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Allgemeiner Anzeiger : 21.02.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-02-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190302214
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- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19030221
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19030221
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1903
-
Monat
1903-02
- Tag 1903-02-21
-
Monat
1903-02
-
Jahr
1903
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 21.02.1903
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politische Kunälckau. Deutschland. *Die Venezuela-Verhandlungen sind noch nicht beendet. Nach einer Washing toner Laffan-Meldung begann Bowen am Mon tag über weitere Protokolle zwischen Venezuela und denVer. Staaten, Frank reich, Belgien, Holland, Spanien, Schweden, Dänemark und Mexiko zu verhandeln. Dem Vemehmen nach wird der Inhalt dieser Protokolle im großen und ganzen dem Inhalt des von den verbündeten Mächten unterzeichneten Protokolls entsprechen. Der Zweck dieser Verhandlungen ist offenbar, den hier aufgeführten Staaten eine Grundlage zu schaffen, um die Vorzugsbehandlung Deutsch lands, Englands und Italiens vor dem Haager Schiedsgericht anzufechten. * Die venezolanischen Prima wechsel, welche zur Sicherung der an Deutschland zu leistenden Zahlungen dienen sollen, find dem deutschen Gesandten bereits ausgehändigt worden. * Kommodore Scheder hat Befehl erhalten, die weggenommenen venezolanischen Kriegs- und Handelsschiffe, ein schließlich „Restaurador", an die venezolanische Regierung zurückzugeben. * Große Kavallerietruppenübun gen werden im Laufe dieses Sommers in Gegenwart des Kaisers und anderer Fürst lichkeiten auf dem Truppenübungsplatz Mnnster in der Lüneburger Heide stattfinden. Es sollen dazu mehrere Kavalleriedivisionen verschiedener Armeekorps herangezogen werden. *Das ,Posener Tageblatt' bestätigt, daß der Oberpräsident von Posen, Dr. v. Bitter, sein Abschiedsgesuch eingereicht hat. * Der Bundesrat hat der F l e i s ch b e s ch au- Zollordnung ferne Zustimmung erteilt. Die neue Zollordnung behandelt zunächst die Be schränkungen der Ein- und Durchfuhr, wobei die Fleischsorten, die in das Zollinland nicht ein geführt werden dürfen, einzeln aufgeführt werden. Sodann ist das Verfahren bei der Einfuhr von Fleisch eingehend geordnet. Danach hat bei der Einfuhr beschaupflichtigen Fleisches der Ver fügungsberechtigte die Wahl, ob er die Unter suchung bei der Beschaustelle des Eingangs amtes, sofern daselbst eine sür die vorzuneh mende Untersuchung geeignete Stelle vorhanden ist, oder bei einer anderen zuständigen Beschau stelle des Innern vornehmen lassen will. — Der Reichskanzler hat eine Bekanntmachung er lassen, welche die Kennzeichnung des untersuchten ausländischen Fleisches betrifft. Sie beschäftigt sich in der Hauptsache mit der Be schaffenheit der zur Verwendung zn bringenden Stempel. * Das neue Süßstoffgesetz tritt am 1. April d. in Kraft. Danach ist der Verkauf von künstlichen Süßstoffen im wesentlichen auf die Apotheken beschränkt. Nach 8 8 des Gesetzes unterliegen einer Geld- oder Freiheitsstrafe alle Personen, in deren Besitz oder Gewahrsam Süß stoff in Mengen von mehr als 50 Gramm vor gefunden wird, sofern sie nicht den Nachweis erbringen, daß sie den Süßstoff nach dem 31. März d. von einer zur Abgabe von Süß stoff befugten Person bezogen haben. — Mit Süßstoff bis zu 50 Gramm darf sich also jeder Haushalt bis zum 31. März noch versorgen. * Ein neuer