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Allgemeiner Anzeiger : 01.01.1916
- Erscheinungsdatum
- 1916-01-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191601011
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- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1916
-
Monat
1916-01
- Tag 1916-01-01
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Monat
1916-01
-
Jahr
1916
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 01.01.1916
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Weltkrieg 1914-—1915. Der stübere ungarische Ministerpräsident Graf Kbuen-Hedervary Halle mit einem Mitarbeiter der Berliner ,Tägl. Rdsch.' eine Unterredung in der er über die Kriegslage, wie sie sich zwischen Weihnachten 1914 und Weihnachten 1915 ge staltet hat, sich folgendermaßen äußerte: Die. vergangenen Weihnachten trafen uns in einer ganz anderen Lage an. Die Russen waren noch in Galizien, und der serbische Feld zug mußte vorläufig-abgeschlossen werden. Die Deutschen iiandcn zwar auf französischem und polnischem Boden, und auch wir hallen pol nisches Gebiet in der Hand, die Lage war aber dock ganz anders als heute, wo das Balkan- programm vollständig durchgeführt und ganz Serbien in unseren Händen ist. - Unsere Truppen iieben heule schon in Altmontenegro. In Albanien machen wir Ordnung; Russisch-Polen upd Kurland ist besetzt. Die Verbündeten er leiden eine strategische und diplomatische Nieder lage nach der anderen. Vergangene Weihnachten meinten unsere Feinde und die Neutralen, daß das Eingreifen Italiens den Wellkrieg bald zu Gunsten des Merverbandes entscheiden werde. Die Italiener gingen auch bald mit großer Kraft in den Krieg, konnten aber selbst im siebenten Monat noch keinen Erfolg verzeichnen. Unsere Truppen batten unerschüttert ihre ursprünglich einge nommenen Stellungen. Ms diese Hoffnung der Verbündeten zunichte wurde, sanden sie einen anderen Plan von großem Zug: die Darda nellen zu zwingen und ihren Einzug in Kon stantinopel zu halten. Die heldenmütige türkische Armee gab ihre volle Antwort auf diesen Plan. Die Engländer mußten Gallipoli verlassen und stehen heute nur noch in einer Ecke, wahr scheinlich auch nicht mehr lange. Jetzt kommt Saloniki an die Reihe. Das ist das neueste Ideal, mit dem die Engländer ihre Verbündeten betören. Sie tun, als wäre, Saloniki der Schlüssel zu Asien. Saloniki wurde plötzlich der wichtigste Ort und alles andere Nebensache. Wenn sie auch in Saloniki eine Niederlage erleiden, werden sie sicherlich ein neues Trostmittel finden, um die unglücklichen Völker in dem kriegerischen Rausch zu erhalten. Die Verbündeten wollen offenkundig ihre Aussichten verbessern. Mit der Devise „Betrüger" wollen sie den Krieg fortsetzen. Die alten Pläne werden fortgeworfen und neue erdacht. Mit krampf hafter Verzweiflung wollen sie, hauptsächlich die Engländer, günstigere Friedensbedingungen er pressen. Die Russen, Italiener und Franzosen wer den im Frühsahr neue Angriffe versuchen. Erst wenn sie auch dann ihre Erfolglosigkeit sehen, wird das Kabinett Briand, das Elsaß-Lothringen fordert, sallen. Das französische Volk wird dann sehen, was es seiner Regierung zu verdanken hat. Unter unseren Feinden sind die Russen noch am nüchternsten. Sie wissen ganz gut, daß sie Konstantinopel nicht bekommen und daß sie dis Rolle des Oberherrn auf dem Balkan nicht mehr spielen können ; konnten sie doch den Serben mit keinem einzigen Soldaten helfen und nicht verhindern, daß auch Bulgarien ein griff. Sie