zu verschaffen. Auch der preußische Land rat hat auf diesem Gebiete nicht versagt. Wenn Fehler vorgekommen sind, so liegt es an der Schwierigkeit der Aufgabe. Man muß bedenken, daß alles, was wir jetzt tun, im Widerspruch zu den wirtschaftlichen und rechtlichen Verhält nissen vor dem Kriege steht. Ein ganzes Volk unter so schwierigen Verhältnissen in wenigen Monaten zu einem völligen Umdenken und völligem Umlernen zu bringen, hat seine Schwierigkeiten. Schwierigkeiten, die sich aus dem Mangel oder dem Fehlen bestimmter Nahrungsmittel auf der einen Seite und der spekulativen Preistreiberei auf der anderen Seite ergibt. Durch die Bundesratsverordnun gen sind uns eine ganze Reihe scharfer Be stimmungen in die Hand gegeben worden, um den Kriegswucher zu brandmarken und zu treffen. Aber einen nennenswerten Erfolg kann alles das nur haben, wenn wir in der Lage sind, regulierend auf den Preis einzuwirken. Zu dem Zwecke haben wir in erster Linie zu der Fest stellung von Höchstpreisen gegriffen. Um den außerordentlichen Schwierigkeiten, die sich einer richtigen Feststellung dieser Höchstpreise entm gen- stellen zu begegnen, haben wir neuerdings Preisprüfungsstellen geschaffen. Redner schildert eingehend die Or ganisation und die Befugnisse dieser Prüfungs stellen. Ich habe Ihnen, so schließt er, das alles so ausführlich dargelegt, weil ich der Meinung bin, daß hier der Hebel eingesetzt werden muß, um die Höchstpreise wirklich erfolg reich zu lösen. Die Hauptsache ist uno bleibt freilich, daß die ganze' Bevölkerung in die so geschaffene Organisation sich einfügt und mit arbeitet mit dem festen Willen, aus ihr heraus zuholen, was herausgeholt werden kann ; die ganze Bevölkerung muß sich dabei betätigen, durchglüht vom Willen zum Siege, der ebenso im Innern wie draußen die alleinige Voraus setzung des endlichen Erfolges ist. (Beifall). Abg. Dr. Matzinger (Zentrum): Das Gebäude des deutschen Wirtschaftslebens hat in diesem Völkerringen die gewaltigste Belastungs probe zu bestehen, die die Weltgeschichte kennt. So oft unsere Feinde schon seinen Zusammen bruch prophezeit haben, es steht heute noch fest und unerschütterlich da und das deutsche Volk ist im Verein mit den Verbündeten Ne gierungen bemüht, seine innere Kraft immer zäher und ausdauernder zu gestalten. Das Höchstpreissystem muß in allen Stationen vom Urerzeuger bis zum Endverbraucher durch geführt werden. Lebhafte Klagen sind wegen der Verteilung der Futtermittel gekommen. Für den Einkauf von Futtermitteln im nentralen Auslande dürfen nicht zu hohe Provisionen ge zahlt werden. Der kleine landwirtschaftliche Be sitzer hat mehr unter den Vorschriften zu leiden als der große Besitzer, der sich leichter mit diesen abfindet. Die weitere Erhaltung unseres Vieh bestandes muß gewährleistet werden. Bedauerlicher weise werden sehr viele Rinder abgestoßen. Haben wir genügend Rinder und Schweine, dann haben wir anch Fleisch, Milch, Butter und Fett. Freilich, ohne den guten Willen, ohne ein ver ständnisvolles Mitarbetten aller Beteiligten, würde auch die beste Organisation erfolglos sein. Ist aber dieser gute Wille vorhanden, dann bildet sich auch ein besseres Verstehen, ein gegen seitiges Vertrauen zwischen den einzelnen Volks klassen, insbesondere zwischen den beiden Haupt klassen der Verbraucher und der Erzeuger her aus, und ebenso auch