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Allgemeiner Anzeiger : 28.01.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-01-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190301284
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19030128
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- Saxonica
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- Bemerkung
- Vorlagebedingter Textverlust
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1903
-
Monat
1903-01
- Tag 1903-01-28
-
Monat
1903-01
-
Jahr
1903
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 28.01.1903
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UsIMsche Rundschau. Die Exekution gegen Venezuela. * Gegen das Fort San Karlo, das den Zugang zu Maracaibo deckt, hat nunmehr nach dem anfänglichen Mißerfolg des „Panther" ein vereinter Angriff dreier deutscher Kriegsschiffe statigefund en. Das Fort San Karlo wurde zerstört, wobei 12 Venezo laner getötet und 15 verwundet wurden. Das venezolanische Kriegsschiff „Miranda" wurde weggenommen. *Zur Aufbringung der venezola nischen Zwangsanleihe berichten Privatmelduugen aus New Porl: Den italie nischen Untertanen in Caracas wurden, da sie jede Beteiligung an der Zwangsanleihe des Präsidenten Castro verweigerten, die Geschäfte geschlossen und polizeilich bewacht. Castro meinte: „Hier sind wir Herren, trotz der Kriegsschiffe!" Die deutsche Firma Blohm zahlte 50 000, Konsul Valentiner 20 000 Bolivares als Beitrag für die Anleihe. * * * Deutschland. *Auf Anregung des Kaisers find die An ordnungen für die Kaisermanöver mit Rück sicht auf die KönigSfamilie in Dresden geändert worden. ES wird sich das 12. Armee korps nicht an den Manöver» beteiligen. An seiner Stelle wird daS 4. mit dem IS. Armeekorps unter dem Oberkommando des Generals v. Hausen gegen daS 10. und 11. unter General v. Wittich manö vrieren. AIS Terrain ist die Gegend zwischen Merseburg und Kassel gewählt. DaS Haupttreffen findet bei Ohrdruf statt, womit gleichzeitig der dortige neue Truppenübungsplatz für das 11. Korps aus- geprobt werden soll. Das Kaisermanöver beginnt Ende August. Innerhalb des 11. Armeekorps werden bereits Vorbereitungen dazu getroffen. * König Georg von Sachsen gedenkt am 27. d. in Berlin einzutreffen, um dem Kaiser persönlich seine Glückwünsche zum Ge burtstage darzubringen. In der Begleitung des sächsischen Monarchen wird sich dessen Sohn, der Prinz Johann Georg, befinden. Sollte jedoch der Gesundheitszustand König Georgs die Reise bis dahin nicht opportun erscheinen lassen, so wird Prinz Johann Georg allein die Glückwünsche der sächsischen KönigSfamilie überbringen. Der Kron prinz Friedrich August, welcher ursprüng lich an der Reise nach Berlin teilzunchmen beab sichtigte, muß hiervon Abstand nehmen, da er gegen wärtig noch immer an den Folgen des erlittenen KnöchelbruchS zu leiden hat. "Der Präsident des Reichstags Graf Ballest rem hat dem Reichstage schriftlich mitgeteilt, daß er seinAmtniederlege. Der Reichstag hat sich bis zum Donnerstag vertagt und wird dann die Neuwahl des Präsidenten vornehmen. *Die angekündigte Aenderung des Reichstags-Wshlreglements (Kou- verts, Jsolierräume) erklärt die ,Schles. Ztg.' durch ein Uebereinkommen mit dem Zentrum: „Daß Graf Bülow damit Leuten, die nach vieler Meinung die Peitsche verdient Laben, Zuckerbrot verabreichen wolle, ist natürlich ausgeschlossen. De» Rätsels Lösung ist wohl darin zu finden, daß der Redner des Zentrums, dessen der gewerblichen Arbeiterschaft angehörige Wähler durch die Zu stimmung der Partei zur Erhöhung der Lebensmittel- zölle einigermaßen in Unruhe geraten sind, Matz, regeln zur Sicherung des Wahlgeheimnisses verlangte. Die Erfüllung diese» Verlangen» wird nun den Arbeitern al» ein