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worden, diese Stellung, an der sie mit so Niel Zähigkeit und Ehrgeiz hing. Zuweilen war Selma auch krank, und dann hatte Fräulein Garland Gelegenheit, ihr Pflegetalent zu entwickeln. Mit einer wahren Wollust wachte und sorgte sie, das ganze Haus in Aufruhr bringend, und der Genesende fühlte noch lange nachher, wie rührend sich das Hausfräulein angestrengt hatte, wie unentbehrlich ihre Air wesenheit gewesen. „Was Du sagst, nicht möglich!" rief sie kopfschüttelnd, während ; ihre Augen auf dem Lisch herumwanderten; ob auch alles zur Zu- friedenheit des Hausherrn geordnet war, ob ihm das Ragout mundete, war ihr weit interessanter, als die ganze Heidenschanze. „Man kann Ihnen gratu lieren Herr Haugwitz. Diesen Wert Ihres Grund und Bodens haben Sie nicht geahnt!" Sie sah forschend auf Herrn Haug witz, der mit undurch dringlicher Miene kaute. Six wurde kühner; in letzter Zeit hatte Rita ver schiedene blühend dreiste Ausfälle auf ihr Regiment im Hause unternommen, sie wollte es an nichts fehlen lassen, um ihre Position zu befestigen. „Morgen, wenn die But ter beseitigt ist, will ich auch nach der Schanze bin. Wie lehrreich, Urnen zu sehe» — aber sie sind wohl alle zerbrochen? Nun, vielleicht finden Sie doch noch einen Schatz." „Einen Schatz?" fragte Herr Haugwitz aufsehend mit kühlem Blick. Fräu- land Garland wurde ver wirrt, ihre niedrige red- liche Stirne rötete sich. Rita und Julie lachten unbändig auf; sie hatten sich aus dem Älumenvor- rat einer Schale gelbe Stiefmütterchen gewählt und diese hinter ihre rosigen Ohren gesteckt. Der Vater sah mit einem zu- rechtweisenden Blick auf seine Töchter, deren strah lend junge Gesichter ihn mit den, Blumenschmuck seltsam bachantisch an lächelten. „Immer noch in den Backfischjahren? Werdet Ihr nie heraus kommen?" „Wir fühlen uns sehr Wohl darin," sagte Julie, die Augen zukneifend, ohne cs übel zu uehmen, daß ihr Vater sie mit ihren siebzehn Jahren noch in das verfängliche Alter rechnete. „Ich meine, diese Ascheu- urnen sind ein Schatz, Fräulein Garland, für mich sind sie es," erklärte Herr Haugwitz, „wenn auch kein materieller, der sich in Goldeswert um setzen läßt." Fräulein Garlands Lippen öffneten sich, sie sah Herrn Haugwitz groß und andauernd an, seine ihr unverständliche Wert schätzung entzückte sie, ebenso seine sanfte und noble Miene. „Ge wiß, natürlich! Da es Ihnen so viel Frende macht, macht es auch uns, mich mir Freude. Ich meine nur, nebenbei wäre ein Topf mit Goldstücken nicht zu verachten, vielleicht aus der Schwedenzeit," setzte sie schlau hinzu. In diesem Augenblick trat jemand vom Hausflur her in das Eßzimmer, mit der ihm eigenen Art die Türe plötzlich aufmachend und sich so in ganzer Größe, den niedrigen Türbalken beinahe mit dem Scheitel berührend, präsentierend: Viktor von Wegen, der Volontär, der seit rund einem Jahre in Bajowo die Wirtschaft er lernte. Er bat wegen der Störung um Verzeihung, aber der Zug hätte über eine Viertelstunde Verspätung gehabt. Der Hausherr reichte ihm die Hgnd, und vor den Damen, speziell Fräulein Gar land und Selma dahei in's Auge fassend, verbeugte er sich einige Male. Ohne seine Nachbarinnen anzusehen, setzte er sich schmal und dunkel auf seinen Platz, die Berührung mit ihren Hellen ausge breiteten Kleidern dabei vermeidend. Rita streckte ihm mit Schel merei einen kleinen Finger hin, auf deu er einen flüchtigen Blick warf und dann mit Zeigefinger und Daumen anfaßte. „Wir hörten den Wagen garnicht kommen," sagte sie heiter. Julie zupfte an dem Stiefmütterchen, das ihr nach vorne gerutscht war, wo es sanft auf der weichen Fläche ihrer roten Wange lag; den Kopf et was zur Seite gmeigt, tauschte sie mit Rita einen übermütigen, sieghaften Blick, worauf sie beide den jungen Mann an sahen. Da sie ihn seit vierzehn Tagen nicht ge sehen hatten, war ihnen sein Anblick etwas neues und ein vergnüglicher Anblick; mit seiner Per son hing die Erinnerung an allerhand Unterneh mungen und die Erwar- tung an eine Fortsetzung derselben zusammen. Er schien noch etwas magerer geworden, seine starke vorspringende Nase, von der man den Eindruck ge wann, als sei sie eine seit langer Zeit ererbte Fa miliennase, sah größer aus, als je, ebenso er schien sein schlaffer Mund sehr groß und seine Wangen sehr schmal. „Nun, wie steht's denn? Sind Pläne für Ihre Zukunft gefaßt wor den? Sind die Ihrigen gesund?" fragte Herr Haugwitz. „Danke, in Nosaunen geht's gut. Das heißt, mein Vater ist ja nicht ganz auf Deck. Er war stark erkältet und etwas nervös." „Ja, richtig, davon schrieben Sie. Haben Sie denn nun die Inspektor- stelle bei Herrn Oeko- nomierat von Selten er halten?" „Nein, Herr Haugwitz." Einen Augenblick ruh- ten die Blicke der beiden Herrn gespannt in ein ander. „Nicht? Warum denn nicht? Ihr Vater wünschte es doch auch dringend. Und meine Empfehlung — ich begreife garnicht." „Ich konnte auf die Be dingungen nicht eingehen, die mir dort gestellt wurden," erklärte Herr von Wegen mit ruhiger, etwas knarrender Stimme, während seine Augen starr und wahr haft brennend auf den Hausherrn gerichtet waren. Das Gesprächs thema wurde nun gewechselt, da sich eine peinliche Spannung in der Luft bemerkbar machte. Herr Haugwitz sagte: Wir sprechen nachher darüber, und dann wurde die Tafel aufgehoben. Herr Haugwitz schüttelte Fräulein Garland die Hand und klopfte Selma auf die Wange. Seine beiden jüngeren Töchter faßte er um die Schultern und versuchte sie nah an sich heran zu ziehen. Aber sie machten sich steif, nnd der Vater mußte sich anstrengen, um ihre Köpfe zu einauder zu biegen. ' (Fortsetzung' folgt.) Vie ^eukelsbrücke am St. Sottkarck, äavor clie kette cker alten (römitcken) Krücke. Vielen Besuchern der Schweiz, namentlich denen des Vierwaldstätter Sees und der benachbarten Gotthard-Straße, wird die großartige Passage über die wilde Reuß, die Teufelsbrücke, bekannt sein, die Zeno Diemer uns in seinem wohlgelungenen.Bilde vorführt. Dreißig Meter über dem zu Schaum aufgelösten, im steilen Granitbett Herniederiagenden Hochgebirgsfluß schwingt sich die Brücke in kühnem Bogen von der einen Felswand zur anderen. Hier fanden im Jahre 1798 die Kämpfe statt, in denen nach höchst beschwerlichem Uebergang über den St. Gotthard der russische Feldherr Suworow die Franzosen besiegte. 1L*