polnischer Geheim bünde l e i p ro z e ß wird nach der ,Voss. Ztg/ demnächst vor der Strafkammer in Guesen verhandelt werden. Angeklagt sind vier Studenten und fünfzehn Gymnasiasten, von denen vierzehn von der Anstalt verwiesen worden sind. Ruhland. * Rußland plant den Bau neuer Panzer- schisse. Es handelt sich um eine ganz neue Klasse, wie sie Rußland bisher noch nicht besitzt. Die Panzer werden jeder 16 000 Tons groß sein und in den Panzertürmen vier zwölfzöllige und »zwölf achtzöllige Kanonen außer einer großen Anzahl von kleineren Schnellseuer- kanonen und Kugelspritzen besitzen. Der Bau dieser Panzer wird auf der staatlichen baltischen Schiffswerft in Petersburg vor sich gehen und soll im Lauf von drei Jahren beendet sein. Die neuen Panzer sind für das ostafiatische G eschwader bestimmt und nach Zeichnungen gebaut, die von russischen Schiffsbauingenieuren angefertigt worden find. Balkanstaaten. *Von amtlicher Seite in Wien wird mit geteilt, daß die Überreichung der österreichisch russischen Reformvorschläge an den Sultan im Namen sämtlicher Signatarmächte des Berliner Vertrages erfolgen wird. Die Botschafter sind von ihren Mächten beauftragt, dem Sultan den Wunsch auszudrücken, daß die Reformen unverzüglich zur Durchführung gelangen. Dr. v. Bitter. *Die macedonischen Kreise in Sofia halten trotz der Verhaftung der Führer Zontschew, Michailowski, Stanischew, Jankow und Nikolow an der Behauptung fest, der Aufstand sei so vorbereitet, daß der Ausbruch im März gesichert sei. Sarafow fowie seine Unterführer Kowatschew und Dawidow entgingen der Verhaftung durch die Abwesenheit von Sofia. Sarafow sei in den letzten Tagen in Küstendil gewesen. Die Aufhebung beider macedonischer Komitees wurde nachts vollzogen und verursachte in Sofia keinerlei Auflegung. Amerika. * Der Präsident Palma von Cuba hat ein Abkommen mit den Ver. Staaten unter zeichnet, demzufolge den letzteren das Recht ge währt wird, auf Cuba Flotten- und Kohlen- stationen zu errichten. Afrika. * Nach den stets wechselnden Nachrichten aus Marokko hat momentan der Prä tendent wieder Oberwasser. Er zieht seine Streitkräfte im Gebiete von Hyaina zusammen. Auch südlich von Fes stehen neue Kämpfe be vor. Am 5. d. kam es zu einem größeren Ge fecht, welches mit dem Rückzüge der Sultans-Truppen endete. Diese hatten im Hyainagebiet die Truppen des Prätendenten angegriffen, wurden aber nach bedeutenden Ver lusten zurückgeschlagen. — Alan muß sich vor läufig darauf beschränken, die vorliegenden Meldungen einfach zu registrieren, da man deren Richtigkeit hier absolut nicht prüfen kann. * Um den Eindruck des unfreundlichen Empfanges, der Chamberlain in Graff-Reinet zu teil geworden ist, nach Mög lichkeit zu verwischen, ist jetzt dort die obli - gateLoyalitätskundgebungin Szene gesetzt worden. Die Afrikander des Bezirks überreichten dem Kolonialminister eine Adresse, in der sie die Versicherung abgaben, daß sie, so hoch sic auch die durch eine freie Verfassung gewährten Vorrechte schätzten, doch nicht minder aufrichtig an der Vereinigung mit England fest hielten, dem sie ihre Freiheit schuldeten. Unter I der Herrschaft des Kriegrechtes hätten sie viele! Unbilden, die auch jetzt noch nicht beseitigt seien, ertragen müssen. Sie seien aber überzeugt, daß von ihrem Verhalten die Wohlfahrt des Landes und die Zukunft ihrer Kinder abhänge, und seien daher entschlossen, die Vergangenheit zu vergessen und treue Anhänger des Reiches zu sein. Deutscher Keickstag. Am 17. d. Wird die zweite Lesung des Etats des Reichsamts des Innern, Titel „Ge halt des Staatssekretärs", fortgesetzt. Zlbg. Sachse (soz.) bespricht die Kruppschen Wohlfahrtseinrichtungen und verlangt, daß die aus tretenden Arbeiter ihre Beiträge zurückgezahlt er halten. Dem Abg. Stöcker hält er vor, daß der Kaiser, der jetzt den schlichten Mann im Reichstage wünsche, einst geschrieben habe: „Christlich-sozial ist Unsinn." Dann verbreitet sich Redner über die Lage der Bergarbeiter. Abg. Stöcker verlange nur 12 bis 15 königstreue Arbeiter, warum nicht gleich 200, um die Sozialdemokratie zu vernichten. Auch das Zentrum hätte schon früher, wenn es gewollt hätte, Arbeiter in den Reichstag schicken können. Das tue doch die arme Sozialdemokratie, die ohne Diäten ihre Vertreter unterhalte. Wenn christliche Arbeiter im Reichstage wären, müßten sie mit den Sozialdemokraten Hand in Hand gehen, wenn sie wirklich Vertreter der Arbeiter sein wollten. Seine Partei habe auch nichts dagegen, wenn Prinz Hein rich im Reichstage säße. Die 300 Mill. Mk. für die China-Expeditton wären besser zum Bau von Arbeiterwohnungen verwandt worden. Sächsischer Bevollmächtigter Direktor Fischer verteidigt die sächsische Regierung gegen den Vor wurf Wurms, niemals ernsthafteSozialpolitik getrieben zu haben. Die Gewerbeaufsichtsorgane in Sachsen täten, entgegen der Behauptung Wurms, durchaus ihre Schuldigkeit. Den Aufsichtsbeamten könne allerdings nicht zugemutet werden, vor den Arbeitern Kotau zu machen und, wie Wurm das verlange, in Arbeiter-Versammlungen zu erscheinen. Unberechtigt sei ferner der Vorwurf Horns, daß sächsische Unter nehmer, z. B. die Wien-Gesellschaft für Glas industrie, ihren Arbeitern das Koalitionsrecht schmälerte. Diese Gesellschaft habe eine Erklärung erlassen, daß sie an so etwas nicht denke, daß es ihr aber allerdings auch nicht einfalle, Arbeiter zu behalten, welche unter ihren Kameraden gegen die Gesellschaft hetzerisch tätig seien. Auch die Vorwürfe des Vorredners gegen die sächsische Berginspektton seien hinfällig. Preuß. Geh. Bergrat Meißner nimmt gleich falls die preußische Bergbauaussicht gegen die An griffe des Abg. Sachse in Schutz. Nach der vor liegenden Staüsük nehmen die Unfälle im Bergbau an Zahl nicht zu, sondern vielmehr ab. Abg. Schwarz-München (wildlib.) geht auf die durch die Resolution Jäger angeregte Wohnungs frage ein. Wenn verlangt worden sei, die Kom munen sollten durch Erwerb von Grund und Boden der Wohnungskalamität abzuhelfen suchen, so sei das nicht ganz' leicht. In der Nähe der großen Städte sei der Bodenpreis meist schon durch die Spekulation stark in die Höhe getrieben, die Kom munen würden also Millionen über Millionen auf- wenden müssen. Wester erklärt sich Redner gegen den Befähigungsnachweis und verbreitet sich dann über die Bäckerei-Verordnung, wobei er die neuliche Schilderung Molkenbuhrs von den Mißständen in den Bäckereien bemängelt. Abg. Stockmann streik.): Die Wohnungsfrage und der übermäßige Alkoholgenuß sind zwei Mel, die an der Kraft unseres Volkes zehren. Hiergegen sollte endlich einmal das Reichsamt des Jnnem mit gesetz geberischen Maßnahmen Vorgehen. Redner polemi siert weiter gegen die Sozialdemokraten, die für die ländlichen Arbeiter höhere Löhne, aber für die in dustriellen Arbeiter billiges Brot forderten. Den Landarbeitern sei keineswegs damit gedient, wenmsie der Sozialdemokratie folgten, die sie durch ihre un erfüllbaren Versprechungen zu sich herüberlocken und unzufrieden zu machen suchten. Sein Wahlkreis sei früher auch einmal durch einen Sozialdemokraten vertreten gewesen. Als sein Vater dann nach der Wahl