Erfolg des Zentrum» dargestellt werden können und bildet mit Rücksicht hierauf vielleicht einen bisher unbekannten Teil de» Kom- promiffeS bei der Erledigung des Zolltarifs." "Gegenüber neuerlichen Veröffentlichungen des Geheimen Rats Löhning in mehreren Berliner Blättern, welche die Behauptung auf recht erhalten, er sei wegen seiner Verheiratung mit der Tochter eines früheren Feld webels pensioniert worden, wird anscheinend halbamtlich angelündigt, event. werde bei der zweiten Etatslesung Anlaß genommen werden, an der Hand des aktenmäßigen Mate rials die Sachlage völlig klar zu stellen und den unwiderleglichen Beweis zu liefern, daß ausschließlich das Verhalten des Herrn Löhning in der Polenfrage den Anlaß zu seiner Pensionierung gegeben habe. "Bei der Reichstagsstichwahl in Danzig wurden bis Donnerstag abend ge- Aus dem Reichstage. Im Reichstag sprach am DonnerLiag in Fort setzung der ersten Lesung des Etats zunächst Abg. Bebel (soz.), der den finanziellen Tiefstand de» Etats kritisierte. Dafür seien in erster Reihe angenommen. Staatssekretär Frh. v. Richthosen führt aus, Deutschland habe mit Venezuela große Nach ¬ ging dann zu einer eingehenden Kritik der gegen die Sozialdemokratie gerichteten Reden des Kaisers über. Auch die in Oels gegenüber einer Arbeiter deputation gehaltene Ansprache des Kronprinzen zog Redner in den Bereich seiner Kritik. Reichskanzler Graf Bülow erwiderte, kein Mitglied der Sozial demokratie habe das Recht, sich Über eine „scharfe Form" zu beschweren; eine Partei, die kein Mittel scheue, um auf den Umsturz der Monarchie hinzu arbeiten, habe dieses Recht verwirkt. Weiterhin sprach Gras Bülow den Wunsch aus, die Person des Kaisers so selten als möglich in die Debatten zu ziehen. Auf die auswärtige Politik übergehend, betonte der Reichskanzler, daß die Floite nur den Zweck verfolge, die deutsche Küste zu sichern, sowie die überseeischen deutschen Interessen zu schützen und die Deutschen im Aus lande vor Schaden zu bewahren. Am 23. d. verliest vor Eintritt in die Tages ordnung Vizepräsident Graf zu Stolberg eine dem Reichstage zugegangene Erklärung deS Präsi denten Grafen Ballestrem, laut welcher derselbe infolge eines Artikels in der ,Kreuz-Zeitung", de» führenden Organs der konservativen Partei, in dem seine Geschäftsführung scharf kritisiert und miß billigt wurde, daS Amt des ReichStagSpräsidcnten niederlegt. Abg. v. N o r m a n n (kons.): Ich erkläre namens der deutschkonservativen Fraktion des Reichstage», daß der von dem Herrn Grafen Ballestrem in seinem Schreiben erwähnte Artikel in der ,Kreuz-Zeitung' erschienen ist, ohne daß die Fraktion vorher Kennt nis davon gehabt hat. Die Fraktion hat überhaupt niemals die Geschäftsführung des Präsidenten Grafen Ballestrem in ihren Sitzungen einer Kritik oder B«. sprechung unterzogen. Abg. Sattler (nat.-lib.): Nach dieser Er- klärvng kann ich nicht umhin, zu bemerkm, daß die Anschauungen, die in einem Artikel niedergelegt sind, nach meiner Ueberzeugung nicht die Veranlassung geben können für den Schritt, den der Präsident getan hat. Vizepräsident Graf Stolberg-Wernige rode: Ich werde bei der Verkündigung der nächsten Tagesordnung auf diese Erklärung zurückkommen, um die Wahl des Präsidenten für die nächste Sitzung vorzuschlagen. Abg. Singer (soz.): Auch wir haben den Grafen Ballestrem zum Präsidenten gewählt und wieder gewählt. Ick bin aber gegenüber den Er klärungen der Herren v. Normann und Sattler ver pflichtet zu erklären, daß allerdings Herr Graf Ballestrem durch seine Präsidialführung bei den letzten Vorgängen unser Vertrauen verloren hat. Daraus wird die Etatsberatung fort gesetzt. Abg. Oertel (kons.) hält es nicht für zweck mäßig, die Person deS Kaisers in der Art in die Debatte zu ziehen, wie es geschehen