vermochten nicht ein Stückchen von dem verlorenen Russisch-Polen zurückzuerobern. Rußland hat heute eine rückschrittliche Ne gierung. Solche Regierungen werden nur in den Staaten eingesetzt, in denen man das Volk fürchtet. Der Zar und der russische Hof richten sich also auf die Möglichkeit einer Revolution ein. Die russische Reaktion brachte die festesten Männer in die Regierung, was beweist, daß der Zar bereit ist, Millionen dem Henker zu übergeben. Was die Friedensäußeruugen betrifft, so kam vom Dierverband keine Erwiderung. Sie be finden sich heute in der Lage eines Spielers, der dem eigenen Gelde nachlauft und hofft, das Spiel wenigstens zum „Remis" zu bringen. Wenn er sieht, daß dies unmöglich ist, wird er nachgeben. Das sind sachliche und zuversichtliche Worte, die kurz und sicher den Kriegszustand von heute umranden. Sie sind doppelt wertvoll, weil Graf Khuen-Hedervary als ernster Politiker und vorsichtig-kluger Diplomat überall bekannt ist. 6oläene Schranken. 19s Roman von Dl. Dier s. Wortschung.) Da trat er zu ihr. über Stirn und Augen ging ihm die wundervolle Klarheit des Men schen, der nach langen schmachvollen Irrungen sich selbst das Recht seiner freien Persönlichkeit wiederfindet. Die Bande des Geldes, die ihn so gedrückt hatten, waren gelöst mit einem Schnitt. Nicht Hochherzigkeit von Erna war diese Hilfeleistung gewesen, sondern schmähliche Berechnung. Aber wie stark er auch darunter gelitten haben mochte, in diesem Moment empfand er keine Bitterkeit mehr. Diese Demütigung mit all ihrer Qual lag unter ihm wie ein abgefallenes Gewand, und so in dem Bewußtsein der Freiheit ver mochte er ihr ruhig und leidenschaftslos in die Augen zu sehen. „Ich zahle Ihnen Ihr Darlehen zurück," sagte er. „Noch innerhalb zweier Wochen ver mag ich eS mit Zinsen in Ihre Hände zu legen." Erna lachte schrill auf. „Sie sind wie ein Knabe in Ihrem Trotz," sagte sie verächtlich, „und Sie versprechen nur da etwas, was Sie ja gar nicht imstande sind zu halten." „Ich leiste Verzicht auf Hallershaus," sagte er ruhig. „Auf — auf Hallershans?" — Eina rang nach Atem, das Unerwartete raubte ihr fast die Lus!. .„Sie sind wahnsinnigI Als Bettler .wollen Sie davouaeheu!" l Er lächelte ihr nur -m. Er sagte ihr nicht. Ek stützt sich nicht auf Dermutimgen und stellt keine Unmöglichkeiten in seinen Berechnungen ein. Das Weltbild des Jahreswende 1915/10 zeigt tatsächlich das Gepräge des Sieges der Mitlc- mächte. Es kann nur eine Frage der Zeit sein, wann auch unseren Feinden diese Tatsache so zum Bewußtsein kommt, daß sie ihr Rechnung tragen müssen. verschiedene UriegsnachrichLen. (Von der mil. Zensurbehörde zugelassene Nachrichten.) Sperrung des Kanals. Nach abermals auftretenden Gerüchten steht die Sperrung des Ärmelkanals be vor, wodurch alle Linien, die trotz britischer Be lästigung sich behaupten, den Weg um Schott land nehmen müssen. Dies bedeutet einen großen Geld- und Zeitverlust. * Ruhlands kaltes Herz gegen England. Der russische Berichterstatter der ,Times' Stanley Washburn beklagt, daß die englische Regierung nichts getan habe, nm dem russischen Volke die englischen Leistungen im .Kriege deut lich machen. Das Herz des russischen Volkes sei kalt wie Stein gegen den Westen, nur weil es nicht wisse, welche Opfer England bringe. * Besorgnis um Odessa. Die Bukarester ,Jndependence Roumaine' erfährt: Die Russen transportierten den größten Teil ihrer an der rumänischen Grenze kon zentrierten Truppen nach Odessa ab, jedoch nicht, nm Bulgarien