einen seiner Arbeiter fragte, warum er denn sozialdemokratisch gewählt habe, habe dieser erwidert: „Jo, Herr, warüm füllen wi dat nich mal versöken, se verspreken uns jo doch so väl." Zum Schluß fordert Redner die Bestrafung des Kontraktbruchs der ländlichen Arbeiter. Abg. Euler (Ztr.) äußert sein Bedauern über die Stellungnahme des Staatssekretärs gegen den Befähigungsnachweis. Vor allem sei dieser nötig für das Baugewerbe. Redner wendet sich weiterhin bei seinen Darlegungen zugunsten des allgemeinen Befähigungsnachweises namentlich noch gegen den Abg. Jacobskötter. Abg. Zubeil (soz.) erwidert dem Abg. Stock mann, die Trunksucht werde in Arbciterkreisen ohne N Truggold. 40 i Roman von Anna Seyffert-Klinger. lForttetzmig.) J-tz' fürchtete Heinrich nur die Ankunft se i er Verwarn reu, mit ihrem Erscheinen mußte dieses oegllickende, tiefruhige Zusammenleben aufhören. Selbst die Baronin bereute es säst, ihre lieben Steglitzer eingeladen zu haben. Sie mußten nun jeden Tag eintreffen und wären wohl schon hier gewesen, wenn Doktor Sie- mann nicht in allen größeren Städten Station gemacht hätte zur Besichtigung der Museen und Denkmäler. Wieder hatten die drei in der Villa Albers einen jener unvergeßlichen Abende verlebt, wo mehr aus jeder Bewegung der einzelnen, in dem Blick von Auge zu Auge das stumme Ver ständnis der Seelen zu lesen ist. Gesprochen wurde nicht viel, aber das wäre auch über flüssig gewesen; der Abend schwand im Umsehen dahin, und als man sich mit einem Händedrucke trennte, da war die Freude auf das Morgen auf jedem Gesicht deutlich genug zu lesen. Heinrich schritt langsam seinem Hause zu, noch ganz erfüllt von dem Zauber, den die Villa mit samt ihren Bewohnern auf ihn aus übte. Heute dachte er weder an seine ge schäftlichen Pläne, noch in einer andern Weise an die Zukunft, die Gegenwart hielt ihn mit ihren Fesseln fest umstrickt. In seinem Zimmer brannte noch Licht, ein Zeichen, daß Hans früher als sonst aus dem Klvb gekommen war. Nicht gerade angenehm berührt durch die Aussicht, seinem Bruder noch Rede und Antwort stehen zu müssen, ging Heinrich leicht verstimmt hinein, entschlossen, so gleich jeder Bemerkung die Spitze abzubrechen und sein Lager aufzusuchen. Hans kam ihm erregt entgegen. „Klarius und Anni find hier, Heinz, ich traf am Nach mittag im Kunstsalon mit Anni zusammen." Klarius hier! Die Nachricht wirkte wie eine kalte Douche auf Heinrichs harmonische Stimmung. Der leichte Strohhut flog ziemlich unsanft in irgend eine Ecke. „Hätte ich doch dem Menschen nur kein Wort geschrieben, was mag er hier von mir wollen? Ich bin nie zu Hause für ihn, das magst du ihm nur sagen." Hans war viel zu sehr mit sich selbst be schäftigt, um das Absonderliche dieser Bemer kung herauszusühlen. „Anni ist so verändert," sagte er leise; „sie scheint eine ganz andere ge worden zu sein und innerlich, feit wir uns nicht gesehen, viel durchlebt zu haben. Du er innerst dich doch, daß sie auf einer Partie fast ertrunken wäre, ich habe es dir ost genug er zählt. Damals zweifelte ich immer noch daran, daß sie sich wirklich unglücklich lühtte, heute bin ich überzeugt, daß sie sich an der Seite dieses Klarius in Selbstqual verzehrt." — Heinrich hatte ungeduldig das Zimmer durchmessen. „Aber lieber Jungr," sagte er jetzt, stchenbleibend, „verschone mich doch mit Berichten über jene Dame. Sie ist mir viel zu gleichgültig, als daß ihre Launen und Albernheiten mich irgendwie interessieren könnten." Hans sah mißtrauisch auf. Aus dir spricht doch nur die Eifersucht —" Ein herzliches Lachen, das