sei. Die Sozial demokraten hätten eS seinem Freunde, dem Abg. v. Kröcher, sehr Übel gmommen, daß er gesagt habe, die Sozialdemokratie dürfe nicht Subjekt, sondern müsse Objekt der Gesetzgebung sein. Trotzdem sei dieser Ausspruch ganz korrekt, da sich die Sozial demokratie stets außerhalb der Verfassung stelle. Sie müßte es sich nun schon gefallen lassen, anders behandelt zu werden als die übrigen Parteien. Aus den Reihen der Sozial demokraten fielen auch dauernd die meisten MajestälS- beleidigungen. Byzantinismus habe es immer ge geben, manchmal richtete er sich gegen Monarchen, manchmal gegen die VolkSmafsen und die Pariei bonzen. Die ReichSfinanzresorm sei jetzt nicht zu lösen, deshalb werde man in den sauren Apfel der Zuschußanleihe beißen müssen. Eigentlich sei sie verfassungswidrig. In Venezuela müsse unsere Aktion, da sie einmal angefangen sei, energisch zu Ende geführt werden. Die Liebenswürdigkeit deS Reichskanzlers gegen England werde dort nicht er widert. Bezüglich der Debatten über die Kaiserreden müsse er sagen, daß er die Abwehr der Angriffe durch den Herrn Reichskanzler nicht durchweg glücklich gefunden habe. Durch die Art, wie er den Kaiser verteidigte, habe er der Debatte, anstatt sie einzu- dämmen, neue Nahrung gegeben, während er aller dings wünsche, daß die Person des Kaisers möglichst wenig in die Diskussion gegeben wird. Allerdings müßten wir dann zu Zuständen zurückkehren, wie sie unter Kaiser Wilhelm I. herrschten, der gewiß auch kein Schattenkaiser war. Redner tadelt die vom Reichskanzler angekündigte Einführung der Wahlkouverts und Jsolierräume. Staatssekretär Graf Posadowsky verteidigt sich gegen den Vorwurf, daß die Regierung dem Antrag auf Sicherung des Wahlgeheimnisses statt gegeben habe. Der Antrag sei viermal vom Hause die Steigerungen der Ausgaben für Heer und ..... „— „ „ Flotte verantwortlich. Er erinnerte an Aussprüche! sicht gehabt, aber doch zuletzt eingreisen müssen, des Kaiser» zur Weltpolitik, tadelte das Vorgehen Neber die Kämpfe der drei Kriegsschiffe könnten gegen Haiti und Venezuela als zu schneidig und i Nachrichten noch nicht vorliegen. zählt für Mommsen (fr. Vgg.) 10472, für den Sozialdemokraten Bartel 6473 Stimmen. * Da es an einer amtlichen Bearbeitung der B e r i ch t e der G e w e r b e i n s p e k t o r en fehlt, schlägt die »Soziale Praxis' vor, daß die neue arbeitsstatistische Abteilung des kaiserl. Statistischen Amtes künftig eine solche Bearbeitung vornehme. "Der Matrose Kohler, welcher den Unteroffizier Biederitzki in Athen an Bord der „Loreley" ermordete, wurde am Freitag vom Kriegsgericht in Wilhelmshaven des Mordes für schuldig befunden und zum Tode verurteilt. * Die zur Aufbesserung der Lübeckschen Staatsfinanzen vom Senat vorge schlagene Geschäftssteuer wurde am Donnerstag zum zweiten Male vom Bürger ausschuß ab gelehnt. "Gegen die Mas seneinwanderung von Buren in Deutsch-Südwest- afri! a sollen sich, wie der Münchener,Allg. Ztg.' aus Berlin geschrieben wird, Bedenken geltend gemacht haben, und zwar in der Kolonie selbst. Oberst Leutwein, der zur Zeit eine Reise durch Süddeutschland macht, hat diese unterbrochen und ist zur Berichterstattung nach Berlin zurückgekehrt. Oesterreich-Ungarn. "Die .Politische Korrespondenz' bezeichnet die Gerüchte, daß ein etwaiges Erscheinen eines österreichisch - ungarischen Ge schwaders im östlichen Teil des Mittelmeeres mit den auf dem Balkan schwebenden Fragen im Zusammenhang stehe, als völlig grundlos. Die Möglichkeit einer Uebungsfahrt eines österreichisch-ungarischen Geschwaders nach den genannten Gewässern sei seit Monaten in Aussicht genommen. Po litische Umstände spielten dabei keine Rolle. "Das Scheitern der Verständi gungs-Konferenz bildet den Gegenstand der Betrachtungen