anzugreifen, sondern um feindliche Trup p enla nd u n ge n in Odessa zu vereiteln. Druck des Vierverbandes aus Rumänien. Der Konstantinopeler ,Jkdam' meldet nach einer Budapester Mitteilung der Joss. Ztg.' aus Bukarest: Der Vierverband richtete neuerlich eine Nole an Rumänien, in der sie eine kurzfristige Antwort auf die Forderung verlangt, daß den russischen Truppen freier Durch marsch durch rumänischesGebiet ge stattet werde. Die Russen legen in den Häfen von Ismail und Reni zahlreiche Munitionslager an und. bauen die Straße entlang der Küste zwischen beiden Ortschaften aus. -r- Auch Nikita flieht. Der Mailänder .Secolo' will aus bestimmter Quelle erfahren haben, daß König Nikita von Montenegro von Skutari auf einem ita lienischen Dampfer nach Brindisi reiste. Das Blatt ist ferner darüber unterrichtet, daß im Palazzo Pitti zu Florenz für die montenegri nische Königsfamilie, die Anfang Januar nach Italien kommen soll, eine Wohnung herge richtet wird. Politische Armälcbau. Deutschland. * Die Einführung der neuen Zehn- Pfennigstücke aus Eisen wird nicht, wie hier und da behauptet wird, schon in kurzer Zeit erfolgen. Da mancherlei technische Schwierig keiten zu überwinden sind, wird vielmehr die Ausgabe des neuen Kleingeldes noch einige Zeit auf sich warten lassen. * Seit längerer Zeit wurde in verschiedenen Gebieten ein schwunghafter Handel mit so genannten b e sch lagna hmefeeie n Viehfutter-Gemengen betrieben, das aus Gerste, vermischt mit geringen Mengen von Hülsenfrüchten (Wicken, Peluschken, Müllereiab- fällen usw.), bestand. Derartige Gemenge wurden zu dem unglaublichen Preise von 700 bis 800 Mark für die Tonne verkauft. Bei den angebotenen Mengen handelte es sich in dessen in fast allen Fällen um auf künstlichem Wege hergestellte Gemenge. Dieser Um gehung der gesetzlichen Bestimmungen ist setzt durch eine Bekanntmachung des Reichskanzlers, wonach diese Gemenge der Ver ordnung über den Verkehr mit Kraftfuttermilteln uWlstcllt werden, ein Riegel vorgeschoben worden. Jeder ireie Handel mit Gerste gemengen hat damit ausgehört, und es macht sich jeder strafbar, der die genannte Bestimmung umgeht. Selbstverständlich hat inan auch nicht unterlassen, für das Gemenge Höchstpreise fest zusetzen, und zwar sollten diese etwa 300 Mark betragen. Die Festsetzung des Höchstpreises wird gleichzeitig der ganz unglaublichen Überforde rung, der die kaufenden Landwirte bisher aus gesetzt waren, ein Ende machen. Frankreich. *Die Kanuner hat die Erörterungen über die S ch w i erig ke i t e n der Kohlender- sorgung beendet. Beim Ministerium der öffent lichen Arbeiten wird eine Stelle die Verteilung der Brennmaterialien eingerichtet, wo die Ver sorgung der Industrie und Haushaltungen mit Kohle zusammengefaßt werden wird. Dieser Hauptstelle wird das Recht der Beschlagnahme bei den Bergwerken und in den Einfuhrhäfen eingeräumt. Es ist ferner ein Sleuernachlaß auf Kohlen für den häuslichen Verbrauch sowie die Regelung der Einfuhr vorgesehen. * Der ehemalige Antimilitarist Hervo kündigt in seinem Organ (,Der soziale Krieg') an, daß sich vom 1. Januar ab der Name des Blattes ändere. Indem ich den alten Namen aufgebe, sagt er, will ich den Bruch unter streichen zwischen unserem französischen Sozialis mus, der zu seinen ruhmreichen Überlieferungen zurückkehrte, und dem deutschen Sozialismus, der bankerott machte. Darum wählte ich einen Namen, der unseren Willen und unsere Gewiß heit auf den Sieg ausspricht: Vom 1. Januar ab heißt das Blatt ,La