allerdings einen solchen Verdacht total zerstören mußte, ant wortete ihm. „Nein, mein bester Hans; daß du mich sür einen solchen halten kannst, ist kost bar. Darüber sei ein für allemal beruhigt; diese Anni könnte in Gold gefaßt sein, mich ließe sie kalt, eisig kalt. Das merke dir, mein Junge. Eher begeistere ich mich sür unsere behäbige Römerin, die auf der Welt nichts mehr zu lieben scheint, als eine saloppe Toilette, die weder Kaffee kochen, noch ein Zimmer gründlich reinigen kann. Ich will mich eher für sie er wärmen, als sür die kleine nichtssagende Kokette aus der nordischen Residenz!" „Nun, nun, man darf doch das Kind nicht mit dem Bade ausschütten!" rief Hans erleichtert und doch in einem gereizten Ton, „wenn jemand zur Besinnung kommt, seine Fehler einfieht und und bereut, so ist es nicht mehr wie recht und billig, daß man seine Besserung gelten läßt." „Die in diesem Falle für uns gottlob wenig in Betracht kommt, da Frau Klarius uns un erreichbar ist," bemerkte Heinrich trocken. „Und nun gute Nacht, Hans, ich brauche hoffentlich nicht fürchten, daß du dir durch ein paar ein studierte Phrasen den Kovs verdrehen läßt —" Hans hatte schon die Thür zu seinem Schlaf zimmer geöffnet. „Gute Nacht, Heinrich, wir verstehen uns heute nicht!" 21. Am nächsten Morgen ging Hans, ohne seinen Bruder begrüßt zu haben, schon früh aus dem Hause fort. Er hatte sein'Skizzen buch mitgenommen und durchstreifte die Gebend jedes gesetzgeberische Zutun verschwinden, «»fern man nur den Arbeitern vernünftige Löhne z«hle. Mit Trunksuchtsgesetzen dagegen sei gar nichts zu erreichen. Weiter vertritt Redner gegenüber St»ck- mann das Verlangen nach Koalitionsfreiheit fiir die ländlichen Arbeiter. Herrn Stöcker müsse er das Recht absprechen, sich als Freund sozialer Bestrebungen hinzustellen, solange es noch Kinder gebe, die in der Kurrende viele Stunden lang die Stadt durchzögen und sogar Lokale mit Damenbedienung aufsuchen müßten, um dort zu singen und dafür Gelder einzunehmen. Dann kämmt Redner wieder zurück auf die Lohnarbciter- frage, die schlechten Löhne, die ebenso schlechten Wohnungsverhältnisse, die ganz anders seien als Gamp sie geschildert habe, und verbreitet sich aus führlich über die gesamten Verhältnisse in den Ziegeleien: niedrige Löhne, außerordentlich lange Arbeitszeit, 16 bis 18 Stunden, unglaubliche Wohnungszustände rc. Wenn Unternehmer wegen Zuwiderhandlung gegen Arbeiterschutzvorschriften vor Gericht ständen, fielen die Urteile milde Ms. Was nütze bei solcher Parteilichkeit der Richter alle Gesetzgebung? (Vizepräsident Büsing ruft den Redner wegen dieses gegen Richter geschleuderten Vorwurfs zur Ordnung!) Darauf vertagt sich das Haus. PrruMfchrr Landtag. Am Montag erledigte das Abgeordnetenhaus zunächst bei im ganzen unerheblicher Debatte den Rest des Justizetats. Die Vorlage bett, die Ge bühren der Medizinalbeamten, ging an eine Kom mission. Kultusminister Studt bekämpfte das mehr fach im Laufe der Debatte geäußerte Verlangen, den Gebührentarif selbst im Gesetz festzulegen. In der ersten Beratung des Ausführungsgesetzes zum Reichsseuchengesetz wurden die einschlägigen medizi nischen Gesichtspunkte erörtert. Der Gesetzentwurf ging M dieselbe Kommission, der die Vorlage über die Gebühren der Mediziualbeamten überwiesen worden war. Im Abgeordneteichause begann am Dienstag die Beratung des Etats der Handels- und Gewerbe- Verwaltung. Abg. Oeser begründete feinen Antrag auf Ausdehnung des zollfreien Veredelungsverkehrs. Der Anttag bezweckte, der doppelten Preisgestaltung der'Kartelle