in der Presse. Die tschechischen Blätter find bemüht, für die Sprengung der Konferenz die Deutschen verantwortlich zu machen; das jungtschechische Hauptorgan kommt zu dem Ergebnis, daß Herr v. Körber für fich und sein Kabinett aus der Sprengung der Verständigungs-Konferenz die Konsequenzen zu ziehen habe. Inzwischen haben die Jung tschechen im Abgeordnetenhause die Ob struktion wieder ausgenommen. Frankreich. "Der Kommisfionsbericht über das Budget des Ministeriums des Aeußeren spricht die Be friedigung darüber aus, daßFrankr eich fich von den jüngsten Ereignissen in Venezuela ferngehalten habe. Bezüglich Marokko schlägt der Bericht eine internationale Verständigung vor, durch welche die Neu tralität von Tanger und seine Eigenschaft als Freihafen erklärt werden solle. Balkanstaaten. "Trotz der strengen Kälte überschreiten feit Neujahr fortwährend Flüchtlinge aus Makedonien die bulgarischeGrenze. In Rilo und dem dortigen Kloster find 30 Männer und fünf Frauen, ein junges Mädchen und vier Kinder von allen Existenzmitteln entblößt angekommen. Afrika. "In Marokko wurde nach einer,Reuter'- Meldung vom Donnerstag der Hiaina- stamm, welcher fich dem Prätendenten ange schlossen Hatte, von den Truppen des Sultans vollständig geschlagen, deren Befehls haber dem Sultan 150 Köpfe, 175 Gefangene und zahlreiches Vieh übersandt hat. Die Ruhe im Hiainagebiet ist wiederhergestellt. «--»»«MS— " -1'—. —S K Hruggold. 33) Roman von Anna Seyffert-Klinger. (Norisetz»!!,.) Anni entfaltete bei dem frugalen Abendbrot, das ihr übrigens vortrefflich mundete, thatsäch- lich soviel Liebenswürdigkeit und hinreißende Heiterkeit, daß fie alle entzückte und fich die Herzen der Männer zurückeroberte. Man war hier seit langem nicht so angeregt gewesen wie nach dem ausgestandenen Schreck und in Gesellschaft dieses übermütigen, lebens sprudelnden Gastes! Anni merkte recht bald, daß fie gefiel, das spornte fie noch besonders an, all ihre gesellschaftlichen Talente ins Treffen zu führen. So übermütig hatte man fie noch garnicht gesehen, ihr Helles Lachen klang bis in den stillen Hof hinaus, nach dem das Eß zimmer gelegen war. Plötzlich wurde heftig an der Hausglocke ge zogen. Der Doktor selbst ging hinaus, um zu öffnen. Klarius stand vor ihm. „Ich wollte nur wissen, wo ich meine Frau zu suchen habe," sagte er mit erhobener Stimme nach kurzem Gruß. Ewald nötigte ihn ins Zimmer. „Ihre Frau Gemahlin befindet fich in meiner Familie, sie ist hier, denke ich, gut aufgehoben. Hoffent lich find Sie derselben Ansicht, Herr Klarius." Oskar verneigte fich, dann küßte er der Hausfrau die Hand. „Selbstverständlich bin ich ganz Ihrer Anficht, Herr Doktor, doch glaube ich, daß es nun Zeit für meine Gattin sein dürste, mit mir heimzukehren." Sein Erscheinen und noch mehr der Ton seiner Stimme brachten einen grellen Mißklang in die harmlose Fröhlichkeit. „Ich habe dir durch den Kutscher ein Billet geschickt und dir mitgeteilt, daß ich die Nacht bei meinen Freunden zu bleiben wünsche," rief Anni trotzig. „Ich weiß von keinem Billet," lautete die schroffe Entgegnung. „Du wirst mich sogleich begleiten, ich wünsche es so." Anni erhob sich. Sie kämpfte mit den Thränen. Was blieb ihr übrig, als jetzt nach zugeben? Ein ehelicher Zwist in Gegenwart der Freunde — wie demütigend für fie! „Habe Dank für alle Freundlichkeit, liebe Käthe, ausgeschoben ist nicht aufgehoben," sagte sie, bemüht, ihren Unmut zu beherrschen. Sie hatte schon die Handschuhe über die Finger gestreift. Die Herren tranken noch ein Glas Wein zusammen. Ein paar steife, kalte Worte wurden gewechselt, dann erhob Klarius fich wieder. Käthe hätte wohl gern für die Freundin gebeten, doch ein leises Zeichen ihres Gatten, das er ihr mit den Augen gab, ließ fie ver stummen. Der