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„Offen gesagt, mir ist das Leben bier recht über. Immer daS- ve, der Verkehr ist öde. Unsere Späße werden doch mich allmäh- kitto ! Nattenjagd zu gebrauchen, als ein Teckel. (Forts, folgt? MaNerträger sni Nil. Uach einer photographischen Aufnahme. sieht hinaus. Es wirbelt wie Mücken durch die Lust; wo es geschützt ist, hat der Wind nicht die Macht, die Flocken zu treiben, da fallen sic dunkel mrs der Höhe, werden weis; vor den Tannen und wieder grauer dicht am Fenster. Der blätterlose Garten macht einen kleinen Eindruck, da links ist er gleich zu Ende, früher erschien er da so breit, wie eine Welt. Und wie waren doch die Winter früher? Daran denkt Rita, sie strengt sich an, um sich ganz in den früheren behaglichen, freudigen Zustand hinein zu versetzen, indem sie alle Jahreszeiten durchgeht. Der Winter ist ihr jetzt verhaßt. Sie zieht die Lippen herab, und ihre Augen blicken trübe. Ganz von fern hört man Glocken läuten, vielleicht ist es aber nur ein Klingen im Ohre. Es ist sehr einsam — so einsam, daß sich jetzt eine Unbe stimmte Bangigkeit in das Herz schleicht — sie dreht sich rasch vom Fenster. Auf dem Buffet mit der geborstenen Marmorplatte steht ein. Rest gelbroter Hagebutten in einer Glasschale. Rita macht sich dariiber her und überlegt, während sie ißt, was sie zunächst be ginnen könnte. Ratten schießen! Sie nimmt ein Tesching von einem Riegel neben dem Schlüsselschränkchen, verriegelt die Türe nach der Wohnstube und geht in den Hausflur. „Foxel-boxel!" ruft sie laut. Man hört einen Hund in der Küche laut und heftig als Antwort heulen, und gleich darauf stürzt ein weißer Terrier auf sie zu. Tie gelben Teckel sind eingegangen, die lustigen Käme- raden ihrer frohen Strcifziige, nun hat ihr Schwager Gamm ihr einen Terrier geschenkt, einen scharfen Köter. Der ist auch besser zur dnckt sich zusammen in einem Gefühl der Angst und Beschämung »nd schluchzt hinter den feinen Händen. „Rita, Du weinst?" Julie sieht neugierig den Tränen nach, die zwischen den Fingern herablaufen. Das Weinen ist als ein weichlicher, unnötiger Schmerzensausdruck immer bei den beiden Rotköpfen verpönt gewesen. Es war auch nie üblich zwischen beiden gewesen, jemals zärtlich mit einander zu sein, der heutige Tag bringt aber lauter Neuerungen. Julie kniet halb lachend, halb gerührt neben Rita hin und umschlingt sie fest. Ritas Schluchzen wird heftiger, und doch freut sie sich der zärtlichen Nähe ihrer Schwester. ä n ' in ibn ibcn nu-n br r Tapeten zeigen Risse, hängen so gar in Fetzen herab. Ain Eßstuben- fenster steht seit geraumer Zeit eine zarte, Weiche Gestalt in einem grünen, alten Tuchkleid. Dun kelrote glänzende und dicht ge ringelte Haare um ein durch sichtig weißes Ge sicht mit ganz Hellen, weichen Bäckchen, rost braune Augen und ein roter, geschwungener Mund, so sieht das Mädchen aus; ihre Er scheinung ist das einzig farbige und poetische in weitem Umkreis drinnen und draußen. Rita priÄ Schulden sprechen nnd Kalamitäten, und helfen kann man eichet." ! „Nein," sie springt Plötzlich auf. „Man ist nur einmal jung, muß aus Bajowo heraus. Tante will mir auch Taschengeld Lben " eil ("''N. eden?. Rita hört ihrer Schwester atemlos zu; in ihre