Victoire' (,Der Sieg'). * In Paris hat in Anwesenheit von 400 Ver tretern der einzelnen Vereinigungen der Sozia listische Landes-Kongreß getagt. Die Presse war nicht zugelassen. Für sie wird täglich ein Protokoll ausgegeben. England. * Der Handelsminisler Runciman erklärte hin sichtlich der Handelsprobleme nach dem Kriege, Deutschland sei kommerziell ge schlagen und es sei die Pflicht des englischen Volkes, zu verhüten, daß es nach dem Kriege wieder in die Höhe komme. Es werde unter sucht, wie weit sich die Deutschen des englischen Finanzsystems bedient, wie weit deutsche Schiffe englische Häfen benutzt hätten und wie viel Grundbesitz in den Händen von Ausländern sei. Italien. * Durch einen königlichen Erlaß ist die Er mächtigung zur Ausgabe einer nationalen 5prozentigen steuerfreien Anleihe erteilt. Die Anleihe soll in 25 Jahren amortisiert, darf jedoch vor dem 1. Januar 1926 nicht zu- rückgezablt werden. Die Abschnitte lauten über 100, 500, 1000, 5000, 10 000 und 20 000 Lire. Der Zeichnungspreis beträgt 97 V- Den Besitzern der letzten nationalen Anleihe ist der Umtausch in Stücke der neuen Anleihe unter Zuzahlung von 2 V? o/« eingeräumt. Holland. * Amsterdamer Blätter melden aus dem Haag, dort seien dieser Tage Sozialdemokraten aus den kriegführenden Ländern zu einer Konferenz zusammengetreten, um zu besprechen, was für gemeinsame Schritte zur Erreichung eines baldigen Friedens unternommen werden könnten. An der Konferenz hätten außer holländischen bekannte Sozialdemokraten aller kriegführenden Länder mit Ausnahme Italiens teilgenommen. Balkanstaatsn. *Alle Anstrengungen des Merverbandes, das bulgarische Bolk als uneinig darzu stellen, scheitern an der Macht der Tatsachen. Die beiden sozialistischen Richtungen der So- branje sind sich einig darüber, daß während des Krieges der Streit derParteien ruhen müsse. Die Sobranje wird die Vorlagen, die sich auf den Krieg beziehen, annehmen. Alle Anstrengungen müssen setzt auf das einzige Ziel gerichtet werden, das Erworbene zu sichern und den Krieg bald zu beenden. So denken alle Parteien. Wenn zu diesem Zweck die militäri schen Operationen eine Ausdehnung erfahren müßten, wird niemand widersprechen. * Nach einer Verfügung des griechische» Verkehrsministers muß künftig in ganz Griechen land für die Tauer des Krieges die ösfenü lichc Beleuchtung einge schränk werden, um Kohlen zu sparen. — Natürlich is die englische Kohlenlieferung auch nach Griechen land im Verlaufe des Krieges — aus mancherlei Gründen — immer mehr zurückgegangen. Valtiickes Neutlcktum. Russische Schulen deutscher Sprach, Die fortdauernde Wirksamkeit des Deutsch tums in den russischen Ostseeprovinzen, dessen Kraft trotz aller hartnäckigen Ruisisizierüngs- bestrebungen 'Zarenregimentes niemals ganz gebrochen werden konnte und sich heute, in den Stunden der Entscheidung über das znküustch-' Schicksal, zu geschlossener Einigkeit erhebt, diese Lebensfähigkeit deutschen Wesens unter fremder Unterdrückungsherrschaft hatte ihren Halt nicht zuletzt im baltischen Schulwesen, das sich auch in den schwierigsten Lagen als unverwüstlich erwies. Bis Ende der achtziger Jahre war das ge samte höhere und niedere Schulwesen dec Ost seeprovinzen bis auf die für die bäuerliche lettische und estnische Bevölkerung bestimmten Volksschulen deutsch. Mit der Russifiziernng wurde nicht nur in allen staatlichen und städti schen Schulen, sowie auf den beiden Hochschulen die russische Unterrichtssprache eingeführt, sondern die deutsche Sprache wurde