entgegenzutteten, die Rohstoffe und Halbfabrikate nach dem Auslande billiger verkaufen als im Inland. Redner führte aus, daß durch diese Bevorzugung des Auslandes die inländische Fabri kation schwer geschädigt würde und deutsche Industrien nach dem Auslande getrieben würden. Handels minister Möller erklärte, es würde geprüft werden, ob den betreffenden Industrien in weitergehender Weise als bisher der zollfreie Veredelungsverkehr zu gewähren fei. Mit Rücksicht auf diese Erklärung des Ministers zog Abg. Oeser seinen Anttag zurück. Von unä fern. Die Aussöhnung der Prinzessin von Tos kana mit dem österreichischen Kaiserhause scheint auf schwere Hindernisse zu stoßen. Wenigstens behauptet die ,Münch. Ztg/, Kaiser Franz Joseph habe den Mitgliedern des gesamten Hauses Habsburg-Lothringen jeden Verkehr mit Prin zessin Luise verboten. Ein solches Verbot würde sich auch auf die Eltem der Prinzessin, das Großherzogspaar von Toskana, erstrecken. Geich zeitig schreibt die Wiener Leit': Die von mehreren Seiten eingelangte Meldung, das zwischen St. Gilgen und Schärfling einsam ge legene Schloß Hüttenstein sei als Aufenthalt für die gewesene Kronprinzessin in Aussicht ge nommen, bewahrheitet sich nicht. Der jetzige Besitzer teilt mit, daß Schloß Hüttenstein seit mehr als einem Vierteljahrhundert nicht mehr dem Fürsten Wrede gehört, und daß er selbst weder daran denkt, das Schloß zu verkaufen oder zu vermieten, noch auch von irgend einer Seite irgend welche darauf abzielende Angebote erhalten hat. Das Urteil im Kurpfuscher - Prozeß Nardenkötter wurde am Dienstag gefällt. Nardenkötter wurde zu 3 Jahr Gefängnis, 3000 Mark Geldstrafe und 5 Jahr Ehrverlust, Dr. Kronheim zu 6 Monat Gefängnis und 1 Jahr Ehrverlust verurteilt. Apotheker Klesper wurde freigesprochen. Deutscher Heringsdampfcr gestrandet. Der vermißte Heringsdampfer „Friedrich Albert" ist an der Südküste Islands gestrandet und total wrack geworden. Der Steuermann, der erste Maschinist und ein Mann der Besatzung sind ums Leben gekommen. Die übrigen neun Diann wurden gerettet. am Ufer des Flusses. In der Ferne oie Dome und Paläste des ewigen Rom und hier unten die blühende Schönheit einer unvergleichlichen Landschaft — ein Anblick, der das Herz immer wieder wettet, so oft man sich auch an dem herr lichen Panorama erfreut hat. Hans schien sehr glücklich heute, seine leuchtenden Augen sahen nur halb verloren all die Schönheit, ihm schwebte ein blondes Köpfchen vor, dessen rosiges Gesicht von einer Wolke sanfter Trauer umhüllt war. Auf einer von starkduftender Winde um rankten Steinbank verzehrte er mit bestem Appetit sein Frühstück und schlenderte dann langsam nach dem Kunstsalon. Lange brauchte er dort nicht zu warten. Eine junge Dame im Hellen Seidenkleide ver ließ einen Hotelwagen, vergeblich bemüht, sich mit dem Kutscher zu verständigen. Hans erkannte die Helle Stimme, die heute wieder einen so fröhlichen Klang hatte wie früher, und er eilte herzu. „Er soll hier warten," sagte Anni, auf den Kutscher deutend, .und das scheint er nicht be greifen zu können." „Mag er nach Hause fahren," entschied Hans, „ich bringe Sie in einer Stunde sicher ins Hotel zurück, Frau Anni." Sie betraten die Ausstellung. Die junge Frau mußte noch gewachsen sein, sie erschien größer noch und anmutiger als früher, nur nicht mehr so frisch und strahlend, ein Schatten ruhle auf ihrer Schönheit, ein Bann schien ihr neckisches, oberflächliches Wesen in Fesseln ge« schlagen zu Haden — Hans hatte recht, sie war
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