Abschied war kühl und hastig. Es war keine Viertelstunde seit Klarius' Erscheinen ver flossen, als die Equipage schon mit dem Ehe paar in die sternenhelle Nacht hinausrollte. Auni war so verbittert, daß fie vorläufig schwieg, weil es ihr überhaupt an Worten fehlte. Klarius hatte fich eine Zigarre angezündet. Er blies den Rauch in kunstgerechten Ringen durch die Nase, ein Zeichen bei ihm, daß er sich in vortrefflicher Stimmung befand. Zwischen beiden Gatten gähnte ein breiter, leerer Platz, jedes von ihnen lehnte in einer Ecke, dem andern halb den Rücken zuwendend. In den Gärten sangen die Nachtigallen und durch die Bäume ging es wie ein Flüstern, das Mondeslicht schien alles ringsum ver zaubert zu haben. Am Wege leuchteten Glüh würmchen wie Märchenblumen aus dem tau feuchten Grase hervor. Die Herzen der Gatten aber blieben kalt und ungerührt. Klarius rechnete, und die junge Frau sann, auf welche Weise fie fich am besten fchadlos halten könne. Sie zürnte allen, dem Gatten, dem Künstler und dem „hochmütigen" Dr. Siemann. Plötzlich wandte Klarius ihr voll sein Ge sicht zu. „Höre, du," sagte er mit jener Ruhe, die einem Sturm voranzugeh:n pflegt, „ich lasse mich nicht von dir lächerlich machen, merke dir das." Anni fuhr auf. Ihre Augen blitzten ihn an wie zürnende Sterne. „Was soll diese Be merkung ? Ich verbitte mir dergleichen —' „Nur nicht so kühn, mein Kind. Bei aller Freundschaft zu Heinrich Winkler: wenn sein Bruder, dieser Hungerleider, dein Gesicht irgend einer Nymphe oder sonstigen Göttin einverleiben sollte, so würde ich dagegen mit aller Ent schiedenheit Protest erheben." Anni atmete kaum. Sie erwiderte kein Wort mehr, doch eine heimliche Angst schnürte ihr die Brust zusammen. Sie kannte ihren Gatten zur Genüge und wußte, daß er eS nicht bei leeren Drohungen bewenden lassen würde. Abg. Graf OrioIa (nat.-lib.) verlangt energisch die Vorlage eines MtlitärpenfionSgesetzeS. Die gegen wärtige Mnarulage dürfe da kein Hindernis sein. Auch im Interesse deS Zusammenstehens im Kampfe gegen die Sozialdemokratie liege die bessere Regelang der Militärpensionen. Abg. Hahn (Bd. d. Landw.) hält dies eben falls für eine Ehrenpflicht, und ist gleichfalls der Meinung, im Interesse des Kampfes gegen die Sozialdemokratie müsse möglichst jeder Grund zur Unzufriedenheit beseiiigt werden. Wa« die Wahl- rechtS-Novelle anlange (Wahlgeheimnis), so sei e» doch sehr auffällig, daß sie gerade jetzt eingebracht werden solle. ES sehe das aus wie eine Belohnung der Obstruktion. Für den Mittelstand werde tat sächlich nicht genug gesorgt. DaS Handwerk bedürfe des Befähigungsnachweises, vor allem das Bau handwerk. Zu den Regierungen könne man trotz allem, was Graf PosadowSky gesagt habe, nicht da» Vertrauen haben, daß bei denHandelSvertragS-Ver- handlungen daS Interesse der Landwirtschaft hin reichend werde berücksichtigt werden. Seine Freundt würden in den Wahlkampf mit der Forderung der Minimalzölle hineingehen. Abg. Arendt (freikons.) verteidigt dem Vor redner gegenüber die Zustimmung der Freikonser vativen zum Zolltarif. Was da» bestehende Wahl recht anlange, so drohe diesem nicht von rechts eine Gefahr, sondern höchstens von links. Wer einen sozialdemokratischen Wahlzettel abgebe, gefährde daS Wahlrecht. Bezüglich des Empfanges der Buren- generale scheint fich der Reichskanzler eines recht ungeschickten Unterhändlers bedient zu haben. Agg. Stöcker (kons.) hält den Sozialdemo kraten die wohlverdiente Niederlage vor, welche sie anläßlich ihrer Obstruktion gegen den Zolltarif er- litten hätten. Und angesichts dieser Schlappe solle man sich da» Neujahrs-Gedicht des .Vorwärts' ansehen (Redner verlieft es). Wenn man so etwas lese, möchte man doch lieber gleich zum Kret». phyfikus schicken, Alle guten