zwischen den einzelnen Gebieten des Deutschen Reiches zwischen Ost und West, zwischen Nord und Süd. Das deutsche Volt wird nicht ermatten wenn es so zusammenhält, und es wird aus dieser schweren Prüfung, die es jetzt durchzu machen hat, hervorgehen, gestärkt an innerer Einigkeit und an tiefem Vertrauen auf Gottes Hilfe. Abg. Dr. Böhme (lib. Bauernb.): Unsere wirtschaftlichen Schwierigkeiten sind dadurch noch erhöht worden, daß sozusagen auch das Wetter gegen uns Stellung genommen hat.. Um so dringender tut eS not, daß in der Frage der Lebensmittelversorgung rascher und entschiedener eingegriffen wird, als es bisher vielfach geschehen ist. Wenn wirtlich in diesem Jahre hier und da Kartoffeln zurückgehalten worden sind, so ist es aus der Erwartung heraus geschehen, daß die jetzt bestehenden Höchstpreise abermals ge ändert werden. Unbedingt nötig ist die Ein führung von Fett- und Butterkarten im Sinne von Beschränkungskarten. Die ärniere Be völkerung muß die Sicherheit haben, daß auch die Reichen mit ihrem Geldbeutel sich auf dem Gebiete dieselben Einschränkungen auferlegen müssen, wie sie selbst. Das Haus vertagt sich. 6o!äene Schranken. 23) Roman von M. Diers. (Fortsetzung „Ach, ich hatte mir ja eigentlich ein anderes Bild gemacht. Nach den Beschreibungen war ich ganz versessen auf das Ding. Schon lange hatte ich mir solch einen herrschaftlichen Grund besitz gewünscht. Und nun dachte ich, zu zweien —" Er brach ab, aber seine Augen wichen nicht von dem Mädchen. Sie hörte diese Wendung iaum, zu stark beschäftigte der andere Gedanke khre Seele. Hallershaus in solchen Händen! Das alte herrliche Schloß in seiner vornehmen Ruhe, zu einem modernen Prunkstück entwertet durch den lurusgierigen Geldmenschen! Protziges Aus breiten in diesen altehrwürdigen Räumen, alles mir auf Schaustellung berechnet, auf Im ponieren — „Sehen Sie, Fräulein Heider, ich hatte mir ans so manchem zurechtgelegt, daß Sie das Landleben lieben. Da hatte ich das für Sie so recht herausgefundeu. Ich würde es Herrichten lassen, wie ich es Ihnen nur an den Augen absehen könnte. Ein Sommerausenthalt, wie ibn keiner aus unserem Umgänge besitzt. Wie eine Kömgin sollten Sie dort thronen —" „Ich — wie eine Königin? —" Jetzt erst erfaßte Magda den ganzen Sinn seiner Rede. Ein Zorn überkam sie. Der Gedanke, der bloße Schatten eines Gedankens, auf Hallershans zu iitzen, umgeben von Pracht und Luxus, durch ihn — durch diesen Mann — das machte sie rasend. „Wie können Sie wagen, so etwas auszu sprechen!" rief sie außer sich; ihre Augen flammten. Er wich einen Schritt zurück. Der tietste Grund ihrer Empörung war ihm fremd, er sah nur einen wilden Zorn gegen sich gerichtet. Aber noch nie hatte er gelernt, Fraucnzorn ernst zu nehmen. Ja — hier lag freilich die Sache nicht leicht. Diese reiche junge Erbin hatte keine Ur sache mehr, seine Werbung als Ehre aufzufassen. Mit dem bloßen Imponieren und Tändeln war's nicht mehr getan, da galt es vorsichtiges Aus spielen aller Vorzüge. Und trotz seiner natür lichen Klugheit war Hugo Sehling von der, wenn auch langsam so doch sicher wirkenden Macht seiner hübschen Erscheinung und seiner Haltung und Stimme, die jeder Modulation fähig war, zu sehr überzeugt, als daß auch die bestimmteste Abweisung ihn niedergeschlagen hätte. „Ich bin schon wieder ungehorsam gewesen, ich sehe es ein," sagte er