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Romane erlebt hatte. Don ernsteren Beziehungen Wmnte^r nur eine, die vor etwa zwei Jahren mit dem Tode der Heldin ihr Ende gesunden hatte — mit einem Tode, der unter höchst verdächtigen Umständen erfolgt war und in der Stadt seiner Zeit viel besprochen wurde, da man Selbstmord vermutete. Nachdem Walkowski seine Aussagen beendet hatte, legte ihm Narfesnü ohne Umschweife die Frage vor, ob er eine Frau kenne, die infolge romanartiger Beziehungen zu Uchanski wohl^u einem Mord veranlaßt werden konnte. Walkowski wurde sehr ernst und dachte nach; dann antwortete er, daß er eine solche Frau nicht kenne, doch gebe er die Möglichkeit zu, daß eine solche vorhanden sei. Diese Möglichkeit gab Narfesnü selber zu, daher befriedigte ihn die Antwort Walkowskis nicht; er stellte also eine andere Frage. „Hat sich Uchanski in der letzten Zeit besonders eifrig um ein weib liches Wesen bemüht?" Walkowski zuckte die Achseln. „Ich glaube, er widmete seine Bemühungen überhaupt niemals ausschließlich ein und derselben Person," erwiderte er lächelnd. „Er veranstaltete zuweilen kleine Diners oder Soupers, bei denen irgend eine von seinen Freun dinnen die Wirtin machte. Zuletzt war es, glaube ich, eine Operettensängerin. . ." „Solche Freundinnen Uchanfkis könnte ich Ihnen selber nen nen," unterbrach ihn der Untersuchungsrichter. „Mich interessieren vor allem Beziehungen von mehr romanhaftem Charakter, in Krei sen der besseren Gesellschaft." „Von romanhaftem Charakter?" wiederholte Walkowski. „Aber der Verstorbene, Anatol Viktorowitsch, war gar nicht ein Mensch von romanhaftem Charakter. Er dachte über das weibliche Ge schlecht etwas leichtfertig, wie wir alle . . . Uebrigens entsinne ich mich, daß mir vor einiger Zeit einmal ein Verdacht auftauchte . . . hinsichtlich einer sehr netten, liebenswürdigen Dame, einer verhei rateten, äußerst interessanten. Da Uchanski in seinen Beziehungen zu den Frauen mit großer Entschiedenheit verfuhr und nicht gern auf halbem Wege stehen blieb . . ." „Sie hielten ihn für fähig, sein Ziel vermittelst Frechheit oder Hinterlist zu erreichen?" „Ich meine, daß er sich nicht gerade durch Zimperlichkeit aus zeichnete," antwortete Walkowski lächelnd. „Kennen Sie den Familiennamen jener Dame?" fragte Nar- jesnü weiter. Walkowski dachte ein wenig nach. „Bin ich verpflichtet, ihn zu nennen? Es handelt sich doch um das Geheimnis einer Frau und ich habe auch nur bloße Vermutungen." „Nennen Sie vorläufig den Anfangsbuchstaben ihres Familien namens," erwiderte der Untersuchungsrichter. „Der erste Buchstabe ist U." „Und ihr Vorname?" „Sophie." Narjesnü erzitterte in seinem Innern, doch bewahrte er äußer lich völlige Ruhe. „Kennen Sie sie persönlich?" fragte der Untersuchungsrichter weiter. „Ja, oberflächlich . . ." antwortete Walkowski. „Sie waren in der Nacht, als Uchanski getötet wurde, auf dein Maskenfeste. „Ja, aber nur kurze Zeit." „Haben Sie da diese Dame erkannt?" „Das kann ich nicht mit Bestimmtheit behaupten. Ich denke, sie ist dagewesen. Wenigstens war eine Maske da, die ihr sehr ähnelte. Ich wurde auf sie aufmerksam, weil sie mich fragte, ob ich nicht Uchanski im Rauchzimmer gesehen hätte und ob er nicht etwa schon fortgefahren sei."' „Es schien Ihnen also, als ob sie ihn suche?" ' ' „Ja, augenscheinlich wartete sie auf ihn." „Haben Sie bemerkt, daß Sie erregt war?" „Es kam mir allerdings ein wenig so vor." „Aber nachher haben Sie nicht gesehen, wie sie mit Uchanski zusammentraf?" „Nein. Ich verlor Uchanski schon zu Beginn des Balles aus den Augen. „War Uchanski allein?" „Nein, er saß mit einer anderen Maske zusammen." „Die Ihnen gänzlich unbekannt war?" „Gänzlich." Narjesnü schwieg. Die Einbildungskraft des Untersuchungs richters arbeitete mit Geschwindigkeit. Offenbar hatte diese unbe kannte Maske die Eifersucht jener anderen, die Sophie U. hieß. erregt. Die letztere hatte Uchanski aufgesucht, war mit ihin nach dessen Wohnung gefahren und dort war zwischen ihnen ein Streit entstanden, der mit dem Dolchstiche endete. „Kennen Sie die Handschrift der Dame, deren Familienname mitD anfängt?" fragte er plötzlich. Walkowski zauderte. War'es nicht besser, wenn er verneinte? Aber schon drängte ihn die eigene Neu gier zu einer anderen Antwort. „Allerdings," erwiderte eUNihr, erhielt zuweilen Einladungsschreiben von ihr." blu Narjesnü öffnete seine Brieftasche und zog das kleine Br^- hervor, das er bei der Durchsicht der Papiere'Uchanskis ausgei^ Ein! hatte. „Finden Sie eine Aehnlichkcit?" fragte er, indem ck^r, ol die zwei Zeilen