Elemente unter den Arbeitern sollten sich zusammenschließen, dann werde eS gleich mit den Sozialdemokraten aus sein. In Arbeiterkreisen christlicher Organisation erhebe sich jetzt bereits starke Abneigung gegen den sozialdemo- kr'tischen Terrorismus. Alle anderen Parteien sollten sich die Hand reichen, dann sei e» mit der Sozialdemokratie aus. DaS sei sein Wunsch- Hierauf wird ein Antrag auf Debatteschluß an genommen und einige wichtigere Teile deS Etat» werden der Budgetkommisston überwiesen. Nächste Sitzung: Donnerstag. PrrnMchrr Landtag. DaS Abgeordnetenhaus überwies am Donners tag den Gesetzentwurf betr. die Befähigung zum höheren Verwaltungsdienst nach längerer Beratung an eine Kommission von 21 Mitgliedern. Ron Uah and Fern. Die Hofj-rgd im Grunewald abgesagt. Die Hosjagd im Grunewald, welche im Laufe des Januar statifinden sollte, ist abgesagt worden; es wird nun in dieser Forst überhaupt keine Jagd mehr seitens des Hofes veranstaltet, da ein Teil des Wildes nach anderen Wal dungen übergesührt werden soll, während der Rest in einem zehn Jagen umfassenden Gehege beim Jagdschloß Grunewald untergebracht wird. Ein Zylinder der Lokomotive platzte, als am Dienstag abend der von Kotlbus in Dobrilugk - Kirchhain eingelaufene Schnellzug wieder anfahren wollte. Der rechte Zylinder flog beim Hineinströmen des Dampfes ausein ander und seine Teile flogen nach allen Seiten hin. Ein etwa dreißig P und schweres Eisen« siück flog über das benachbarte Postgebäude hinweg und fiel auf dem Droschkenhalteplatz Vor dem Bahnhof nieder. Der in der Nähe der Lokomotive weilende Stationsbeamie Rudolph, an dem größere Eisenstücke dicht vor beisausten, kam mit dem bloßen Schrecken davon. Dreiviertel Stunden dauerte es, bis die bischädigte Maschine durch eine andere ersetzt werden und der Zug nach Halle weiterfahren konnte. Märkische Wegelagerer. Auf einem Omnibus, der zwischen Rymow und Rathenow verkehrt, ist ein räuberischer Uebersall ausgesührt worden. Zwischen Hohennauen und Elslaake erkietlerten Wegelagerer den von Fahrgästen besetzten Wagen und holten vom Verdeck einige der von den Reisenden mitgebrachten Pakete herab. Bevor man eigentlich wußte was vor ging, waren die Straßenräuber mit ihrer Beute im Dunkel des Waldes verschwunden. Und das Kunstwerk, dessen Hauptfigur h e Züge trug, befand fich bereits auf dem Wege nach Rom. Dort besaß Hans in seinem Ver wandten, dem Baron Albers, einen mächtigen Gönner, welcher sür das . Werk einen Käufer zu finden hoffte, dem es beim Honorar auf ein paar Tausende nicht ankam. „Ich dulde es auch nicht, daß du mich mit Stillschweigen abfertigst," fuhr Klmius nach einer Pause mit erhobener Stimme fort; „das wäre ja nett, wenn du deinen Mann, dem du alles zu danken hast, dafür mit Nicht achtung strafst l" „Sprich doch nicht so laut. Der Kutscher hört jedes Wort. „Wie du mir, so ich dir." Seine Stimme dämpfte fich unwillkürlich ein wenig. „Glaubst du, daß es angenehm ist, wenn die Dienstboten sich gegenseitig bei meinem Erscheinen zulächeln? „Die Gnädige respektiert den Herrn nicht, da haben es auch fie nicht nötig. Die Gnädige ist im Hause stumm wie ein Fisch, und draußen bei Doktors ging es hoch her, da hättet ihr fie sehen sollen." . . . Nein, mein Kind, zu einem solchen Narren eigne ich mich nicht. Du wirst auch zu Hause den Mund hübsch aufthun, oder —" die Stimme hatte fich schon wieder bedenklich erhoben. Anni legte beschwichtigend, wie beschwörend ihre kleine Hand auf des Gatten Arm. „Wenn du nur wüßtest, welche schreckliche Stunde wir durchlebt haben!" Und nun erzählte fie von dem Unfall der kleinen Lisa. „Danach, als wir erkannten, daß die Kleine mit ein paar Schram men davongekommen war, atmeten wie alle
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