auch in allen Privat schulen als Unterrichtssprache verboten und durfte nur als fremde Sprache gelehrt werden. Das Jahr 1905 brachte eine Wendung zum Besseren, indem es hinfüxt Privatpersonen, Korporativsten und Vereinen erlaubt wurde, Schulen in der Muttersprache ohne Rechte zu eröffnen. So bildete sich auf privatem Wege ein mittleres und niederes Schulwesen deutscher Sprache. Der Krebsschaden, an dem diese Privatschulen — staatliche und städtische Schulen bljeben, wie gesagt, russisch — litten, war der Mangel an jeglichen Rechten. Der Absolvent des Lehrer seminars zu Mitau oder des Lehrerseminars zu Dorpat mußte sich z. B. seine Lehrerberechtigung an einer Prüfungs-Kommission der russischen Lehrbezirksverwattung, der Absolvent eines Pri vatgymnasiums sein Reifezeugnis oder die. Frei willigen- oder die Apothekenberechtigung an einem staatlichen Gymnasium erwerben. Daß es die dort examinierenden russischen Lehrer an jeder ordentlichen Chikanierung nicht fehlen ließen, ist für jeden Kenner der Verhältnisse selbstverständlich. In den letzten Jahren vor dem Kriege war das sogenannte „Externenexamen" für den, der nicht über große Geldmittel zu Bestechungs- zwecken oder hohe Gönner verfügte, fast eine Unmöglichkeit. Diese Schwierigkeiten haben naturgemäß manche Eltern abgeschreckt, ihre. Kinder in deutsche Schulen zu schicken. Sonst Wäre die Zahl der Schulen noch größer. Besser dran als die Mehrzahl der Privalschulen waren die 4 oder eigentlich 5 Gymnasien — das zu Mitau ist eine Doppelschule: Gymnasium und Realschule — die von den Ritter- und Land schaften erhalten wurden. In Livland erhielt der Deutsche Verein 21 Schulen, darunter 2 höhere Töchterschulen, 1 Gymnasium und 1 Realschule. Außerdem existierten noch 14 andere Schulen deutscher Sprache. In Kurland wurden 30 Schule» von dem Deutschen Verein unterhalten, geben neun anderweitig finanzierten Schulen. In Estland gab es 9 Schulen des Deutschen Vereins und 6 andere Schulen mit deutscher Unterrichts sprache. Wie stark das Deutschtum in den bal tischen Provinzen sein mußte, um diesen Schul plan austechterhalten können, ersieht män aus einem Vergleich mit den Schulen der Letten und Esten, die mit genau denselben Verhält nissen zu rechnen hatten. Die rund zwei Millionen Letten und Esten besitzen 11 Schulen II. und 4 Schulen I. Ord nung, die an Zahl zehnmal schwächeren Deutschen 18 Schulen IT und 22 Schulen I. Ordnung. Zu bemerken ist, daß es sich dabei vielfach nur um nominell lettische und estnische Schulen handelt, daß ost die Hälfte oder gar Dreiviertel der Unterrichtsstunden, vor allem in den höheren Klassen, in russischer Sprache gegeben werden. daß er kein Bettler mehr war. Daß gerade das erniedrigende Bettlertum in dieser Stunde sein Ende fand. Sein Lächeln brachte sie außer sich. „Von den paar Thalern, die Sie noch von einem eventuellen Verkauf übrig behalten, können Sie mit Ihren verwöhnten Lebensgewohnheiten doch nicht bestehen ?" sagte sie. „Machen Sie es sich doch klar, Hans, daß Sie um einer Marotte willen nicht sich selbst und Ihr Leben verpfuschen und sich in ganz unmögliche Situationen ver rennen dürfen." Sie sprach schon, als sei überhaupt nichts vorgefallen. Ganz ihren alten Ton hatte sie wieder: ein bißchen überlegen, ein bißchen ver traulich und sehr eindringlich. Eine starke Emp findung von Widerwillen beschlich Hans, jede Minute, die er noch bei ihr zubrachte, wurde ihm zur Qual. „Was jetzt noch zwischen uns abzumachen ist," sagte er und wandte sich zum