nnd das dem Buchstaben 8 ähnelnde Zeichen »8 des Walkowski betrachtete aufmerksam das Schreiben. Dietch sh lichkeit der Handschrift war vollkommen. Aber er zog es ves war. ausweichende Antwort zu geben. „Die Damen-Handschriften ^ftt di einander häufig, weil sie ohne ausgesprochenen Charakter ach r sagte er achselzuckend. sssäre „Folglich ist eine Aehnlichkeit vorhanden?" wrzt k . „Es kommt mir so vor, aber ich bin kein Sachverständigsten Sf Narjesnü trat dicht an ihn heran und sah ihn mit durchW als dem Blick an. „Jetzt fordere ich Sie auf, die Frau zu nenneMe sie der die Rede ist. Andernfalls machen Sie sich der BegünW ihr eines Verbrechens schuldig." Ham! Walkowski erbleichte. „Wie, Sie hegen gegen sie den Dich U . . . der Ermordung Uchanskis? Aber das entbehrt jeder eine scheinlichkeit . . ." sprach er mit zitternder Stimme. "es, - „Nennen Sie ihren Namen, Stand und Wohnung," bebwn de Narjesnü. „Ihre übel angebrachte Zurückhaltung ist völlig.2° los, denn es liegen bereits viele Belastungsbeweise vor und ott- noch wird der Name dieser Person bekannt werden. Und da warnen könnten, so habe ich das Recht, Ihre Verhaftung zi'Jn fügen." Z. ! Walkowski verlor gänzlich die Fassung. „Bitte, ich will mck sagen: Sophie Michailowna Lopatjchinskaja," sagte er mit blmn Lippen. bn- ! Narjesnü schrieb es auf, legte dem Zeugen noch einige Mer- vor und entließ ihn Md * . letzt » atte In einem kleinen, im vierten Stock gelegenen WoynMen kämpfte die zeitig eintretende Petersburger Dämmerung mit'n Lichte einer Lampe, das von einem gelben Lampenschirm lci^m- färbt war. Am Tische saß vor dieser Lampe eine Dame voll rni- 28 Jahren und sah die Zeitung durch, die sie im Laufe des Mg. noch nicht hatte lesen können. Ter Inhalt schien sie jedoch 11M7- sonders zu fesseln. In ihren klaren, blaugrauen Augen zeigtom ein erhöhtes Interesse erst, als sie bei einer Nachricht angetorftn- war, welche mitteilte, daß die Untersuchung in der UchauskiM Mordaffäre ihren. Fortgang nehme, daß man aber dem M noch nicht ans die Spur gekommen sei. „Uebrigens" — fügVeck- Nachricht hinzu — „legen gewisse, bei der Durchsuchung der f * nung des Ermordeten zu Tage getretene Umstände die Vernnwus nahe, daß die Hand, welche die tödliche Wunde schlug, eine FiMe- hand war. Die in der Stadt umlaufenden Gerüchte gehen ih- weiter und setzen Motive romanhafter Natur voraus — Rasens folge verschmähter Liebe." Die junge Frau legte die Zeitung hin, lehnte sich in den Mnn zurück und versank in Nachdenken. „Wie wunderbar," sprmtciu- zu sich selbst, „es ist, als ob das Schicksal eigens für michoeit. Rächerin gesandt hätte. Wahrscheinlich eine Unglückliche, mit Urige noch schlimmer, als mit mir verfuhr, die aber noch tatkräftigec«er- leidenschaftlicher war als ich . . . Aber wie ist das schrecklichRbU schrecklich!" d°r. Mit ungewöhnlicher Klarheit trat ihr der ganze, traurigties man, den sie mit Uchanski erlebt, vor die Augen. Sein AeuMn der selbstbewußte Ton dieses verwöhnten Kenners der FraueNauir des Frauenlebens hatten Eindruck auf sie gemacht. Er hatte er- sofort bemerkt und begann nach seiner Gewohnheit sie rastlos, > Ms zu verfolgen, ließ ihr keine Zeit, sich zu besinnen und der GefaM entgehen, lauerte auf den Augenblick, wo sie von heftiger Nei^> erst, fortgerissen werden und sich selbst vergessen würde und wo cc-n Wo ihrer bemächtigen konnte. Und dieser Augenblick war gekonnt sp» sie — die ehrbare Frau, die Gattin eines trefflichen MannesM)um sie achtete, der allmählich auch ihre Zuneigung erworben hatMas st hatte sich fortreißen lassen und hatte Uchanski nachgegeben - llnrd i wußte jetzt noch nicht: hatte sie es getan infolge einer eigenwiftud mst Lanne ihres erregten Nervensystems und Blutes, oder Ivar WH las Opfer halber Gewalt geworden. Und dann folgten Ernüchteftcirjesn die Qualen verletzter Scham und Selbstachtung, und auf sMe sic! ^eite eine Art beleidigenden, triumphierenden Mitleids und'Uf die zweideutige Ausfälle einer frühzeitigen Verwahrung gegen etnnen ha Ansprüche! Ja, beanspruchte sie denn etwas? Wollte sie denn°>htschu verhängnisvollerweise angeknüpften Beziehungen fortsetzen? ^it. . hätte ja nnr gewünscht, daß er nicht so tief in ihren Augen si Lopal nicht so schonungslos ihre Illusionen vernichte, sie nicht zwingt jun selbst zu verachten, unter dem qualvollen Gefühl ohnmächl^d zur Rachedurstes zu leiden ... G Als die Nachricht von dem schrecklichen Ende Uchanskis sif.svünsc reichte, fühlte sie sich unsagbar erschüttert. Aber trotz des lähme^'rdige Schreckens, den das Verbrechen an sich bei ihr hervorrief, Tisck