demütig." „Strafen Sie mich, aber vergeben Sie mir!" Eine Widerwille, so stark, daß er ihr die Kehle zuschnürte, kam über das Mädchen. Schon hob sie die Hand, ihn hinauszuweiscn, diesen zudringlichen Quäler — da zuckte ein Gedanke durch ihren Kopf, und der erhobene Arm sank zurück. Wenn sie ihn fortwies, wenn sie jede Teil nahme an diesem Kauf verächtlich von sich stieß — dann — ja gewiß, dann erwarb dieser Mensch das Hallershaus für sich. Daran war kein Zweifel. Er war ja wie verrannt auf diesen Plan. Dann fiel der herrliche alte Besitz rettungslos in seine Hände, seiner Willkür an heimgegeben — Nein — o großer Gott im Himmel — das durfte nicht sein! Wenn sie auch nichts sah davon, wenn sie auch ihre Gedanken, alle ihre Sinne davor gleichsam zuschloß — es würde sie verfolgen bei Tag und Nacht — sie würde die Hammerschläge hören, sie würde die kalten, ab- schätzenden, gierigen Blicke sehen — Wie ein Fieber kam es über sie. Ich muß es kaufen — ich allein! schrie es in ihr. Nich um dort zu wohnen — nur um es zu retten vor dieser maßlosen Schmach. Aber ging denn das? Durste sie so etwas tun, so etwas Unerhörtes? Er würde davon erfahren nein, nein! Das war undenk bar, das konnte nicht sein! Wie in rasendem Wirbel gingen ihre Ge danken. Hugo Sehling stand mit geduldigem Lächeln vor ihr. Er sah den heftigen Kampf in ihren Zügen, dem er so ganz andere Gründe unterlegte. Sein Herz triumphierte. Die Ge schichte ging ja noch leichter als er dachte. Verzweifelte Ratlosigkeit bemächtigte sich Magdas. Sie sah in das Gesicht des Mannes, als suche sie dort einen Schimmer einfacher Menschlichkeit, ruhiger Teilnahme und Zugäng lichkeit. Wer nur einem lauernden lächelnden Ausdruck begegnete sie. Ein Frostschauer schüttelte sie und ihr Gesicht wurde grau unter der inneren Qual. „Ich möchte vielleicht das Gut haben — für mich selber —" jagte sie mühsam. „Aber ich bin mir noch nicht klar darüber. Bitte, lassen Sie mich jetzt —" Ein kurzer rettender Gedanke durchblitzte sie. Vielleicht konnte sie ganz seiner Hilfe dabei ent- raten! Wozu brauchte sie ihn! Der alle Notar würde es gern in die Hand nehmen. Aber sie entschlüpfte ihm nicht. „Ja, Fräulein Heider, ich verstehe ihr Zögern und würde Ihnen, o wie gern, darin Zeit lassen, solange Sie wollen, aber das Ding eilt verzweifelt. Was glauben Sie, was dies Äna«- bot für Käufer lockt. Ich habe mir das Vor kaufsrecht für einige Tage gesichert. Also mein liebes gnädiges Fräulein, entweder Sie nehmen es, oder ich nehme es — oder wir machen ein kleines Kompagniegeschäst. Es bleibt m noch ein Viertes, das Beste. Aber das dars ich ja nicht aussprechen. Das ist: ich — nehme eS — für Sie —" Die letzten Worte sprach er so leise, als ver lören sie dadurch ihren Charakter des Verbotenen. Magdalene achtete gar nicht darauf. Sie hörte nur in angstvoller Spannung auf seine Auseinandersetzung. Ihre kurze schnelle Hoff nung erstarb. Also kein Ausweg. Diese Sache ging nur durch seine Hand. Er ließ es sich nicht mehr entwinden. „Bis heute abend lassen Sie mir noch Zeit!" Lat sie. Ihre Hilflosigkeit und sichtliche tiefe Be teiligung in dieser Sache war das beste, was er sich wünschen konnte. Aber er ließ sich seinen Triumph nicht merken. Sein Lächeln wurde diskret und unterwürfig. „Was könnte ich' Ihnen versagen, mein >
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)