Gehen, „wird am besten schriftlich geschehen. Ich muß so wie so einen Rechtsbeistand haben, da ich von diesen Dingen wenig verstehe." . Er grüßte und ging. Im Nebenzimmer traf er auf die alte Baronin, die etwas von dem Wortwechsel gehört haben mußte, denn sie sah verstört in sein Gesicht. Aber er fühlte auch gegen sie keine Milde mehr. Zu eng ver woben war ihr ganzes Fühlen und Denken mit dem ibrer Tochter, und in diesem Augenblick zweifelte er nicht, daß sie von allem wisse. Auch gegen sie nur eine höfliche Verbeugung, ein paar nichtssagende Abschiedsworte und er war hinaus. Er schwang sich aufs Pferd und sprengte in kurzem Trabe zum letzten Male durch die Ein fahrtstore von Hohen - Süllach. Glitzernder Sonnenschein umgab ihn, in der klaren Luft, die diesen letzten SommeAagen und ersten Herbsttagen gehört, dämmerten in weitester Ferne die Türme und Schornsteine entlegener Orte, dis eine trübe Luft sonst den Blicken entzog. Noch war es in ihm wie ein Traum. Noch wob und wirrte sich vor seinen Blicken alles durcheinander. Aber draußen zwischen den Fel dern begann sein Denken und Empfinden sich zu lichten. Der leichte Mittagswind, der über die Stoppeln kam, umwehte sein erhitzleL Gesicht. Abgerissene Vogellaute rechts und links am Wege. Aus dem Flüßchen hinter der Böschung kam Geplätscher und Gelächter. Die Hirten jungen seines Hofes, ahnungslos, daß ihr Herr vorüber ritt, nahmen ein kühles Bad. Friedlich weideten die Kühe auf dem mächtigen hochge legenen Weideplatz. Da erfaßte es ihn plötzlich, das Bewußtsein dessen, was geschehen war — und was mm kommen konnte. Einer blenden Lichtfülle gleich übergoß eS ihn, und ihm war, als habe er nicht Hände genug, all diesen Glanz Zu fassen, der so plötzlich sein Leben überströmte. Ec hob sich im Sattel. Ein kurzer Aufschrei drängte sich über seine Lippen. Er hätte ihn nicht zurückzuhalten vermocht, denn ihm war, als müsse ihm die Brust zerspringe». Was Ivar ihm gegen diesen Reichtum, gegen sein befreites Lc- beü alles andere: Wohlleben, Besitz, Ansehen. Ja, selbst sein Hallershaus sank in der Wag schals nieder. Er ließ sein Pferd langsam gehen, nur wi derwillig gehorchte es, aber in seinen gespitzten Ohren spielte die Verwunderung. Das kluge Tier mit seinen empfindliche» Nerven empfand die Gemütserregung seines Herrn. Der stürmische Jubel in ihm war vergangen. Ein Gefühl, fast wie ein Schauer vor etwas Heiligem, ergriff ihn. „Meine Braut", flüsterre er leise. Heiß stieg es ihm in Stirn und Wangen, und seine jungen leuchtenden Augen gingen in die blaudämmcrnde Ferne, als suchten sie, was nun kommen mußte — was nun sein war: das nahende Glück. Es war sein erstes, als er nach Hanse kam. Alles andere lag seinem ungeduldigem heischen den Empfinden erst in zweiter Linie. Und un geübt im Briefschreiben, wie er war, fand er nur die Worte sür das, was er wollte, nichts darüber. Er hatte das unklare Gefühl, als müsse sis alles mit durchgcmacht haben. Denn sie hatte ihn ja einst in seiner Not verstanden Ivie kein Mensch zuvor. Und Worte erschienen ihm so kahl, so sade, so überflüssig. Er schrieb rasch und ohne iuuczuhalten und überlas kau« das Geschriebene. 9. Aber um dieselbe Zeit litt Magdalene uni« einem neuen großen Schmerz. Vor acht Tagen war Fräulein von Kleist schwer erkrankt. Ihr altes Herzleiden machte seinen stärksten und letzten Angriff. Magdalene verließ sie Tag und Nacht nicht. Zu den aller- nötigsten Ruhestunden mußte der Arzt sie mit
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