Augen tritt ein it Ängstigender Glanz. Tie Erwähnung Viktors, die Aussicht, Julie ? verlieren, die ausgesprochene nackte Tatsache, daß ihr Leben, 'e sie es bisher geführt, unhaltbar, ja wertlos geworden sein soll, »les das erregt sie furchtbar. Aus den Welten ihrer Romane ans- voim^nd, sicht sie sich einer verwirrten unheilvollen Wirklichkeit P/genüber. * Es ist an einem Wintertage nachmittags. Der Himmel spannt sich dunkel blaugrau über die von einer leichten Schneedecke ver hüllten Necker. Es ist kalt und windig; einzelne Schneeflocken ziehen mit dem Winde, man weiß nicht recht, woher sie kommen. Im Westen über dem Garten erhebt sich eine gelbliche Wand, und reichlicher ziehen die Flocken, beinahe wagerecht einher. Alle Büsche Bäume, Häuser, Zäune werden von einer Seite weiß. Im Bajowoer Wohnhause ist es düster, die Luft in den Stuben warm nnd dick. Durch den zunehmenden Verfall des Hauses sieht es immer unordentlich in den Räumen aus, so eifrig Fräulein Garland auch täglich um Orduung und Sauberkeit kämpft. Wo auf dem Bodenraum ein schwerer Schrank oder eine Bettkiste steht, senken sich jetzt die Balken ganz deutlich. Die Einc^ schal. Eine Menagerie halten oder Fischerin spielen und all en W, für mich ist das nichts mehr." Sie richtet sich in dem bequemen Zajollluhl gerade auf nnd faßt die Seitenlehnen mit ihren schönen ,en prken Händen. „Seit Viktor fort ist, ist auch gar nichts mehr Tee^i die Garland klagt und winselt immerzu. Man hört täglich icl Mhen. So ansgcstattet brachte sic eS in kurzer Zeit dazu, sich ein lit unsicheres, aber tätiges und amüsantes Leben einznrichten. nichl „Diese Einladung ist Wohl für Dich, weil Du ein und ein n Jahr älter bist wie ich," sagt Julie, in Nitas Stube ein- Du ^tend. Sie setzt sich auf den einzigen bequemen Stuhl, den es nd oj Mbt, und sieht die Schwester an. Rita blickt von ihren: Buch nütig^ Sie liest noch immer sehr viel und planlos. Ihre Miene vcM'ft matt und abwesend zugleich, oder auch erregt und gespannt, im kiMchdem die Schilderungen der erträumten Welt sie einschläferu rotke glühen machen. esi y „Für mich?" sagt sie langsam. „Ich nehme die Einladung chr sMicht ernst." Dah »So? ich tue es. Wenn Du nicht hingchst, gehe ich nach Wirtin." ; Du Die beiden Rotkopfe sehen sich einen Moment voll an, auf tellviÄns vollem, farbigen Antlitz steht ein fester Entschluß ausge- sickt. Rita ist nur erstaunt. „Du von Bajowo fort? Dann verl^u wir uns trennen?" Wie sie Julie ansieht, weiß sic, daß sic ieilig^ trennen werden, daß ihr Leben ganz verschiedene Bahnen ^Ä'ven wird, weil sie beide sehr verschieden sind. -„Ja natürlich! Wir können doch nicht immer bei einander „ n, wie die siamesischen Zwillinge!" Julie lacht, während Rita ' 't keiner Wimper zuckt und langsam errötet. „Wird Papa Dich ziehen lassen?" m«: „Warum nicht? Ich denke, eine Tochter genügt für das -aus, außerdem ist es doch auch eine Ersparnis." i, Wahrscheinlich würde der Vater seine Töchter überhaupt nicht wi^rmisseu, er steckte so tief in den Wissenschaften. Aber es war - traurig, daß es so war, und daß cs mit Bajowo so schlecht stand: ünvlw Abwesenheit einer Tochter bedeutete eine Ersparnis! Rita nei?E den runden Kopf, um deu sich die Kinderlöckchen ringeln, sie 22*